Der geplatzte Termin und andere Erkenntnisse
Der erste Tag des Oktobers beginnt vielversprechend. Um 07.17 Uhr klettere ich aus meinem Bett und werde von der Sonne angestrahlt. Das perfekte Wetter, um meinen Benz gründlich reinigen zu lassen. Um 09.00 Uhr habe ich deshalb einen Termin bei Werni´s Automobilpflege. Dort wird mein Benz von Innen und Außen gereinigt und anschließend poliert. Darauf freue ich mich schon seit ich mir den Gutschein für diese Reinigung vor einigen Monaten bei Groupon gekauft habe. Ein sauberer Benz ist für mich eine sehr wichtige Sache. Und in wenigen Stunden wird der Benz in neuem Glanz erstrahlen. Um 08.14 Uhr klingelt mein Smartphone, welches ich vor wenigen Wochen von Agnes geschenkt bekam. Ich hätte mir so ein Teil vermutlich nie gekauft, möchte es nun aber nicht mehr missen. Agnes möchte ich auch nicht mehr missen. Und das liegt nicht nur daran, dass sie mir immer so tolle Geschenke macht. Doch zurück zum Anruf. Es ist der Chef von Werni´s Automobilpflege. Einer seiner Mitarbeiter hat sich krank gemeldet und nun muss er meinen Termin absagen. Ich bin den Tränen nahe, ist doch heute der perfekte Tag für eine Autopflege. Wir vereinbaren einen neuen Termin. Nächsten Montag soll es sein. Und ich bete schon jetzt, dass es ein sonniger Tag wird. Nicht auszudenken, wenn es an dem Tag regnet und mein gepflegter Benz sofort wieder versifft wird. Bei dem Gedanken daran könnte ich weinen. So viel dazu, dass der Tag vielversprechend anfing.
Ich gehe runter zu meinem Arzt, weil ich vier Überweisungen brauche. Hautarzt, Augenarzt, Psychotherapie und Orthopäde. Kein junger, gesunder Mensch braucht so viele Überweisungen auf einmal. Ich bin alt geworden. Vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis ich mehr Zeit bei Ärzten als mit Frauen verbringe. Das macht mir Angst, weshalb ich mich direkt nach dem Mittagessen auf den Balkon setze und vor mich hin denke. Mir fällt ein, dass ich zwei Dinge, die ich dieses Jahr tun wollte, noch immer nicht getan habe. Vermutlich werde ich beides auch nicht mehr tun. Denn für Sex im Freien ist es bald zu kalt und für einen Discobesuch bin ich wohl zu alt. Es ist erschreckend und bedingt frustrierend, das festzustellen. Bevor ich weitere Dinge erkenne, die ich nicht zu erkennen bereit bin, lese ich ein Buch. Trocken von Augusten Burroughs. Ein gutes Buch.
Telefonate und ein Kurzbesuch
Agnes ruft an und wir plaudern fröhlich frei über dies und das und auch über das und dies. Würde ich heiraten und mit einer Frau zusammen leben wollen, dann wäre sie die Auserwählte. Nicht nur wegen der Geschenke, die sie mir immer macht. Aber ich heirate nicht und ziehe auch mit niemandem zusammen, weil ich ein gestörtes Individuum bin. Wir reden über unseren letzten Sex. Das war geil. Ist immer geil. Doch bevor wir das vertiefen können, klingelt es an der Tür und wir beenden unser Gespräch, denn meine Eltern sind gekommen, um sich meinen neu gestalteten Balkon anzusehen. Sie finden ihn gelungen. Ich übrigens auch. Nicht immer liefern Handwerker schlechte Ergebnisse.
Später sitze ich auf dem Sofa und betrachte meine Hände. Das sind keine Arbeiterhände. Keine Ahnung, warum mir das jetzt auffällt. Ich starre noch etwas ratlos auf meine Hände und dann nur noch so vor mich hin, als das Telefon plötzlich klingelt und mich aus meiner Starre befreit. Manni ist der Anrufer und wir reden etwas über das Arbeitsleben. Er rät mir davon ab, zu arbeiten. Ich bin sofort überzeugt, dass es ein guter Rat ist. Wir wechseln das Thema und reden über Griechenland und Spanien. Die Leute dort merken wenigstens, dass sie pleite sind. In Deutschland ist da leider noch niemand, der etwas zu sagen hat, so weit. In Griechenland und Spanien gehen aber, im Gegensatz zu Deutschland, Leute auf die Straße, um zu protestieren. Die Deutschen sind da leider noch nicht so weit. So beschließen wir, am kommenden Freitag auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Eine gesperrte Straße soll es sein, damit uns niemand überfährt und wir niemanden stören. So wollen wir unseren Unmut kundtun. Mit kleinen Schritten zur großen Revolution. Vielleicht machen wir aber auch was ganz anderes. Je nachdem, wie das Wetter ist.
Undercover Boss
Am Abend gucke ich Undercover Boss. Das passiert mir leider öfter. Und je öfter ich das gucke, desto sicherer bin ich, dass Chefs entweder irgendwo am Fließband hergestellt werden oder in diversen Schulungen so gleichförmig geformt werden. Der Chef in der Sendung hat, wie sollte es anders sein, Schwierigkeiten, die Arbeit im Betrieb zu verrichten. Die Stimme aus dem Off versucht die Sache spannender zu machen. Untermalt wird alles von dramatischer, rührender und auch irgendwie verzweifelter Musik. Ich freue mich schon auf die Geschenke, die die Mitarbeiter im abschließenden Gespräch vom Chef bekommen. Wenn ich nicht immer kotzen müsste, wenn ich diesen Unsinn sehe, würde ich sicher Tränen der Rührung vergießen. Bin ich vielleicht ein kaltherziges Arschloch? Heute gibt es eine Ballonfahrt geschenkt. Spontan möchte ich applaudieren, frage mich dann aber wozu. Mir gefällt bei dieser Sendung nicht, dass die Geschenke für die Mitarbeiter so unterschiedlich teuer sind. Würde ich eines der günstigen Geschenke bekommen und dann im TV sehen, dass andere bessere Geschenke bekommen, würde ich mich sofort schlecht und minderwertig fühlen. Das ist doch diskriminierend was da abgeht. Warum gucke ich mir so einen Blödsinn eigentlich an? Ich hätte einen Film gucken oder mir einen runterholen sollen, aber wie so oft, habe ich keine Lust auf mich und kann mich auch für keinen Film entscheiden. Der Chef schleimt einen Mitarbeiter voll und schenkt ihm einen Flug nach Kuba. Ich fände es geil, wenn er mit einem Heißluftballon nach Kuba transportiert würde. Der nächste Mitarbeiter darf nach Amerika fliegen. Der Chef sagt „Wir fliegen Dich hin und zurück.“ Als ob der Chef jemanden irgendwo hinfliegen würde. Gerade freue ich mich, dass es endlich vorbei ist, da wird bei Extra eine Art Fortsetzung angekündigt. Der Chef und einer der Mitarbeiter werden Freunde. Schon wieder bin ich den Tränen nah. Sind es Tränen der Verzweiflung? Bevor ich tatsächlich erste Tränen verliere, tritt Undercover Wallraff auf. Ich sollte auch mal Undercover auftreten und irgendwas verändern. Ich fühle mich dazu berufen, endlich Gutes zu tun und Menschen glücklich zu machen. Doch wie stelle ich das an? Während ich nachdenke, was es für mich bedeutet, dass der Undercover Boss nun der Freund eines seiner Mitarbeiter geworden ist, RTL nennt es Der Manager und der Müllman, muss ich spontan an M&M ́s Schokolinsen denken. M&M, Manager und Müllmann. Schokolinsen. Verrückt. Während ich nun das Gefühl habe, langsam völlig verrückt zu werden, spielen Müllmann und Manager zusammen am Kicker. Der Manager wird vermutlich jetzt Kult. Wann werde ich Kult? Reicht es, einen Müllmann einzuladen, muss ich erst Manager werden oder habe ich einfach nicht das Zeug zum Kultstar? Ich könnte Deutschlands sympathischster Arbeitsloser werden. Bevor ich ernsthaft darüber nachdenke, wie ich ein Kultkürtel werde, esse ich ein paar Salzstangen und schaue stumm und verwirrt auf den Bildschirm. Ist es das, was man Leben nennt? Und wenn ja, wie geht das? Spontan schalte ich den Fernseher aus, putze meine Zähne und bitte Agnes mich anzurufen. Ich hatte einen harten Tag und brauche Trost.
Schulden und andere Erkenntnisse
Kaum öffne ich den Briefkasten, strahlt mich schon ein Brief vom Jobcenter an. Das kann nix Gutes sein und ist auch nix Gutes. Aus meinem Einkommensteuerbescheid resultiert ein Guthaben in Höhe von 152€. Die Dame vom Jobcenter möchte wissen, wann das Geld auf meinem Konto einging. Am 02. März. Da ich seit dem 01. März wieder ein richtiger Arbeitsloser bin, werde ich die 152€ leider zurückzahlen müssen. In Zukunft werde ich darauf verzichten, eine Zeit lang zu arbeiten, denn das bringt nur Scherereien und am Ende muss ich Geld zurückzahlen, das ich längst ausgegeben habe. Ich sollte unverzüglich anfangen zu sparen, denn die wollen das Geld sicher schon bald von mir zurückgezahlt bekommen. Hätte ich bloß nie eine Steuererklärung abgegeben und das verdammte Geld nie erhalten. Bin schon gespannt, was für beschissene Überraschungen dieser Tag noch zu bieten hat. Weil mich das alles deprimiert, verzichte ich darauf, zu duschen und verlasse den Rest des Tages die Wohnung nicht mehr. Denn wenn ich hier bleibe, kann weniger passieren und ich spare Geld. Und das ist wichtig, weil ich dem Jobcenter Geld schulde und die sicher kein Verständnis dafür haben, wenn ich ihnen mitteile, dass ich es nicht auf einmal zurückzahlen kann.
Der Rest des Tages verläuft dementsprechend ruhig. Ich telefoniere mit Agnes, esse ein Stück Kuchen und setze mich anschließend vor den PC. Dort sitze ich mehrere Stunden, ohne irgendwas Sinnvolles zu tun. Später schalte ich den Fernseher ein. Land sucht Liebe. Wie gelähmt schaue ich den armen Kreaturen dabei zu, wie sie ihre große Liebe suchen. Eines Tages werde ich bestimmt auch in so einer Sendung vorgeführt. Das macht mir Angst. Nachdem die Sendung überstanden ist, mache ich etwas zu essen und lege einen Film in die Playstation. Tombstone. Mir fällt auf, dass ich meine Playstation fast nur für Filme benutze. Zum Spielen benutze ich sie immer seltener. Eigentlich brauche ich keine Playstation. Vermutlich brauche ich das meiste, was ich habe, nicht wirklich. Nur gut, dass ich mir Vieles irgendwann nicht mehr leisten kann. Dann brauche ich auch nicht weiter darüber nachdenken, was ich mir als nächstes kaufe und ob ich es überhaupt benötige. Nach dem Film, es ist mittlerweile 22.46 Uhr, gehe ich ins Bett und bitte Agnes mich anzurufen. Und wie mittlerweile jeden Abend macht sie das auch. Wir reden, bis ich zu müde bin, um weiter zu reden und einschlafe.
Ein weiterer trostloser Tag
Mittwoch. 07.27 Uhr. Der Wecker möchte, dass ich aufstehe. Ich möchte aber nicht aufstehen und schalte ihn aus.
09.17 Uhr. Die Sonne strahlt mich an. Ohne einen Grund zu haben, stehe ich auf. Dabei könnte ich vermutlich genauso gut den ganzen Tag im Bett liegen. Ich freue mich tatsächlich, dass heute Feiertag ist, denn so kann ich wenigstens keine unangenehme Post bekommen.
Gegen Mittag verlasse ich meine Wohnung, um meine Eltern zu besuchen. Ich trage meine Wohnungsstrickjacke, die man wirklich nur in der Wohnung tragen sollte und bin noch immer ungewaschen. Früher wäre ich so nicht auf die Straße gegangen. Früher scheint lange vorbei zu sein. Das Wetter ist überraschend angenehm. Kein Wetter jedenfalls, um den ganzen Tag in der Wohnung zu verbringen, doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Bei meinen Eltern bekomme ich leckeres Essen. Draußen zieht es sich zu. Das schöne Wetter muss wohl weg. Ich muss auch weg, weil ich nicht nass werden möchte.
Kaum zu Hause angekommen setze ich mich vor den PC, um mir etwas zu bestellen. Drei Blu Rays für 21 Euro. Ich bin zufrieden und verbringe die nächsten zwei Stunden damit, einfach nur dazusitzen. Dann esse ich ein Stück Kuchen und telefoniere mit Agnes. Anschließend mache ich mir Baguettes und stelle fest, dass ich unangenehm rieche. Weil ich heute nicht mehr ausgehen werde und keinen Besuch erwarte, muss ich an dem Zustand jedoch nichts ändern. Die Zeit vergeht und auf RTL2 läuft Privatdetektive im Einsatz. Eine Sendung für schlichte Gemüter und solche, die es werden wollen. Da ich beschlossen habe zu verwahrlosen, schalte ich nicht ab, sondern beobachte die Schwachköpfe, die in der Sendung präsentiert werden. Die Verblödung der Menschheit ist wirklich nicht mehr zu stoppen. Ich kann gut verstehen, dass ich Menschen nicht besonders mag und die meiste Zeit in meiner Wohnung verbringe. Kaum sind die Privatdetektive vorbei, kommt der nächste hohle Unsinn. X-Diaries. Mir fehlen die Worte. Wie paralysiert sitze ich vor dem Fernseher und kann mich nicht bewegen. Blödheit unverblümt präsentiert. Und das gibt es mittlerweile täglich und auf fast allen Kanälen. So haben nutzlose Lebewesen plötzlich doch einen Nutzen. Ich habe gar keinen Nutzen. Bin ich vielleicht das nutzloseste Lebewesen auf Erden? Vielleicht sollte ich mich bei einer dieser zahlreichen Sendungen bewerben. Dann käme ich ins Fernsehen und könnte in meinem Lebenslauf schreiben, dass ich Schauspieler bin. Und vielleicht gibt es für so Auftritte auch Zertifikate. Zertifikate kann man nie genug haben. Bei X-Diaries sind plötzlich alle nackt. Die Intimbereiche werden aber gepixelt, damit die Zuschauer nicht zu geil werden und direkt vor den Fernsehern onanieren, masturbieren oder was es da sonst noch gibt. Sehr fürsorglich von RTL2. Lustlos schalte ich mich weiter durchs Programm und erstarre wenige Augenblicke später erneut. Vox zeigt „Plötzlich Reich“. Fassungslos betrachte ich die Idioten, die mir da präsentiert werden. Trivial-TV in Vollendung. Es ist ganz klar, die Deutschen sind vollkommen verblödet. Anders lässt sich diese Flut an schwachsinnigen Sendeformaten nicht erklären. Zeit für eine Blu Ray auf der Playstation. Dirty Harry. Der ist gut. Das tut gut. Später gibt es Champions League. Dortmund in Manchester. Ich bin ja alles andere als ein Fan der Dortmunder, doch heute bin ich sehr angetan von ihnen. Wenn sie nur nicht so viele Chancen auslassen würden. Als es sich am Ende tatsächlich rächt und Manchester den Ausgleich schafft, habe ich genug gesehen und gehe ins Bett. Agnes erhält die Aufgabe, mich am Telefon in den Schlaf zu begleiten. Macht sie wie immer gut. Wieder bin ich meinem Ableben einen Tag näher gekommen.
Unnütze Kollegin
Donnerstag. Als der Wecker um 07.27 Uhr klingelt, schlafe ich seit mindestens einer Stunde nicht mehr wirklich. Dennoch brauche ich bis 08.02 Uhr bis ich aufstehe. Es regnet heftig und ich bin wenig begeistert von der Tatsache, dass ich nachher ins Büro muss. Bedeutet es doch, dass ich heute duschen muss. Zum Frühstück gibt es zwei Rosinenschnitten. Dazu gibt es, wie an jedem Morgen, drei Tabletten. Omega-3 Lachsöl 1000, hepa-loges und zu guter Letzt Neuroplant. Ohne diesen Tablettencocktail kann ich nicht leben. Zumindest bilde ich mir das ein. Ich rufe beim Orthopäden an, um einen Termin zu vereinbaren. Doch entweder es ist besetzt oder es geht niemand ran. Zwei Stunden versuche ich es, dann endlich bekomme ich meinen Termin. Da ich heute ins Büro muss und ich dort nur mit dem Benz hinkomme, zumindest, wenn ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen will, muss ich zur Garage. Das hasse ich immer dann Besonders, wenn das Wetter so beschissen ist wie heute. Und so bin ich trotz Schirm erfrischend nass, als ich die Garage erreiche.
Im Büro geht der Wahnsinn weiter. Um 12.00 Uhr haben zwei Besucher gleichzeitig ihre Termine. Ich erkläre meiner Kollegin, dass ich für den Neukunden und sie für den Bestandskunden zuständig ist. Sie ist einverstanden. Der Neukunde erscheint etwas früher. Kaum habe ich angefangen, seine Bewerbungsunterlagen zu erstellen, meldet sich meine Kollegin zum Rauchen ab. Kein Problem, ist ja erst 11.50 Uhr. Doch als ihr Kunde um 12.00 Uhr zu seinem Termin erscheint, ist von der Kollegin weit und breit nichts zu sehen. Weil ich noch beschäftigt bin, muss er draußen warten. Als ich mit dem Neukunden fertig bin, bitte ich den anderen Kunden herein und schreibe seine Bewerbungen. Von der Kollegin auch weiterhin keine Spur. Als alles erledigt und der Kunde gegangen ist, taucht die Kollegin mit erstauntem Gesicht und den Worten „Wie? Keiner mehr hier?“ auf. Ich spare mir einen Kommentar dazu. Später nimmt meine eifrige Kollegin einen Anruf entgegen. Jemand fragt, wie lange wir geöffnet haben. Sie sagt, dass bis 17.00 Uhr geöffnet ist und vermittelt den Eindruck, dass jeder einfach jederzeit ohne Termin vorbeikommen kann. Mir fehlt jegliches Verständnis für solche Aktionen. Noch weniger Verständnis habe ich, dass meine fleißige Kollegin, obwohl sie eigentlich um 14.00 Uhr Feierabend hat, nicht verschwindet und weiter im Büro rumhängt. Dies, so erklärt sie mir, liegt daran, dass sie erst später von ihrer Schwester abgeholt werden kann. Die „Überstunden“, die beim Warten entstehen, feiert sie bei Gelegenheit ab. Lächerlich. Als sie endlich gegangen ist und ich den letzten Termin des Tages wahrnehme, geht die Tür auf. Es ist die Frau, die vorhin mit meiner schwachsinnigen Kollegin telefoniert hat und deshalb denkt, dass sie jederzeit hereinspazieren und sich ihre Bewerbungsunterlagen erstellen lassen kann. Als ich ihr erkläre, dass sie einen Termin braucht und ich heute keine Zeit mehr habe, wird sie sehr wütend. Sie fragt, warum man ihr das nicht am Telefon gesagt hat, schüttelt den Kopf und knallt die Tür hinter sich zu. Sie wird uns sicher nicht weiterempfehlen. Ich liebe unfähige Kolleginnen. Gut, dass ich nichts zu sagen habe, sonst wäre meine Kollegin längst entlassen oder gar eingeschläfert worden. Nutzlose Mitarbeiter braucht kein Mensch.
Ein ganz normaler Samstag
Da ich nichts mit mir anfangen kann, lege ich mich gegen 14.00 Uhr ins Bett und liege einfach nur so da, ohne zu schlafen und ohne Musik zu hören. Während ich das mache, kommen mir ein paar Gedanken zu meinem Leben. Ich resümiere, dass die Höhepunkte, sexuelle und nicht sexuelle, derzeit etwas rar gesät sind. Das soll nicht heißen, dass mein Sexleben schlecht ist. Im Gegenteil. Ich habe großartigen Sex. Und da liegt das Problem. Der Sex ist zu gut, um ihn nicht mindestens jede Woche zu haben. Sobald eine Woche um ist, werde ich unzufrieden und bekomme üble Entzugserscheinungen. Und Entzugserscheinungen sind Scheiße. Aber vermutlich besser als regelmäßiger schlechter Sex. Bis 18.00 Uhr mache ich nichts weiter als dazuliegen und gelegentlich an Sex zu denken. Dann stehe ich auf und gucke die Sportschau. Nach der Sportschau besucht mich Manni ganz spontan. Wir reden, schalten nebenbei durchs Fernsehprogramm und stellen fest, dass wir gestern nicht zum Protestieren auf die Straße gegangen und außerdem in diesem Jahr nicht einmal am Wochenende ausgegangen sind. So beschließen wir, dass wir am nächsten Samstag ausgehen. In die Marlene. Das ist eine neue Bar in Dortmund für das Publikum ab 28. Ob wir das wirklich tun, darf bezweifelt werden. Zu alt und lethargisch scheinen wir für solche Unternehmungen. Weil unser Gespräch lange dauert, es schon spät ist und ich müde bin, findet das Gute Nacht Gespräch mit Agnes zum ersten Mal in dieser Woche nicht statt.
Verkaufsoffener Sonntag
Am Nachmittag fahren Manni und ich spontan nach Dortmund und weil verkaufsoffener Sonntag ist, gehen wir in das eine oder andere Geschäft. Verkaufsoffene Sonntage sind nichts für mich. Viel zu viele Menschen drängen sich durch die Geschäfte und sind mir im Weg. Außerdem tun mir die Verkäufer leid. Es ist Sonntag, da sollten sie entspannen und nicht arbeiten. Verkaufsoffene Sonntage gehören abgeschafft. Später setzen wir uns ins Cottons und gucken Frauen mit kleinen Ärschen nach. Erneut fragen wir uns, wie wir es schaffen konnten, so wenig aus unseren Leben zu machen. Und erneut können wir es nur damit erklären, dass wir Mutanten ohne Funktion sind. Bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Auch heute glauben wir noch, dass wir am nächsten Samstag ausgehen. Es bleibt abzuwarten, wie lange wir von unserem Plan überzeugt sind und ob wir ihn in die Tat umsetzen werden.
Am Abend besucht mich Petra. Wir gucken Street Kings und plaudern über dies und das. Nachdem Petra gegangen ist, mache ich mich bettfertig und führe das Gute Nacht Gespräch mit Agens. So endet eine typische Lebenswoche und eine neue kann beginnen.
Werni´s Automobilpflege
Pünktlich liefere ich meinen Benz bei Werni´s Automobilpflege ab. Das Wetter ist perfekt und ich freue mich schon, den Benz in einem super Zustand zurückzubekommen. Erneut hat sich ein Mitarbeiter von Werni´s Automobilpflege krank gemeldet, weshalb es etwas dauern kann, bis ich meinen Benz abholen darf. Um 13.30 Uhr soll es soweit sein. Finde ich nicht besorgniserregend.
Als ich pünktlich um 13.30 Uhr bei Werni´s Automobilpflege erscheine, steht der Benz schon draußen. Auf den ersten Blick sieht er gut aus. Ein Mitarbeiter weist mich darauf hin, dass die Motorhaube nichts geworden ist und dass sie eine Grundreinigung benötigt. In der Tat sieht die Motorhaube unwürdig aus. Der Mitarbeiter sagt, dass mich eine Grundreinigung nur 160€ kosten würde und die Motorhaube danach mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% wieder top aussieht. Zur Demonstration zeigt er mir ein anderes Fahrzeug, bei dem die Motorhaube vorher ebenso unschön aussah wie bei meinem Benz. Obwohl die Motorhaube in der Tat besser aussieht, sieht sie noch lange nicht gut aus. Vor allem die Politurreste, die natürlich noch beseitigt werden, stören mich. Überzeugen geht anders. Je genauer ich mir meinen Benz angucke, desto unwürdiger finde ich seinen Zustand. Reinigung und Politur kosten normalerweise 90€. Weil ich nur ein Drittel bezahlt habe, steige ich schnell in meinen Benz und brause davon.
Zurück an meiner Garage betrachte ich deren Werk genauer. Überall Politurreste. Als wenn ein Blinder versucht hätte, sie zu entfernen. Oder jemand, der zu wenig Zeit hatte, um ordentlich zu arbeiten. Der Innenraum hingegen sieht auf den ersten Blick ordentlich aus. War vermutlich auch nicht schwer, war er doch auch vorher schon in keinem schlechten Zustand. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Scheiben einfach kreisförmig mit einem nassen Lappen abgewischt wurden. Auf den Trockenvorgang mit einem trockenen Lappen wurde verzichtet, weshalb ich jetzt dieses Kreismuster auf den Scheiben habe. Und dann besitzen die Leute bei Werni´s Automobilpflege die Frechheit, sich Profis oder Experten zu nennen. Schmierfinken sind das. Alles in allem bin ich von der Reinigung wenig begeistert und hätte mich, wenn ich 90€ dafür bezahlt hätte, sicherlich beschwert. Für einen Preis von 30 € ist das Ergebnis gerade noch ausreichend, weil der Benz, solange man nicht genauer hinsieht, den Eindruck erweckt, dass es in einem guten Pflegezustand ist. Empfehlen kann ich Werni´s Automobilpflege deshalb nicht. Nächstes Jahr gehe ich wieder zur Pflegewerkstatt meines Vertrauens. Denn da gibt es gute Leistung zu einem guten Preis.
Heizlüfter
Lange Zeit habe ich einen sehr alten Heizlüfter benutzt, um mein Bad aufzuwärmen. Im Winter holte ich ihn aus dem Keller, stellte ihn ins Bad und vor dem Duschen an. Doch so ein alter Heizlüfter verbraucht Strom und ist hässlich. Außerdem hatte er keinen festen Platz, was das Gesamterscheinungsbild des Bades irgendwie ruiniert hat. Daher kaufte ich mir einen neuen Heizlüfter. Dieser ist optisch eine feine Sache und kann fest an der Wand installiert werden. Ich befestige ihn an der Wand, schalte ihn ein und bin sofort enttäuscht. Die Heizkraft kann nicht mit der des alten Lüfters mithalten. Außerdem stinkt er und ist laut. Bin schon gespannt, wie er den ersten Alltagstest bestehen wird.
Am Abend ist es so weit. Das Bad ist gut gekühlt, ich schalte den Heizlüfter ein, schließe die Tür und gebe dem Lüfter zehn Minuten das Bad zu erwärmen. Als ich nach zehn Minuten zurück ins Bad komme, kann ich nicht wirklich feststellen, dass die Temperatur sich groß verändert hat. Was sich verändert hat, ist die Luft. Sie ist so schlecht, dass mir fast schlecht wird. Dennoch steige ich in die Dusche und lasse den Stinker laufen. Außer am Gestank und dem Geräusch merke ich nicht, dass er läuft. Von dem Gestank könnte ich unverzüglich umfallen. Wenn es neben dem Aussehen etwas gibt, das für den Heizlüfter spricht, dann ist es die Tatsache, dass er die Spiegel davon abhält zu beschlagen, weil er direkt über ihnen angebracht ist. Zu mehr scheint er tatsächlich nicht zu taugen. Ich habe jetzt schon Angst vor dem Winter und davor im Winter duschen zu müssen. Der Heizlüfter ist ein weiterer Beweis dafür, dass Aussehen nicht alles sein kann.
Der Verfall und ein ratloser Arzt
Nachdem ich vier Wochen konsequent die Sprunggelenksbandage getragen habe, bin ich erneut beim Orthopäden, um ihm zu sagen, dass wir etwas anderes versuchen müssen. Leider ist der Arzt vom letzten Mal nicht da. Der Arzt, der heute da ist, sagt, dass er nun keine weiteren Ideen hat und sich die Schmerzen nicht erklären kann. Ich sage ihm, dass der Arzt, der zuletzt hier in der Praxis war und meinen Fuß untersucht hat, meinte, dass eine Sprunggelenkarthroskopie eine Option wäre. Dieser Arzt sagt, dass eine solche Untersuchung zwar ganz nett ist, aber nicht wirklich etwas bringt, weil ja bisher auch nichts festgestellt wurde. Sein Vorschlag. Röntgenstrahlen. Die werden immer dann angewendet, wenn keiner mehr weiter weiß. Und es besteht eine kleine Chance, dass es tatsächlich hilft. Hilflos schaue ich zuerst meinen Fuß, dann den Arzt und abschließend seine entzückende Helferin an. Mein Fuß ist eine Ruine, mein Arzt hilflos und seine Helferin würde ich mir gerne mal gönnen. Weiter bringt mich das alles nicht und so verlasse ich mit einer Überweisung zur Strahlentherapie die Praxis. Irgendwie hatte ich mir das Ganze anders vorgestellt.
Eine Frau aus der Vergangenheit
Als ich ins Büro komme, sind neben der Bürgerarbeiterin und der schwachsinnigen Kollegin noch ein Mann und eine Frau da. Der Mann sitzt am hinteren Schreibtisch, die Frau direkt vor meinem. Ich kenne sie und überlege, ob sie mein erster Termin ist, denke dann aber, dass die beiden zusammen wohl gehören und ich mich damit nicht beschäftigen muss. So grüße ich in die Runde und bis auf die Frau grüßen alle zurück. Die Frau und ich haben uns zuletzt vor mindestens 20 Jahren gegrüßt. Seitdem liefen wir uns zwar immer mal wieder über den Weg, schenkten uns aber keine Beachtung. Nun sitzt sie hier und ich fühle mich unbehaglich. Damals haben wir uns nicht nur gegrüßt, sondern auch Zeit zusammen verbracht. Also nicht wir zwei allein, denn damals war ich noch nicht so weit, um Zeit alleine mit einer Frau zu verbringen. Damals hatte ich noch nicht einmal einen Führerschein. Wir waren damals meist zu viert, manchmal waren wir sogar noch mehr, saßen zusammen auf einem Spielplatz und zogen durch die Straßen. Eines Tages hörten wir damit auf und redeten fortan kein Wort mehr miteinander. Vermutlich konnte sie mich nicht mehr leiden oder ging mir auf den Keks. Am wahrscheinlichsten ist, dass es an mir und meiner netten Art lag, dass wir danach nie wieder redeten und uns nicht einmal mehr grüßten. Ich schloss damals gerne, noch lieber als ich es heute tue, Leute, die mir irgendwie nutzlos vorkamen oder mich nervten, aus meinem Leben aus. Weil es sich nicht vermeiden lässt, treffen sich unsere Blicke schon nach kurzer Zeit. Ich grinse sie kurz an und nicke dabei freundlich. Das ist eine der schwachsinnigen Gesten, die ich mir irgendwann im Laufe meines Lebens angewöhnt habe und seitdem nicht mehr loswerde. Das mache ich oft, wenn ich nicht weiß, wie man sich angemessen verhält. Sie grinst zurück und spricht mich mit meinem Namen an. Wieso erinnert sie sich denn an meinen Namen? Wir kommen ins plaudern. Oder sollte ich sagen, es entsteht eine seichte Unterhaltung mit auflockernden Witzen, die ich ab und zu in den Raum werfe? Sie erinnert sich sogar auf welche Schule ich ging. Ich sage ihr, dass mich das auch nicht weiter gebracht hat und ich nun hier sitze und Leuten Bewerbungen schreibe, obwohl ich Menschen nicht besonders mag und sie mir meist auf den Keks gehen. Sie antwortet, dass es früher schon so war, dass ich Menschen nicht besonders leiden konnte. Das finde ich erstaunlich. Zum einen, weil sie sich daran erinnert, zum anderen deshalb, weil ich mich nicht daran erinnern kann, dass ich das früher auch schon so zum Ausdruck gebracht habe. Was man so alles erfährt, wenn man sich mit Leuten unterhält, die einen schon vor vielen Jahren kannten. Weil sie sich an so Sachen erinnert, denke ich darüber nach, was ich noch von ihr weiß. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie eine kleine Schwester hat. Sicher bin ich mir da natürlich nicht. Weitere Gedanken mag ich mir nicht machen. Stattdessen mache ich noch ein paar meiner albernen Witze, ernte den einen oder anderen Lacher, dann muss ich für einen anderen Besucher Stellenangebote suchen und Bewerbungen schreiben. Als ich damit fertig bin, íst die Frau längst gegangen und ich frage mich, ob wir uns in Zukunft grüßen oder ob wir uns auch weiterhin nicht beachten. Zwischenmenschliche Interaktionen und ihre Folgen haben mich schon immer verwirrt.
Energieverbrauch
Agnes hat meinen Energieverbrauch analysiert und folgendes festgestellt. 80% meiner Energie nutze ich zum meckern. Sie sagt, wenn ich mal stumm und lethargisch bin, was oft vorkommt, dann ändert sich das schlagartig, sobald ich etwas finde, worüber ich meckern kann, denn dann kommt sofort Leben in mich. 15% der Energie brauche ich, um an meinem Blog zu schreiben. Und 5% für Filme. Ich bin von den Werten nicht vollends überzeugt. Erscheinen mir 5% für Filme doch etwas wenig und außerdem fehlt mir noch mein Benz in ihren Aufführungen. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass sie der Meinung sein könnte, dass ich Energien sinnlos verschwende. Und so wie ich sie kenne, hat sie damit am Ende sogar Recht. Das ist irgendwie deprimierend.
30 Euro gespart
Briefe vom Jobcenter lösen auch nach vielen Jahren noch Unbehagen bei mir aus. So auch heute. Dabei gibt es heute eine gute Nachricht. Statt, wie erwartet 152 €, also die gesamte Steuerrückzahlung, muss ich nur 122€ ans Jobcenter zurückzahlen. 30€ sind irgendeine Pauschale, die ich behalten darf. Das ist wirklich mehr als ich je zu hoffen gewagt habe. Vielleicht werde ich eines Tages doch noch ein vermögender Arbeitsloser.
Möglicherweise deprimierend
Am späten Nachmittag teilt Manni mir mit, dass er am Abend nicht nach Dortmund fahren mag. Weil ich genau das erwartet habe, bin ich nicht enttäuscht. Früher hätte ich vermutlich versucht, ihn umzustimmen, doch früher ist lange vorbei. Und langsam finde ich mich damit ab, am Wochenende nicht mehr auszugehen. Das Leben findet schließlich auch in der Woche meistens ohne mich statt, wieso sollte es da am Wochenende anders sein? Außerdem quälen mich seit ein paar Stunden Magenschmerzen. Und weil mich Magenschmerzen immer irgendwie runterziehen, ist es möglicherweise besser, wenn ich nicht ausgehe. So verbringe ich dieses Wochenende wie die meisten Wochenenden. Ich gucke Filme, gebe kein Geld aus und erlebe nichts, was mir nicht gut tut oder mich aufregen kann. Ich muss keinen Versuchungen widerstehen, werde nicht von Frauen belästigt und muss meinen Bauch nicht einziehen, damit niemand merkt, dass es sich nicht lohnen würde, meinen Bauch anzufassen. Irgendwie ist das beruhigend und stressfrei. Wieder habe ich eine Stufe des Lebens verlassen und eine andere betreten. Und mit jeder Entwicklungsstufe rückt das Ableben näher. Und je ereignisloser das eigene Leben ist, desto leichter fällt es mir sicher, eines Tages abzutreten. Zumindest hoffe ich es, denn sonst wären Wochenenden wie dieses doppelt übel. Und weil mein Leben ist wie es ist, ich bin wie ich bin, mache ich das, was ich am besten von allen Dingen, die ich kann, kann. Ich gucke Filme. Dazu trinke ich Pfefferminztee und versuche nicht darüber nachzudenken, dass das Leben so viel mehr zu bieten hat, wenn man beschließt, daran teilzunehmen. Mit ganz viel Glück werde ich all dies später nicht bereuen. Dummerweise glaube ich nicht an so viel Glück. Aber ich glaube daran, dass ich in diesem Jahr mehr Filme gucken werde als im letzten Jahr. Und das ist immerhin etwas, worauf ich stolz sein kann. Auch wenn ich jetzt das Gefühl habe, dass ich mir da gerade etwas schön zu reden versuche. Bevor mich meine Gedanken noch mehr verwirren, lege ich die erste Blu Ray in meine Playstation ein. Men in Black 3. Mein Abend mit mir hat begonnen. Zu dem Film reiche ich mir Gastritol und Nuxal für meinen Magen. Kaum ist der Film vorbei, gucke ich den nächsten Film. Ghost Rider 2. Der Film passt perfekt zu meinen Magenschmerzen. Und so nimmt der Tag ein deprimierendes Ende und die Magenprobleme stellen sich auf einen längeren Aufenthalt bei mir ein.
Die Nacht beginnt, wie es zu befürchten war. Meinem Magen geht es nicht gut und mir ist kalt. So kalt, dass ich eine Decke nehmen muss. Das sieht nach einer vielversprechenden Nacht aus und wie zu erwarten, wache ich in der Nacht öfter wegen meiner Magenschmerzen auf. Glücklicherweise schlafe ich immer wieder recht schnell ein. Den Wecker, der mich täglich um 07.27 Uhr weckt, habe ich ausgestellt, dennoch endet die Schlafenszeit nicht viel später. Und so stehe ich um 07.47 Uhr mit unangenehmen Magenschmerzen und leichten Panikattacken auf. Fast wie zu meinen besten Zeiten, als Magenschmerzen mein ständiger Begleiter waren. Weil diese alten Zeiten immer schrecklich waren und mich völlig deprimiert haben, fällt es mir schwer, nicht zu Diazepam oder Promethazin zum Frühstück zu greifen. Keine Ahnung warum ich so diszipliniert bin. Dabei weiß ich doch, dass die Chemie mir gut tut. Während ich über die Einnahme befreiender Substanzen nachdenke, fällt mir ein, dass jetzt Formel 1 im TV gezeigt wird. Vielleicht lenkt mich das ab. Und so sitze ich pünktlich zum Start vor dem Fernseher. Zum Rennen reiche ich mir Gastritol und Nuxal. Diszipliniert verzichte ich auch weiter auf Promethazin oder Diazepam. Ob ich diese Disziplin lange halten kann, wird sich zeigen. In meinem Zustand zum Training zu fahren scheint mir leider nicht möglich. Dabei ist Sport so gesund. Doch anscheinend gibt es immer Gründe, die mich daran hindern, mehr als zweimal in der Woche zum Sport zu gehen. Von mir aus kann der Tag jetzt enden oder ich in ein Koma fallen, bis es mir wieder besser geht. Doch nichts davon wird passieren. Stattdessen geht es mir schlechter. Vielleicht wäre es wirklich gut, wenn mein Leben bald mal endet. Rumquälen ist einfach nix für mich. Beim Formel 1 gucken, schlafe ich mehrfach kurz ein. Nach dem Rennen gucke ich auf VOX „Glück ist lernbar! Die Formel für ein besseres Leben.” Genau mein Thema am richtigen Tag. Und es verhindert, dass ich dem Impuls, mir einen Bleistift in den Hals zu rammen, nachgebe. Nach der Sendung beschließe ich glücklich zu werden. Leider vergesse ich solche Beschlüsse meist sehr rasch wieder. Doch für den Moment tut es mir gut, klingt nach einer sinnvollen Aufgabe und einem guten Lebensziel.
Winterblues
Meine Hoffnung, mein Tief wäre nur von kurzer Dauer, scheint sich zu zerschlagen. Abgesehen von den ersten Minuten nach dem Aufstehen geht es mir auch heute mies. Mein Magen ist unzufrieden, verursacht Übelkeit und Sodbrennen und meine Stimmung ist meinem Magen angepasst. Es ist Herbst. Und das bedeutet, dass es bald nur noch dunkel sein wird. Und das ist mit zunehmendem Alter immer übler für mich. Herbst und Winter haben was von Stillstand und Verwesung. Antriebslosigkeit verbreitet sich noch weiter und das ohnehin geringe Interesse am Leben, schwindet noch mehr. Der Reiz des Lebens erlischt und es beginnt die Zeit des Wartens. Warten auf den Frühling, warten auf Antrieb und Motivation. Doch außer dem Frühling habe ich nicht wirklich etwas zu erwarten. Antrieb und Motivation kommen, wenn überhaupt, nur sporadisch zu mir. Und ehrlich gesagt, glaube ich auch gar nicht, dass ich darauf warte. Warten ist nämlich meist albern und bringt einen nicht weiter. Manche nennen diesen Zustand Winterblues, saisonal abhängige Depression, doch ich bin ja nicht nur saisonal bedingt depressiv, ich steigere meine Verstimmungen nur in den dunklen Monaten ein wenig. Anstatt nun endlich zu Promethazin zu greifen, nehme ich weiter nur Nuxal und Gastritol und trinke Tee. Als ob das irgendwas bewirkt. Ich bringe eigentlich die besten Voraussetzungen mit, Alkohol, Drogen- oder wenigstens Tablettenabhängig zu werden, doch ich weigere mich auch weiter strikt dagegen. Ebenso vehement, wie ich mich weigere, am Leben teilzunehmen oder ein anständiges, angepasstes Mitglied dieser Gesellschaft zu werden. So kann echt nix aus mir werden. Hätte ich wenigstens einen guten Bildungsabschluss bzw. mir einen Doktortitel erschummelt, dann stünden mir Tür und Tor auf, aber selbst diese Dinge kamen mir nie in den Sinn. Also bleibt es bei der Erkenntnis, dass ich ein depressiver Verweigerer bin, der es in diesem Leben zu nix bringen wird. Winterblues hin oder her.
Schüsse am Seepark
Am Samstag besuche ich zusammen mit Agnes zum ersten Mal den Seepark in Lünen und bin zunächst durchaus angetan. Allerdings hält meine Begeisterung nicht lange an und endet gegen 17.00 Uhr schlagartig, als ich sehe, wie ein Schwarm Kanadawildgänse startet, die Stille von einem Schuss durchdrungen wird und eine der Kanadawildgänse getroffen vom Himmel fällt. Sofort frage ich mich, ob das am Seepark normal ist, dass dort Verrückte auf Kanadawildgänse schießen. Oder schießen die gar auf alles, was sich bewegt? In Zukunft verzichte ich aus gesundheitlichen Gründen auf Besuche des Seeparks. Ist mir zu gefährlich. Außerdem mag ich keine weiteren Tiere vom Himmel fallen sehen. Gibt mir einfach nichts.
Der merkwürdige Plan der Augenärztin
Am Montag bin ich erneut in der Augenarztpraxis. Es gibt einen Sehtest, ich muss Punkte erkennen und es werden meine Pupillen erweitert, bevor die Augenärztin meine Augen untersucht. Wie schon beim letzten Mal ist auch heute die streng wirkende Augenärztin für mich zuständig. Sie scheint gründlich zu arbeiten, verwirrt mich dann aber mächtig, weil sie den Zustand meiner Augen völlig anders beurteilt als ihre Kollegin. Sie findet die Ergebnisse der GDX-Untersuchung besorgniserregend, meinen Augendruck von 15 zu hoch. Weil ich erblich vorbelastet bin, möchte sie meinen Augendruck auf 8-10 senken. Dazu schreibt sie mir Augentropfen auf und erklärt mir die Nebenwirkungen. Meine Wimpern wachsen vermutlich davon und werden schwarz, aber das sei nicht so schlimm und muss nicht passieren. Vielen Patienten macht das auch gar nichts aus. Außerdem kann um die Augen herum irgendwas komisch aussehen, was aber sofort nach Absetzen wieder gut wird. Jedenfalls findet sie, dass ich diese Tropfen, Latanoprost, unbedingt nehmen soll. Meine Frage nach homöopathischen Alternativen verneint sie. Es gibt absolut keine homöopathischen Alternativen zu Latanoprost. Ich bin skeptisch und will die andere Augenärztin zurück. Es gibt fast immer Alternativen. Bei der abschließenden Untersuchung stellt sie fest, dass meine Hornhautverletzung plötzlich zurückgegangen ist und freut sich darüber sehr. Ich hingegen bin nur noch verwirrt und komme mir vor wie ein ärztliches Experiment.
Zu Hause nutze ich das Internet, um mich über Latanoprost zu informieren. Die Nebenwirkungen sind enorm und es bildet sich nicht alles zurück, wenn das Zeug abgesetzt wird. Außerdem darf man es auf keinen Fall verwenden, wenn man eine Hornhautschädigung hat. Das finde ich besorgniserregend, fingen doch meine Probleme mit einer Hornhautverletzung an. Außerdem wird ein Augendruck von 10 – 20 als normal bezeichnet. Warum also soll ich an meinem Augendruck herum manipulieren? Ärzten darf man echt nicht einfach so vertrauen, sonst wird man schneller zu einem Pflegefall als einem lieb ist. Oder verändert sein Aussehen, ohne es zu wollen. Und so beschließe ich, dass ich das Rezept nicht einlöse und der Ärztin beim nächsten Besuch in vier Wochen sage, dass ich nicht gut finde, was sie tut. Es sind meine Augen, nicht ihre. Soll sie sich doch ihre Wimpern wachsen und ihre Iris nachdunkeln lassen.
Geschmackserlebnis
Es kommt durchaus vor, dass ich gelegentlich Orangensaft trinke. Meist versteckt er sich in einem Tetrapack, bevor ich ihn befreie und austrinke. Bevorzugt trinke ich mittlerweile Direktsaft und bin durchaus zufrieden. Jetzt habe ich wieder Lust auf einen Orangensaft und mache etwas, was mir zunächst etwas unsinnig erscheint. Ich kaufe, weil Agnes mir dazu rät, frisch gepressten Orangensaft, 500ml für 2,99 Euro, und frage mich, warum der so teuer ist und ich ihn innerhalb von 48 Stunden verbrauchen soll. Ich öffne die Flasche und werde förmlich von natürlicher Frische überwältigt. Völlig verwirrt nehme ich einen Schluck. Sofort läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Das ist echt sauer und schmeckt tatsächlich natürlich frisch. Das muss es sein, was man als natürlichen Geschmack bezeichnet. Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren mal eine Orange probiert habe, die mich geschmacklich ähnlich überraschte. Und nun habe ich das Geschmackserlebnis erneut. Ich kann förmlich spüren, wie die Natur meinen Körper durchströmt und trinke einen weiteren Schluck. Unfassbar. Der Unterschied zu den Säften in den Tetrapacks ist immens. Ich weiß nicht, ob ich je wieder solche Säfte trinken kann, jetzt wo ich weiß, dass es auch anders geht.
Zwei Tage später kaufe ich mir erneut eine Flasche frisch gepressten Orangensaft und freue mich abermals wie ein Kind. Sofort fühle ich mich viel jünger und vitaler. Ob es noch mehr so Sachen gibt, die ich probieren sollte? Wieso hat mir früher niemand gesagt, dass frische Sachen lecker sein können? Und werde ich noch weitere Erfahrungen dieser Art machen? Es bleibt spannend und aufregend zugleich.
Small Talk
Seit einigen Tagen trainiere ich nachmittags, weil ich morgens während der depressiven Monate einfach nicht früh aufstehen mag, um mich ins Fitnessstudio zu schleppen. Nachmittags ist meine Fitness obendrein besser und im Fitnessstudio gibt es leckere Frauen fürs Auge. Gerne schaue ich mir diese Frauen während des Trainings an. Peinlich wird es immer dann, wenn die Frauen mich bemerken und anschauen. Ich werde dann immer ganz nervös und weiß gar nicht, wohin ich gucken und wie ich mich verhalten soll. Können die nicht so tun, als würden sie mich nicht bemerken? Heute benutze ich den Crosstrainer und beobachte eine Trainerin. Ich bin ganz angetan von ihrem Hintern. Und so folgen meine Augen dem Hintern fast auf Schritt und Tritt. Und während meine Augen ihr und ihrem Hintern folgen, schwant mir Böses. Denn so wie es aussieht, redet die tatsächlich mit allen Trainierenden. Mir wird ganz mulmig. Was, wenn sie auch mit mir reden will? Ich kann so etwas nicht. Ich habe nix zu sagen und Small Talk ist einfach nichts für mich. Erst recht nicht mit einer Fremden. Wenige Minuten später wird es ernst. Sie kommt auf mich zu. Ich tue so, als würde ich es nicht bemerken, da spricht sie mich auch schon an. „Du trainierst sehr gleichmäßig.“ – „Findest Du?“ – „Ja. Ist mir schon von da hinten aufgefallen.“ Ein wirklich guter Einstieg ins Gespräch. Sie macht so etwas wohl öfter. Ich sage, dass das so sein soll und wir schweigen. Muss ich jetzt irgendwas sagen? Sie steht neben mir und sieht gut aus. Jung, knackig, frisch. Aber ich fühle mich unwohl. Soll ich ihr sagen, dass ich ihren Hintern toll finde und das schon, als er noch da hinten war? Besser nicht. Wieso wird mir auf einmal so warm? Sie bricht das Schweigen. „Ist das Dein Warmup oder Dein Cooldown?“ – „Weder noch. Ich trainiere nur Ausdauer.“ – „Warum“ – „Das mit den Geräten ist nichts für mich.“ Was für eine blöde Antwort. Mein Kopf ist heiß und mit Sicherheit knallrot. Das ist peinlich. Ich kann so etwas nicht. Ich sollte einen Kurs machen. Small Talk für Anfänger. Sie steht noch immer neben mir und ist weiter jung und attraktiv. Ich bin weiter alt und überfordert, also frage ich sie, ob sie neu hier ist. Nicht wirklich. Seit Mai arbeitet sie hier, aber immer nachmittags. Das erklärt einiges, habe ich doch bis vor kurzem immer nur am Morgen trainiert. Ich stammle, dass ich erst seit Kurzem nachmittags trainiere. Weil ich mich dabei auf meinen roten Kopf konzentriere, stottere ich zwischendurch. Aber nicht wie ein Stotterer, sondern eher wie ein Bekloppter. Ist aber auch echt gemein. Nicht nur, dass ich mit einer Fremden reden muss, sie muss auch noch jung und attraktiv sein und einen Hintern haben, den ich vorhin die ganze Zeit beobachtet habe. Ich fühle mich schäbig. Obwohl nur wenige Augenblicke vergehen, kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Weggucken wäre unhöflich, also gucke ich sie an und mein Kopf wird immer heißer. Hätte ich ein Hemd an, so müsste ich den Kragen jetzt lösen. Wie alt mag sie sein? Um die zwanzig, schätze ich. Als ich zwanzig war, habe ich nicht mit Fremden geredet und jetzt, zwanzig Jahre später, ist das auch nichts für mich. Soll ich ihr sagen, dass sie gehen muss, weil ich gestört bin? Weil unser Gespräch sie wenig unterhält oder weil sie weiter muss, sagt sie, dass wir uns hier sicher nochmal sehen. Vielleicht sagt sie, dass es sie freuen würde. Vielleicht wünsche ich mir auch nur, dass sie sagt, sie würde sich freuen. „Bestimmt“, sage ich. „Vielleicht Morgen, da habe ich Frühschicht.“ – „Nein. Ich trainiere nur noch nachmittags.“ Sie geht und sagt noch etwas, das ich nicht verstehe und ich sage einfach ja. Wird schon passen. Kurze Zeit später habe ich wieder Normaltemperatur und vermutlich keinen roten Kopf mehr. Ich entspanne. Aber nicht lange, denn dann steht sie in Sichtweite und unterhält sich mit einem anderen Trainierenden. Dummerweise sieht sie dabei ab und zu in meine Richtung. Obwohl ich nicht weiß, ob sie zu mir guckt, ist mir das voll peinlich. Ich steige vom Crosstrainer und gehe in einer anderen Ecke des Studios aufs Fahrradergometer. Hier sieht sie mich nicht. Hier fühle ich mich sicher.
Small Talk 2
Nach meinem peinlichen Auftritt im Fitnessstudio überlege ich mir, was ich tun kann, damit mir so etwas nicht mehr passiert. Schließlich kann ich nicht ausschließen, dass ich irgendwann erneut in einen Small Talk mit einer Frau verwickelt werde. Dann muss ich schlagfertig und in der Lage sein ein Gespräch zu führen wie ein Erwachsener. Also beschließe ich, Gespräche mit Fremden zu üben. Da trifft es sich gut, dass während eines Spaziergangs neben mir an der Ampel ein Mann steht, der schon seit über 30 Jahren im Haus meiner Eltern wohnt. Geredet habe ich noch nie mit ihm. Perfekte Bedingungen also, um mit dem Üben zu beginnen. Ich versuche zu kommunizieren und eröffne das Gespräch sehr professionell. „Machst einen Sonntagsspaziergang?“ Kaum ist der Satz ausgesprochen, schäme ich mich dafür. Zum Glück reagiert er auf meinen Einstieg. „Nein. Will gleich zum Handball. Vorher noch etwas essen.“ – „Klingt gut.“ Meine Antwort klingt wohl eher unbeholfen oder desinteressiert, aber ich muss dranbleiben. Zum Glück redet er weiter und ich muss nur ab und zu nicken, den Rest erledigt er. Das ist prima, aber irgendwie auch wieder nicht, denn müsste ich mehr zu dem Gespräch beitragen, wäre ich vollkommen überfordert. Insgesamt macht er es mir recht leicht und ich muss bis zum Ende der Konversation nur neben ihm hergehen und kaum etwas sagen. Meine Kommentare finde ich zwar sehr dämlich, aber schließlich ist es irgendwie Neuland für mich mit Menschen, mit denen ich normalerweise nichts zu tun habe, zu kommunizieren. Nachdem sich unsere Wege getrennt haben, frage ich mich, ob ich weitermachen soll mit dem kommunizieren mit den Menschen, oder ob ich es besser lasse, weil es ja offensichtlich nichts für mich zu sein scheint. Schließlich werde ich ja nur sehr selten in ein Gespräch verwickelt und denke, dass eine Strategie, Gespräche zu vermeiden für mich sicher leichter umzusetzen ist als Small Talk zu erlernen. Ich denke, ich belasse es bei dem einen Versuch. Bringt vermutlich eh nix dieses ganze Kommunizieren mit Fremden.
Strahlentherapie
Um kurz nach Sieben erscheine ich zu meinem Termin wegen der Bestrahlung meines Sprunggelenks. Der Arzt ist etwas älter, macht einen kompetenten Eindruck und ist mir sehr sympathisch. Er erklärt, was während der Behandlung mit meinem Sprunggelenk passiert und welche Nebenwirkungen zu erwarten sind. Die Gefahr, verstrahlt zu werden, ist zwar gering, aber dennoch vorhanden. Obwohl es nicht harmlos sein kann, scheint es eine harmlose Behandlung zu sein. Allerdings räumt der Arzt ein, dass die Behandlung so etwa nach zwei Jahren nicht mehr nachwirkt und ich dann vermutlich wiederholt bestrahlt werden muss. Er rät mir dazu, einen Sportarzt oder einen Chirurgen zu konsultieren, um eine andere Lösung zu finden. Doch bevor es so weit ist, soll mein Fuß bestrahlt werden. Wäre es nicht sinnvoller, erst einen anderen Arzt zu konsultieren, bevor ich hier be- und am Ende sogar verstrahlt werde? Ich bin zu konfus nachzufragen. Kaum rede ich mir ein, dass die Nebenwirkungen, ebenso wie die ganze Behandlung, harmlos sind, rät mir der Arzt davon ab, in den nächsten sechs bis acht Wochen nach der Behandlung Nachwuchs zu zeugen. Der Nachwuchs könnte als Folge meiner Bestrahlung möglicherweise Krebs bekommen, bzw. ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Abgesehen davon, dass ich grundsätzlich keinen Nachwuchs zeuge, macht mich diese Aussage doch arg stutzig. Harmlos geht sicher anders. Während ich leicht verwirrt vor mich hinstarre und versuche das Gesagte zu verarbeiten, sagt der Arzt erneut, dass die Nebenwirkungen für mich sehr gering sind und legt mir eine Art Einverständniserklärung vor, die ich in meinem wirren Zustand unverzüglich unterschreibe. Anschließend führt er mich zu einer Kabine. Eine Umkleidekabine, wie ich rasch feststelle. Hier soll ich warten bis ich aufgerufen werde und dann wird mein Fuß vermessen oder geröntgt. So wirklich konzentriert höre ich nicht zu, weshalb ich nicht wirklich weiß, was gleich passieren wird. Da die Tür zu den Behandlungsräumen offen steht, sehe ich eine Frau mit nacktem Oberkörper. Zumindest irgendwie nackt. Vor ihre Brüste hält sie ein Handtuch oder etwas Ähnliches. Ich fühle mich wie ein Spanner, schäme mich kurz und setze mich. Wenige Augenblicke später werde ich von einer wirklich entzückenden Helferin abgeholt. Sie ist leider komplett bekleidet und führt mich in einen Raum. Dort lege ich mich auf eine Liege und mein Fuß wird irgendwie vermessen oder auch geröntgt und mit Edding bemalt. Diese Bemalung muss zwei Wochen auf dem Fuß bleiben. Es ist eine Art Fadenkreuz, das markiert, wo ich in den nächsten beiden Wochen insgesamt sechsmal mit der Strahlenkanone beschossen werde. Kaum bin ich bemalt, werde ich von der jungen und bezaubernden Helferin fotografiert. Für die Akten. Und ich dachte schon, sie steht voll auf mich und möchte ein Foto von mir neben ihr Bett stellen. So kann man sich irren. Noch bevor ich alles wirklich begriffen und verarbeitet habe, bin ich auch schon aus der Praxis raus und frage mich, ob ich mich tatsächlich mit Strahlen beschießen lassen will und ob die Nebenwirkungen nicht doch etwas übertrieben sind im Vergleich zu dem maximal vorübergehenden Erfolg der Behandlung. Ich muss nachdenken.
Zwei Tage später bin ich fertig mit dem Nachdenken und rufe in der Praxis an, um zu sagen, dass mir die Nebenwirkungen Angst machen und ich deshalb auf die Behandlung verzichten werde. Ich bin doch nicht völlig verstrahlt. Zumindest jetzt noch nicht.