Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Eltern mögen mich scheinbar nicht mehr, weil sie mir seit Jahren nahe legen, dass ich ausziehen soll. Ich empfinde das als sehr abwertend und unverschämt, weil die mich ja damals unbedingt haben wollten und nun unbedingt loswerden wollen. Ich kann das nicht verstehen. Ich bin pflegeleicht und freundlich. Ich mache nicht ins Bett, räume mein Zimmer immer auf und trage immer frische Unterwäsche. Wenn nötig gehe ich einkaufen und trage den Müll runter. Ich bringe selten Freunde und noch seltener Frauen mit. Ich bete jeden zweiten Abend und ziehe mich am Sonntag extra fein an.
Ich möchte nicht alleine leben, weil ich das auch gar nicht kann. Seit 24 Jahren werde ich von meinen Eltern immer wieder aufgefordert auszuziehen, doch ich mag einfach nicht. Wo soll ich mit meinen 44 Jahren denn auch hin? Ich habe sehr viel Angst alleine zu wohnen und zu verderben. Die Welt da draußen ist ja voller Gefahren. Das sehe ich täglich auf RTL und Sat1.
Deshalb wollte ich sie fragen, ob sie mich nicht aufnehmen können? Ich würde auch nicht viel Arbeit machen und könnte mich auch nützlich machen. Ich habe einen Beruf gelernt. Ich bin Elektriker. Ich könnte also in Ihrer Einrichtung kleine Reparaturen selbst durchführen. Dazu möchte ich von Ihnen nur ein Zimmer und ein Badezimmer und regelmäßige Mahlzeiten, weil ich nicht kochen kann. Außerdem habe ich noch nie Wäsche gewaschen. Vielleicht können Sie mir das ja beibringen.
Ich würde Ihnen das auch bezahlen. Ich bekomme Arbeitslosengeld II und würde Ihnen das überlassen, wenn Sie sich im Gegenzug um mich kümmern. Wenn Sie mir nicht weiterhelfen können, wäre es toll, wenn Sie mir sagen könnten, wer mir helfen kann. Lange kann es nämlich nicht mehr dauern bis meine Eltern mich rauswerfen. Davor habe ich Angst.
Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und bitte Sie, dass Sie meinen Eltern nichts von meinem Schreiben verraten.
Bis bald
Arndt
Mit Ihrer Anfrage sind Sie in unserem Kinderheim gelandet. Bei uns werden Minderjährige betreut, und wir arbeiten in allen Fällen im Auftrag des Jugendamtes.
Ihre Anfrage macht deutlich, dass Sie nach einem Lösungsweg aus Ihrer familiären Krise suchen. Wir sind da nicht der richtigen Ansprechpartner. Ich möchte Ihnen raten, Kontakt zu einer Familienberatungsstelle zu suchen, die Ihnen sicherlich weiterhelfen koennen.
Viel Erfolg und freundlicher Grußi.V. Herr U.
Einrichtungsleitung
© 02.2015