April 2009

Der Kühlschrank
Meine Eltern kommen mich besuchen und bringen mir, so wie es sich für anständige Besucher gehört, etwas mit. Hähnchen Nuggets und Hähnchenfilets zum einfrieren. Und wie es sich für einen anständigen Bürger gehört, will ich diese Mitbringsel direkt im Gefrierfach unterbringen. Doch als ich das Gefrierfach öffne bin ich etwas verwirrt. Teilweise ist es recht nass in meinem Gefrierfach, teilweise gefroren. Ich finde das sehr merkwürdig, weshalb ich unverzüglich alles aus dem Gefrierfach entferne, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Doch wirklich etwas feststellen kann ich nicht. Als ich die ausgeräumten Lebensmittel näher betrachte muss ich feststellen, dass diese alles andere als gefroren sind. Matschige Pizzas, oder heißt es Pizzen, und weiches Eis. Wer soll das denn essen? Sind Gefrierfächer nicht dazu da, dass alles schön kalt und gefroren ist? Mein Kühlschrank hat da wohl andere Ansichten. Und da ich nicht weiß, wie lange das alles schon so matschig ist und ich angetaute Lebensmittel für gesundheitsschädlich halte, wandert alles in den Müll. Lebensmittel für zwanzig Euro zerstört von einem außer Kontrolle geratenen Kühlschrank. Ich bin alles andere als amüsiert. Zumal es damit auch längst noch nicht getan ist. Es muss nämlich noch das Gefrierfach enteist und entwässert werden. Für mich passen Eis und Wasser in dieser Form zwar nicht wirklich zusammen, aber der Kühlschrank wird sich sicher etwas dabei gedacht haben. Nur was er sich dabei dachte wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben.
Da alles, was gefroren ist, nicht wirklich von mir entfernt werden will, greife ich zu einer List. Ich hole meinen Fön und schon ist das Eis erledigt. Als nach endlosen Minuten endlich alles enteist und kurz darauf auch entwässert ist, bin ich noch immer ratlos. Was hat mein Kühlschrank für ein Problem? Wollte er mir mit der Aktion etwas Bestimmtes sagen? Wollte er mir verdeutlichen, dass ich von ihm abhängig bin? Mag er keine Tiefkühlkost? Oder bin ich es, den er nicht leiden kann? Ist er einfach nur ein Arschloch oder irgendwie behindert? Und werde ich es jemals erfahren? Auf jeden Fall werde ich den kleinen Pisser im Auge behalten. Und wenn er sich noch einmal so etwas erlaubt, setze ich ihn vor die Tür. Dann kann er sich ein neues zu Hause suchen, der Arsch.


Verwirrte EDV-Dozentin
Unsere EDV-Dozentin verstehe ich auch manchmal nicht. Auf der einen Seite kennt sie sich super mit Computern aus, auf der anderen Seite schwärmt sie uns von einem vollkommen sinnlosen Lehr- bzw. Anleitungsfilm für Access vor. Dieser soll uns helfen Datenbanken zu verstehen und uns einen Einstieg in dieses, meiner Meinung nach etwas zu komplexe, Thema bieten. Sie meint, dass es uns nützlich sein wird, wenn wir uns damit auskennen und es bei Vorstellungsgesprächen erwähnen. Ich bin skeptisch. Und als ich den komischen Film gesehen habe, weiß ich warum. Es wird nämlich lediglich gezeigt, wie man eine Datei öffnet oder was man tun muss, um eine erstellte Datei zu speichern. Wissen für absolute Anfänger. Was man mit Access wirklich machen kann bzw. wozu es gut ist und wie man es wirklich anwendet wird in diesem Film nicht gezeigt. Herrliche Zeitverschwendung.
Wenig später wird unsere Dozentin noch alberner. Als Bröckelchen im Internet nach meinen alten Texten sucht und sie das mitbekommt wird sie böse. „Wenn Sie diese Seite öffnen, fliegen sie raus. Alle beide. Ich schließe Sie sofort vom Unterricht aus, wenn die Seite geöffnet wird.“ Ausnahmsweise sage ich nichts dazu. Ich lache sie nicht einmal aus, denn mir anzudrohen, mich rauszuschmeißen, weil Bröckelchen etwas im Internet sucht, finde ich mehr als albern. Geradezu lächerlich. Doch ich schweige. Bröckelchen hat leider auch eine ganz falsche Seite geöffnet, so dass uns der Rauswurf erspart bleibt. Manchmal glaube ich, dass ich hier in einem Kindergarten mit lauter Schwachsinnigen bin. Von der EDV-Dozentin allerdings hätte ich ein derart albernes Auftreten nicht erwartet. So kann man sich irren.

In der Pause bringt mir Frau Klein ein Eis von der Tankstelle mit, was ich ganz entzückend von ihr finde. Ich liebe es, wenn Frauen mir einen Gefallen tun. So kann ich die schwachsinnige EDV-Dozentin fast vergessen.


Große Brüste feiern Geburtstag
Am Samstag habe ich die Ehre mit Ursula zu einem Geburtstag gehen zu dürfen. Da es scheinbar bei dieser Art Geburtstag üblich ist, neben einem Geschenk, etwas zu essen mitzubringen, hat Ursula leckere Frikadellen vorbereitet. Ich habe weder Frikadellen noch ein Geschenk dabei, denn ich bin der Meinung, dass es reichen muss, wenn ich als Ehrengast auf einem Geburtstag auftrete.

Als wir auf dem Parkplatz ankommen fällt mir sofort eine lustige Menschenmenge auf, die auf dem Parkplatz Stühle und Tische aufgestellt hat, um dort eine Art Picknick zu veranstalten. Ziemlich bescheuerte Idee, wie ich finde, zumal diese Parkplatzpicknicker hinter dem Haus einen eigenen Garten haben. Aber vielleicht ticken die Uhren auf dem Land ja anders. Dennoch bin ich verunsichert und frage Ursula, ob die Verrückten auf dem Parkplatz Ziel unserer Reise sind. Sind sie nicht, was mich direkt erleichtert. Wenige Augenblicke später haben wir unser Ziel erreicht und werden an der Tür vom Geburtstagkind und einem schwarzen Schäferhundmischling begrüßt. Besagter schwarzer Schäferhundmischling hat eine wirklich nette Art einen zu begrüßen. Er jault, verzweifelt oder glücklich, vor sich hin und die neuen Gäste an. Ich bin etwas irritiert und sage ihm, dass er das wirklich toll kann, aber damit aufhören soll, weil es nicht wirklich etwas bringt. Meine Meinung scheint ihn irgendwie nicht zu interessieren, denn er jault einfach weiter. Das Geburtstagskind hat ziemlich große Brüste, wie mir direkt bei der Begrüßung auffällt. Mich faszinieren große Brüste eher weniger und machen mich auch zumeist nicht an. Die Wohnung des Geburtstagskindes ist erstaunlich eingerichtet. Erstaunlich anders als ich es erwartet hatte. Wobei ich ehrlich gesagt nicht wirklich etwas erwartet hatte. Während ich mir mein Glas Wasser schmecken lasse und die Wohnung betrachte, jault der schwarze Schäferhundmischling wieder los und schnuppert zwischen meinen Beinen. Ich bin irritiert und mache ihn darauf aufmerksam, dass sich so etwas nicht gehört. Keine Ahnung, ob er mich versteht. Jedenfalls lässt er von mir ab und schnüffelt bei Ursula zwischen den Beinen weiter.

In der Küche hängt eine dieser merkwürdigen Lampen an welcher buntes Gebimsel hängt. Die Lampe wirkt orientalisch kitschig. Ich habe solche Lampen schon oft in Lampenläden hängen sehen und mich gefragt, wer sich so etwas wohl kauft. Nun weiß ich es. Esoterisch angehauchte Vegetarier. Und was weiß man über Vegetarier sonst noch? Richtig? Sie essen kein Fleisch. Da hätte Ursula die Frikadellen, welche selbstverständlich Fleisch enthalten, besser zu Hause gelassen.
Nach und nach trudeln weitere Gäste ein. Sie alle haben etwas zu essen und kleine Geschenke dabei. Und scheinbar haben alle daran gedacht, kein Fleisch in ihre Essensgeschenke einzubacken. Ich vermute, dass es daran liegt, dass die anderen Gäste ebenfalls esoterisch angehauchte Vegetarier sind. Selbstverständlich werden alle Gäste von dem jaulenden schwarzen Schäferhundmischling zunächst jaulend begrüßt, bevor sie zwischen den Beinen beschnüffelt werden. Ein sehr konsequenter Hund. Dennoch schaffe ich es ihm klarzumachen, dass er den Unfug bei mir ab sofort zu unterlassen hat. Hier sind genug Menschen, die er derart belästigen kann, was er auch unverblümt macht.

Die Gäste sind ebenfalls sehr interessant, obwohl sie weder jaulen noch zwischen irgendwelchen Beinen schnüffeln. Ein Mann hat sich sogar extra für den Geburtstag Karies auf seine Zähne tätowieren lassen. Dummerweise ist er der Gesprächigste und so versucht er, Ursula und mich ein wenig zu unterhalten. Während Ursula von dem Anblick des Kariestattoos auf seinen Zähnen schlecht wird, wird mir von seinem Mundgeruch übel. Bei ihm passt alles zusammen. Nur zu uns passte er nicht und so wenden wir uns beide von ihm ab und lassen ihn andere vollstinken und an seinem Anblick erfreuen.

Was mir im weiteren Verlauf des Abends beim Betrachten der weiblichen Gäste auffällt, ist die Tatsache, dass nicht nur die Gastgeberin große Brüste hat, sondern alle anderen Frauen auch, was mich durchaus irritiert. Gehören Vegetarierinnen und große Brüste einfach zusammen wie Bud Spencer und Terence Hill oder ist das alles nur Zufall? Als mir bei einem älteren, ergrauten Herren auffällt, dass er ebenfalls Brüste hat, bin ich mir nicht mehr sicher, ob wir hier nicht vielleicht bei „Verstehen Sie Spaß…? sind und Frank Elstner uns gleich lachend begrüßt. Da ich auch nach intensiver Suche weder eine versteckte Kamera entdecke, noch Frank Elstner aus einer der großen Brüste springt, bekomme ich Angst. Doch statt mich meiner Angst weiter hinzugeben, bewundere ich einen weiteren Gast des Abends bei seiner Ankunft. Es ist eine kleine, übergewichtige, ältere, grauhaarige Frau mit ebenfalls großen Brüsten, die zur Unterstützung ihre ebenfalls übergewichtige Tochter mit, man glaubt es kaum, großen Brüsten, mitgebracht hat. Ich bin fasziniert. Der schwarze Schäferhundmischling hat sich mittlerweile darauf beschränkt nur noch zwischen irgendwelchen Beinen zu schnuppern und das Jaulen vollständig eingestellt. Nachdem die großbrüstige, grauhaarige Frau Ursula und mich persönlich begrüßt hat, ziehen wir uns ins Wohnzimmer zurück, um uns dort rein vegetarisch zu stärken. Die grauhaarige Frau lassen wir dabei ebenso in der Küche zurück, wie all die anderen großen Brüste. Und sofort nachdem wir satt sind, verabschieden wir uns auch schon vom Geburtstagskind, denn man soll bekanntermaßen immer dann gehen, wenn es am schönsten ist oder zumindest rechtzeitig bevor einem große Brüste wachsen.

Als wir im Auto sitzen überprüfen wir noch einmal, ob unsere Brüste im ordnungsgemäßen Zustand sind, stellen dabei fest, dass ich gar keine Brüste habe, sind erleichtert und fahren nach Hause. Es war ein schöner Abend und wir sind gerne bereit im nächsten Jahr wieder zu kommen. Und wer weiß, vielleicht entdecken wir dann ja die versteckte Kamera oder haben bis dahin selber große Brüste, einen jaulenden, schwarzen Schäferhundmischling und ernähren uns unter einer kitschigen Lampe ausschließlich vegetarisch. Es bleibt spannend und wir bleiben gespannt.


Laute(r) Türken
Manchmal überwältigt mich meine Naivität. Denn als ich in meine Wohnung in der vierten Etage eines Mehrfamilienhauses zog, war ich davon ausgegangen, dass ein türkischer Treffpunkt im Erdgeschoss mich nicht weiter stören würde. Ich dachte, wir würden uns alle einfach ignorieren und glücklich und zufrieden nebeneinander leben. Welch törichter Gedanke. Denn seit es wärmer ist, hat der türkische Treffpunkt seine Türen geöffnet und manchmal, nein, eigentlich fast ständig, werden seitdem ein paar Stühle vor dem Treffpunkt aufgestellt und man unterhält sich höchst vergnügt. Dummerweise so laut, dass ich mich in der vierten Etage um meinen Schlaf gebracht fühle, weil diese Menschen gerne die Nächte durchmachen. Nun gibt es natürlich die Möglichkeit einfach die Fenster zu schließen und die dann fast vollkommene Stille zu genießen, doch damit habe ich ein klitzekleines Problem, denn meine Wohnung ist direkt unter dem Flachdach, was bedeutet, dass es nicht wirklich kühl ist in meinen Räumen.

Letzte Nacht, es war so gegen 01.00 Uhr musste ich alle Fenster schließen, da mir nach schlafen war und die Unterhaltungen aus dem Treffpunkt einen erholsamen Schlaf nicht zulassen wollten. Klappte zunächst ganz gut. Aber nur bis 03.00 Uhr. Dann wachte ich auf, weil es mir einfach zu stickig in der Wohnung war. Aus lauter Verzweiflung öffnete ich das Schlafzimmerfenster und hatte die Ehre, die Besucher des Treffpunkts dabei zu belauschen, wie sie sich voneinander verabschiedeten. Woher ich weiß, dass sie sich verabschiedeten, obwohl ich kein türkisch spreche? Vermutlich liegt es daran, dass danach Ruhe einkehrte.
Und nun frage ich mich, was ich tun soll. Die Fenster geschlossen lassen und vor Hitze sterben? Die Fenster öffnen und es ertragen? Vielleicht bin ich ja bald wieder arbeitslos und kann dann tagsüber schlafen. Oder ich suche mir einen Nachtjob. Soll ich einfach mal die Polizei rufen, um mir dann anzuhören, dass ich doch meine Fenster schließen kann, wenn mich der Lärm stört, da sich ja sonst auch niemand beschwert? Soll ich das Ordnungsamt einschalten? Und werden die mir dann ebenfalls raten, die Fenster in der Nacht zu schließen? Soll ich zurück zu meinen Eltern ziehen? Bin ich denn der Einzige, der es hört und sich daran stört? Was machen die anderen Bewohner? Saufen die sich abends die Birne so zu, dass sie nichts mehr hören? Nehmen sie irgendwelche anderen Drogen oder Medikamente ein, um einzuschlafen. Sind sie behindert oder gar taub? Haben sie Angst sich zu beschweren oder es schon erfolglos versucht? Nun. Ich bin nicht gewillt mir jede Nacht diesen Lärm anzutun. Zunächst wird es ein Gespräch mit der Hausverwaltung geben, dann kommen Polizei und Ordnungsamt an die Reihe und zum Schluss werde ich wohl vom Balkon direkt vor den türkischen Treffpunkt springen müssen. Das bringt mich dann zwar nicht wirklich ans gewünschte Ziel, aber eines ist damit gesichert. Meine Ruhe. Bis es soweit ist, werde ich mir etwas einfallen lassen. Und sollte mir nichts mehr einfallen, so lasse ich mich fallen.

Die nächste Nacht, der gleiche Spaß. Nur gebe ich dieses mal erst um 02.00 Uhr auf und schließe alle Fenster. Es ist somit wieder eine Nacht in der ich zu wenig Schlaf bekomme. Was mir neben dem nächtlichen Dauerlärm ebenfalls auf die Nerven geht, ist das morgendliche Aufschließ- und Weckritual. Und dass geht so. Um etwa 07.00 Uhr wird der türkische Treffpunkt aufgeschlossen. Dabei wird strengstens darauf geachtet, dass die Alarmanlage angeht und so lange an bleibt bis genügend Menschen mitbekommen, dass der Treffpunkt ab sofort wieder besetzt ist. Alle, die es nicht interessiert, ob der Treffpunkt besetzt ist oder nicht, haben dennoch etwas von der Aktion. Sie sind wach und brauchen keinen Wecker. Nachdem ich in der Nacht also sage und schreibe fünf Stunden Schlaf bekommen habe, bin ich überraschenderweise etwas müde und alles andere als gut gelaunt, als ich den Tag beginne. Ich öffne die Fenster, beginne zu atmen und habe eine Idee. Erstmal nackt duschen und dann ab zur Hausverwaltung.

11.07 Uhr. Hausverwaltung. Der zuständige Verwalter ist im Urlaub. Ich klage der Vertretung mein Leid. Sie sagt mir, dass die Probleme schon seit Jahren bestehen und der zuständige Verwalter nach seinem Urlaub gerne einen Brief schreiben kann. Der wird aber vermutlich nichts bewirken, da die Probleme schon seit Jahren bestehen und alle Beschwerden bisher nichts brachten. „Sie können ja die Polizei rufen und die entscheiden dann, ob es unverhältnismäßig laut ist.“ – „Dann rufe ich die jeden Abend an.“ – „Machen Sie das doch einfach. Wir können hier wie gesagt nicht mehr machen als einen Brief zu schreiben. Kommen Sie doch in der übernächsten Woche, dann versuchen wir es erst so.“ – „Bin ich eigentlich der einzige, der sich beschwert oder haben die anderen schon aufgegeben?“ – „Die sagen nichts. Die haben sich wohl daran gewöhnt. Ist ja schon seit Jahren so.“ – „Ich will mich da nicht dran gewöhnen, ich möchte nachts schlafen.“ Die Vertretung guckt mich jetzt fast mitleidig an. So als wüsste sie, dass ich einen Kampf gegen Windmühlen führen werde. Ich verabschiede mich, denn hier komme ich nicht weiter. Ein hervorragender Einstieg in den Kampf gegen Lärm und Schlaflosigkeit. Vermutlich werde ich nicht lange hier wohnen bleiben. Und wenn erstmal bekannt ist, dass ich derjenige bin, der sich über den Lärm beschwert, dann werde ich mein Auto nachts nie wieder hier abstellen können, denn wer weiß, was ein Auto nachts für Unfälle hat, wenn es einem unbequemen Hausbewohner gehört. Herrliche Aussichten.


Verlängerung abgelehnt
Als wir uns mit unserem Dozenten Werner Lorant über unsere bevorstehende Prüfung unterhalten, sage ich ihm, dass ich vermutlich durchfallen muss, da der Arbeitsmarkt derzeit eher wenig Stellen hergibt und ich so wenigstens für weitere sechs Monate eine Aufgabe habe. „Sie werden hier keine weiteren sechs Monate verbringen.“ – „Wieso nicht. Mein Arbeitsvermittler hat sicher nichts dagegen.“ -„Der nicht, wir schon.“ – „Verstehe ich nicht. Ich bin doch voll der Sympathieträger und alle mögen mich.“ Werner Lorant scheint amüsiert. Ich bin auch entzückt, denn irgendwie scheinen die Leute, die hier etwas zu sagen zu haben unter Paranoia zu leiden. Jeder Vollpfosten darf seine Umschulung hier fortsetzen, nachdem er die Prüfung nicht geschafft hat. Ich hingegen muss ein unfassbar furchtbarer Mensch sein, dass ich ausgeschlossen werden soll. Vielleicht sollte ich das Uumschulungsunternehmen wegen Unmenschlichkeit verklagen. Die Trampeln auf meinen Gefühlen rum. Ich bin zu sensibel, mir weiterhin solche Grausamkeiten anzutun. Ich werde die wohl alle verklagen müssen. Gemeines Volk.


Laute(r) Türken. Teil 2.
Seit ein paar Tagen hält sich der Lärm in Grenzen, was sich vermutlich dadurch erklären lässt, dass die Temperaturen gefallen sind und es somit weniger gemütlich vor dem Treffpunkt ist. So bleiben die Stühle und somit auch die Gäste im Treffpunkt. Ich kann fast ungestört einschlafen und frage mich, ob ich die Wohnung nur während der kalten Jahreszeit nutzen soll und mich während der warmen Tage nicht einfach bei meinen Eltern einquartiere.

Erwartungsgemäß wird es nach ein paar Tagen wieder wärmer und somit lauter. Die scheinbar arbeitslosen Treffpunktbesucher machen das, was sie am besten können. Sie sitzen die ganze Nacht vor oder in dem Treffpunkt und lassen es sich gut gehen. Sie unterhalten sich, schreien sich an und gehen mir tierisch auf die Nerven. In der Nacht von Freitag auf Samstag haben sie besonders viel Spaß. Als ich endlich gegen 01.00 Uhr einschlafe habe ich die Hoffnung durchschlafen zu können, doch diese Hoffnung ist unbegründet, denn irgendwann mitten in der Nacht, ich bin zu schwach auf die Uhr zu gucken, beschließt der Besitzer des schwarzen 3er BMWs mit der Musik aus seiner Anlage die Menschen in diesem Viertel zu unterhalten. Ich schrecke aus dem Schlaf hoch und bin irgendwie orientierungslos. Wozu brauche ich mitten in der Nacht Musik und wo kommt sie her? Als ich den Schock einigermaßen überwunden habe wird mir klar, wer mir dieses unsinnige, nächtliche Vergnügen bereitet. Das Arschloch mit dem BMW. Gerne würde ich aufstehen und einen Amboss auf sein Auto schleudern, doch habe ich keinen Amboss zur Hand und nicht die Kraft aufzustehen. So bleibe ich liegen und höre, wie er nach einiger Zeit den Motor aufheulen lässt und losfährt. Ich verliere das Bewusstsein, in der Hoffnung nicht nochmal auf eine so widerliche Art aus meinen Träumen gerissen zu werden. Doch auch diesmal soll die Hoffnung unbegründet bleiben. Es ist etwa 06.00 Uhr als mich einer der Vollidioten vom Treffpunkt wüst schimpfend aus meinen Träumen reißt. Ich weiß nicht, was sein Problem ist, doch es scheint massiv zu sein, da er wie ein Rohrspatz schimpft. Ein anderer Vollpfosten versucht hin und wieder seinen Senf dazu zu geben, doch der schreiende Vollidiot lässt sich nicht beruhigen. Vermutlich hat er seine Tabletten nicht genommen oder ist sauer, dass es draußen langsam wieder hell wird. Zum Glück habe ich nur das Küchenfenster auf Kippe, sonst wäre die Lärmbelästigung sicher noch viel schlimmer. Nach ein paar Minuten kehrt Ruhe ein. Doch kurz bevor ich nochmal einschlafen kann schreit der Vollidiot wieder los. Der Vollpfosten mischt sich auch wieder ein. und ich frage mich, wo ich hier bin. Ich will schlafen ihr Schwachköpfe. Ich muss nachher mal gucken, ob es im Internet nicht irgendwelche Scharfschützen gibt, die man günstig mieten kann und die, sobald einer dieser Treffpunktbesucher etwas lauter wird, einfach mal auf ihn schießen. Ins Knie oder von mir aus auch ins Gesicht. Mit Schalldämpfer, damit der Schuss mich nicht stört. Während ich über Scharfschützen und andere humane Maßnahmen nachdenke, wird es draußen still und ich verliere erneut das Bewusstsein. Als ich einige Zeit später aufwache weiß ich, dass es so auf Dauer nicht weitergehen kann. Die Nachtwandler sind zu viel für mich. Es wird mir am Ende vermutlich nichts anderes übrig bleiben als mir eine gemütliche Wohnung auf dem Lande zu suchen oder völlig unmotiviert vom Balkon zu hüpfen. Ich bin deprimiert und das Wochenende ist ruiniert.

Bevor ich tatsächlich vom Balkon hüpfe, werde ich aktiv. Ich besuche die örtliche Polizei, um nach meinen Möglichkeiten zu fragen und bin leicht überrascht als der Beamte mir seine Pistole auf den Tisch legt, ein Magazin dazu legt und sagt: „Es gibt keine andere Möglichkeit. Tun Sie, was getan werden muss. Hauptsache, Sie bringen mir am Ende die Pistole zurück damit ich die Spuren verwischen kann. Und fassen Sie um Himmels Willen nichts in dem Laden an.“ Ich bin verwirrt und greife nach seiner Waffe. Genau in dem Moment als ich die Munition einstecken will, klingelt mein Wecker. Ich schrecke auf und weiß genau was zu tun ist.
Am Nachmittag gehe ich zur örtlichen Polizeiwache, um zu fragen, was ich gegen den nächtlichen Lärm tun kann. Zu meiner Überraschung bekomme ich weder Waffe noch Munition gereicht, stattdessen wird mir mitgeteilt, dass ich einfach die Polizei rufen soll. Das wird zwar zunächst nichts nützen, aber wenn ich das öfter mache werden die Polizisten sauer und schließen den Laden möglicherweise für ein paar Stunden. Das klingt nach Spaß. Außerdem soll ich alle Belästigungen notieren und dem Ordnungsamt mitteilen. Die greifen dann ein und verhängen eine Strafe. Bei Wiederholung steigert sich die Strafe so lange bis entweder Ruhe ist oder die Leute vom Treff finanziell ruiniert. Das klingt nach noch mehr Spaß.

Zu Hause notiere ich unverzüglich die Belästigungen der letzten Tage. Die Hausverwaltung darf in dieser Woche auch noch einen Brief an die Nachtschattengewächse schreiben. Jetzt beginnt der Kampf um Ruhe und Gerechtigkeit. Und sollte das alles nichts nützen kann ich mir immer noch die Pistole leihen. Los geht’s.


Ein Klassentreffen
Als ich um 19.17 Uhr im Alex eintreffe, sind Ace, milde Bleiche, Virus und der Toilettenmann bereits da. Kurz nach mir treffen der alte Mann und Berta ein. Es folgt Esmiralda, die zur Begrüßung jedem einen Schmatzer aufdrückt. „Darf ich Dich auch küssen“, fragt sie mich als ich an der Reihe bin. „Nein. Du darfst mir die Hand geben.“ Ich bin kein Freund dieser Art von Begrüßung. Da kriegt man ganz schnell einen Schnupfen oder einen anderen Infekt. Als letzte gesellen sich der Schläfer und Lutz zu uns. Das heutige Klassentreffen ist komplett. Obwohl ich in den letzten Monaten der Umschulung nicht sonderlich beliebt war, darf ich an dem Klassentreffen teilnehmen und werde freundlich behandelt, was mich durchaus erstaunt. Die anderen Gäste im Alex sind irgendwie furchtbar. Zu jung, zu merkwürdig gestylt und irgendwie aus einer anderen Welt. Das Alex ist einfach nicht mein Laden.
Nach einer Stunde verabschieden sich Ace, milde Bleiche und Virus von uns. Ich bin etwas irritiert und frage: „Wieso geht ihr schon? Ich hab doch noch niemanden beleidigt.“ Vermutlich wollen sie nicht mehr dabei sein, wenn ich damit beginne. Kurze Zeit später kommen meine ehemaligen Mitschüler auf meine Webseite zu sprechen und auf die Berichte, die sie damals über sich lesen durften. „Warum hast Du das gemacht?“, fragt Esmiralda. „Weil ich es kann.“, antworte ich. Danach gibt sie zu, dass sie einige Passagen meiner Texte gut findet. Ich bin ziemlich überrascht, das zu hören. Nur Berta fehlt noch immer die Begeisterung für mein Werk. Zumindest sagt sie das. Ich glaube aber, dass sie es in Wahrheit auch gut findet. Wenigstens ein bisschen. Insgesamt ist es ein launiger Abend, an dem ich tatsächlich das eine oder andere Mal lache. Dabei lache ich sonst nie, wenn ich ausgehe. Gegen 23.23 Uhr beenden wir das Klassentreffen. Weil wir scheinbar alle zufrieden sind, kann man davon ausgehen, dass es ein guter Abend war.

Auf dem Weg zu meinem Auto, genieße ich die angenehme Temperatur und stelle fest, dass ich dieses Jahr erst zweimal aus war und überlege, ob es möglicherweise ganz nett wäre, mehr als einmal im Monat wegzugehen. Vielleicht ist es einen Versuch wert.

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