November 2012

Helicobacter pylori
Regelmäßiges Sodbrennen ist nicht nur lästig, es kann auch üble Ursachen und Folgen haben. Damit sollte man besser nicht spaßen. Deshalb sitze ich nun erneut beim Hausarzt und klage ihm mein Leid. Nachdem das Experiment mit Pantoprazol gescheitert ist, gehe ich davon aus, dass eine Magenspiegelung der nächste Schritt ist. Doch da bin ich auf dem Holzweg. Vorher wird zunächst anders nach Heliobacter pylori gesucht. Und wie macht man das? Indem man seine Ausscheidungen, auch Stuhl oder Scheiße genannt, sammelt und im Labor untersuchen lässt. Meine Scheißesammelleidenschaft ist zwar weiterhin eher bescheiden, doch bleibt mir keine Wahl. Und so darf ich die nächsten drei Tage mit dem Sammeln meiner Exkremente verbringen.

Kaum ist die Nacht rum, beginnen die Vorbereitungen für die große Sammlung. Groß deshalb, weil ich im Gegensatz zu dem Pappspatel vom letzten Mal nun mit einem kleinen Plastiklöffel sammeln darf. Dazu errichte ich zunächst die Auffangvorrichtung. Schließlich darf der wertvolle Stuhl nicht verloren gehen, bevor ich eine Probe entnommen habe. Nach Errichten der Vorrichtung gilt es, die Ausscheidungen ordnungsgemäß zu platzieren. Auch das klappt so gut, dass leicht der Eindruck entstehen kann, ich wäre ein Routinier auf diesem Gebiet. Nun folgt der nächste Schritt. Mit dem Plastiklöffel eine kleine Portion Masse vom Rest abspalten und in einem Röhrchen verschwinden lassen. Auch dies klappt fast spielend leicht. Der Plastiklöffel ist mir jedenfalls jetzt schon lieber als die ollen Pappspatel. Nachdem ich das Röhrchen verschlossen habe, geht es darum, die übrigen Exkremente zu entsorgen. Doch bevor ich das tue, werfe ich einen letzten prüfenden Blick darauf und bin etwas besorgt. Das Zeug ist etwas dunkel. Kann das nicht ein Zeichen dafür sein, dass sich Blut darin befindet? Unverzüglich fühle ich mich Elend und fürchte mich vor Magenkrebs und Magenblutungen. Werde ich daran sterben oder steigere ich mich unnötig in etwas hinein? Heute werde ich nur helle Sachen essen. Wenn die Ausscheidungen morgen immer noch so dunkel sind, dann sieht es in meinen Augen echt beschissen für mich aus und ist dann richtig Scheiße. Als Hypochonder hat man es echt nicht leicht. Weil mir mein Zustand keine Ruhe lässt, nutze ich das Internet, um weitere Informationen zu erhalten. Vermutlich keine gute Idee, denn was ich zu lesen bekomme, lässt nur einen Schluss zu. Ich bin ernsthaft erkrankt. Wieso ich da so sicher bin? Ständiges Sodbrennen und dunkle Ausscheidungen sind nämlich nicht alles, worunter ich leide. Hinzu kommt, dass diese Ausscheidungen extrem unangenehm riechen, was im Zusammenhang mit Sodbrennen und dunkler Farbe ein Indiz für eine brutale Krankheit sein kann. Dazu kommt meine seit Wochen anhaltende Flatulenz. Es scheint keinen Zweifel zu geben, ich habe mindestens ein Magengeschwür, möglicherweise auch Darmkrebs. Ich bin im Arsch und den Rest des Tages durchaus besorgt, was vermutlich eher hinderlich für meinen Gesundheitszustand ist. Gegen Ende des Tages habe ich nicht nur Sodbrennen, sondern auch Magenschmerzen. Ob ich Weihnachten noch erlebe?

Am Abend suche ich im Internet nach Möglichkeiten, mir mein Leben angenehmer zu gestalten. Gegen die Darmgasbildung scheint mir ein Einlauf eine gute Möglichkeit darzustellen. Das ist recht günstig, lässt sich selbst durchführen und scheint obendrein eine gesunde Sache zu sein. Für mich ist das ab sofort eine Option. Ich lese ein paar Anleitungen durch und denke, dass ich es unbedingt probieren muss. Ich werde meinen Plan mit Agnes besprechen. Wenn sie meine Idee für gut befindet, werde ich mir die nötigen Utensilien besorgen und einen Selbstversuch starten. Zeit ins Bett zu gehen, doch einschlafen kann ich erst gegen zwei Uhr. Nachdem es endlich geklappt hat, träume ich von Flatulenz und davon, dass ich mir mehrmals in die Hosen mache. Kaum fünf Stunden nach dem Einschlafen wecken mich Magendruck und Blähsucht. Ich stehe auf und bereite unverzüglich alles für die zweite Stuhlprobe vor. Und schon geht es los. Einem lauten Furz folgt der Stuhlgang. Die ordnungsgemäß aufgefangenen Exkremente betrachte ich aufmerksam. Auf dunkle Nahrung zu verzichten hat sich gelohnt. Ein herrliches, unbedrohlich wirkendes Braun ist die Folge. Wenn ich nicht wüsste, wie es um mich steht, würde ich den wohlgeformten Stuhl als Produkt eines gesunden Mannes bezeichnen. Lediglich der üble Geruch passt nicht zu einem gesunden Körper. Nein, ich muss mir nichts vormachen, ich bin schwer erkrankt und werde bald die Bestätigung eines Arztes in den Händen halten. Spätestens nach der Magenspiegelung. Weil ich mit schlechten Nachrichten nicht gut umgehen kann, esse ich rasch eine Kleinigkeit und mache einen Spaziergang. Es geht zu Ende, viele Spaziergänge werde ich nicht mehr machen können. Nach dem Spaziergang rufe ich Agnes an, um ihr von meinem schlechten Zustand zu erzählen. Ich sage ihr, dass ich mindestens ein Magengeschwür habe und schwer krank bin. Sie nimmt mich nicht ernst und sagt mir, dass ich ein Hypochonder bin. Ich sage ihr, dass sie Recht hat, es dieses Mal aber anders ist und ich wirklich krank bin. Sie glaubt mir nicht. Dabei müssen Hypochonder auch sterben.
Am Nachmittag gehe ich erneut spazieren. Zwei Stunden lang. Bis zum Abend geht es mir für einen sehr kranken Mann erstaunlich gut. Ich überlege sogar, ob ich vielleicht doch nicht so krank bin. Doch gegen Abend verschlechtert sich mein Zustand wieder. Von wegen Hypochonder. Als ich später zurück in meiner Wohnung bin, ist die Blähsucht in vollem Gange. Gut, dass ich alleine wohne. Das ist nämlich niemandem zuzumuten. Ich lege mich ins Bett und die Gase arbeiten sich durch meinen Körper.

Der nächste Morgen beginnt damit, dass mich meine Flatulenz gegen sieben Uhr weckt. Das kann echt nicht wahr sein. Ich stehe auf und bereite alles für die nächste Stuhlprobe vor und gebe mich den Bauchkrämpfen hin. Routiniert erledige ich später das abschließende Geschäft. Weil ich auch gestern auf dunkle Nahrung verzichtet habe, sehen die Exkremente auch heute weniger bedrohlich aus. Lediglich der Geruch verrät sie als Ausscheidungen eines kranken Mannes, die ich kurz danach zum Arzt bringe. In zwei Tagen soll ich wiederkommen, um zu erfahren, was ich habe.

Zwei Tage später sitze ich beim Arzt und erfahre, dass sich sein Verdacht bestätigt hat. Das Ergebnis der Proben ist positiv. Was mich irritiert ist, dass er immer von einem Geschwür spricht und nicht von Helicobacter. Vielleicht gehört das zusammen. Ich bin kein Arzt. Er schreibt mir einen herrlichen Tablettencocktail auf, weist auf mögliche Nebenwirkungen hin und rät mir dazu, während der Behandlung Naturjoghurt zu essen. Vom Gedanken an die Nebenwirkungen wird mir sofort schlecht. Das kann ja heiter werden, wenn die Nebenwirkungen bei mir schon vor der Behandlung auftreten. Ab sofort gibt es zum Frühstück und zum Abendessen folgendes: Pantoprazol, Amoxicillin und Clarilind. Sollte ich absolut nicht mit dem Mix klarkommen, gibt es eine Ausweichkombination. Die hat allerdings noch heftigere Nebenwirkungen. So brauche ich gar nicht darüber nachdenken, dass es eine Alternative gibt. Die Behandlung kann beginnen. Wäre ich wirklich ein Hypochonder, wäre das alles gar nicht nötig.


Augendruck und Lügen
Am Montag bin ich erneut bei der Augenärztin. Es soll getestet werden, ob unter Einfluss von Latanoprost der Augendruck niedriger geworden ist. Weil ich wegen der möglichen Nebenwirkungen gar kein Latanoprost nehme, wird es schwer sein, das herauszufinden. Die Tatsache, dass ich die Tropfen nicht nehme, verschweige ich der Augenärztin. Stattdessen beantworte ich ihre Frage, ob ich die Tropfen vertrage mit „Scheint so“. Der Augendruck ist heute bei 15. Bei meinem letzten Besuch war er laut Unterlagen bei 14. Und obwohl wir laut Ärztin einen Augendruck von 8 anstreben, ist sie heute zufrieden, spricht von einem guten Mittelwert und fragt, ob ich noch genug von den Tropfen habe. Erneut muss ich lügen und sage, dass ich da gar nicht drauf geachtet habe, aber denke, dass ich noch genug Tropfen habe. Wenn man einmal mit dem Lügen anfängt, hört es scheinbar nie auf. Egal, da müssen wir jetzt durch. In drei Monaten soll ich wiederkommen, um erneut den Augendruck und das Gesichtsfeld zu messen. Bevor ich meinen Termin bekomme, werde ich gefragt, ob ich beim letzten Mal eine oder drei Flaschen von den Augentropfen aufgeschrieben bekommen habe. Ich entscheide mich für eine und kann wirklich sehr souverän und ehrlich wirken, wenn ich lüge. Weil eine Flasche Latanoprost nicht bis zum nächsten Termin reicht, werden mir drei Flaschen, 3 x 2,5ml, Latanoprost aufgeschrieben. Das wäre echt nicht nötig gewesen. Statt Latanoprost werde ich mir Mucokehl D3 ins Auge tropfen. Und in drei Monaten folgt die nächste Untersuchung, bei der ich wieder perfekt lügen werden muss. Was tut man nicht alles für seine Gesundheit?


Zwei mal zwei Jobangebote
Der zweite Termin des Tages findet im Jobcenter statt. Pünktlich erscheine ich bei meiner neuen Arbeitsvermittlerin. So steht es an ihrer Tür. Sie ist eine alte Bekannte, die schon vor zwei Jahren für mich zuständig war und kaum sitze ich vor ihr, fragt sie mich, ob ich bei Frau X. war. Ich verneine und wundere mich über die Frage. Meine Arbeitsvermittlerin sagt, dass sie fragt, weil ich um 09.30 Uhr einen Termin bei Frau X hatte. Davon weiß ich nichts. Ob ich denn keine Einladung erhalten habe. Natürlich nicht, sonst wäre ich wohl bei Frau X. gewesen. Bevor wir das Thema vertiefen, gehen wir zur Tagesordnung über. Meine Arbeitsvermittlerin hat zwei Jobs für mich rausgesucht. Das wäre echt nicht nötig gewesen. Job 1 ist bei einem Personalvermittler, der dringend einen Automobilverkäufer sucht. Obwohl ich von dem Job keine Ahnung habe, nehme ich das Angebot entgegen. Job 2 ist irgendwas mit Rechnungserstellung. Ich sage, dass ich das nicht kann und somit muss ich das Angebot auch nicht mitnehmen. Das ist herrlich entspannt hier. Keine Rede davon, dass ich Lagerhilfsarbeiter werden soll. Anschließend werde ich noch zur Frau X geschickt. Diese hat ebenfalls zwei Angebote für mich. Beide Jobs sind für ein halbes Jahr befristet und das Jobcenter zahlt das Gehalt. Und wie immer bei diesen merkwürdigen Jobs, zahlt man während der Beschäftigung nichts in die Arbeitslosenversicherung ein, so dass man keine Ansprüche auf ALG I erwirbt. Job 1 ist eine Hausmeistertätigkeit. Job 2 ist als Produktionsmitarbeiter bei Kanne. Weil man da auch mit einem 7,5 Tonner Ware ausliefern soll, kommt das Angebot für mich nicht in Frage. Ich kann keine LKWs fahren. Da würde ich nur Unfälle bauen. Frau X. sagt, dass ich, wenn ich den Job als Hausmeister bekomme und gut bin, eventuell auf eine Festanstellung hoffen darf. Ich antworte, dass das wohl eher unwahrscheinlich ist, weil die Arbeitgeber sich lieber den nächsten Mitarbeiter holen, der dann vom Jobcenter bezahlt wird. Zunächst sagt Frau X., dass sie da sehr genau darauf achten, dass so etwas nicht passiert. Doch nachdem ich sie darauf hinweise, dass die Realität doch eher anders aussieht, muss sie gestehen, dass das wohl so ist, es aber Ausnahmen gibt. Das muss sie vermutlich sagen, weil es ihr Job ist, so etwas zu sagen. Ich nehme es ihr nicht übel und verabschiede mich von ihr. An weiteren Jobangeboten dieser Art bin ich nicht interessiert, weil ich es krank finde, dass ein Arbeitgeber Leute einstellen darf, ohne dafür bezahlen zu müssen. Was nützt es, wenn Leute solche Jobs haben, aus der Statistik herausfallen und am Ende doch von den Jobcentern bezahlt werden? So entsteht lediglich ein Paradies für Arbeitgeber. Armes Deutschland.


Helicobacter pylori 2
Nachdem ich meinen Tablettencocktail geholt habe, bleibt Helicobacter noch eine Nacht, bevor er bekämpft wird. Dummerweise lese ich vorher die Beipackzettel der Tabletten durch und spüre förmlich, wie die Nebenwirkungen schon vor der Einnahme der Tabletten Besitz von meinem Körper ergreifen. Das kann ja heiter werden.
Die Nacht ist überraschend kurz. Entweder weckt mich meine Panik oder es ist das Helicobakter pylori Bakterium, ab sofort nur noch Heli genannt, welches weiß, dass es bald bekämpft wird und seinen Unmut kund tut. Stehen uns jetzt sieben Tage Kampf bevor oder gibt es schneller auf und stirbt einen anständigen Tod? Oder weigert es sich am Ende zu sterben und besiegt die Medikamente? Ich hoffe nicht. Um 07.36 Uhr starte ich den Kampf mit einer Tablette Pantropazol. Eine Stunde vor dem Frühstück. So steht es auf dem Beipackzettel. Um 08.36 Uhr nehme ich Amoxicillin und Clarilind während des Frühstücks ein und kann sofort den Unmut von Heli spüren. Heli scheint verwirrt zu sein und fragt sich vermutlich, was da gerade vor sich geht. Unverzüglich sucht Heli nach einem Versteck in irgendwelchen Spalten im Darm und unter der Magenschleimhaut. Aus dem Versteck heraus beobachtet es misstrauisch das Geschehen.
Am Abend folgt der nächste Tablettenangriff. Heli erkennt langsam den Ernst der Lage und sucht nach einer Lösung. Weil es damit beschäftigt ist, hält sich mein Sodbrennen in der Nacht zurück. Und das obwohl ich, was bei Sodbrennen weniger klug ist, auf dem Bauch schlafe.
Am nächsten Morgen habe ich wieder lästige Blähungen. Ich mache, wie immer in letzter Zeit, Heli dafür verantwortlich und bereite die nächste Medikamenteneinnahme vor. Heli muss sterben und meinen Körper verlassen. Weiche von mir, Heli, weiche von mir.


Helicobacter pylori 3
Die Hälfte der Tabletten ist mittlerweile aufgebraucht. Mein Sodbrennen scheint weniger, aber ich bleibe skeptisch. Vielleicht ist Heli nicht alles, worunter mein Körper leidet. Der Verdacht, doch ernsthaft erkrankt zu sein, fällt langsam wieder über mich her.
Am fünften Behandlungstag erreicht das interne Chaos seinen Höhepunkt. Und zwar schon lange vor dem Aufstehen. Furzgeräusche wecken mich mehrmals aus dem Schlaf. Ich kann echt froh sein, dass ich alleine wohne. Nach dem Aufstehen geht es fröhlich furzend weiter. Sind das die Nebenwirkungen der Antibiotika oder die Rückkehr von Heli? Erst am Nachmittag beruhigt es sich. Ich gehe viel spazieren und als ich gegen Abend zurückkomme, sieht es so aus, als wäre die Blähsucht besiegt. Gibt Heli auf oder ist er gar tot? Keine zwei Stunden später bekomme ich Magenschmerzen. Heli lebt und scheint Putzmunter. Oder ist es nur ein kurzes Aufbäumen?
In der folgenden Nacht wache ich mehrmals auf. Aber diesmal nicht wegen irgendwelcher Geräusche, sondern wegen Magenschmerzen und Sodbrennen. Erst später gesellt sich die Flatulenz dazu. Da habe ich mich wohl zu früh gefreut. Entweder lacht sich Heli über die Antibiotika schlapp oder ich habe, was ich vermute, doch eine schlimme Krankheit. Mindestens Magengeschwüre, vermutlich aber Krebs. Der Vormittag ist alles andere als prickelnd. Mein Magen hat viel zu erzählen und ich kann nichts dagegen tun. Erst am Nachmittag, als ich durch die Welt spaziere, wird es besser. Am Abend ist es wieder schlecht. Erst eine Wärmflasche, die ich auf meinem Bauch ablege, sorgt für Ruhe. Dafür bekomme ich später Magenschmerzen. Der Kampf ist verloren. Ich will Promethazin. Heli schläft selig unter der Wärme meiner Wärmflasche.
Der letzte Tag der Antibiotikabehandlung beginnt gegen halb sieben. Ich werde von Magenschmerzen geweckt und in meinem Kopf ist die Stimme einer Frau. Sie singt. „Ich liebe den Moment. Ich liebe dieses Leben.“ Was soll das? Ist das Sarkasmus? Und wenn ja, wer verspottet mich hier? Eine Stunde später singt die Stimme noch immer, mein Magen schmerzt und ich habe definitiv Sodbrennen. Mein Hals ist von der Säure total verätzt und ich habe deswegen den typischen Husten. Es ist alles wie vor der Behandlung. Vielleicht sogar schlimmer. Mein Kampf ist definitiv verloren. Als ich wenig später aufstehe, dauert es nicht lange, bis die Flatulenz von mir Besitz ergreift. Eine Woche Behandlung und nix ist besser. Ich werde gleich den Heilpraktiker anrufen und mir einen Termin geben lassen. Vielleicht kann er mein Leiden bis zu meinem Ableben ein wenig verringern.
Der Nachmittag verläuft erträglich, am Abend wird es wieder lästig. So luftig, wie ich mich fühle, kann ich definitiv keine Gäste einladen. Zeit für die letzten beiden Antibiotika-Tabletten. Letzte Chance, Heli zu töten. Ab morgen muss ich nur noch Pantoprazol nehmen. Darüber hat Heli schon früher nur gelacht.


Geburtstag
Heute hat mein Benz Geburtstag. Nur noch zehn Jahre bis zum H-Kennzeichen. Das will ich schaffen.


Helicobacter pylori 4
Um 07.36 Uhr ist es Zeit für Pantoprazol. Auch wenn ich nicht wirklich daran glaube, hoffe ich doch, dass es ab heute besser wird. Denn ab heute nehme ich keine Antibiotika mehr. In der Tat verläuft der Tag weniger luftig. Entweder ist Heli tot oder er liegt entspannt in irgendeiner Darmfalte und lässt die letzten Tage Revue passieren. Selbst am Abend sind die Blähungen nur minimal und in mir keimt die Hoffnung, dass die Behandlung nicht unnütz war.

Als ich am nächsten Morgen aufwache ist mein Hals von Magensäure zerfressen. In meinem Magen hat sich ein Meer aus Magensäure gebildet. Dazu die üblichen Blähungen. Sieben Tage Antibiotika für die Katz. Heli schlägt knallhart zurück. Und wenn es nicht Heli ist, ist es etwas anderes. Noch sechs Tage Pantoprazol, dann muss ich zu meinem Hausarzt, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Am fünften Abend vergesse ich die Einnahme von Pantoprazol. Ob es daran liegt oder einfach Zufall ist, dass ich in dieser Nacht wach werde, weil ich Sodbrennen habe, weiß ich nicht. Ich versuche, mich anders hinzulegen und wieder einzuschlafen. Leider ohne Erfolg. Stattdessen stelle ich fest, dass ich nebenbei unter der gewohnten Blähsucht leide. Beide Symptome werden immer stärker, so dass ich gegen 03.30 Uhr aus dem Bett klettern muss. Besser wird es dadurch allerdings nicht. Eher im Gegenteil. Zu allem Überfluss muss ich feststellen, dass ich außerdem auch noch total schwitze. Der Schweiß läuft mir im Gesicht herunter. Gleichzeitig friere ich. Was passiert hier gerade? Ich nehme 30 Tropfen Gastritol, koche mir einen Magen- und Darmtee, laufe in der Wohnung auf und ab, rülpse und furze, friere und schwitze. Das Schwitzen wird mehr und ich muss dringend auf die Toilette. Kaum dort angekommen, kündigen laute Winde den nahenden Abgang meines Stuhls an. Dies bringt eine gewisse Erleichterung. Der Geruch allerdings beunruhigt mich sehr. Was so stinkt, kann nicht gesund sein. Weil ich nicht an Zufälle glaube, gehe ich davon aus, dass die Behandlung fehlgeschlagen ist. Während ich meinen Tee trinke, fühle ich mich krank, verlassen und alleine. Ich gehe in der Wohnung auf und ab und warte auf den nächsten Stuhlgang, der jedoch ausbleibt. Obwohl Nächte wie diese schon über zwanzig Jahre fester Bestandteil meines Lebens sind, gewöhne ich mich nie daran. Und so verfluche ich mich, das Leben und Heli, und wie immer wünsche ich mir, dass ich sterben möge. Auch wenn ich in der Therapie gelernt habe, dass ich wahrscheinlich nicht wirklich sterben möchte, sondern nur will, dass die Schmerzen sterben, bringt mich die Erkenntnis, besonders in solchen Extremsituationen, nicht wirklich weiter. Um 04.30 Uhr wandere ich noch immer frierend durch meine kleine Wohnung und reibe mir dabei den Bauch. Eine Wärmflasche, die ich mir zur Entspannung auf den Bauch legen will, liegt in meinem Bett bereit. Nachdem ich den Tee getrunken habe, nehme ich zehn Tropfen Spasmovowen und klettere ins Bett. Mit der Wärmflasche auf dem Bauch schlafe ich gegen 05.00 Uhr endlich ein.

Der sechste Tag verläuft ganz typisch. Mit Flatulenz und Sodbrennen am Abend. Wenn Heli tot ist, dann bin ich es auch bald. Denn gesund kann all das nicht sein.

Der letzte Tag beginnt mit Blähungen. Würde es Weltmeisterschaften im Blähen geben, wäre ich sicher einer der Topfavoriten. Da es solche Meisterschaften nicht gibt, sind meine Blähungen völlig unnütz. Mein Sodbrennen steigert sich auch täglich. Auch das ist unnütz. Gegen Abend ist die Flatulenz so heftig, dass ich sicher bin, dass die Antibiotkabehandlung nichts gebracht hat. Und so verbringe ich den Abend blähend und furzend alleine mit mir, erschrecke mich ab und zu vor mir und meinen Winden und bestaune mein Sodbrennen, welches täglich etwas mehr wird. In dem Zustand bin ich alles andere als Gesellschaftsfähig. Ich sollte mich auf ein Leben in totaler Isolation vorbereiten. Meine Zukunft wird einsam.


Ein Vorstellungsgespräch und seine Folgen
Kurz vor Jahresende habe ich das Vergnügen, ein weiteres Vorstellungsgespräch zu haben. Die Terminvereinbarung verläuft ganz einfach. Der zuständige Mitarbeiter des Pflegedienstes, der einen Hausmeister sucht, ist am Telefon ganz entspannt. Ihn interessiert nur, dass ich zu meinem Vorstellungsgespräch meine Bewerbungsmappe mitbringe. Was ich zuletzt gemacht habe und ob ich überhaupt für die Tätigkeit in Frage komme, interessiert ihn nicht. Vermutlich ist das nicht so wichtig, wenn man die Mitarbeiter vom Jobcenter bezahlt bekommt. Wir vereinbaren auch keine Uhrzeit. Irgendwann am Freitagvormittag soll ich da sein. Das ist beängstigend nebensächlich, wie mir scheint.

Das Vorstellungsgespräch verwirrt mich. Die Atmosphäre ist sehr entspannt und mir werden die Aufgaben erklärt. Ich soll für die Senioren einkaufen, sie zum Arzt fahren, Rezepte holen, den Rasen mähen, Reparaturen durchführen und sogar deren Zimmer renovieren. Mit Anstreichen und so. Ich höre nicht wirklich zu, denn ich habe zwei linke Hände. Da werden selbst einfachste Dinge oft zu Katastrophen. Wenn ich er wäre, würde ich mich nicht einstellen. Der Stundenlohn beträgt 11€. Das ist mehr als erwartet. Insgesamt 1716€ Brutto bei einer 39 Stunden Woche. Klingt, als wäre das mein finanzielles Paradies. Aber renovieren, reparieren und Rasen mähen will ich nicht. Und wöchentlich 39 Stunden arbeiten finde ich einfach zu viel. Alles über 30 Stunden ist zu viel. Bei 39 Stunden bleibt mir keine Zeit für mein Privatleben, keine Zeit fürs Fitnessstudio und sonstiges Vergnügen. Bei einer 39 Stunden Woche wird es nicht lange dauern, bis ich depressiv bin. Ich glaube, ich bin es schon jetzt. Zwei oder drei Mitbewerber gibt es. Diese haben sich aber noch nicht gemeldet, so dass ich den Job schon fast habe. Im Dezember werde ich, wenn die anderen Bewerber sich nicht melden, zu einem weiteren Vorstellungsgespräch, bei dem die Firmenchefin anwesend sein wird, eingeladen. Ich bin überfordert und wir beenden das Vorstellungsgespräch. Ich muss weg.

Zu Hause angekommen, rechne ich mir mein zu erwartendes Nettoeinkommen aus. 1199,21€. Von dem Geld könnte ich mir eine Menge Dinge kaufen. Das ist prima. Doch leider habe ich dann keine Zeit mehr all die Dinge zu genießen. Das ist blöd. Den ganzen Abend denke ich nach. Über das Leben, die Arbeit, Ziele und darüber, dass ich in beruflicher Hinsicht nicht wirklich welche habe. Das Jobangebot ist vermutlich gut. Möglicherweise sogar für mich. Doch so ganz überzeugt es mich nicht. Den ganzen Tag für ältere Menschen arbeiten macht mir Angst. Was, wenn die Krankheiten übertragen? Was, wenn ich mich an die alten Leute gewöhne und sie dann sterben? Außerdem finde ich die Tatsache, dass der jetzige Hausmeister wegen eines Rückenleidens den Job nicht mehr machen kann, bedenklich. Vermutlich hat der Job seinen Rücken zerstört. Ich will nicht, dass ein Job meinen Rücken zerstört. Und so komme ich zu dem Schluss, dass es für mich, meinen Rücken und die alten Leute das Beste wäre, wenn ein anderer Bewerber, so es einen gibt, den Job bekommt. Ich lebe gerne auf Staatskosten. Das tun andere auch. Christian Wulff zum Beispiel. Viel hat der auch nicht geleistet und wird dafür sogar viel besser bezahlt als ich. Also kann es nicht wirklich schlimm sein, wenn ich bis zu meinem Lebensende vom Staat bezahlt werde. Jetzt fühle ich mich besser. Fast schon staatsmännisch. Wie eine Art Arbeitslosenpräsident.

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