März 2010

Vom Pferd zum Konzert
Samstag, 18.00 Uhr. Endlich ist es soweit. Mein erstes Pferdecoaching steht an. Das Pferd macht einen freundlichen Eindruck. Allerdings finde ich es etwas groß und schnell stellt sich heraus, dass das Pferd mich nicht wirklich ernst nimmt. Das kann ja heiter werden. Hufe reinigen und das Fell bürsten sind meine ersten Aufgaben. Das mit den Hufen klappt ganz gut. Meinen Hinweis, dass das Pferd demnächst nicht mehr in Scheiße treten soll, scheint es zu ignorieren. Mich danach auch. Und so klappt das mit dem Bürsten auch nicht wirklich. Ständig wandert das Pferd weg und hat anderes vor als sich von mir bürsten zu lassen. Da ich kein Pferdepfleger werden will, nehme ich das einfach nicht so ernst. So scheint niemand ernst zu nehmen, was hier gerade passiert.
In der Halle geht das Debakel weiter. Scheinbar sprechen wir nicht dieselbe Sprache. Sieht die Coachin, Ursula, genauso und unterbricht das Trauerspiel, um einen neuen Plan zu entwerfen. Dieser sieht vor, dass ich auf das Pferd klettere und wir dann schauen, was passiert. Eine ausgesprochen gute Idee, wie ich finde. Also klettere ich auf das Pferd und schon geht es los. Meiner Meinung nach viel zu schnell. Griffe zum Festhalten gibt es keine und ich glaube, dass es vielleicht hilfreich wäre, wenn wir vorher einen Sattel auf das Pferd montiert hätten. Doch nach ein paar Anweisungen von Coachin Ursula läuft es dann doch ganz gut und am Ende bin ich enttäuscht, dass ich so schnell wieder runter klettern soll, um den Teil mit der Führung erneut zu probieren. Ich denke, ich bin eher jemand, den man auf ein Pferd setzen sollte anstatt es führen zu lassen. Doch zu meiner Überraschung klappt es dieses Mal ganz gut. Das Pferd macht endlich, was ich will. Jetzt bin ich hier der Mann und das Pferd scheint mich zu mögen. Alles andere hätte ich auch nicht verkraftet. Vielleicht werden wir ja doch noch Freunde. Doch bevor ich nun überheblich werde und mich für der Größten halte, ist das Coaching auch schon zu Ende. Es war sehr interessant und vielleicht werde ich irgendwann wieder auf diesem oder einem anderen Pferd Platz nehmen dürfen.

Nachdem ich mich gewaschen habe, den Geruch von Stall entfernt habe und ein wenig Sex mit Ursula hatte, geht es gegen 21.00 Uhr zu einem Blueskonzert. Als ich an der Kasse warte, möchte Rolf Zacher, dass ich ihn vorbeilasse. Da ich ein netter Mensch bin, lasse ich ihn vorbei. Wir wechseln exakt zwei Sätze miteinander, dann ist mein erstes Promitreffen 2010 vorbei und ich frage mich, was Rolf Zacher hier in der Provinz macht. Ob ich ihn jemals wiedersehe? Die erste Band ist nicht schlecht. Mir würde es allerdings besser gefallen, wenn die Sängerin nicht mitsingen würde. Nicht, dass sie wirklich schlecht ist, aber ohne Gesang finde ich die Musik einfach besser. Vor der Bühne zu stehen und die Band zu beobachten finde ich allerdings weniger gut. Lieber würde ich irgendwo gemütlich an einem Tisch sitzen. Doch scheinbar gelten auf Konzerten andere Regeln und so bleibe ich vor der Bühne stehen und lausche den Klängen der Musik, so wie es sich scheinbar gehört. Für mich ist das alles ungewohnt, weil ich normalerweise nicht auf Konzerte gehe. Vielleicht ändert sich das ja nun.
Die zweite Band gefällt mir etwas besser, was auch hier nicht an der Sängerin liegt. Die hätte ruhig zu Hause bleiben können. Einige Leute aus dem Publikum hätten auch zu Hause bleiben sollen, anstatt hier zu Pfeifen und zu Klatschen. Diese Leute stören mein Wohlbefinden. Ich will hier Musik hören und nicht der Dorfbevölkerung beim Versuch des rhythmischen Klatschens zusehen. Doch ich will mich nicht beschweren, schließlich bin ich mit zwei Frauen hier, von der eine meine Freundin ist, und obendrein noch eingeladen worden, was bedeutet, dass ich nichts bezahlen muss. Wenn ich es mir Recht überlege, läuft es gerade verdammt gut für mich.


Erstes Jobangebot 2010
Am Wochenende wartet eine dicke Überraschung auf mich. Meine neue Arbeitsvermittlerin hat mir geschrieben. Und ich kann mein Glück kaum fassen als ich ihre Zeilen lese.

Sehr geehrter Herr Fischer,
die Veröffentlichung Ihres Bewerberprofils in der Job-Börse hat zur Nachfrage eines Arbeitsgebers geführt.
Es handelt sich dabei um ein ungeprüftes und unverbindliches Angebot.
Bitte setzen Sie sich mit dem im Stellenangebot genannten Arbeitgeber in Verbindung und teilen Sie mir das Ergebnis Ihrer Bemühungen/Bewerbung mit.
Hinweis: Dem Arbeitgeber wurden Ihre Kontaktdaten von mir nicht bekannt gegeben.
Mit freundlichen Grüßen

Auf der nächsten Seite des Anschreibens erwarte ich Informationen zu dem Job und zum Arbeitgeber. Stattdessen steht dort nur eine Adresse in Ahlen und eine Telefonnummer. Sehr merkwürdig und vermutlich alles andere als seriös. Ich bin schon sehr auf das Telefonat gespannt.

Montag, 09.10 Uhr. Voller Euphorie bald einen Job zu haben rufe ich unter der angegeben Nummer an. Es meldet sich der Anrufbeantworter. Das Büro ist derzeit nicht besetzt. Ich soll Name und Rufnummer hinterlassen, dann werde ich zurückgerufen. Bis jetzt klingt das alles sehr professionell. Einzig die Tatsache, dass ich noch immer nicht weiß mit wem ich es zu tun habe, macht mich etwas stutzig. Dabei hat das bestimmt nichts zu sagen. Dass dort um 09.10 Uhr noch nicht gearbeitet wird kommt mir irgendwie entgegen, weil ich so früh morgens auch nicht arbeiten mag. Ich freue mich jedenfalls riesig darauf, bald zurückgerufen zu werden. Da ich um 13.47 Uhr immer noch nicht zurückgerufen wurde, versuche ich es erneut. Das Büro ist weiterhin nicht besetzt. Es scheint so als hätten die nicht viel zu tun und sehr angenehme Arbeitszeiten. Ich beschließe, dass ich es später erneut versuche. Irgendwann müssen die ja arbeiten. Oder? Um 17.27 Uhr ist das Büro immer noch nicht besetzt. Vielleicht haben die montags immer frei. Möglicherweise sind das Friseure. Am Dienstag um 08.44 Uhr versuche ich es erneut. Der Anrufbeantworter geht an und teilt mir mit, dass das Büro nicht besetzt ist. Ich fürchte fast, dass es mit dem Job nichts wird und diese Firma mit dem klangvollen Namen ‚deinestelle‘ nichts weiter ist als ein schlechter Scherz. Oder ein Test der ARGE, um herauszufinden, ob sich Arbeitslose dort wirklich melden. Meine ganze Begeisterung über das Jobangebot werde ich meiner Betreuerin schriftlich mitteilen. Vielleicht lässt sich mich dann mit derartigem Blödsinn in Ruhe.


The Biggest Loser
Durch Zufall entdecke ich, dass auf Kabel 1 eine Sendung mit dem Titel „The Biggest Loser“ läuft. Unverzüglich fängt mein Herz zu klopfen an und ich werde tierisch nervös. Läuft da endlich die Serie über mich? Gibt es endlich eine Reportage in der ich vorgestellt werde? Sofort schalte ich auf Kabel 1 und bin direkt enttäuscht. Statt Informationen über mich und mein Leben zu bekommen, sehe ich einen Wal, der auf einem Sandhügel gestrandet ist und sprechen kann. Ich bin irritiert. Noch bevor ich realisieren kann, um was es geht, erkenne ich, dass der Wal eine dicke Frau ist, die jetzt völlig losgelöst den Hügel runter rollt. Fast 200 kg Mensch rollen einen Sandhügel runter. Ich bin schockiert. Doch sie ist nicht der einzige Wal bzw. dicke Mensch, den ich hier zu sehen bekommen. Gut ein Dutzend weiterer zu Walen mutierter Menschen taucht auf dem Bildschirm auf. Scheinbar machen die Wale einen Wettkampf. Ich bin so fasziniert, dass ich nicht abschalten kann und schaue mir die dicken Menschenwale bis zum Schluss an. Als es anschließend auf die Waage geht und die Menschenwale ihre unfassbar fetten Bäuche direkt in die Kamera halten, werfe ich meine Chipstüte weg, weil ich das Gefühl habe mich übergeben zu müssen. Als die erst 17jährige Catharina neben ihrer Mutter auf der Waage steht, bin ich mehr als geschockt. Wie kann man nur zu einem solchen Mastschwein, habe ich wirklich Mastschwein gedacht, mutieren? Das ist nicht schön und grenzt an Körperverletzung. Leider erfahre ich nicht, was diese Menschen so dick hat werden lassen. Ich glaube auch nicht, dass sich diese Körpermassen so einfach erklären lassen. Die Frau aus dem gelben Team ist so verformt, dass man echt Mühe hat, zu erkennen, dass es sich tatsächlich um eine Frau handelt. Das ist nicht schön. Gibt es nicht irgendeine Unterschriftenaktion, die gegen das zur Schau stellen solcher Missstände ist? Und wie hoch ist eigentlich die Lebenserwartung solcher übergewichtigen Personen? Lange kann man so sicher nicht überleben. Zumindest nicht an Land. Oder? Ich glaube, die Sendung ist pervers und sollte verboten werden.


WOANDERS IST AUCH SCHEISSE
Freitag, 16.30 Uhr, Cottons Dortmund. Während ich auf Kaugummi Nadja warte, frage ich mich, warum ich mich immer wieder mit einer Frau treffe, die mir sagt, ich sei dröge und ungepflegt, Witze über meine Haare macht, meinen Kleidungsstil blöd und meine Tränensäcke furchtbar findet. Und ich frage mich, wieso sie sich mit mir trifft. Ob es ihr Spaß macht einem Mann diese Dinge zu sagen? Oder trifft sie sich nur deshalb mit mir, weil ich der einzige bin, der sich das gefallen lässt und immer wieder kommt? Während ich nach Antworten suche, betritt sie den Laden. Sie trägt einen Minirock, was sehr gut zu ihren scheinbar endlos langen Beinen passt. Vielleicht bin ich wegen des Anblicks hier. Männer schmücken sich ja gerne mit attraktiven Frauen und attraktiv finde ich sie heute definitiv. Außerdem riecht sie gut. Ich liebe es, wenn eine Frau gut riecht. Es dauert nicht lange bis sie mir sagt, dass sie meine Uhr schrecklich findet. Danke, Kaugummi Nadja. Als nächstes folgt eine kurze Bemerkung zu meiner Frisur. Im Gegenzug sage ich ihr, dass mir ihre Frisur gut gefällt und sie insgesamt gut aussieht. Danach stellt sie ihre Kritik an mir für heute ein und die restlichen knapp zwei Stunden sind entspannt und unser Gespräch scheint ihr zu gefallen. Jedenfalls so gut, dass sie nicht ans Telefon geht, als ihr Mann anruft. Ich bin erstaunt. So freundlich kenne ich sie gar nicht. Später schenkt sie mir eine bedruckte Postkarte mit der Aufschrift „WOANDERS IST AUCH SCHEISSE“. Sie sagt, dass sie die witzig findet. Komisch. Gisa hat mir auch öfter bedruckte Postkarten geschenkt, die sie witzig fand. Da jedes Treffen mal zu Ende geht, folgt der übliche Abschied. Sie sagt, dass es diesmal nicht so lange dauern wird bis sie sich bei mir meldet. Wir werden sehen. Nachdem sie gegangen ist, folge ich meinen Gedanken zurück zur Eingangsfrage. Warum treffe ich mich mit Kaugummi Nadja? Folgende Antworten scheinen möglich.
A: Weil sie meist gut aussieht.
B: Weil sie gut riecht.
C: Weil sie drei- bis viermal im Jahr Zeit für mich hat.
D: Weil ich es liebe, wenn mir gesagt wird, dass ich Scheiße aussehe.
E: Weil sie intelligent ist.
F: Weil sie kein Kind von mir will.
G: Weil sich sonst kaum Frauen mit mir treffen wollen.
Vermutlich ist mehr als nur eine Antwort richtig. Ach, hätte ich doch nur eine Banane hier, dann würde ich vielleicht eine Antwort auf meine Frage finden. Werde ich es je erfahren oder weiß ich es längst?


Der Verfall
Als wäre die ständig wachsende Anzahl an Altersflecken, grauen Haaren und Falten nicht genug. Jetzt verfalle ich auch schon innerlich. Arthrose nennt der Facharzt es. Verschleiß. Ich bin innerlich so verschlissen, dass ich seit fast zwei Jahren keinen Fußball mehr spielen kann. Und jetzt habe ich endlich einen Arzt gefunden, der mir den Verfall ausführlich erklärt und auf Röntgenbildern zeigt und ich kann nicht behaupten, dass mich seine Ausführungen nicht deprimieren. Aber ich soll auf jeden Fall weiter Sport machen. 10 Kilometer laufen in der Woche wären gut. Allerdings auf keinen Fall an einem Tag. An fünf Tagen je zwei Kilometer wären gesünder für mich und bitte nur auf weichem Boden. Wo ich weichen Boden bekomme, sagt er mir nicht. Den Crosstrainer im Fitnessstudio darf ich zwanzig, maximal dreißig, Minuten am Stück benutzen. Fahrradfahren hingegen darf ich bis mir schlecht wird. Fahrradfahren finde ich Scheiße. Da wird mir schon beim Gedanken daran schlecht. Eine gute Nachricht hat er dann doch noch für mich. Ich darf wieder Fußball spielen. Allerdings nur auf der Playstation. Vielen Dank. Nachdem das geklärt ist, frage ich mich, wie lange ich wohl noch aktiv Sex haben darf. Und vor allem frage ich mich, wo ich eine Frau finde, die mit mir Sex auch in Zukunft haben will. Schließlich besteht die Gefahr, dass ich mir schwere Verletzungen beim Sex zuziehe oder gar ganz kaputt gehe. Ich schätze, ab jetzt wird es noch schwerer eine Frau für die Nummer zwischendurch zu finden. Gibt es da nicht auch etwas für die Playstation? Scheiß Verfall.


Stinker bei Penny
Seit geraumer Zeit habe ich ständig das Glück, dass, wenn ich bei Penny an der Kasse stehe, ich von übel riechenden Menschen umgeben bin. Diese Menschen riechen nicht nur übel, sie sehen auch so aus. Auch heute wird um mich herum gestunken. Das Pärchen vor mir riecht wie eine stillgelegte Nikotinfabrik. Alter Zigarettengeruch beißt in meiner Nase und ich habe Schwierigkeiten mich zu beherrschen und die beiden nicht mit Deo zu besprühen. Um nicht direkt zu sterben, gehe ich einen Schritt zurück. Dummerweise stürze ich so ins nächste Verderben. Hinter mir steht eine abgefuckte Frau, die dermaßen nach altem Schweiß riecht, dass ich sie am liebsten ankotzen möchte. Ich sitze hier in der Falle und kann kaum glauben, dass die Stinker immer zur gleichen Zeit wie ich einkaufen gehen.

Wieder zu Hause beschließe ich, dass ich mich in Zukunft auch nicht mehr wasche, wenn ich zu Penny gehe, da es scheinbar von großer Bedeutung ist, dass man ordentlich stinkt, wenn man dort einkauft. Sofort mache ich mich daran, meinen Plan in die Tat umzusetzen und schon vier Tage später rieche ich wirklich unangenehm und beschließe, dass es Zeit für einen Einkauf bei Penny ist. Passend zu meinem Gestank ziehe ich meine schlechtesten Sachen an. Als ich endlich bei Penny an der Kasse stehe, fällt mir sofort auf, dass ich mich nicht richtig vorbereitet habe. Ich habe zwar bewusst auf Körperhygiene verzichtet, doch eine wesentliche Sache habe ich vergessen. Ich habe vergessen den Aschenbecher von meinem Balkon auf mir zu entleeren und mich in den Kippen zu wälzen. Auch habe ich vergessen einige alte Kippen auf meinem nach Schweiß riechenden Körper zu verteilen, um mit den Stinkern hier mithalten zu können. So stehe ich jetzt inmitten der Stinker und kann mit meinem Geruch nicht im geringsten gegen diese Stinker anstinken. Vier Tage habe ich mich völlig umsonst nicht gewaschen. An der Kasse habe ich mit meinem Körpergeruch keine Chance. Alle um mich herum stinken viel mehr. In dieser Disziplin kann ich wohl nicht gewinnen.
Zurück zu Hause überlege ich, ob ich weiter aufs Waschen verzichte und es nochmal versuchen soll. Doch ich kann nicht mehr. Mein Geruch widert mich an. Ich beschließe, mein Experiment abzubrechen und unter die Dusche zu gehen. So werde ich zwar nie ein richtiger, stinkender Hartz IV Empfänger, aber gewaschen fühle ich mich dann doch einfach besser.


Schon vorbei
Lange hat es nicht gedauert bis die Begeisterung für meine Playstation verflogen ist. Alleine mit der Playstation spielen ist in etwa so aufregend wie alleine Sex haben. Beides kann mich nicht wirklich begeistern. Deshalb bin ich wieder dazu übergegangen einfach so auf dem Sofa zu sitzen und ins Leere zu starren. Hat zwar auch keinen großen Unterhaltungswert, ist aber energiesparender. Und jetzt ist der Winter auch noch vorbei. Da muss ich eigentlich unters Volk. Aber alleine macht mir auch das keinen Spaß. Ich brauche ein Hobby. Oder Freunde. Oder Geld. Oder was ganz anderes.


Bewerbungen
Da ich keine Lust habe ununterbrochen die Wand anzustarren, gehe ich auf die Webseite der Arbeitsagentur und suche nach Jobs, die meinen Fähigkeiten entsprechen. Nach kurzer Zeit werde ich tatsächlich fündig und bewerbe mich unverzüglich als Raumpfleger. Eine ziemlich bescheuerte Idee für jemanden, der seine eigene Wohnung nicht richtig sauber halten kann. Aber so bin ich wenigstens ein paar Minuten beschäftigt.


Besuch bei der ARGE
Da ich nicht weiß, wie ich sonst an Geld komme, gehe ich zur ARGE und gebe meinen Antrag auf Bewerbungskosten ab. 50€ will ich dafür haben. Kaum sitze ich bei der Mitarbeiterin wird es kurios. „Möchten Sie, dass wir sie benachrichtigen, wenn das Geld überwiesen wird?“ – „Wozu?“ – „Also soll ich hier ankreuzen, dass Sie darauf verzichten?“ -„Ja. Das verursacht doch nur Kosten. Was hat das für einen Sinn? Ich sehe doch, wenn das Geld auf meinem Konto ist.“ Sie kreuzt an, dass ich auf die Benachrichtigung verzichte und bittet mich zu unterschreiben, dass sie es angekreuzt hat. Ich unterschreibe und komme mir vor wie in einem schlechten Witz. Und der Witz geht noch weiter. „Hat Ihnen einer der Arbeitgeber Bewerbungskosten erstattet?“ – „Nein.“ Sie macht ein Kreuz und ich muss mit meiner Unterschrift bestätigen, dass sie das Kreuz gemacht hat. Ich versuche, nicht zu lachen. Bevor ich gehe, möchte ich einen neuen Antrag für Bewerbungskosten. Sie geht ins Nachbarbüro. Nach ein paar Minuten kommt sie zurück. „Ich kann Ihnen den Antrag nicht geben.“ – „Wieso nicht?“ – „Sie müssen noch etwas unterschreiben.“ – „???“ – „Sie bekommen in den nächsten Tagen Post. Darin wird Ihnen ein Termin bei Ihrer Betreuerin mitgeteilt. Dann müssen Sie etwas unterschreiben.“ – „Was muss ich unterschreiben?“ – „Sie bekommen Post.“ Ich merke, dass ich langsam sauer werde und frage erneut. „Was soll ich Unterschreiben? Eine Eingliederungsvereinbarung?“ – „Ja.“ – „Die habe ich erst vor zwei Monaten unterschrieben!“ – „Es hat sich was verändert, deshalb müssen sie die nochmal unterschreiben.“ – „???“ – „Es muss dort eingetragen werden, wie viel Bewerbungskosten wir Ihnen genehmigen. Ich kann nichts dafür.“ – „Das habe ich auch nicht gesagt.“ – „Sie bekommen in den nächsten Tagen Post.“ – „Okay.“ – „Tut mir Leid, Herr F.“ Es ist unglaublich, was für einen Akt man aus einer so einfachen Geschichte machen kann. Jetzt muss ich demnächst wieder hierhin fahren. Als ob ich mein Geld nicht sinnloser ausgeben könnte. Ich freue mich jedenfalls schon voll auf die Post von der ARGE und den Termin bei meiner Betreuerin. Vielleicht habe ich ja Glück und sie hat sogar einen Job für mich. Als Angestellter eines Anrufbeantworters. Wäre nicht das erste Mal.


Bald geht’s los
Gegen 17.12 Uhr klingelt das Telefon. Ich gehe ran. „Guten Tag Herr F., mein Name ist H. Sie hatten sich beworben. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass die Stelle vergeben ist. Ich möchte Ihre Unterlagen aber behalten, da ich öfter Mitarbeiter suche. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Vielen Dank.“ Mehr als zwischendurch mal ein „Hm“ oder „Ja“ schaffe ich nicht zu sagen. Erst am Schluss lässt er mir Zeit mich zu bedanken und ihm ebenfalls einen schönen Abend zu wünschen. Scheint so als würde meine Karriere als Raumpfleger auf 400€ Basis bald beginnen. Wenn es so ist, haben sich alle meine Weiterbildungen und Umschulungen am Ende doch noch bezahlt gemacht und mein Leben bekommt endlich einen Sinn. Bis es soweit ist starre ich die Wand an. Aber mit einem Lächeln im Gesicht. Ist das Leben nicht schön?


Überraschender Ausflug
Eigentlich wollte ich den Samstagabend lethargisch auf dem Sofa verbringen. Stattdessen verlasse ich um 21.43 Uhr die Wohnung, um auszugehen. Noch erstaunlicher als die Tatsache, dass ich ausgehe, finde ich, dass ich nicht weiß, wo es hingeht. Zu meiner Überraschung geht es zunächst zum Billard. Ich habe schon ewig nicht mehr mit Sam Billard gespielt. Doch obwohl ich noch nie den Tisch als Sieger verlassen habe, wenn ich gegen Sam spielen durfte, bin ich zum ersten Mal völlig entspannt und versuche nicht krampfhaft zu gewinnen, sondern Spiele einfach. Sam ist heute alles andere als konzentriert und so passiert das Undenkbare. Ich verlasse zum ersten Mal den Tisch als Sieger. Ich sollte nie wieder Billard spielen. Denn was kann es schöneres geben als mit einem Sieg gegen Sam meine Karriere zu beenden?

Gegen Mitternacht gehen wir ins FZW. Zum ersten Mal in diesem Jahr. Und es ist fast wie damals. Gute Musik, gute Optik und ich bin mittendrin, aber nicht dabei. Ich stehe zwei Stunden am selben Platz, teilweise mit verschränkten Armen, und gucke in die Menge. An Konversation bin ich nicht interessiert. Eine Stunde lang steht eine attraktive Frau neben mir. Ich beachte sie nicht weiter. Als ich eine andere, noch attraktivere Frau entdecke, gucke ich sie an. Sie merkt es und guckt Blitzschnell weg. Da mir das gefällt, gucke ich sie zur Belohnung oder Belustigung öfter an. Jedes Mal, wenn sie in meine Richtung guckt und sieht, dass ich sie anschaue, guckt sie Blitzschnell weg. Herrlich. Fast wie in alten Zeiten. Ich bin schon ein attraktiver Typ. Erst als sich ein Paar direkt vor meinen Augen küsst und befummelt, werde ich unzufrieden. Ich will das nicht sehen, kann aber auch nicht weggucken. Ich will auch küssen. Glücklicherweise hält mein Zustand der Unzufriedenheit nur kurz an, dann bin ich auch schon wieder zu hundert Prozent gleichgültig. Sehr schön. Als wir später das FZW verlassen ist es kurz vor 02.00 Uhr. Zu Hause komme ich aber erst um 03.27 Uhr an. Das muss wohl an der Zeitumstellung liegen. Mehr noch als die Zeitumstellung stört mich aber, dass ich keine Banane zu dem Ausflug mitgenommen habe. Es ist klar zu erkennen, dass ich völlig aus der Übung bin, was das abendliche Weggehen angeht. Das muss besser werden.
Zu Hause esse ich ein paar Kekse und schalte den Fernseher an. Doch ich gucke kein TV, sondern schaue minutenlang die Bundesligatabelle im Videotext an. Schalke vor Bayern. Ich bin entzückt und wünsche mir, dass es nach dem 34. Spieltag genau so aussieht. Glücklich und zufrieden klettere ich in mein Bett. Mehr geht wirklich nicht.


Anruf von der ARGE
Ich bin sehr erstaunt als mich meine Betreuerin von der ARGE anruft. Sie erklärt mir, dass es jährlich statt 260€ nur noch 100€ Bewerbungskosten gibt. Außerdem erklärt sie mir, dass ich auch nur noch 20 Bewerbungen pro Jahr schreiben bzw. nachweisen muss, weil ich nur nachweisen muss, was auch bezahlt wird. Deshalb bekomme ich bald eine neuen Eingliederungsvereinbarung in der festgehalten wird, wie viele Bewerbungen ich über einen Zeitraum von sechs Monaten schreiben muss bzw. wie viele ich noch auf Kosten der ARGE schreiben kann/soll/darf/muss. Scheinbar hat die ARGE die Hoffnungslosigkeit erkannt und beschlossen, dass es keinen Sinn macht auch in Zukunft so viel Geld für letztlich sinnlose Bewerbungsversuche auszugeben. Ich sehe es als Zeichen der Kapitulation in Zeiten leerer Kassen. Für mich heißt es, dass ich meine sinnlosen Bewerbungsversuche noch weiter reduzieren kann. Es lebe die Arbeitslosigkeit.


Dummes Pimmelgesicht
Kurz vor Ende des Monats bemerke ich etwas, was mir echt die Laune verdirbt. Irgendein verblödetes Pimmelgesicht ist am Benz gegen die hintere Stoßstange gefahren, hat einen langen weißen Kratzer hinterlassen und sich dann verpisst. Ich finde, dass er es verdient hätte, wenn ich ihm mit meinem Auto über den Kopf fahre. Sollte eine Frau mit Pimmelgesicht gegen mein Auto gefahren sein, würde ich sie gerne einen Abhang runter werfen und dann am Rande des Abhangs beerdigen. Ich hasse Menschen, die nicht Autofahren können und Fahrerflucht begehen. Das ist doch Scheiße.

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