Wolfgang Clement

Bewerbung um die künftig freiwerdende Stelle als Leiter der Bundesanstalt für Arbeit

Sehr geehrter Herr Clement,

„Fördern und fordern“ dieses geniale Konzept haben Sie sich nun ausgedacht, um die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu beseitigen. Richtig so, darauf warte ich nun schon seit einigen Jahren. Endlich wurde erkannt, dass nur die Eigeninitiative eines Jeden seine Probleme lösen kann. Der Wille ist der Weg zum Erfolg! Daran glaube ich seitdem der FC Bayern München im Jahr 2000 doch noch in letzter Minute Meister geworden ist. Unser aller Nationaltorhüter Olli hat das schon immer erzählt. Wenn das mit den Bayern mal ausnahmsweise nicht klappt liegt es nur daran, dass Zweifler und Ungläubige in der Mannschaft sind. Es kann keinen anderen Grund haben.

Aber nun zum eigentlichen Grund meines Schreibens. Ich bin einer der 4.351.973 Arbeitslosen in Deutschland und das nun schon seit einigen Jahren. Deshalb kenne ich mich mit Arbeitslosigkeit gut aus.

Nun seien wir mal ehrlich. So gut hat der Herr Gerster seinen Job doch gar nicht gemacht. Sie meinen zwar, dass es besser wird, aber der große Wurf ist ausgeblieben. Und wie lange wurschtelt der schon rum. Ich glaube deshalb, dass es langsam Zeit wird für eine Stellenneubesetzung. Jeder Fußballverein hätte den doch schon lange wieder an die Luft gesetzt. Und wenn Sie in der Presse behaupten, sie stünden zu ihm, weiß ich aus dem Gebaren der Fußballvereine doch was das wirklich bedeutet. Also wird demnächst Gersters Stelle vakant sein.

Solche Stellen werden leider nicht öffentlich ausgeschrieben und damit der arbeitslosen Bevölkerung nicht zugänglich gemacht. Deshalb ergreife ich jetzt die Initiative und bewerbe mich schon mal. Ich habe nämlich verstanden:.)

Sicherlich – mir ist durchaus klar, dass Sie glauben ich sei für den Job nicht ausreichend qualifiziert. Schließlich habe ich meine eigene Arbeitslosigkeit trotz intensiver Bemühungen und mehrerer Fortbildungen bisher nicht verhindern können. Aber ich habe auch viel Zeit zum Nachdenken und für die Entwicklung neuer Ideen gehabt, wie das Problem der Arbeitslosigkeit in Zukunft in den Griff zu bekommen ist.

Ich habe da allerdings einen anderen Ansatz als Sie. Wenn ich es richtig verstehe, versuchen Sie 4.351.973 Arbeitslose in 367.042 offene Stellen zu quetschen. Ich glaube nicht, dass das wirklich funktionieren wird. Welcher Arbeitgeber besetzt eine Stelle mit mehr als zehn Menschen? Jeder würde nur 0,084 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zu bestreiten haben, vorausgesetzt es handelte sich um Vollzeitarbeitstellen. Das sind nur 3,5 Stunden wöchentlich bei einer 40 Stunden-Woche Dabei wissen wir beide, dass die meisten doch gar nicht so lange arbeiten. Ich glaube nicht, dass die von Ihnen avisierten Ziele der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit und der Urlaubsverkürzung uns da wirklich weiterbringen. Davon abgesehen, wie viele Stellen gibt es, von der ein Mensch in unserem Land von 0,084 Prozent des Gehaltes leben kann? Will man 1.000 € im Monat verdienen, müsste eine Vollzeitstelle pro Monat ca. 11.900 € netto Gehalt erbringen, bei den Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ein horrendes Bruttogehalt. Ich glaube die sind eher rar. Und wir können ja nicht alle nur managen, irgendwer muss doch auch noch richtig arbeiten.

Eine naheliegende Lösung des Arbeitslosenproblems wäre ja eine Arbeitszeitverkürzung. Normalerweise sollte das Arbeitsplätze schaffen. Aber ich nehme an, das wäre Ihnen zu arbeitnehmerfreundlich, sähe nach Sozialdemokratie aus und kommt deshalb nicht in Frage. Aber egal, es geht auch anders.

Jeder glaubt, die Reduzierung der Arbeitslosigkeit erfolge durch Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das funktioniert doch seit Jahren schon nicht. Das wird auch nicht in Zukunft funktionieren, Aufschwung hin oder her. Die zunehmende Automatisierung auch im Dienstleistungsbereich und die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland – wo sollen denn da noch die vielen Arbeitsplätze geschaffen werden? So viele Filialen wird McDonalds hier auch nicht aufmachen.

Deshalb muss das Problem auf anderem Weg gelöst werden. Ich würde alles daran setzen, dass einfach weniger Menschen Arbeit suchen, weil es sie einfach nicht mehr gibt. Die Gesundheitsreform Ihrer Kollegin Schmidt ist da ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auf Dauer werden wir dadurch sicherlich zu einer Reduzierung von Arbeitssuchenden – und als angenehmen Nebeneffekt auch der Rentner – kommen. Bis das wirklich durchgreift wird es sicher aber noch ein paar Jahre dauern.

Außerdem halte ich die Reform für unvollständig. Geben Sie der Frau Schmidt doch mal den Tipp, dass durch Verbot von Antidepressiva und jeglicher psychotherapeutischer Behandlung die Kosten der Kranken- und sogar der Rentenversicherung erheblich gesenkt werden können. Die arbeitslosen Psychologen werden durch die Arbeitsnachfrage im Bestattungsbereich und die Einsparungspotentiale wettgemacht.

Eine weitere Idee: Lassen Sie uns mehr Gefängnisse bauen. Die Insassen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung, können sich also keine Sozialleistungen erschleichen. Endlich würden keine Verbrecher mehr frei rumlaufen und neue Stellen für Justizvollzugsbeamte würden geschaffen. Da können dann die arbeitslosen Arbeitsamtsmitarbeiter anfangen. Um möglichst viele Verbrecher einzusperren, braucht man natürlich auch mehr Polizei, Staatsanwälte und Richter – und ein härteres Strafgesetzbuch mit neuen Straftaten. Da würde ich eng mit dem Bundesjustizminister zusammenarbeiten. Falls kein Geld für den Bau von Gefängnissen da sein sollte, könnte man auch ein bevölkerungsarmes Bundesland – ich denke da konkret an Mecklenburg – Vorpommern – evakuieren, einzäunen und die Insassen sich dann selbst überlassen. In dem Film „Die Klapperschlange“ von John Carpenter wurde diese Idee auch schon recht anschaulich präsentiert. Solange kein hohes Tier da mit dem Flugzeug reinstürzt und überlebt, dürfte das unproblematisch sein.

Auch das Außenministerium würde ich um Amtshilfe bitten. Mehr Einsätze in Krisengebieten führen zwangsläufig zu immer neuer Nachfrage nach Beschäftigten. Fragen Sie George W. – den alten Fuchs. Der würde sich bestimmt auch freuen, wenn die Deutschen ihm zur Seite stünden, denn dann wäre sein Volk vielleicht auf Dauer mehr für Kriege zu begeistern. Der kann auch helfen, falls mal die Krisengebiete ausgehen sollten.

Dann – und ich weiß, dass ich damit ein „heißes Eisen“ anpacke – würde ich einfach mal gucken, wie viele Gastarbeiter wir noch haben. Ich habe so das unbestimmte Gefühl, dass in den letzten Jahren da ein bisschen geschlampt und vergessen wurde, dass Gäste eigentlich nur auf begrenzte Zeit eingeladen werden. Weil ich auf meinem Arbeitsamt die Sprachen der mit mir Wartenden nicht verstehe, glaube ich, dass viele Gastarbeiter mittlerweile gar nicht mehr arbeiten, sondern nur noch gastieren. Die können doch endlich wieder in ihre Heimat und müssen sich nicht hier langweilen und unnütz fühlen. Sicherlich sind sie zu höflich, um sich einfach aus dem Staub zu machen. Sie wollen ihr Gastland nicht im Stich lassen. Aber ein Leben in einem Land, dessen Sprache und Kultur man nicht versteht ist auch kein Zuckerschlecken. Ein klärendes Wort von qualifizierter Stelle würde dieses Missverständnis und damit jede Menge Arbeitsloser beseitigen.

So glaube ich, das Heer der Arbeitslosen ruck zuck um ein paar Milliönchen reduzieren zu können – und für den Rest wird mir sicherlich auch noch was einfallen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig, denn dieses Land braucht schließlich seine Arbeitslosen, auf denen herumgehackt werden kann. Wenn ein Volk keinen Sündenbock hat, richtet sich der Volkszorn sonst womöglich noch gegen die Regierung. Und das wollen wir ja nicht. Schließlich würde das doch gar keinen Sinn machen, denn die Geschichte hat doch gezeigt:
Die Deutschen kriegen einfach keine richtige Revolution auf die Beine, sie brauchen immer ein Feindbild und jemanden, der ihnen sagt, wer das gerade ist. Es bliebe also wie immer alles beim Alten, nur (einige) Gesichter würden ausgetauscht.

Zum Schluss meines Bewerbungsschreibens muss ich noch einen Punkt ansprechen. Wir alle wissen, dass Leute in solchen Toppositionen mindestens 100 Stunden in der Woche arbeiten. Sie können sicherlich verstehen, dass ich Schwierigkeiten hätte so quasi von null auf hundert durchzustarten. Deshalb fände ich es – auch aus Solidarität mit anderen potentiellen Bewerbern – durchaus angebracht, die Stelle mit mehreren Leuten zu besetzen. Das Gehalt reicht sicherlich auch für vier Arbeitslose, zumal es dann immer noch entschieden mehr sein wird, als die ~294 €, die es bald nur noch gibt. Außerdem ist eine 25-Stunden -Woche generell nicht so anstrengend und da bleibt der Kopf dann frei für kreative Ideen. Das steigert dann die Produktivität. Vielleicht sollten in der Wirtschaft alle sich mal ein Stück weit mehr Freiräume gönnen – dann klappt es auch mit dem Aufschwung. Wir sollten dann mal ausdiskutieren, inwieweit man überstunden verbieten sollte. Das schafft dann auch Arbeitsplätze und die Leute bleiben gesünder. Das dürfte auch Ihre Kollegin Schmidt interessieren, allerdings… dann leben die Menschen auch länger, das ist natürlich wieder nicht gut für die Rentenversicherung. Aber das kann man ja vielleicht auch anders lösen – einfach Rentner nicht mehr ärztlich behandeln.

Ach ja, wenn ich dann in Nürnberg anfange, brauche ich aber erst einen Gehaltsvorschuss. Schließlich habe ich kein Geld für den Umzug, einkleiden müsste ich mich auch. Aber da kann man bestimmt Geld aus der Renovierung der Chefetage abzwacken. Das fällt doch gar nicht auf.

Anfangen könnte ich sofort, es liegt jetzt nur noch an Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Herr Fischer

*Diese Bewerbung schrieben Petra und ich am 12. August 2003. Leider haben wir nie eine Antwort darauf erhalten.*

www.gruendercheck.com

© 08.2003

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