Ergebnis der Magenspiegelung
Drei Wochen nach der Magenspiegelung sitze ich bei meinem Hausarzt und höre mir an, was er zu sagen hat. Es wurden keine Bakterien im Magen festgestellt, lediglich eine Magenschleimhautentzündung. Ich soll die Kopfseite meines Bettes fünf Zentimeter höher stellen und weiter Pantoprazol nehmen. Abgesehen davon, dass ich nicht erwähne, dass ich schon seit Wochen kein Pantoprazol nehme, weil es nicht wirkt, verstehe ich nicht ganz, wieso das Thema damit erledigt zu sein scheint. Von meinen angeblich so blassen Lippen und einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ist keine Rede mehr. Weil mich das alles irgendwie enttäuscht, frage ich nicht weiter nach und bin beim Verlassen der Praxis genauso klug wie vor der Magenspiegelung. Ein durchaus unbefriedigender Zustand.
1, 2 oder 3?
Als ich nach Hause gehe, fällt mir ein etwa 18 bis 20 jähriger Typ auf, der scheinbar sehr wütend ist. Er schreit laut die Frau, vermutlich seine Mutter, die einige Meter hinter ihm geht, an. Leider kann ich ihn nicht verstehen. Er bleibt stehen, wartet bis die Frau auf seiner Höhe ist und schreit sie erneut an. Obwohl er sehr laut ist, verstehe ich sein Anliegen nicht. Ich schaue ihn an. Er ist schlank, sieht ziemlich ungebildet und schlicht aus. Vermutlich ist er irgendwie gefährlich, mit Sicherheit aber äußerst aggressiv. Unsere Blicke treffen sich kurz. Als ich einige Meter an ihm vorbei bin, schreit er plötzlich los. „Noch nie einen Mann gesehen, der sich aufregt. Oder was? Scheiß Wichser!“ Vermutlich meint er mich. Und so stellt sich die Frage, wie man sich in so einer Situation angemessen verhält.
Möglichkeit 1: Dem Aggressor mit einem Schwert den Kopf abschlagen.
Möglichkeit 2: Dem Aggressor eine Kugel in den Kopf schießen.
Möglichkeit 3: Aggressor ignorieren.
Obwohl ich zu Möglichkeit eins, gefolgt von Möglichkeit zwei tendiere, entscheide ich mich für Möglichkeit drei. Denn leider bin ich, wie so oft in den letzten Jahren, auch heute unbewaffnet.
Nie wieder Bauchfrei
Weil mir mein 2009er Bauch so gut gefallen hat, beschloss ich, dass ich den Bauch 2013 wieder so hinbekomme. Seitdem mache ich im Fitnessstudio fast nur noch Ausdauer- und Bauchmuskeltraining. Doch leider interessiert das meinen Bauch so gar nicht. Denn obwohl ich nicht zugenommen habe, bleibt mein Bauch zu groß für mein Gewicht und scheint sogar noch zu wachsen. Vielleicht liegt es ja doch am Alter, dass da nichts mehr zu machen ist. Oder es liegt an den Genen, denn in meiner Familie haben alle einen Bauch. Nur sehr wenige haben es bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr geschafft einen nicht ausufernden Bauch vor sich herzutragen. Selbst als die letzten beiden Cousins, die nebenbei bemerkt einen ähnlich schlanken Körperbau wie ich haben, anfingen einen Bauch vor sich herzuschieben, war ich noch davon überzeugt, dass mir so etwas nicht passiert, denn ich trinke schließlich kein Bier und bewege mich regelmäßig. Doch wie sich nun herausstellt, habe ich mich geirrt. Ich hätte ruhig Bier trinken und mich weniger bewegen können. Mein Bauch wächst. Das ist wohl das Schicksal meiner Familie. Wie entwickeln uns früher oder später alle zu bauchigen Gestalten, die nicht nur unförmig aussehen, sondern irgendwann auch Diabetes und Herzprobleme bekommen. Da kann ich wohl nichts dran ändern. Habe es vermutlich nur ein bis zwei Jahre nach hinten schieben können. Und so kann ich es vergessen, je wieder Bauchfrei über die Wiesen zu tollen. Und meinen Bauch will bestimmt auch nie wieder eine fremde Frau anfassen, weil er sich nicht mehr so gut anfühlt, wie vor ein paar Jahren. Der Alterungsprozess hat auch vor mir keinen Halt gemacht und verunstaltet meinen Körper so, wie es ihm passt. Nur gut, dass ich eine Freundin habe, denn in meinem Zustand bekäme ich garantiert keine gute Frau mehr ab, höchstens C-Ware. Das möchte ich nicht. Und so ist das 2013er Modell von mir ein bebrillter Dickbauch mit schrecklicher Frisur und ohne Job. Ich glaube, jetzt sollte ich echt langsam entsorgt werden.
Jobcenter
Der halbjährliche Antrag auf ALG II führt mich am Vormittag zum Jobcenter. Der Wartebereich ist voll und ich ziehe eine Nummer. 373. Auf der Anzeige blinkt die 313. Nur sechzig Leute vor mir. Wieso kann ich die Vorteile der Umstellung auf dieses Nummernsystem nur nicht erkennen? Und wieso sind hier so viele Leute? Heißt es nicht, dass die Arbeitslosenzahlen immer weiter sinken? Wieso wird es hier dann immer voller? Irgendwo muss da ein Fehler sein. Bevor ich weiter über Fehler und andere Ungereimtheiten nachdenke, beschließe ich, dass ich, weil ich nur einen Antrag abzugeben habe, nicht stundenlang warten mag. So entscheide ich mich, spontan ein Büro, welches meiner Meinung nach nichts mit den wartenden Leuten zu tun hat, zu betreten, um nachzufragen, wo ich meinen Antrag ohne lange Wartezeiten abgeben kann. Der Mann im Büro fragt unverzüglich, ob ich einen Termin habe. Ich verneine und bin einen Moment verwirrt. Warum bin ich noch in dieses Büro gegangen? Nach dem Moment der Verwirrtheit fällt es mir ein und ich trage mein Anliegen vor. Der Mann sagt, dass ich im Büro 2 richtig bin. Ich bedanke mich und verabschiede mich ordnungsgemäß. Vor Büro 2 warten ein paar gelangweilte Menschen. Ich geselle mich zu ihnen. Ein Mitarbeiter vom Jobcenter fragt im Wartebereich alle Leute nach ihren Anliegen. Ab und zu geht er ins Büro 2, um Kopien für die befragten Leute zu machen. Früher war das alles viel geordneter. Da gab es so etwas nicht. Aber wer sagt, dass früher alles besser war? Als ich endlich an der Reihe bin, gehe ich ins Büro. Dort steht ein Schreibtisch, auf dem kein Stuhl steht. So kommt niemand auf die Idee, sich hinzusetzen und einen Plausch zu halten. Hier wird zielgerichtet gearbeitet. Ich gebe meinen Antrag ab, er wird kurz überflogen, abgeheftet und ich darf gehen, der nächste Arbeitslose eintreten. Das muss wohl die modernste Form von Fließbandarbeit sein. Nichts für mich. Wenn ich so etwas sehe, muss ich gestehen, dass ich gerne arbeitslos bin. So ist Arbeit definitiv keine Lösung und ich habe wirklich Mitleid mit der Mitarbeiterin vom Jobcenter, die Anträge wie am Fließband entgegen nimmt. Schnell weg hier, bevor ich noch eine Träne vergieße. Bald komme ich wieder. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Trinkgeld?
Gelegentlich muss ich wegen meiner Haare zum Friseur. So auch heute. Und noch ahne ich nicht, dass ich am Ende ziemlich verwirrt sein werde, denn der Friseurbesuch beginnt ganz normal, abgesehen davon, dass mich der Friseur fragt, ob ich heute zum ersten Mal hier bin. Er hat mich vorher noch nie gesehen, ich ihn allerdings schon, weiß aber nicht mehr, ob er mir die Haare schon mal geschnitten hat. Da er sich sicher ist, mich nicht zu kennen, fange ich an zu zweifeln, ob ich ihn kenne. Ich bin echt leicht zu verunsichern. Wir plaudern ein wenig und ich sehe meine Haare fallen. Dann werden die noch vorhandenen Haare eingesprüht, erst mit Wasser, dann mit etwas, was nach Minze oder Menthol duftet, und die Kopfhaut kühlt. Nebenbei erfahre ich, dass der Chef persönlich mir die Haare schneidet und mir jetzt den Kopf massiert. Ich finde die Kopfmassage zwar merkwürdig, aber irgendwie auch cool. Und weil ich Service schätze und verwirrt bin, denke ich tatsächlich darüber nach, ob es nicht angemessen wäre, ein Trinkgeld zu geben. Nach der Kopfmassage wird weiter an den Haaren rumgeschnippelt, die Augenbrauen werden gleich mit gestutzt und zum krönenden Abschluss wird mir Gel ins Haar geschmiert. Normalerweise will ich das ja nicht, aber ich fühle mich so wohl, dass ich denke, dass es dazu gehört. Erneut denke ich darüber nach, ob es unhöflich ist, kein Trinkgeld zu geben. Denn beim letzten Friseurbesuch habe ich ja beschlossen, dass ich kein Trinkgeld mehr geben werde, weil zehn Euro für einen Haarschnitt mehr als genug sind. Nun stecke ich in der Klemme. Noch bevor ich eine Entscheidung treffe, ich tendiere allerdings dazu, kein Trinkgeld zu geben, sagt der Friseur etwas, das mir keine andere Wahl lässt, als ein Trinkgeld zu bezahlen. Denn nachdem er mein Alter erfahren hat, sagt er zu mir, dass ich zehn Jahre jünger aussehe. Sofort fühle ich mich großartig, unwiderstehlich, männlich und attraktiv. Träume sogar kurz davon, dass mir zwanzigjährige Frauen zu Füßen liegen und mit mir schlafen wollen und bin völlig außer Kontrolle. Nach außen aber cool und gelassen. Niemand soll merken, dass ich mich geschmeichelt fühle. Natürlich ist mir auch bewusst, dass es sein Job ist, seine Kunden wie Könige zu behandeln, aber je älter ich werde, desto freudiger reagiere ich selbst auf die absurdesten Schmeicheleien. Allerdings nur innerlich. Äußerlich bleibe ich cool. Abgesehen vom Trinkgeld. Einen Euro lasse ich mich das kosten.
Kaum habe ich den Friseursalon verlassen, frage ich mich allerdings, ob es nicht etwas albern ist, dem Chef Trinkgeld zu geben. Und außerdem hatte ich mir bei meinem letzten Friseurbesuch vorgenommen, kein Trinkgeld mehr zu geben. Und zwar unabhängig davon, wie gut ich behandelt werde und wie zufrieden ich bin. Mist. Wieso bin ich nur so leicht zu beeinflussen?
Latanoprost und die Folgen
Zeit für den Routinecheck bei meiner Augenärztin. Sehtest, Gesichtsfeld, Augendruck und Sehnerv werden geprüft. Augendruck 13 auf dem einen und 15 auf dem anderen Auge. Alles andere unverändert gut. Die Augenärztin ist mit sich und meinen Augen zufrieden, stellt mir ein neues Rezept für Latanoprost aus und sagt, dass wir die Sache im Griff haben. Etwas strenger fügt sie noch hinzu, dass es nur mit Latanoprost so gut geworden ist und ich das Zeug auf jeden Fall weiter nehmen soll. Natürlich sagt sie zu dem Zeug nicht Zeug. Ich nicke bestätigend, ohne ihr zu sagen, dass ich dieses Latanoprost nie genommen habe. Ich nehme stattdessen Stannum metallicum praeparatum D8. Glaube aber, dass ich auch ganz ohne irgendwelche Mittel ins Auge zu tropfen jetzt keine anderen Werte hätte. Für mich ist die Latanoprost-Verweigerung ein Beweis dafür, dass Ärzte sehr gerne etwas aufschreiben, obwohl es gar nicht nötig wäre. Und am Ende muss man immer mehr Mittel einnehmen, nur um die Nebenwirkungen der anderen Mittel zu bekämpfen. Ich finde das sehr bedenklich. Aber möglicherweise liege ich auch falsch, ruiniere mir mit meiner Ignoranz und Skepsis meine Augen, die, nebenbei bemerkt, bis zu dem Eingriff meiner früheren Augenärztin in einem recht ordentlichen Zustand waren, und stehe am Ende blind vor Verzweiflung vor meinem Spiegel und bin nicht in der Lage mich zu erkennen. Dann weiß ich, dass ich ein Narr bin. Bis es soweit ist, halte ich meine Augenärztin für eine Närrin, die engstirnig ist und routiniert tut, was nicht getan werden muss. In ein paar Jahren wissen wir vielleicht mehr. Doch was auch immer wir dann wissen oder zu wissen glauben, beweisen können wir es vermutlich nicht. Denn schließlich könnte alles auch ganz anders sein. Oder eben nicht.