September 1989

Ausbildung zum Energieelektroniker
Ich bin 19 Jahre alt, habe keine Freundin und lebe mit meinen Eltern in deren Wohnung. Ich bin ein unmotivierter Typ, der gerne Filme schaut und sehr faul ist. Leider mag es die Gesellschaft nicht, dass ich einfach nur nichts mache, weshalb die Zeit der Entspannung jetzt vorbei ist. Das Leben wird ab sofort noch ernster, denn ich beginne eine Ausbildung zum Energieelektroniker bei der Firma Westfalia in Lünen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ein Energieelektroniker so macht und ob ich machen will, was ein Energieelektroniker macht. Ich mache das nur, weil es so üblich ist, dass man eine Ausbildung macht. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann würde ich das nicht tun. Eine Ausbildung passt nicht zu mir, dass war mir schon früh klar. Und ich will kein Auszubildender sein. Ich mag das Wort nicht einmal.


Erste Schultage
Noch bevor ich den Betrieb kennenlerne, beginnt die Schule zur Ausbildung. Sofort wird mir klar, dass es nur Unterrichtsfächer gibt, die mir nicht liegen. Alles ebenso unverständlich und langweilig, wie damals der Physikunterricht. Und das muss ich mir nun dreieinhalb Jahre antun. Keine Ahnung, wie das gehen soll. Völlig uninteressanter Unterricht. Scheiße.
Die ganzen Mitschüler sind mir suspekt. Meine drei Kollegen, die ebenfalls bei der Westfalia Ihre Ausbildung machen, sind allesamt besser als ich und scheinen sich vorher über den Beruf informiert zu haben. Sie machen genau das, was sie machen wollten. Ich mache einfach nur mit und hoffe, es irgendwie zu überstehen.

Meine drei Kollegen sind, bis auf die Tatsache, dass sie Energieelektroniker werden wollen, auf den ersten Blick recht unterschiedlich. Einer hat ein Sprachproblem, denn er stottert, vor allem, wenn er nervös ist. Aber er wirkt sehr motiviert und interessiert. Er wird sicher später in seinem Beruf aufgehen. Kollege Nummer 2 hört auf den Namen Sam und scheint auch zu wissen, was er hier will und was er in seinem Leben erreichen will. Er wirkt sehr selbstbewusst und scheint sich zu mögen. Wirkt wie ein Sohn aus gutem Hause. An seiner Stelle würde ich keine Ausbildung machen, sondern einfach nur Sohn sein. Der dritte im Bunde ist ein Pole. Ich glaube, dass ich mit ihm gut auskommen werde. Warum weiß ich aber nicht.


Erste Arbeitstage
Schon mein erster Arbeitstag ist ein einziger Schock. Wir bekommen Arbeitskleidung. Blaue Arbeiteruniformen und dazu passend stylische, braune Sicherheitsschuhe. Spätestens bei der Anprobe weiß ich, dass ich alles bei meiner Berufswahl falsch gemacht habe. Arbeitskleidung widert mich an. Und es wird nicht besser. Man zeigt uns den Betrieb. Furchtbare Hallen mit lauter Arbeitern. Wie soll ich mich in so einer Umgebung wohlfühlen? Das kann doch alles nicht wahr sein. Auf was habe ich mich da nur eingelassen?

Nach wenigen Arbeitstagen weiß ich, dass mir der Beruf nicht gefällt. Ich bin kein Handwerker und ich hasse es mich dreckig zu machen und in kalten Hallen meine wertvolle Zeit zu verbringen. Und die Arbeitszeiten lassen meine Laune täglich weiter sinken. Mitten in der Nacht aufstehen, um ab sechs Uhr hier abzuhängen, ist alls andere als akzeptabel. Ich habe mir einen persönlichen Alptraum geschaffen. Und alles nur, weil ich nicht wusste, was ich tat. Verdammt.

Ein Kommentar

  1. Ich habe ein paar Mal leise gelacht. Mit diesem Einblick, mit diesen Beitrag hast Du mich dazu gebracht, zum ersten Mal über mich und meinen Ausbildungsstart lachen zu können. Bisher hat mich das alles nur deprimiert und ich muss es tief verdrängt haben. Vielleicht ist es sogar so, dass ich mit dem Wissen, auch anderen ist es ähnlich ergangen, diesen meinen verkorksten Höhepunkt erst so richtig anschauen mag. Ich erinnere eine Szene, die ich rückblickend auch lustig finde: Ich kam nach einem langen Tag im Ausbildungsbetrieb nach Hause. Und obwohl ein Bekannter anwesend war, hob ich meinen Rock, um die gehasste Feinstrumpfhose – die ich tragen musste! – direkt auszuziehen, weil ich sie auf der Haut nicht mehr ertrug. Ich muss dabei sehr viel Bein – vermutlich sogar mehr – gezeigt haben, denn der Bekannte erzählte davon noch zwanzig Jahre später.

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