Februar 2005

Dienstag, 01. Februar
Heute verpacke ich die Briefe in die Briefumschläge und erledige zwei Anrufe. Beim ersten Anruf gibt es gerade einen Todesfall in der Familie und deshalb für mich keinen Termin. Anruf zwei gilt dem Ehepaar, welches am Freitag nach der VIV angeblich Interesse an einer persönlichen Beratung geäußert hatte. Bei meinem Anruf wissen die davon nichts, würden aber sehr gerne an der nächsten VIV teilnehmen. Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht die Bohne. Es geht also genauso weiter, wie ich es gewohnt bin. Keine Termine und keine Einnahmen. Ich liebe diesen Job.


Donnerstag, 03. Februar
Schule steht auf dem Programm. Ich erfahre, dass von den vierzehn anwesenden Teilnehmern nur einer in der letzten Woche einen Termin hatte. Willkommen im Club der Erfolglosen.


Freitag, 04. Februar
Ich besuche um 15.00 Uhr den Mann, der mir in der letzten Woche die Tür nicht geöffnet hat. Die Türklingel war wohl kaputt. Nun sitze ich in der Wohnung und verkaufe ihm eine Verkehrs-Rechtschutz-Versicherung. Sieben bis acht Euro wird mir die Aktion einbringen. Was werde ich mir dafür Schönes kaufen?


Samstag, 05. Februar
10.00 Uhr. Eigentlich sollte ich jetzt im Büro sein, stattdessen liege ich in meinem Bettchen und lasse es mir gut gehen. Schon Mitte der Woche hatte ich mich entschieden heute das Büro zu meiden, denn ich weiß nicht einen einzigen Grund heute da zu sein. Mir fällt nicht einmal ein Grund ein, warum ich mich im Büro melden sollte, um mein Fehlen zu begründen. Ich bin schließlich Selbständig und niemandem Rechenschaft schuldig.
Am Nachmittag spiele ich wieder Briefträger und verteile endlich alle Werbebriefe.


Sonntag, 06. Februar
Um 14.00 Uhr findet erneut eine dieser Finanzdienstleistungsunternehmen-Veranstaltungen in Kamen statt. Ich habe keine Lust auf diese lustigen Beförderungen, die ollen Geschichten und dieses Motivationsgequatsche. Folglich nehme ich auch an dieser Veranstaltung nicht teil. So werde ich vermutlich nie Mitarbeiter des Monats.


Montag, 07. Februar
Der Arbeitstag beginnt damit, dass man mir von der gestrigen Veranstaltung vorschwärmt. Ich will das alles nicht hören, kann mich dem Ganzen aber nicht entziehen. Herr Ekelfink ist so begeistert, dass er sofort am Morgen etwas Hanteltraining gemacht hat und danach noch auf der Sonnenbank war. Er hat einfach gute Laune heute, und dass, obwohl wir nur zu viert im Büro sind. Er geht sogar so weit, dass er zum Bäcker rennt und uns Plätzchen kauft. Das ist der pure Wahnsinn. Selbst als ich um 16.00 Uhr das Büro verlasse, ohne auch nur einen Anruf getätigt zu haben, verabschiedet er sich gutgelaunt. Was hat man ihm gestern nur verabreicht?


Dienstag, 08. Februar
Herr Holzmann ist erneut nicht da und kommt wohl auch nicht wieder. Er hatte scheinbar schon nach zwei Tagen genug von diesem Quatsch, was ich gut nachvollziehen kann. Heute steht überraschenderweise Training auf dem Programm. Einwandbehandlung und Telefonsimulation. Und das bei dem schönen Wetter. Ich überlege wegzurennen, verzichte aber darauf, weil ich denke, es würde etwas albern sein, wenn ich plötzlich losrenne. Als ich, nachdem ich im Nebenbüro ein Telefongespräch simuliert habe, in den Übungsraum zurückkomme, werde ich mal wieder gelobt. Lächerlich. Angeblich habe ich ja eine so angenehme Telefonstimme und Herr Ekelfink kann deshalb gar nicht verstehen, wieso ich bisher so erfolglos beim telefonieren bin. Was der nicht alles nicht versteht. Wahnsinn. Ich könnte ihm jetzt erklären, dass man mit dieser Telefonstimme stundenlang mit Frauen telefonieren kann, aber das würde auch nichts ändern. Nun schlägt Herr Ekelfink mir tatsächlich vor, dass ich doch mal auf die Sonnenbank gehe, dann sähe ich frischer aus und das kommt bei den Mandanten an. Weder will ich frischer aussehen, noch habe ich Mandanten, also lehne ich diesen Vorschlag kategorisch ab, was Herr Ekelfink nicht ganz nachvollziehen kann. Als nächstes empfiehlt er uns einen angemessenen Kugelschreiber. Dieser sollte etwa 50€ kosten, denn so etwas macht Eindruck bei den Mandanten. Nach meinen bisherigen Einnahmen müsste ich hier mindestens 27 Jahre arbeiten, um mir vielleicht einen solchen Kugelschreiber leisten zu können. So lange werde ich nicht hier sein. Somit ist auch dieser kuriose Vorschlag nicht umsetzbar. Es ist noch nicht einmal 14.00 Uhr, da verlasse ich auch schon das Büro. Die Sonne scheint.


Donnerstag, 10. Februar
Ich telefoniere. Jedoch nur kurz, denn schon nach dem fünften Telefonat habe ich keine Lust mehr und beende die Telefonaktion. Früher hat telefonieren mehr Spaß gemacht. Früher war sowieso alles besser.
Die Schule am Abend ist okay. In der Pause stehe ich alleine auf dem Flur. Ich bin scheinbar nicht sehr beliebt. Ein paar Meter weiter stehen ein paar Mitarbeiter, die das 23. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Dies schließe ich daraus, weil sie darüber reden, dass sie in Autohäusern leider nicht alle Luxuswagen Probe fahren dürfen, da dort Personen unter dreiundzwanzig diese nicht bekommen. Wenn ich die drei so betrachte, dann bin ich sehr für diese Regelung. Zwischendurch berichten sie von ihren Erlebnissen mit einem Mercedes SLK, den sie von ihrem Teamleiter jeweils für ein paar Stunden zum herumfahren bekommen haben. So erfahre ich, dass der SLK eine lahme Gurke ist, die nicht in die Gänge kommt. Die drei Anzugtragenden Bubis sind jedenfalls enttäuscht von diesem Fahrzeug und können es gar nicht empfehlen. Jetzt wird mir klar, warum ich die Pausen alleine verbringe. Das nächste Pausenthema der drei Herren ist eine Führungskraft, die scheinbar Probleme mit Zahlen hat. Angeblich nennt diese Führungskraft den Mandanten stets falsche Zahlen und wenn diese dann die Verträge unterschrieben haben und die Rechnung bekommen, ist diese immer etwas höher als ursprünglich mitgeteilt. Klingt sehr seriös und scheint kein Einzelfall zu sein, denn die drei Herren haben alle die gleichen Erfahrungen mit dieser Führungskraft gemacht. Schade, dass ich den Namen dieser Führungskraft nicht verstehen kann.


Freitag, 11. Februar
Heute ist der Termin wegen der Baufinanzierung. Herr Ekelfink ist pünktlich, aber er hat die Präsentationsmappe vergessen. Noch schlimmer jedoch finde ich seinen Kugelschreiber. Den billigsten Werbekugelschreiber, den es in diesem Finanzdienstleistungsunternehmen gibt, hat er mitgebracht. Was für eine Enttäuschung. Hatte er nicht am Dienstag noch philosophiert, wie wichtig ein anständiger Kugelschreiber ist? Und jetzt das! Ich bin enttäuscht. Maßlos enttäuscht. Der Termin dauert etwa drei Stunden. Herr Ekelfink macht seine Sache scheinbar gut. Trotzdem kann ich die Sache mit dem Kugelschreiber nicht akzeptieren.


Samstag, 12. Februar
Zunächst erfahre ich, dass Herr Allofski, nachdem er nun einige Wochen spurlos verschwunden war, am Montag wieder im Büro erscheinen will. Da bin ich sehr gespannt. Außerdem stelle ich fest, dass Herr Lustig schon wieder nicht da ist. Herr Lustig war nun schon länger nicht mehr da und Herr Ekelfink scheint nicht darüber reden zu wollen, jedenfalls bekommt man keine Antwort auf Fragen Herrn Lustig betreffend. Als ich, während wir die Termine der nächsten Woche besprechen, den Termin bei dem Rentner erwähne und sage, dass dabei wahrscheinlich keine Einheiten rumkommen, sagt mir Herr Ekelfink in seiner mir extrem unsympathischen Art, dass Termine, die kein Geld einbringen Zeitverschwendung sind und ich dem Herrn dann doch lieber einen Brief schreiben soll, indem ich ihm mitteile, dass es uns leid tut, aber wir nichts optimieren können und deshalb nicht persönlich vorbeikommen. Unser Ekelfink ist halt ein Arschloch. Da sieht man mal wieder wie wichtig die Mandanten doch sind. Ich verspüre das dringende Bedürfnis Herrn Ekelfink ein wenig zu würgen. Von diesem Moment an höre ich ihm noch weniger zu, als es ohnehin schon der Fall war. Ich gucke ihn nicht einmal mehr an während er weiter irgendwelchen Müll von sich gibt. Ich male in meinem Block herum und stelle mir vor, wie ich ihn würge und sein Gesicht langsam blau anläuft. Irgendwann spricht er mich an, aber mehr als ein „Ja, ja“ kriegt er von mir nicht zu hören. Er sollte mich nicht noch weiter nerven.
Später, als ich am Laptop sitze und irgendwelche Daten eingebe, kommt er mit einem Zettel zu mir ins Büro. Darauf ein Dreieck mit sechs Kreise darin. Drei davon tragen ein „S“, in zweien steht „5€“ und im obersten „20€“. Damit will er uns motivieren viel zu telefonieren und so Termine für die nächste Woche zu legen. Für die ersten drei Termine gibt es jeweils ein Stück Schokolade, für die Termine vier und fünf gibt es jeweils 5€ und für den sechsten gar 20€. Ich überlege kurz den Zettel vor seinen Augen direkt in den Papierkorb zu befördern, lasse es dann aber doch sein und kümmere mich erstmal nicht weiter um ihn. Etwas später entscheide ich, aus diesem Dreieck ein Haus mit vielen Fenstern zu zeichnen. Sieht gut aus. Kurz danach verschwinde ich aus dem Büro, weil ich Herrn Ekelfink heute einfach nicht mehr sehen will.
Zu Hause mache ich einen Termin mit dem Rentner aus. Es ist mir völlig egal, was Herr Ekelfink davon hält. Und auch mein nächstes Telefonat ist von Erfolg gekrönt. Ich vereinbare einen Termin für eine Datenerhebung. Ob ich dafür am Montag ein Stück Schokolade bekomme? Vollmilch?


Montag, 14. Februar
Herr Allofski ist natürlich nicht da. Vielleicht ist er doch ein Alkoholiker? Ich quäle mich durch den Tag. Es wird wieder darüber philosophiert, wie man Mitarbeiter anwirbt, weil man so ganz schnell zum Teamleiter werden kann. Ich hasse dieses Schneeballsystem. Herr Lustig ist überraschenderweise auch mal wieder da. Was ich auch noch mitbekomme ist, dass wir auch weiterhin Leute anschreiben, die eine Chiffreanzeige aufgegeben haben, weil sie einen Job suchen. Scheinbar werde ich dabei aber ausgeschlossen. Jetzt gönnt man mir nicht einmal mehr Mitarbeiter. Bei der ersten Gelegenheit verlasse ich das Büro. Ich bin bedient.


Dienstag, 15. Februar
Herr Ekelfink hat erneut eine fantastische Idee. Wir erarbeiten ein Kontaktgespräch und rufen anschließend Ärzte zum Thema „Betriebliche Altersvorsorge“ an. Ich strahle übers ganze Gesicht, als ich diese Idee zur Kenntnis nehme. Nachdem Herr Ekelfink einen feinen Text fabriziert hat, üben wir ein wenig. Wir rufen Herrn Ekelfink aus einem Nebenbüro an und er gibt sich als Arzt aus. Er ist begeistert von unserer Leistung und wir sind bereit für den praktischen Teil. Ran ans Telefon, ran an die Ärzte. Dass die Gespräche nicht so einfach verlaufen, wie von uns simuliert, überrascht mich nicht. Trotzdem bekommt Herr El Habib einen Termin. Als ich an der Reihe bin und ein Gespräch sehr schnell aufgebe, wird Herr Ekelfink ein wenig ungehalten. Er fordert mich auf sofort noch einmal den Arzt anzurufen und ihm die Dienstleistung noch einmal ordentlich zu erklären, weil dieser mit Sicherheit nicht verstanden hat, um was es bei meinem Anruf ging. Hauptsache Herr Ekelfink versteht alles. Selbstverständlich weigere ich mich, den armen Mann noch mal zu belästigen, also macht Herr Ekelfink es selber. Er hält sich scheinbar für den König des Telefonierens. Dass auch sein Anruf nicht von Erfolg gekrönt ist, bestätigt eigentlich nur, dass ich alles richtig gemacht habe. Weil ich nun keine Lust mehr auf diesen Mist habe, gebe ich, als ich das nächste Mal an der Reihe bin, den Hörer direkt wieder zurück. Dadurch entsteht dann fast eine Diskussion mit Herrn Ekelfink, die ich aber geschickt blocke, da wir ja kein Debattierclub sind. Kurz danach verlasse ich das Büro.


Mittwoch, 16. Februar
Ich stehe schon um 07.30 Uhr auf, weil ich einen der Ärzte, den ich gestern versuchte zu erreichen, angeblich um 08.00 Uhr heute früh erreichen kann. Stimmt aber gar nicht, denn ich werde gebeten um 11.00 Uhr noch einmal anzurufen. Bis dahin lege ich mich ins Bett. Was soll ich mitten in der Nacht auch sonst machen? Das Ergebnis des 11.00 Uhr Anrufs ist goldig. Der Arzt will mich nicht sprechen und „Betriebliche Altersvorsorge“ mag er auch nicht. Dann eben nicht, ich lauf doch nicht jedem Hansel hinterher, um ihm Vorteile zu verschaffen. Blödmann. Als ich nach dem Mittagessen vor meinem PC sitze, klingelt es. Post, Paket. Ich habe nichts bestellt. Habe auch kein Geld für Bestellungen. Der Postzusteller steht mit drei riesigen Paketen unten im Flur. Die habe ich nicht bestellt. Es steht aber mein Name drauf. In den Paketen befindet sich laut Aufschrift ein 5.1 Lautsprechersystem „Teufel Concept S 5.1“. Ich schaue auf die Rechnung. Dort steht „…wir gratulieren zu Ihrem gewonnenem Lautsprecherset…“. Unglaublich. Es ist leichter bei Gewinnspielen zu gewinnen, als Geld beim Finanzdienstleistungsunternehmen zu verdienen. Den Rest des Tages verbringe ich im Internet und nehme an Gewinnspielen teil. Geil.


Donnerstag, 17. Februar
Pünktlich erscheinen Herr Rotenbaum und ich zu meinem ersten Termin, den ich durch meine Telefonaktionen erreicht habe. Herr Rotenbaum erscheint während des Termins wenig souverän. Es ist halt doch nicht so einfach, fremde Leuten dazu zu bringen, sich von uns verarschen zu lassen. Die Frau lässt sich jedenfalls nicht von Herrn Rotenbaum einlullen. Ich sitze leicht amüsiert dabei und beobachte die Situation. Herr Rotenbaum erinnert heute, mit seinem stets leicht geöffneten Mund und den aufgerissenen Augen, stark an Homer Simpson und ich muss mir bei der Vorstellung das Grinsen verkneifen. Die Frau ist nett, aber nicht zu überzeugen und nach etwa einer Stunde gehen wir wieder. Obwohl wir ja so tolle Möglichkeiten zu bieten haben und einfach die besten sind, kann sich die Frau nicht entschließen, unsere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Ich hatte es auch nicht anders erwartet, fand es aber trotzdem irgendwie amüsant. Homer und ich sind schon ein lustiges Team.
Am Abend verzichte ich bewusst auf die Schule, denn das würde sich negativ auf meine Laune auswirken.


Freitag, 18. Februar
Homer und ich besuchen den Rentner, der eh keine Einnahmen bringen wird. Es läuft alles sehr harmonisch ab. Homer kommt ganz gut an und sieht heute lustigerweise nicht wirklich wie Homer aus. Wir haben sogar Produkte, die den Rentner interessieren und er will auch investieren. Doch erst im September. Schade, denn im September habe ich nichts mehr davon, denn dann bin ich nicht mehr dabei. Egal, der Termin war trotzdem okay und ich bin fast zufrieden. Für einen ganz kurzen Augenblick.


Samstag, 19. Februar
Ich bleibe zu Hause. Samstags im Büro fühle ich mich sowieso nie wohl. Ich tätige dennoch einige Anrufe. Ein Termin kommt dabei nicht heraus. Alles wie gehabt.


Sonntag, 20. Februar
Ich rufe einen Bestandskunden an und habe nächste Woche Mittwoch einen Termin. Ich bin gespannt.

Ich schlafe in letzter Zeit schlecht. Ständig habe ich diese merkwürdigen Träume in denen ein Fernseher läuft und Nachrichten aus der Finanzwelt zeigt, irgendwelche Finanzberatereigenschaften preist und andauernd darauf hinweist, dass dies nicht der richtige Job für mich ist. Ich wache mehrmals in der Nacht auf, der Traum kommt ebenso oft zurück. Gruselig.


Montag, 21. Februar
Zu meiner Überraschung ist Herr Allofski im Büro. Nach all den Wochen gehört er wohl wieder dazu. Er ist ein netter älterer Herr mit grauen Haaren, kreisrundem Haarausfall, einem Schnauzbart und oftmals üblem Mundgeruch. Mein Verdacht, dass er ein Alkoholproblem haben könnte, hat sich bisher jedoch nicht bestätigt. Er hatte scheinbar ziemliche Probleme in letzter Zeit und will jetzt richtig durchstarten. Auf der Rangliste liegt er schon lange weit vor mir. Wer tut das nicht?
Zu Beginn des Tages erzählt Herr Ekelfink wieder die üblichen Geschichten. Je öfter ich sie höre, desto übler wird mir. Schrecklich. Heute erklärt er das MAMI-Prinzip: Je mehr Mandanten ich habe, desto mehr Mitarbeiter habe ich. MAMI funktioniert auch umgekehrt. Je mehr Mitarbeiter ich habe, desto mehr Mandanten habe ich. Großartiges Prinzip. Fast kippe ich vom Stuhl vor lauter Begeisterung. Doch es kommt noch besser. Folgende drei Sätze lassen mich fast völlig ausrasten:

1. Die 9€ Stufe ist unvermeidbar, ebenso die 10€ Stufe und die 11€ Stufe.
2. Wir müssen ein Heer aufbauen von Zweitberuflern!
3. Was ist schwierig daran, 100 neue Mitarbeiter zu bekommen?

Wenn die Mitarbeitergewinnung so leicht ist, wieso hat Herr Ekelfink dann so kläglich dabei versagt? Er hat nach all den Jahren nicht einmal 20 Mitarbeiter. Was für eine Enttäuschung. Er, der Held mit den tollen Sprüchen, produziert nichts als heiße Luft. Wir sollten mal lüften, es wird sonst zu heiß hier. Bevor ich tatsächlich vom Stuhl kippe und das Bewusstsein verliere, kommt ein Herr von der Stuttgarter Versicherung ins Büro und erzählt etwas über deren Produkte. Der Mann ist gut und rettet mich vor weiteren merkwürdigen Sätzen des Herrn Ekelfink und der drohenden Ohnmacht. Ein Geschenk gibt es aber leider nicht von dem Herrn.


Dienstag, 22. Februar
„Da passt der Umsatz zu Ihrer Einstellung.“ – „Ja, genau.“ Mit diesen Worten endet der Vortrag des Herrn Ekelfink, den er mir hält, weil ich eine Fahrt zu einem dieser Motivations- und Selbsthuldigungsseminare nach Bremen ablehne. Als Grund nenne ich den Geburtstag meiner Mutter, denn mein generelles Desinteresse an solch ekelerregenden Veranstaltungen würde zu noch schrecklicheren Diskussionen führen und sowieso von niemandem Verstanden werden. Während seines Vortrages erfahre ich weitere äußerst interessante Sachen über Herrn Ekelfink. Geburtstage sind grundsätzlich nicht so wichtig, dass man dafür auf irgendwelche Aktionen des Finanzdienstleistungsunternehmens verzichte müsse. Den Geburtstag seines Sohnes hat Herr Ekelfink bisher immer ausfallen lassen wegen irgendwelcher beruflichen Dinge. Und den Geburtstag seiner Frau findet er auch weniger wichtig. Er ist halt ein Arschloch. Als nächstes erklärt er uns, wie und vor allem wo man Mandanten finden kann. Eigentlich überall. Als ich fast eingeschlafen bin klatscht Herr El Habib übermotiviert in die Hände und ruft „Los geht’s, ran die Telefone!“ Erschrocken und völlig verständnislos schaue ich rüber zu meinem übermotiviertem Kollegen. Ob er weiß, was er mir damit antut? Nun bin ich sicher, dass ich nicht pünktlich um 14.00 Uhr hier weg komme.
Nach einer kurzen Futterpause beginnen wir mit dem telefonieren und belästigen erneut unschuldige Ärzte bzw. deren Arzthelferinnen, oder wie auch immer die richtige Berufsbezeichnung für die armen Personen ist. In den fünfundvierzig Minuten sind wir dermaßen erfolglos, dass es mich irgendwie amüsiert. Vor allem die Gespräche des Herrn Ekelfink sind bemerkenswert. Er schafft es immer wieder die Ärzte so wütend zu machen, dass sie ihn anbrüllen oder einfach auflegen. Verstehen kann Herr Ekelfink das allerdings nicht, er glaubt fest daran, dass seine Anrufe jeden erfreuen müssten. Er ist schon ein echter Träumer. Noch lustiger finde ich das Ganze, wenn ich bedenke von was für Telefonquoten Herr Ekelfink immer spricht: Aus zehn Anrufen hat man immer einen Termin“! Das ist in etwa so wahr, wie der Himmel braun ist“. Meine Quote liegt etwa bei 1:150. Doch selbst eine Quote von 1:50 hält er für unrealistisch. Er lebt halt in seiner eigenen Welt. Wenn man allerdings unsere Erfolge bei den Anrufen der letzten Tage nimmt an denen wir die Ärzte angerufen haben, dann kommt 1:50 der Wahrheit ziemlich nahe. Darüber eine Diskussion zu beginnen würde nichts bringen, denn es ist nach 15.00 Uhr und ich muss jetzt weg. Herr El Habib macht alleine weiter. Viel Glück!


Mittwoch, 23. Februar
Heute wird ein Bestandsmandant besucht. Obwohl ich, weil ich ja so schlecht bin, diesen Mandanten gar nicht anrufen sollte. Herr Rotenbaum begleitet mich mal wieder und das ist auch gut so, denn ich bin weder für Small Talk noch für andere Gespräche beim Mandanten zu gebrauchen. Herr Rotenbaum hat sichtlich seinen Spaß. Wie viel Spaß der Mandant hat, kann ich nicht beurteilen. Herr Rotenbaum ist fast euphorisch, sollte er aber nicht, denn meine Kunden haben noch nie irgendetwas abgeschlossen. Trotzdem ist Herr Rotenbaum zuversichtlich, dass es diesmal klappt. Ich bin auch zuversichtlich, aber nicht wegen dem Mandanten und möglichem Umsatz, sondern dass ich nachher zum Fußball fahre. Ich glaube, heute ist ein guter Tag.


Donnerstag, 24. Februar
Ich muss kurz ins Büro wegen der Baufinanzierung. Unterlagen sortieren, Anträge ausfüllen und diese dann abschicken. Mein Umsatz im Januar waren 4€. Diesen gigantischen Umsatz werde ich in diesem Monat wohl knapp verpassen.


Montag, 28. Februar
Der Arbeitstag beginnt wie jeder Arbeitstag. Ich bin angewidert und könnte schon am frühen morgen alle Ohrfeigen. Es wird wieder über die Karriereplanung von uns Mitarbeitern gesprochen. Über meine Karriere allerdings nicht, denn ich bin schon längst abgeschrieben und werde kaum noch beachtet. Die Karriereplanung sieht neben 3000 EH (Eigeneinheiten), zwei oder mehr Mitarbeitern und der bestandenen Finanzberaterlizenzprüfung folgendes vor, um Teamleiter zu werden:
Aus 12 Kontakten ergeben sich 6 Bewerbergespräche, daraus landen dann 3 Mitarbeiter im Auswahlverfahren. 2 Mitarbeiter beginnen die Ausbildung und einer bleibt letztlich beim Unternehmen. Mir stellt sich sofort die Frage, wo die ganzen Mitarbeiter unseres Büros geblieben sind, weil es bei uns insgesamt nur 13 Mitarbeiter gibt, dass Büro aber schon seit 1998 besteht. Wo ist da nur wieder mein Rechenfehler? Dazu noch folgende These, die bei der Mandantengewinnung gleich ist und auch da schon nicht zutrifft: Wenn ich zehn Leute anspreche, wird einer davon Mitarbeiter. Wieso muss ich mir nur ständig so einen Unsinn anhören? Und wieso unternimmt niemand etwas gegen diese Märchen? Nachfolgend gibt Herr Ekelfink für jeden von uns folgende Parole aus: Ab jetzt jede Woche drei Kontaktgespräche mit möglichen zukünftigen Mitarbeitern. Der kann mich mal. Pause.
Entgegen meiner Hoffnung mit diesem Thema nun fertig zu sein, zaubert Herr Ekelfink seine nächste grandiose Aufgabe für uns aus dem Hut, den er nicht trägt. Herr Rotenbaum hat von der Internetseite des Arbeitsamtes die Daten von mehreren hundert Jobsuchenden mitgebracht. Diese sind nach Orten sortiert und jedem im Büro werden nun Arbeitsuchende aus einem oder mehreren Orten als mögliches Mitarbeiterpotenzial zugewiesen. Das heißt, fast jedem. Bei mir wird aus unerklärlichen Gründen eine Ausnahme gemacht. Am Ende des Tages sind ein paar hundert Anfragen ans Arbeitsamt raus. Ich bin auch raus. Mittlerweile nervt hier alles nur noch, nichts ist irgendwie interessant oder hinterlässt wenigstens den Eindruck interessant zu sein. Im Gegenteil, alles widert mich an. Das blöde Büro, in dem ich mich nicht ein bisschen wohl fühle, der blöde Teppich mit dem Firmenlogo, die sich stets wiederholenden Geschichten, das Wetter und ganz besonders Herr Ekelfink. Den kann ich überhaupt nicht mehr sehen, der muss weg. Wenn der nicht bald geht, dann geh ich. Da bin ich konsequent.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert