März 2013

Rückenmuskeln und Rückenschmerzen
Nachdem ich seit Wochen nachts maximal sechs Stunden schlafen kann, bevor Rückenschmerzen mir den Schlaf rauben, gehe ich heute zum Heilpraktiker, um mich heilen zu lassen. Wie es sich gehört, wird mein Rücken untersucht, eingerenkt und dann mit Schröpfköpfen behandelt. Während der Behandlung sagt der Heilpraktiker, dass mein Rücken ziemlich muskellos ist. Ich sage ihm, dass ich das komisch finde, weil ich seit zehn Jahren ins Fitnessstudio gehe. „Wechseln Sie denn die Übungen regelmäßig?“ – „Nein.“ – „Aber sie variieren die Gewichte?“ – „Seit zwei Jahren verringere ich die Gewichte höchstens. Das ist vermutlich nicht so gut.“ – „Nein. So bringt das Training nicht wirklich etwas.“ Na super, da will ich mich reparieren lassen und muss am Ende erfahren, dass meine Art zu trainieren nicht wirklich etwas bringt. Irgendwie ist das voll peinlich. Nachdem ich die Praxis verlassen habe, beschließe ich, dass ich ab sofort richtig trainiere. Und schon bald werde ich echte Rückenmuskeln haben und dann ist alles so, wie es sein muss.

Kaum habe ich es mir vorgenommen, bin ich im Fitnessstudio und setze meinen Plan um. Ich tausche ein paar Übungen aus und erhöhe die Gewichte so lange, bis ich keine zehn Wiederholungen mehr schaffe. Das geht recht schnell, tut aber dennoch weh. Es fühlt sich an, als hätte ich vorher nie trainiert. Die zehn Jahre Training scheinen spurlos an mir und meinen Körper vorüber gegangen zu sein. Immer mit Kindergewichten zu trainieren scheint wohl doch keine Lösung zu sein. Nach nur einer Stunde tun mir meine Gliedmaßen weh und ich weiß schon jetzt, dass ich unter Muskelkater leiden werde. Warum tue ich mir das an? Ach ja, weil ich keine Muskeln habe.

Der Tag nach dem Training beschert mir den erwarteten Muskelkater. Und so habe ich in der folgenden Nacht nicht nur meine lästigen Rückenschmerzen, sondern auch noch Muskelkater im gesamten Oberkörper. Abgesehen vom Bauch. Der tut nicht weh. Dabei müsste ich ihn, weil er mittlerweile wie eine kleine Kugel aussieht, dringend trainieren. Weil es erst 06.30 Uhr ist und ich mit den Schmerzen nicht mehr schlafen kann, stehe ich auf, versuche mich zu bewegen und beschließe, dass ich um 09.00 Uhr im Fitnessstudio sein werde. Alles andere wäre albern.
Auch heute gebe ich alles und noch mehr, denn ich muss Rückenmuskeln bilden. Und Bauchmuskeln. Eigentlich alle Muskeln. Doch aus unerklärlichen Gründen gerate ich beim Training nicht ins Schwitzen. Ob ich etwas falsch mache? Kann eigentlich nicht sein, denn ich habe ja Muskelkater. Und Muskelkater kann man ja eigentlich nur haben, wenn man seine Muskeln trainiert hat. Klingt auf den ersten Blick nach einem gewaltigen Widerspruch, entpuppt sich bei näherem Hinsehen, so wie es der Heilpraktiker tat, aber als traurige Wahrheit. Ich bin ein Mann mit unterentwickelten Muskeln. Sie sind da, aber keiner kann sie sehen. Saft- und kraftlos stecken sie in meinem Körper und nutzen einfach ihr Potential nicht. Besser gesagt, nutze ich ihr Potential nicht, so wie ich mein Potential nie genutzt habe und weiterhin nicht nutze. Das ist doch alles Mist und ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis ich die Muskeln in einen ordnungsgemäßen Zustand gebracht habe. Während ich mich das frage, sehe ich, dass neben mir eine Frau mit den gleichen Gewichten trainiert. Die Frau ist jung, schlank und knackig. Ich schäme mich und verdrücke mich in eine andere Ecke, wo niemand sehen kann, was für ein kraftloser Mann ich geworden bin. Oder immer war. Oder was auch immer. So wird es jedenfalls noch ganz lange dauern, bis ich mir mein Shirt vor einem der Spiegel ausziehen kann, um meinen eigenen Körper zu bewundern und den anderen Trainierenden zu zeigen. Das ist nicht schön und wird es, wenn ich mich nicht anstrenge, auch nie sein. Verdammter Teufelskreis.
Nachdem der Tag, abgesehen vom Muskelkater, recht schmerzfrei verläuft, muss ich am späten Abend feststellen, dass ich mittlerweile sogar Angst davor habe, schlafen zu gehen. Dennoch lege ich mich gegen Mitternacht ins Bett, schlafe nach 01.00 Uhr ein und erwache erwartungsgemäß gegen sechs Uhr mit furchtbaren Rückenschmerzen. Obwohl ich völlig müde und noch ganz weggetreten bin, mache ich das, was ich machen muss. Ich richte mich auf. Meine Rückenschmerzen sind im Sitzen sofort etwas erträglicher. Aber nicht erträglich genug. Aufstehen, strecken, durch die Wohnung laufen. Alles völlig natürliche Vorgänge, die mir täglich größere Probleme bereiten. Ich ertaste meinen Rücken. Rechts neben der Wirbelsäule tut fast jeder Griff weh. Ob ich vielleicht ernsthaft erkrankt bin? Sofort denke ich an einen Tumor oder wenigstens einen Bandscheibenvorfall. Harmlos kann das jedenfalls nicht sein und ich frage mich, ob ich je wieder schmerzfrei schlafen kann. Eine Antwort gibt es nicht. Also überlege ich, ob ich heute einfach keinen Tag Trainingspause einlege, sondern erneut trainiere. Mir fällt ein Buch, Wirbelsäulen-Gymnastik, ein, welches in meinem Bücherregal verstaubt. Vielleicht sollte ich einige Übungen aus dem Buch versuchen. Das wäre eine Alternative zum Trainieren und zum Regenerieren. Einen Versuch ist es sicher wert. Zu verlieren habe ich nichts. Außer üblen Rückenschmerzen. Sollte mich das auch nicht weiter bringen, kann ich mich immer noch einschläfern lassen.
Ich beginne mit sechs Übungen, die mich elastisch machen sollen und als Chirogym bezeichnet werden. Schnell stelle ich fest, dass mir die Übungen zwar keine großen Probleme bereiten, meine Beweglichkeit aber doch etwas eingeschränkt ist. Es folgen Stretching-Übungen. So etwas habe ich noch nie gemacht. Nun weiß ich warum. Das tut weh und Schmerzen mag ich nicht. Stretching ist doof und meine Muskeln scheinen alle verkürzt zu sein. Sonst würde das sicher besser klappen. Dehnung versus Buckel nennt sich der nächste Teil. Da ich seit längerem unter Buckelneigung leide, was die entzückende Agnes mir immer wieder bestätigt, sind diese Übungen sehr wichtig für mich. Hoffentlich geht mein Buckel davon wirklich weg. Es folgen einige Übungen für den Rücken. Auch hier zeigt sich, wie steif und untrainiert ich bin. 30 – 60 Sekunden sollen die Übungen dauern. Unter größten Mühen schaffe ich 30 Sekunden, dann breche ich entkräftet zusammen. Vielleicht liegt es ja an meinem Alter, dass ich diese Schwierigkeiten habe. Doch vermutlich liegt es am Ende nur an mir, dass ich hier nun völlig platt auf dem Boden liege. Zum Abschluss versuche ich mich an der sogenannten Rückenschule. Hier setzt sich fort, was während meiner Schulzeit begann. Ich war nicht nur damals ein schlechter Schüler, sondern bin es auch noch heute. Und so schaffe ich es nicht wirklich auf einem Bein zu stehen und die Übungen zu machen. Wer steht auch schon gerne auf einem Bein? Ich ganz sicher nicht. Und so schwanke ich hin und her, verliere mehrmals das Gleichgewicht, bin froh, dass mich hier niemand sieht und freue mich, dass meine Wohnung so klein ist. So ist es mir fast unmöglich umzukippen. Schwanke ich zu stark und drohe umzukippen, so ist in der Nähe immer eine Wand oder ein Möbelstück. So ist Umfallen fast unmöglich, weil ich immer irgendwo gegen kippe oder mich festhalten kann. Manchmal kann eine winzige Wohnung einem echt der Arsch retten. Hätte ich nicht gedacht. Die Rückenschule gebe ich dennoch rasch auf. Zu wackelig und damit zu gefährlich für mich ist dieser Teil meines Trainingsprogramms. Es liegt noch viel Arbeit vor mir. Sehr viel Arbeit.

Jobcenter
Und wieder sitze ich vor dem Büro meiner Betreuerin und warte, dass ich eintreten darf. Da ich etwas früh dran bin, schaue ich mir die Leute an, die so an mir vorbei gehen. Aus einem Büro kommt ein Mann, grüßt mich freundlich und verschwindet im Treppenhaus. Von dem Moment an ist nichts mehr so, wie es sein soll. Ein unfassbar ekelerregender Geruch greift nach mir, umhüllt mich und setzt alles daran, mich zu töten. Völlig benommen, erhebe ich mich und schleppe mich den Flur entlang. Nach einigen Metern kann ich endlich wieder atmen. Ich habe keine Ahnung, was der Mann verströmt hat, ob er selber so roch oder mich mit etwas besprüht hat, während er an mir vorüber ging. Auch ist es mir nicht möglich, den Geruch zu beschreiben. Bitter, süß, verwesend und auch irgendwie sauer. So kann eigentlich kein Mensch riechen. Zumindest keiner, der noch am Leben ist. Mir graut jetzt schon davor, gleich durch die Geruchswolke zu meiner Betreuerin zu müssen. Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, muss ich auch schon los. Völlig benommen, erreiche ich das Büro meiner Betreuerin und nehme Platz. Die neue Eingliederungsvereinbarung liegt für mich bereit. Eine Neuerung beinhaltet sie. Die Förderung zur Aufnahme von Arbeitsverhältnissen, kurz FAV, ist nun Teil meiner Eingliederungsvereinbarung. Diese besagt, dass ein Arbeitgeber, der bereit ist, einen Dauerarbeitslosen wie mich einzustellen, bis zu 75% des Gehaltes vom Jobcenter bezahlt bekommt. Eine Förderung für besonders hoffnungslose Fälle. Ich unterschreibe die Vereinbarung, denn ich bin ein kooperativer Arbeitsloser. Die Betreuerin telefoniert, während mir der Geruch vom Flur in die Nase steigt. Ich habe das Gefühl, dass meine Jacke und ich den Geruch nicht nur angenommen haben, sondern sogar verströmen. Die Betreuerin öffnet das Fenster. Oh je. Nachdem sie aufgelegt hat, frage ich sie, ob sie das Fenster wegen des strengen Geruchs aufgemacht hat und ob ich irgendwie streng rieche. Sie verneint. Ich bin mir nicht sicher, ob sie lügt. Noch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, hat sie ein Jobangebot für mich. Gesucht wird ein Automobilkaufmann bei einem freien Händler in Lüdinghausen. 30 Stunden die Woche sind okay, aber ich bin kein Automobilkaufmann und Lüdinghausen ist zu weit weg. Ich freue mich jetzt schon, mich dort bewerben zu dürfen. Nein, das ist gelogen, ich finde es Scheiße. Aber okay, unkooperativ bin ich schon lange nicht mehr und da ich mittlerweile schon wieder ein Jahr ohne Beschäftigung bin, geht es nun verstärkt darum, mich im dritten Arbeitsmarkt unterzubringen. Das ist vermutlich so etwas wie die dritte Liga beim Fußball. Nur schlechter bezahlt und vermutlich ohne Spaß. Sollten wir keinen Erfolg haben in den nächsten Monaten, so müssen wir uns etwas einfallen lassen. Meint sie so etwas wie Zwangsabstieg in den vierten Arbeitsmarkt? Oder vielleicht irgendeine sinnfreie Maßnahme, die mich kurzzeitig aus der Statistik nimmt und stark macht für den direkten Wiederaufstieg in die dritte Arbeitslosenliga, auch dritter Arbeitsmarkt genannt? Es bleibt definitiv äußerst spannend. Zeit, mich zu verabschieden.
Vor dem Büro ist der üble Geruch noch ebenso intensiv wie vorher. Selbst im Treppenhaus gibt es Abschnitte, die so erbärmlich stinken, dass es mich fast umbringt. Was hat der Typ nur gemacht? Draußen werde ich den Geruch auch nicht mehr los. Er steckt definitiv in meiner Kleidung und vermutlich auch in mir. Auf der Fahrt nach Hause umschmeichelt der Duft auch weiter meine Nase. Bin ich verloren, geht das irgendwann doch noch weg oder ist es gar meine Zukunft? Stinkender Arbeitsloser auf dem dritten Arbeitsmarkt. Ich habe es echt zu etwas gebracht in meinem Leben.

Donnerstagsmonk
Donnerstag ist Ausnahmetag, denn am Donnerstag ist alles anders. Donnerstags bin ich, der Vorzeigearbeitslose, nämlich ehrenamtlich tätig. Und diese Tätigkeit bringt mein Arbeitslosenleben immer wieder gehörig durcheinander und versetzt mich in einen gestressten Zustand. Es fängt direkt nach dem Aufstehen an. Kaum habe ich die Augen geöffnet, versuche ich einen Ablaufplan zu erstellen. Folgende Tätigkeiten müssen in eine akzeptable Reihenfolge gebracht werden. Aufstehen, Calmvalera einnehmen, Stuhlgang, Banane schneiden, Müsli auffüllen, Joghurt über Banane und Müsli verteilen, Regayzym Plus einnehmen, essen, Benz aus der Garage holen, spülen, mit Agnes telefonieren, Brote für den Arbeitstag schmieren, Asconex einnehmen, duschen, wieder essen, erneut spülen, Zähne putzen und mich seelisch auf den Tag vorbereiten. Doch meistens klappt das alles nicht in der eben aufgeführten Reihenfolge oder ich muss zusätzlich einkaufen, weil ich nichts zu trinken oder zu essen im Haus habe. Oder jemand klingelt an der Tür. Und dann wird es ganz furchtbar, denn dann müssen diese Zusatztätigkeiten in den Ablauf integriert werden. Das überfordert mich. Und so bin ich beim Telefonat mit Agnes oftmals alles andere als freundlich. Natürlich merke ich das nie wirklich, weil für so etwas in meinem Zeitplan keine Zeit vorgesehen ist. Weil ich auch heute beim Telefonat mit Agnes wieder überfordert bin, bin ich nach einer Weile des Telefonierens plötzlich und unerwartet unfreundlich. Agnes weist mich darauf hin und sagt, dass sie mich am Donnerstag nun nicht mehr anrufen wird, weil ich so bin, wie ich bin. Da nützt es auch nichts, wenn ich mich entschuldige. Sie nennt mich einen Donnerstagsmonk und ich bin traurig, denn ich will kein Donnerstagsmonk sein und auch nicht, dass Agnes, dieses entzückende Wesen, unzufrieden mit mir ist. Doch ich kann mich in so einer Ausnahmesituation einfach nicht kontrollieren und hasse es, wenn ich etwas nicht kontrollieren kann. Nicht auszudenken, wie unerträglich ich wäre, müsste ich einer täglichen Arbeit nachgehen.

Unregelmäßiger Stuhlgang
Ich finde es furchtbar, wenn Dinge nicht einem geregelten Zeit- und Ablaufplan folgen. Noch schrecklicher finde ich es, wenn ich Dinge nicht kontrollieren kann. Meinen Stuhlgang kann ich manchmal nicht wirklich kontrollieren. Das macht mich wahnsinnig. Und so kann es vorkommen, dass ich nicht innerhalb einer Stunde nach dem Aufstehen auf die Toilette kann und ich meinen Stuhlgang nach hinten verlegen muss (lustige Formulierung). Das bedeutet selbstverständlich zusätzlichen Stress für mich. Ich finde regelmäßigen Stuhlgang zu festen Zeiten nämlich sehr, sehr wichtig. Denn wenn der Stuhlgang unregelmäßig stattfindet, kann es vorkommen, dass ich nicht zu Hause bin, wenn er sich plötzlich ankündigt. Stuhlgang außerhalb der eigenen vier Wände ist ein echtes Problem für mich, da fremde Toiletten, besonders öffentliche, seit jeher ein rotes Tuch für mich sind. Schließlich weiß man nicht, wer da vorher gesessen hat, was er ausgeschieden hat und unter welchen, möglicherweise ansteckenden Krankheiten, der vorige Benutzer litt. Das ist einfach nichts für mich. Nur vom Gedanken daran, werde ich schon krank und mir unverzüglich schlecht. Deshalb achte ich auf eine ausgewogene Ernährung und feste Stuhlgangszeiten. Denn nur, wenn alles ordnungsgemäß funktioniert, kann ich entspannt und zufrieden meinen Stuhlgang erledigen. Alles andere bereitet mir Stress und ist weder gut für mich noch für meine Darmflora.

Trainingserfolge?
Fast diszipliniert verfolge ich seit Tagen meinen Trainingsplan. Meine Rückenschmerzen, die mich nach sechs Stunden Schlaf immer geweckt haben, geben mir mittlerweile etwas mehr Zeit zum Ausschlafen. Ob ich mich an die Schmerzen gewöhnt habe oder ob sie wirklich ein paar Prozent weniger schlimm sind, kann ich noch nicht abschließend beurteilen. Doch obwohl ich es nicht weiß, nehme ich es als Motivation weiter zu machen. Als ich heute das Fitnessstudio gegen 09.36 Uhr betrete, bin ich etwas irritiert, denn es tummeln sich zu viele Menschen hier. Sofort spüre ich ein gewisses Unbehagen in mir aufsteigen. Doch davon darf ich mich nicht beeinflussen lassen. Nach dem Aufwärmen gehe ich in den Freihantelbereich. Normalerweise ist es hier um diese Zeit leer, doch heute scheint Tag der Muskelmänner zu sein. Sofort fühle ich mich unwohl. Nicht nur, weil meine Oberarme dünner als meine Unterarme sind, sondern auch, weil die Muskelmänner nun sehen, mit was für Kindergewichten ich hier rumhantiere. Das ist alles nur peinlich und ich fühle mich dermaßen unwohl, dass ich sogar zwei Übungen ausfallen lasse, um rasch den Bereich wechseln zu können. Im unteren Bereich kann ich einigermaßen ungestört zu Ende trainieren. Doch kaum erreiche ich nach meinem Training die Umkleidekabine, bin ich sofort wieder deprimiert. Zwei Muskelmänner stehen mit freiem Oberkörper vor dem Spiegel, betrachten ihre Muskeln, stellen Vergleiche an und posen, was das Zeug hält. Muskelmasse ersetzt wirklich kein Gehirn und ich finde es äußerst befremdlich, dass zwei Männer sich gegenseitig ihre Muskeln präsentieren. Ich frage mich, warum die sich nicht auch noch gegenseitig abtasten, um zu spüren, wie gut der Körper des anderen geformt ist. Doch kaum sind meine, vermutlich durch Neid geweckten, Gedanken verflogen, frage ich mich, ob ich nicht auch so rumposen würde, wenn mein Körper so aussehen würde. Ich bin mir nicht sicher. Ausschließen kann ich es aber auch nicht. Schade, dass ich nie einen solchen Körper haben werde. Andererseits ist der Körper von dem einen der beiden Poser auch nicht wirklich perfekt. Ein wenig sollte er schon abnehmen. Der andere Poser hingegen ist einfach perfekt durchtrainiert. Ich schäme mich. So soll mein Körper aussehen. Sieht er aber nicht. An mir ist nichts durchtrainiert. Ich leide unter versteckten Muskeln und einem Bauch, der immer weiter aus der Form gerät. Daher sehe ich zu, dass ich ganz schnell aus der Umkleidekabine verschwinde und höre noch, dass einer der Muskelmänner unzufrieden mit seinem Bauch ist. Seine Probleme hätte ich gerne.
Auf der Fahrt nach Hause bin ich sehr traurig. Später, unter der Dusche, betrachte ich meinen Bauch. Das ist ein Bauch, um unzufrieden zu sein. Ich schäme mich und denke voller Wehmut an die Zeit zurück, als ich wenigstens noch einen flachen Bauch hatte. Damals konnte ich den Bauch noch zeigen und anfassen lassen. Leider ist nichts davon geblieben, außer verblassenden Erinnerungen.

Irrtum
Schon einen Tag nach meiner Vermutung, dass es meinem Rücken besser geht, muss ich schmerzhaft feststellen, dass ich mich geirrt habe. Meine Schmerzen sind aufdringlich wie eh und je. Vermutlich mein Fehler, weil ich mich heute um 05.30 Uhr, als sich mein Rücken erstmals meldete, weigerte aufzustehen. Die zweite Warnung, die schon etwas deutlicher ausfiel, gab es um 06.19 Uhr. Auch diese ignorierte ich mit einer gewissen Überheblichkeit. Nun ist es 07.36 Uhr und meine Schmerzen sind so heftig, dass ich mich kaum bewegen kann. Es sieht fast so aus, als wäre es mit einem bisschen Training nicht getan. Ich versuche es mit Chirogym. Unmöglich. Mit diesen Schmerzen sind Bewegungen unerträglich. Das kann keine harmlose Verspannung sein. Niemals. Sollte es mir in zwei, spätestens drei, Wochen nicht besser gehen, werde ich einen Facharzt aufsuchen müssen, um zu erfahren, wie hoffnungslos meine Situation ist. Schade, denn ich fühle mich eigentlich viel jünger als ich es bin. Doch wie ich mich fühle, ist nicht immer damit gleichbedeutend, wie es sich anfühlt.

Blähungen
Seit geraumer Zeit nehme ich alle möglichen Mittel ein, um meine Magenprobleme, die mich schon mein halbes Leben begleiten, zu besiegen. Der Erfolg ist zwar spürbar, aber es gibt ein Problem, dass sich bisher nicht in den Griff kriegen ließ. Meine Blähungen. Und so verbringe ich den größten Teil des Tages damit Luft abzusondern. Eine sogenannte Furzparade jagt die nächste. Gesellschaftstauglich bin ich nur, weil ich es ab und zu schaffe, meine Luftproblematik für ein paar Stunden zu unterdrücken. Doch sobald ich wieder alleine bin geht es los. In einer Heftigkeit, die an Naturkatastrophen erinnert. Der Versuch mit Regazym Plus die Problematik zu besiegen kann als erfolglos gewertet werden. Sobald ich es mir wieder leisten kann, werde ich erneut meinen Heilpraktiker um Rat bitten. Ich will wieder ein luftbefreites Mitglied dieser Gesellschaft werden. Für den Fall, dass mein Leben in Zukunft auch weiter daraus bestehen wird, durch den Mund ein- und durch den Hintern auszuatmen, muss ich mich wohl damit abfinden, dass es noch vor meinem Tod und dem damit verbundenen Liegen in einem Sarg, schon sehr einsam werden wird. Nur ohne Sarg und lebendig. Kein wirklich schöner Gedanke.

Menschliche Zombies
Vor Feiertagen werden Menschen immer irgendwie komisch. Also komischer als sie es sonst sind. Zum Beispiel müssen sie vor Feiertagen unbedingt einkaufen. Egal, wie viele Feiertage anstehen, sie stürmen los und müssen Vorräte besorgen, die für lange Zeit reichen. Es hat den Anschein als wenn im Gehirn etwas passiert, was sich nicht kontrollieren lässt. Heute ist wieder so ein Tag vor den Feiertagen. Und weil ich das weiß, bin ich extra früh unterwegs, um diesen Einkaufsjunkies möglichst aus dem Weg zu gehen. Es ist 07.47 Uhr als ich auf die Straße trete. Nur vereinzelt sind Menschen zu sehen. Ab und zu fährt ein Auto vorbei. Fast gespenstisch mutet diese Szene an. Wirklich gruseilig wird es aber erst vor dm, denn da stehen einige Menschen vor der noch verschlossenen Ladentür und starren diese einfach an. Eine Szene wie aus einem Horrorfilm. Sie stehen einfach nur da, bewegen sich maximal minimal und starren die Tür an. Vor Aldi ein ähnliches Bild. Nur ist die Anzahl der menschlichen Zombies um ein vielfaches höher. Auch sie stehen einfach vor dem Eingang und starren die Türen an. Normal kann das nicht sein. Schade, dass ich keine Kamera dabei habe. Vor Rewe sieht es etwas anders aus. Rewe hat bereits geöffnet, aber dennoch stehen viele Menschen vor dem Laden. Aber nicht wie die Zombies, sondern in einer Reihe aufgestellt. Eine Art Zombiepolonaise. Sie alle wollen zum Bäcker bei Rewe. Diese Zombies wirken etwas kultivierter als die Zombies vor den anderen Läden. Verstehen kann ich das Phänomen dennoch nicht. Was wollen die alle ausgerechnet hier? Verständlich wäre der Andrang vielleicht, wenn es nur eine Bäckerei im Ort gäbe, aber hier im Ort sind etwa zehn Bäckereien. Was also soll dieser Auflauf? Mir macht so etwas Angst. Schnell kaufe ich ein, werfe nach dem Einkaufen noch einen Blick auf die Zombiepolonnaise und verschwinde. Nächstes Mal stelle ich mich einfach zusammen mit den anderen Zombies vor einen Laden und starre eine Tür an. Vielleicht hat das ja was. Möglicherweise lasse ich das aber auch sein. Frohe Ostern.

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