27.09.20 – 01.10.20
Tag 1
Wegen der schlechten Wetterprognose wollte ich eigentlich mit dem Coupé fahren, doch beim kontrollieren des Reifendrucks hat ein Hinterreifen nur 0,8 Bar. Das gleiche Problem gab es schon vor dem letzten Urlaub, es ging nur unter, weil die beiden Vorderreifen damals Risse hatten und ausgetauscht werden mussten. Somit brauche ich auch dieses Mal nicht weiter nachdenken und fahre mit dem Benz. Erfreulicherweise zeigt sich das Wetter am Morgen von seiner sonnigen Seite, was mich milde stimmt.
Die Autbahnfahrt ist entspannt, aber sie zieht sich, weil ich nie mehr als 120 km/h fahren kann und zu viele Leute unterwegs sind. Während ich so über die Autobahn fahre, denke ich an frühere Fahrten im Benz mit meinen Eltern und meinem Onkel. Wir fuhren ab und zu mit dem Benz zu meiner Tante nach Burgwedel und es fühlt sich für einen Moment an wie damals, nur dass meine Mutter nicht neben ihr sitzt, mein Onkel nicht hinter mir und mein Vater nicht hinter meiner Mutter. Irgendwie vermisse ich das jetzt, aber es macht mich nicht traurig, es fühlt sich sogar irgendwie friedlich an. Sehr komisch, aber auch schön. Nach etwa anderthalb Stunden bin ich kurzzeitig etwas genervt, weil es total voll ist auf der Autobahn und ich von Baustelle zu Baustelle fahre, zumindest fühlt es sich so an. Doch wenig später bin ich wieder recht entspannt, aber auch etwas verspannt, weshalb ich die Sitzheizung anmache. Sofort wird es gemütlich als würde ich in einem Sessel sitzend durch die Gegend transportiert. Mit dem Coupé wäre das alles nicht einmal halb so schön. Auf den letzten Kilometern stelle ich fest, dass ich so entspannt bin, wie ich es noch nie während einer Anreise war. Möglicherweise bin ich sogar gut gelaunt. Dann denke ich über meine Darmprobleme nach und mir wird bewusst, dass ich von dem Tag an als ich das Antibiotikum eingenommen hatte, so wenige Darmprobleme wie ewig nicht hatte. Als ich das Antibiotikum nicht mehr nehmen musste, wurde es kurzzeitig wieder schlechter, doch dann wurde es wieder gut, weshalb ich das Eubiol seitdem weiternehme. Möglicherweise ist das Eubiol mein Schlüssel zum Darmglück. Komisch, was für Gedanken mir während einer Autofahrt durch den Kopf geistern. Nach etwas mehr als drei Stunden Fahrtzeit bin ich am Ziel und warte dort etwa zehn Minuten bis der Vermieter mir den Schlüssel bringt. Während ich an den Benz gelehnt völlig entspannt die Gegend betrachte, kommt ein Pärchen an mir vorbei und der Mann spricht mich an, weil der Benz ihm wohl gefällt. Ein kurzer Smalltalk folgt, dann gehen die beiden weiter. Mit dem Benz kann man echt Menschen kennenlernen, denn schon beim letzten Urlaub in Emden wurde ich wegen dem Benz angesprochen. Eines Tages wird der Benz vielleicht auch noch dafür sorgen, dass ich eine Frau ins Bett kriege. Ich muss nur geduldig sein, dann ist alles möglich.
Das Apartment/Zimmer ist irgendwie niedlich und hat einen schönen Balkon. Allerdings habe ich natürlich wieder mal keinen Moselblick, sondern starre nach hinten hinaus, was mir letztlich aber egal ist, weil es auch eine Art Tradition ist, dass ich nach hinten raus gucken kann. Da passt nur der Name der Unterkunft Mosel View für mein Zimmer irgendwie nicht. Was ebenfalls nicht passt ist die Tatsache, dass es sich meiner Meinung nach nicht um ein Apartment handelt, da es gar keine Küche gibt. Es gibt zwar einen Kühlschrank, eine Mikrowelle, einen Eierkocher, einen Wasserkocher und eine Kaffeemaschine, aber kein fließendes Wasser und auch kein Besteck. Entweder war ich zu blöd, das bei der Buchung zu erkennen oder die Beschreibung ist etwas irreführend. Wie auch immer, ich hatte mich eh darauf eingestellt oft auswärts zu essen und am Ende meines Urlaubs pleite zu sein. Man gönnt sich ja sonst nichts. Nachdem meine Sachen ordnungsgemäß abgelegt sind, mache ich einen kleinen Spaziergang durch Zell und bin begeistert. Noch nie kam ich so schnell im Urlaub an wie heute. Es fühlt sich an als wäre ich im Paradies und weil man im Paradies auch essen muss, bestelle ich eine vegane Pizza zum Mitnehmen bei Giovanni´s Ristorante Italiano nachdem ich mir einen ersten Überblick über die Lokalitäten im Ort verschafft habe. Die vegane Pizza ist hauchdünn und lecker. Doof nur, dass ich im Zimmer so wenig Platz und kein Besteck habe, so muss ich mir mit einem kleinen Löffel, den ich dabei habe, behelfen. Das ist nicht ganz perfekt, aber es macht mir auch nichts aus.
Nach dem Essen geht es wieder raus und natürlich zieht es mich aufwärts. Dummerweise wird mir bald etwas frisch und ich überlege mich wärmer anzuziehen. Vorher finde ich aber noch meinen ersten Cache in Rheinland Pfalz. Das macht keinen Sinn, aber durchaus Spaß. Zweite weitere Caches später geht es aber dann doch zurück, weil ich mich wärmer anziehen muss. Zurück im Zimmer schaue ich, was es so in dem Schubladenschrank zu finden gibt. Besteck und Geschirr. Interessant, wirklich sehr interessant. Obwohl es erst kurz nach 20.00 Uhr ist, findet der letzte Spaziergang des Abends bei völliger Dunkelheit statt. Komisch. Später muss ich die Frage klären, in welchem Bett ich liegen will und entscheide mich für die Seite, die näher zum Badezimmer und zum Kühlschrank ist. Wenn ich wollte könnte ich eine attraktive Frau neben mir übernachten lassen. Später im Bad frage ich mich, wie man wohl die beiden Lampen, die neben dem Spiegel angebracht sind, zum Leuchten bringt. Da ich keinen Schalter sehe, taste ich blind unter der Lampe herum. An der linken Lampe finde ich nichts, an der rechten ist eine Art Öffnung. Keine Ahnung, warum ich meinen nassen Finger da unbedingt reinstecken muss, aber ich mache es. Es zischt kurz, zumindest bilde ich es mir ein, dann fährt der Strom auch schon durch meinen Finger, den ich natürlich sofort zurückziehe, weil es direkt unangenehm wird und meinen Körper kurz zucken lässt. Das erinnert mich sofort daran, wie ich als frisch Pubertierender in eine Lampenfassung Griff. Auch damals wusste ich, dass es keine gute Idee ist, konnte es aber auch nicht nicht tun. Das hat mich noch ein wenig mehr durchgeschüttelt als das jetzt. Hoffentlich bin ich jetzt wenigstens wieder aufgeladen und voller Energie, um so richtig durchzustarten. Aber ich vermute, so funktioniert das nicht.
Tag 2
Was mich in der Nacht besonders irritiert ist die Tatsache, dass ich meine Nachbarin nicht stöhnen höre. Sonst höre ich sie mehrmals am Tag, hier im Urlaub herrscht diesbezüglich Ruhe. Es wäre auch äußerst verwunderlich, wann ich sie auch hier hören würde. Ich glaube, mir gefällt es, dass ich sie nicht höre. Dafür höre ich aber irgendwelche Geräusche aus dem Nebenzimmer, weshalb ich mit Ohrenstöpseln schlafe. Ich mag Ohrenstöpsel aber nicht, weil sie die Atmung irgendwie einschränken, aber ich brauche Ruhe. Nachts wache ich mehrfach auf. Einmal ist es ein Alptraum, der mich weckt. Alpträume habe ich in letzter Zeit ziemlich häufig. Irgendwer schlich in diesem Traum durch mein Zimmer im Traum, weshalb ich erschrocken aufwachte. Im Zimmer ist es nicht wirklich dunkel, weil in der Steckdose irgendeine Dose für W-Lan blau leuchtet. Keine Ahnung, was ich davon halten soll. Später träume ich wieder von intensivem Sex. Diese Sexträume habe ich ständig, seit ich die Nachbarin mehrmals täglich stöhnen höre. Möglicherweise werde ich von diesen Geräuschen Notgeil, was mir ganz und gar nicht weiter hilft.
Nach einem dürftigen Frühstück mache ich einen Spaziergang in meinen neuen Schuhen, die ich mir extra am Samstag gekauft habe, weil ich nur noch Sneakers hatte und Sneakers auch keine Lösung sind. Insgesamt sehe ich heute recht manierlich aus, wie ich finde. Während ich so durch Zell wandere fällt mir auf, dass ich seit meiner Abfahrt gestern kaum Probleme mit dem lästigen Hustenreiz habe. Trotz der kalten Luft bekomme ich keine Hustenanfälle und dieses komische Gefühl im Hals ist auch kaum vorhanden. Entweder es liegt an der Luft hier oder es ist doch ein psychisches Problem mit meiner Gesundheit. Überhaupt bin ich hier weiterhin völlig entspannt und zufrieden. So sollte mein Leben immer sein, in einer schönen Gegend wandern, keine Verpflichtungen haben und keinen Kontakt zu Menschen. Ich werde mit dem Alter immer Eigenartiger, aber es fühlt sich gerade gut an. Ich habe gar keinen Druck, was äußerst selten vorkommt. Obwohl ich vor Mai 2021 nicht mehr in den Urlaub fahren werde, habe ich gerade Orte, die für meine Urlaube 2021 in Frage kommen, im Kopf. Lüneburg, Koblenz, Boppard, Bad Münstereifel. Sollte ich bis dahin noch nicht völlig verarmt oder verblödet und auch nicht gestorben sein, wird das sicher ein tolles Urlaubsjahr. Während ich langsam zurückgehe, weil ich in Kürze Nahrung zu mir nehmen muss, denke ich, dass ich mich frei fühle. Unbeschwert, ohne Druck, einfach frei. Sollte ich je zu Geld kommen, werde ich nur noch verreisen und vielleicht irgendwann einfach nicht mehr zurückkehren.
Das Mittagessen gestaltet sich dann typisch für mich etwas schwierig, denn nicht nur das chinesische Restaurant hat montags geschlossen, sondern auch das vietnamesische. Griechisch und türkisch mag ich nicht essen, die deutsche Küche ist grundsätzlich keine Option und auch sonst spricht mich nichts an. Giovanni´s Ristorante öffnet erst um 17.00 Uhr, weshalb ich mich auf den Weg mache, um mir in der Bäckerei Lohner’s belegte Brötchen zu holen. Mit zwei Salamibrötchen und drei nicht belegten Brötchen mache ich es mir später im Zimmer gemütlich und lasse mir zwei Salamibrötchen und ein trockenes Brötchen direkt schmecken. So gestärkt breche ich anschließend zu einer Wanderung auf. Ich entscheide mich für den steilen Aufstieg des Moselsteigs und während ich mich da hoch quäle und ziemlich aus der Puste komme, weiß ich, dass ich den Weg mit meinen Schuhen auf keinen Fall wieder hinabsteigen kann. Als ich oben ankomme, bin ich für eine Weile ziemlich außer Atem, fast als hätte ich Sport gemacht. Ich muss unbedingt mehr trainieren, sonst schaffe ich solche Ansteige bald nicht mehr. Die Aussicht ist großartig und ich verweile eine ganze Weile am Collis-Turm. Später während meines Abstiegs regnet es hin und wieder ein wenig, was mir Sorgen bereitet und mir nicht so gut gefällt. Glücklicherweise ist der Regen nur schwach und hört auch immer wieder auf. Den Abstieg findet mein rechtes Knie alles andere als prickelnd, weshalb es unter Schmerzen protestiert. Ich gönne mir eine halbe Stunde Pause auf dem Zimmer, bevor ich erneut loswandere. Wieder geht es weit nach oben und später beim Abstieg kann ich vor Schmerzen kaum noch gehen. Das Knie könnte ein echtes Problem bei weiteren Wanderungen werden. Glücklicherweise tut es nicht weh, wenn der Weg eben ist. Da es längst wieder Zeit für die nächste Nahrungsaufnahme ist, bestelle ich erneut eine Pizza bei Giovanni´s. Heute Pizza Margerita. Übergeben wird sie mir von der entzückenden Bedienung, die heute einmal kurz ohne Mundschutz zu sehen ist. Und sie ist ohne Mundschutz noch attraktiver als mit Mundschutz. Ich bin ganz angetan von ihr und könnte ihr vermutlich Stunden dabei zu sehen, wie sie Bestellungen aufnimmt und später kassiert. Sie gefällt mir noch besser als die leckere Pizza. Ich überlege kurz, ob ich mir während meines Aufenthalts täglich irgendwas dort bestelle, nur um sie kurz sehen zu dürfen. Dann wird mir klar, wie blödsinnig das ist und ich verwerfe den Gedanken wieder.
Gegen 19.00 Uhr breche ich zu einem abendlichen Spaziergang auf. Während ich die Pizza verspeist habe, hat es geregnet, die Straßen sind nass und ich finde es ungemütlich kühl. Menschen sind nicht mehr so viele anzutreffen, nur ein paar ganz Harte sitzen tatsächlich noch draußen. Die meisten Lokale haben geschlossen und in den anderen sitze Leute zusammen, essen, trinken und unterhalten sich. Ich frage mich, ob ich auch gerne irgendwo mit irgendwem sitzen würde, weil dann mein Abend noch nicht vorbei wäre, doch ich glaube nicht, dass ich das möchte. Wäre es nicht so dunkel und frisch, wäre ich noch länger unterwegs oder würde alleine an der Mosel sitzen. Das entspricht eher meinen Vorstellungen von Urlaub. mag mir auch manchmal etwas fehlen, wenn ich alleine bin, im Urlaub tut es das nicht. Als ich um 19.35 Uhr zurück in meinem Zimmer bin, schlüpfe ich in etwas Bequemes und lege mich gegen 20.00 Uhr ins Bett, weil die Stühle i Zimmer auf Dauer zu unbequem sind. Irgendwann vor 21.00 Uhr schlafe ich ein, weil ich verspannt und erledigt bin. Erst nach 22.00 Uhr werde ich wach, weil mir plötzlich schlecht ist. Vielleicht ist dieses ausgiebige rumgerenne doch nicht so entspannt, wie ich dachte und mein Körper signalisiert mir so, dass mein Tagesablauf ihm nicht gefallen hat. Normalerweise müsste ich gegen die Nackenschmerzen jetzt eine Ibuprofen nehmen, aber ich glaube, das sollte ich besser nicht tun.
Tag 3
Kurz nach Mitternacht nehme ich dann doch eine Ibuprofen und schlafe wenig später völlig erschöpft ein. ich bin sogar so erschöpft, dass ich sowohl auf Alpträume als auch auf Sexträume verzichte, was mir durchaus gefällt. Mit Muskelkater starte ich in den Tag. Da es auch regnen soll, habe ich zwei Gründe heute nicht irgendwo herum zu klettern. Der morgendliche Spaziergang an der Mosel entlang dauert etwas über eine Stunde und ich bin am Ende komplett erledigt. Ich muss wirklich dringend an meiner körperlichen Verfassung arbeiten. Weil ich in dem Zustand selbst für Spaziergänge nicht zu gebrauchen bin, beschließe ich, dass eine zweieinhalbstündige Schifffahrt die einzige Option ist, die mir heute bleibt. Bevor ich zu Mittag esse, kaufe ich mir die Karte für die Schiffsrundfahrt. Das Wetter wird eh nicht besser und mir tut wirklich alles weh. Später esse ich im vietnamesischen Restaurant Vink bevor ich zurück auf mein Zimmer gehe und mich bis zur Beginn der Schiffsrundfahrt ausruhe. Alles andere würde mich auch nur zerstören. Mein komischer Hustenreiz ist auch zurückgekehrt. Eine Erklärung dafür habe ich leider nicht.
Die Fahrt auf dem Schiff ist genau nach meinem Geschmack. Obwohl eigentlich nichts passiert, abgesehen davon, dass mir eine junge, blonde Frau Getränke bringt. Junge, blonde Frauen können doch toll sein. Die zweieinhalb Stunden vergehen recht schnell und sind viel angenehmer als zweieinhalb Stunden auf der Autobahn zu fahren. Wobei der Vergleich vermutlich blöd ist, mir aber in den Sinn kommt. Anschließend hole ich mir in der Bäckerei Lohner´s zwei belegte Brötchen und zwei Brötchen, die nicht belegt sind. Dann passiert etwas sehr Überraschendes, die Sonne zeigt sich und bleibt eine Weile. Daher muss ich nachdem ich die beiden belegten Brötchen verspeist habe noch einen kleinen Spaziergang machen. Irgendwann setze ich mich auf eine Bank und schaue einfach so die Mosel und die Häuser an. Nach einer Weile wird mir leider kalt und ich muss zurück auf mein Zimmer. Am Nachmittag sind die Leute aus dem Nachbarzimmer scheinbar spontan ausgezogen, denn eigentlich muss man, wenn man abreist bis 10.00 Uhr das Zimmer verlassen. Da waren sie aber noch da. Weil das Zimmer offen steht mache ich einen kleinen Rundgang. Von dem Zimmer aus kann man prima auf die Mosel sehen und die Küchenzeile hat etwas mehr zu bieten als bei mir im Zimmer. Dazu gibt es zwei weiße Sessel, die vermutlich für die Gemütlichkeit sorgen, die mir fehlt. Ich setze mich kurz in einen der Sessel und frage mich, warum in meinem Zimmer nicht ein unbequemer Stuhl gegen einen Sessel ausgetauscht wird. Dann beschäftige ich mich nicht weiter mit dem Zimmer, sondern lasse den Tag ab 19.00 Uhr einfach ausklingen. Ich hoffe, dass mein Körper die Zeit nutzt, um sich zu erholen, denn morgen plane ich eine etwas längere Wanderung.
Am Abend versuche ich ein drittes und letztes Mal Nirgendwo & Hormone von Selim Özdogan zu lesen. Bis auf Seite 50 quäle ich mich, dann lege ich das Buch in eine der Schubladen neben dem Bett. Quasi als Geschenk oder Abendlektüre für jemanden, der nach mir hier übernachten wird. Weil ich mir schon dachte, dass ich mit dem Buch nicht mehr glücklich werde, habe ich noch Kurzgeschichten von Ian McEwan dabei. Der hat mich bisher noch nicht enttäuscht. Später höre ich Musik und fühle mich frei, fast wie auf einer Klassenfahrt, nur ohne Mitschüler. Ich bin plötzlich zeitlos, alterslos, auf keinen Fall alt und von mir aus müsste dieser Zustand nie mehr enden. Ich bin älter geworden, doch tief in mir drin weiß ich, dass nur mein Körper altert. Ich mache da nicht wirklich mit. Darum konnte vermutlich nicht wirklich was aus mir werden, denn ich bin und bleibe ein Pubertierender, der irgendwann aus der Zeit gefallen ist. Ich werde auch als Pubertierender sterben. Das ist irgendwie enttäuschend. Aber nicht die Tatsache nie der Pubertät entwachsen zu sein, sondern die Tatsache zu sterben und unendlich viel Zeit verschwendet zu haben anstatt immer das zu tun, was ich in diesen Tagen mache.
Tag 4
Direkt nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg in die Weinberge. Kaum dort angekommen setzt Nieselregen ein. Natürlich habe ich keinen Schirm dabei, weil ich dem Wetterbericht unbedingt trauen wollte. Die Wege sind zudem matschig und laden auch nicht zum weiteren wandern ein, weshalb ich nach einer Weile die Tour abbreche und an der Straße zurückwandere. Während ich das mache, überlege ich mir, dass ich niemandem je Souvenirs von meinen Reisen mitbringe, selbst mir bringe ich selten etwas mit. Sofort überlege ich, wem ich was mitbringen kann, doch mir fällt nichts ein. Ich habe bisher nichts entdeckt, was ich mir oder irgendwem mitbringen könnte. Gut für die Finanzen, aber trotzdem schade. Kurz überleg ich, ob ich eine Winzersalami kaufe, frage mich dann aber, ob das wirklich Sinn ergibt. Dann beschließe ich, dass ich mein Mittagessen wieder in dem kleinen, urigen vietnamesischen Restaurant zu mir nehme. Für den Nachmittag habe ich eine kleine Wanderung geplant, die wohl mindestens drei Stunden dauern wird. Danach werde ich vermutlich irgendwie tot und ziemlich bewegungsunfähig sein. Außerdem muss ich mir irgendwo einen Vermerk machen, dass mindestens vier Übernachtungen für einen Kurzurlaub sein müssen. Vielleicht habe ich mir das auch schon irgendwo notiert, ich weiß es nicht. Der kurze Weg zum Restaurant gestaltet sich äußerst schmerzhaft, denn nun ist es mein Sprunggelenk, welches unzufrieden ist. Humpelnd schleppe ich mich dorthin und frage mich, wie ich nachher meine Wanderung in dem Zustand durchhalten soll. Andererseits vertraue ich darauf, dass ich in den Sneakers, die ich dazu anziehe werde, wunderbar schmerzfrei laufen kann. Bin ich nun ein Optimist oder ein Idiot, der es vor Schmerzen kaum zurück auf sein Zimmer schafft?
Der Spaziergang, der möglicherweise auch eine Wanderung ist, beginnt gegen 13.15 Uhr und es geht gefühlt eine Ewigkeit immer nur bergauf. Mein Sprunggelenk ist wie ausgewechselt und ich bin zuversichtlich, dass alles gut laufen wird. Nur selten begegnen mir andere Menschen, meist bin ich alleine. Ich hätte definitiv schneller nach oben gelangen können, wenn ich wieder den steilen Weg wie vorgestern genommen hätte, doch irgendwie hielt ich es für keine gute Idee, weil die Wege nicht trocken sind und mein Schuhwerk dazu vielleicht doch nicht geeignet ist. Und hinfallen mag ich einfach nicht. Als ich endlich oben angekommen bin, genieße ich die Aussicht und die Wanderung macht jetzt richtig Spaß. Dummerweise geht es irgendwann aber wieder herunter und an manchen Stellen ist es etwas steiler. An diesen Stellen rutsche ich gelegentlich mit meinen Sneakers ein wenig, was mir durchaus Sorgen bereitet. Zum Glück schaffe ich es aber, dass ich nicht hinfalle. Nach der Hälfte der Geocachingstrecke, die Teil meiner Wanderung ist, beschieße ich, es gut sein zu lassen, denn seit dem letzten Anstieg, ich habe natürlich eine steile Abkürzung genommen, bin ich komplett nassgeschwitzt und frage mich, warum ich überhaupt einen Schal um habe. Ich setze mich auf eine Bank, esse gebrannte Mandeln und denke über einen Rucksack nach, denn auch mein Wasservorrat ist aufgebraucht und in einem Rucksack könnte ich mehr Nahrungsmittel transportieren als ohne. Noch besser würde es mir allerdings gefallen, wenn eine Frau mit den Rucksack tragen würde. Möglicherweise bin ich einfach nur ein Spinner.
Durchgeschwitzt und stinkend gehe ich auf dem Rückweg noch in meine Lieblingsbäckerei vor Ort und lasse mir zwei Brötchen belegen. Dazu gönne ich mir noch ein uriges Brötchen und eins mit Weizen Urkorn. Das klingt beides zu gut, um es nicht zu probieren. Weil ich gerade übermütig bin, gibt es dazu noch eine 0,5 Liter Flasche Coca Cola und eine Marzipanschnecke. So mag ich das. Dieser Urlaubstag gefällt mir, auch wenn mein Rücken schmerzt und meine Verspannungen gar fürchterlich sind. Bis ich im Zimmer ankomme habe ich 16,4 Kilometer zurückgelegt, was nicht so viel ist, wenn man aber bedenkt, dass ich die erste Stunde des Spaziergangs nur aufwärts klettern musste und später wieder runter, dann sind 16,4 Kilometer doch irgendwie viel. Ich nehme die zwei Brötchen zu mir, trinke Cola und gehe anschließend noch kurz an die Mosel, um irgendwo auf einer Bank den Tag ausklingen zu lassen. Weniger als 16,4 Kilometer bin ich übrigens an keinem meiner Tage hier gewandert, was ich ganz ordentlich finde.
Später lese ich noch eine Weile, dann ist es nach 22.00 Uhr und der Urlaub vorbei. Morgen ist er nur noch eine Erinnerung und das Grau ist wieder die vorherrschende Farbe des Alltags. Normale Routinen übernehmen das Kommando, Arzttermine und andere Termine ebenso. Ich mache mir Gedanken über den Tagesablauf, werde rasch unzufrieden sein und all das, was diese Tage mir gegeben haben wird schon bald fortgespült sein. Nichts kann wirklich schön sein, weil es dort wo ich lebe und wie ich lebe für mich nicht schön sein kann. Diese Art zu leben bringt mich einfach nur um und ich denke an die paar Tage, die ich damals mit Frauen an einem Fließend arbeitete. Ich denke daran, wie sie fast nur davon redeten dreimal im Jahr in den Urlaub zu fahren, dafür ständig Überstunden machten und vermutlich nur während der Urlaube lebten. Damals fand ich das grotesk, lächerlich, verachtungswürdig. Und jetzt verstehe ich diese Frauen und finde es traurig, dass ich auch so bin. Und doch kann ich froh sein, dass ich mir Urlaube überhaupt leisten kann, denn ohne Urlaube bin ich meist nur eine funktionierende, bemitleidenswerte Kreatur. Sieben Monate noch, dann habe ich wieder Urlaub, wenn ich vorher nicht eingegangen bin. Vom Leben zersetzt oder zerfetzt. Was für blöde Gedanken zum Abschluss eines schönen Urlaubs.
Tag 5
Den Wecker hatte ich auf 08.00 Uhr gestellt und wundere mich doch sehr als ich gegen 08.30 Uhr aufwache und einen Blick auf die Uhr werfe. Was hat mein Smartphone nicht verstanden als ich den Wecker auf 08.00 Uhr stellte. Ich stehe auf, gehe zum Tisch auf dem das Smartphone geladen wird und sehe, dass der Wecker an ist. Nur halt ohne Ton. Ein Wecker ohne Ton ist ähnlich effektiv wie ein Torwart ohne Arme und Beine. Gut, dass ich von alleine wach geworden bin. Ich frühstücke eine Kleinigkeit, packe meine Sachen und schaffe sie in den Benz, der während seines Aufenthalts permanent auf die Mosel schauen konnte. Um die Urlaubsstimmung zu verlieren, werfe ich einen Blick auf meinen Kontostand. Unschwer zu erkennen ist, dass ich diesen Monat nicht mehr viel machen kann. Beide Autos müssen noch einmal vollgetankt werden, das Coupé vermutlich sogar noch zweimal, somit muss ich mich ziemlich einschränken die nächsten Wochen. Am Samstag gehe ich noch mit meinen Kollegen essen und ich habe noch eine Woche Urlaub. Mehr Gelegenheiten, um Geld auszugeben als mir lieb ist. Entweder kann ich echt nicht mit Geld umgehen oder ich verdiene einfach zu wenig. Vermutlich beides. Schnell die letzten Sachen verstauen, die Tür schließen und den Benz starten. Dieser Moselurlaub ist vorbei, die graue Heimat wartet. Zu meiner Überraschung schaut die Sonne durch die Nebelwände und es könnte ein sonniger Tag werden. Vielleicht strahlt die Sonne auch nur, damit ich mich besser fühle. Die Autobahn ist teilweise recht voll und als ich gegen 12.45 Uhr zurück in meiner Wohnung bin ist alles nur noch grau, grau, grau.
Zell in Bildern
Die traditionellen und natürlich kommentierten Bilder runden den Urlaubseindruck ordnungsgemäß ab.
Sowohl der Benz als auch das Skelett konnten tagelang den wundervollen Ausblick genießen. Die Mosel hatten sie dabei selbstverständlich stets im Blick.
In der zweiten Etage wurde ich im Mosel View, Haus Nr. 43, untergebracht. Von außen betrachtet nicht unbedingt eine Augenweide.
Ein zweites Bett hatte mein Zimmer, eine Frau nach meinem Geschmack wurde mir aber nicht dazu gelegt. Ich habe es mir daher direkt neben der Küche gemütlich gemacht.
Ein prima Snack für Zwischendurch oder auch zum Frühstück.
Traditionell reise ich mit Enten und lasse eine am Urlaubsort zurück. Diese Ente verliebte sich bereits am zweiten Tag in eine Porzellan-Ente und wich fortan nicht mehr von ihrer Seite. Ich hoffe, die beiden werde zusammen glücklich.
Wirklich leckere Pizza bekommt man bei Giovanni´s. Da arbeitet auch eine ganz entzückende Bedienung nach meinem Geschmack.
Ich halte mich jetzt offiziell für einen Wanderer, …
… der natürlich nur mit passendem Schuhwerk wandert.
Auf die alternative Route habe ich ausnahmsweise verzichtet, obwohl es mich schon gereizt hat.
Der Collis-Turm sieht nicht nur nett aus, man hat von dort auch eine prima Aussicht.
Gelegentlich musste ich mir und meinen Wanderschuhen eine Pause gönnen.
Vietnamesisches Essen. Gut und günstig.
Auf dem Boot wurde ich transportiert und von einer netten, blonden Frau bedient. Ganz nach meinem Geschmack.
Natürlich hatte ich auch noch ein elegantes Paar Wanderschuhe dabei, die ich mir extra für diesen Urlaub gekauft habe.
Nebel gab es immer wieder und weil mich das an The Fog – Nebel des Grauens erinnert, habe ich ein Foto gemacht.
Wenn Geocaching immer so einfach wäre, dann wäre ich sehr erfolgreich bei meinem Hobby.
Während ich Mandeln aß, dachte ich über einen Rucksack nach.
Weil ich mir Duschgel vor einiger Zeit abgewöhnt habe, ließ ich mein CD-Reise-Duschgel im Bad zurück, weil es zum wegwerfen einfach zu schade ist.
Nachdem der Benz sich die Mosel ausgiebig angeschaut hatte, fuhr er mich ordnungsgemäß zurück und ich versprach ihm, dass er bei der nächsten Reise zur Mosel wieder dabei sein darf. Er hat sich ziemlich darüber gefreut.