Finanzberater

Einleitung:
Im Jahr 2004 entschließe ich mich, aus Angst vor Hartz IV, wieder mal eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Ich bin zu dem Zeitpunkt äußerst verzweifelt, denn ich beginne eine Karriere bei einem Finanzdienstleistungsunternehmen. Und als ob das nicht schon schlimm genug ist, wechsle ich dafür in die Selbständigkeit. Ich muss wahrlich unter großem Druck stehen. Vielleicht bin ich aber einfach nur etwas übermütig. Nachvollziehen lässt sich diese Entscheidung jedenfalls nicht. Nur gut, dass die Agentur für Arbeit mein Vorhaben sechs Monate lang mit Überbrückungsgeld unterstützt. Sonst müsste ich vermutlich verhungern.
Ich treffe auf Leute, die scheinbar in ganz eigenen Welten leben, werde Teil eines Schneeballsystems, werde darauf geschult, Leuten Produkte zu verkaufen, die nicht unbedingt zu den Leuten passen, aber hohe Provisionen bringen und habe am Ende sogar Schulden, weil ich tief in meinem Herzen noch immer ein Idiot bin. Für ein paar Monate werde ich Teil einer Gesellschaft, die mir schon immer suspekt und unsympathisch ist. Mein Blick hinter die Kulissen macht mir diese Branche noch weitaus unsympathischer. In Erinnerung werden mir besonders die Veranstaltungen bleiben, in denen diese Menschen sich selbst feiern und beklatschen. Des Weiteren der Unterricht an dem ich immer donnerstags teilnehmen darf. Dort lerne ich einige erfolgreiche oder zumindest scheinbar erfolgreiche Mitarbeiter des Unternehmens kennen. Komischerweise haben all diese Menschen, dasselbe erlebt. Alle hatten ihren ersten Gehaltsscheck im Kofferraum des eigenen PKW und dort wurde dieser immer von deren Vätern entdeckt und mit folgendem Satz kommentiert: „Dafür musst Du aber noch Steuern zahlen. Stimmt´s?“ Alle kauften sich von dem vielen Geld, was sie verdienten, große Häuser mit großen Fensterflächen, welche die Besucher mit folgendem Satz kommentierten: „Da muss man aber viel putzen“. Ungefähr alle sechs Wochen stellen sich 50 bis 100 neue Mitarbeiter vor. Und fast ebenso viele hören in dieser Zeit auch wieder auf. Die meisten erkennen schon recht früh, dass die Versprechungen, die anfangs gemacht werden nur auf die wenigsten würden zutreffen. Nur völlig Verwirrte, so wie ich, und ein paar wenige, die kurz- und/oder langfristig Erfolg haben, bleiben entsprechend länger. Mein Teamleiter ist einer der schrägsten, skrupellosesten und verabscheuenswürdigsten Typen. Ich glaube, in ihm steckt eine gehörige Portion krimineller Energie unter dem Deckmantel der Seriosität. Er hat fast völlig den Bezug zur Realität verloren. Bei ihm hat man das Gefühl, dass er oftmals zwischen Wirklichkeit und gewünschter Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann. Er widerspricht sich häufig und wird, je mehr er erzählt, immer unglaubwürdiger und unsympathischer. Er hält sich für einen absoluten Top Mann. Als wir mal gemeinsam Leute anrufen, um bei diesen einen Termin zu bekommen, ist von dem Top Mann allerdings nicht viel zu sehen. Im Gegenteil, dieser von sich so überzeugte Mann, macht die Leute teilweise so wütend, dass sie auflegen. Seine Quote ist ebenso mies, wie die meine, nur dass es ihm egal sein kann. Lieblingsverkaufsprodukt unseres Büros ist ein Immobilienfonds. Egal, was der Kunde will und wie risikounfreudig er ist, der Immobilienfonds passt immer. Liegt wahrscheinlich an der göttlichen Provision. Aber vielleicht irre ich mich auch und der Immobilienfonds ist wirklich super. Ich mag mich da nicht festlegen und habe von so Sachen grundsätzlich keine Ahnung.

Hier nun die ausführliche Geschichte:
Der Anruf

August oder September 2004. Das Telefon klingelt. Ein Herr Rotenbaum vom AWD. Er will wissen, warum ich meine Versicherung gekündigt habe. Kein Geld. Er fragt warum. Kein Job. Er schlägt mir einen Job beim AWD vor. Ich weiß nicht. Er gibt mir seine Nummer, ich kann ihn ja anrufen. Mache ich aber nicht. Mache ich nie.

September 2004

Das Telefon klingelt. Falsch verbunden. Okay. Ich lege auf.
Ein paar Tage später klingelt das Telefon erneut. Herr Ekelfink vom AWD. Chef von Herrn Rotenbaum. Er möchte mich gern kennen lernen, weil ich der richtige Mann für den AWD sein könnte. Ich weiß nicht, wie er auf so etwas kommt, denke aber, dass erzählt er jedem,weil er Leute braucht, um Geld zu verdienen. Mit mir kann man kein Geld verdienen. Er schlägt einen Termin vor. Ich sage zu und weiß nicht warum.

Ich erscheine tatsächlich zu dem Termin. Höre mir an, wie toll der Job ist und wie viel Geld ich damit verdienen kann. Ich bekomme eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung des AWD. Komisch. Ich freue mich gar nicht. Herr Ekelfink kann sich eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen. Ich nicht. Aber ich habe Zeit und bin verwirrt. So stimme ich zu, der Informationsveranstaltung beizuwohnen. Geschäftsmäßige Kleidung ist zwingend erforderlich. Was für Kleidung? Mein Gehirn arbeitet auf Sparflamme.

Freitag, 17. September 2004
Ich kaufe mir meinen ersten Anzug. Schwarz natürlich. Sieht schick aus. Dazu noch ein weißes Hemd. Eine Krawatte habe ich im Schrank hängen. Fertig ist der Geschäftsmann.

Freitag, 24. September 2004
19:00 Uhr. Beginn der Informationsveranstaltung. Ich erscheine mit Freundin Petra. Herr Melmack, Direktor beim AWD, erklärt etwas abgehoben, die Vorteile und Möglichkeiten, die der AWD bietet. Er scheint in einer anderen Welt zu leben. Humor hat er zwar nicht, aber er gibt sich Mühe. Ich weiß noch immer nicht genau, um was es geht, entscheide mich dennoch, am nächsten Tag an dem Auswahlverfahren teilzunehmen. Was stimmt nicht mit mir?

Samstag, 25. September 2004
11:00 Uhr. Beginn des Auswahlverfahrens. Ein paar Fragen beantworten, eine Art Aufsatz schreiben und ein Kundentelefonat simulieren. Bei mir kommt keine Begeisterung auf. Wann ist endlich Feierabend?
14:00 Uhr. Erlöst. Ab nach Hause.

Donnerstag, 28. September 2004
10:00 Uhr. Nächster Termin. Herr Ekelfink lädt ein, um das Ergebnis des Auswahlverfahrens mitzuteilen. Überdurchschnittlich gut. Ich habe da so meine Zweifel. Aber er ist der Boss. Besprechung des weiteren Ablaufs. Einen Monat Schule und Training, jeweils freitags und samstags. Ich kann meine Begeisterung nicht zeigen. Wahrscheinlich, weil ich gar nicht begeistert bin. Aber ich lasse es geschehen. Weitere Ausführungen über meine künftige Tätigkeit, besonders die Verdienstmöglichkeiten, folgen. Auch jetzt kommt bei mir keine Begeisterung auf. Plötzlich. Eine Hand wird mir gereicht. Willkommen im Team. Danke. Was ist denn jetzt passiert? Ich ahne es, will mich damit aber nicht belasten. Zum Schluss werden mir die Mitarbeiter vorgestellt. Höre die Namen, reiche die Hand. Ich kann mir die Namen nicht merken. Egal. Herr Ekelfink zeigt mir die Büroräume, Räume die ich angeblich nun öfter betreten werde, weil ich ab jetzt dazugehöre. Ich frage mich, wozu ich gehöre und fahre nach Hause.

Freitag, 29. September 2004
15.30 Uhr. Nächster Termin. Bedarfsanalyse. Mein Bedarf ist gedeckt. Trotzdem kündige ich spontan meine Haftpflichtversicherung und schließe einen neuen Vertrag bei einer anderen Gesellschaft ab. So habe ich etwas Geld gespart und bin mein erster Kunde. Wohl auch mein letzter. Außerdem bin ich erkältet. Zwei Stunden Analyse und Gespräche über meine zukünftige Tätigkeit und über das, was ich alles noch lernen muss. Bin ich überhaupt dazu bereit? Will ich das überhaupt? Ich verkneife mir diese Fragen, mein Gegenüber ist so positiv, warum soll ich ihm den Tag versauen?

Freitag, 01. Oktober 2004
19:00 Uhr. Eine weitere Informationsveranstaltung. Begleitung des Partners/der Partnerin ist ausdrücklich erwünscht. Neunzig Minuten lang wird in etwa das erzählt, was schon eine Woche vorher erzählt wurde. Alle sind sehr positiv eingestellt. Wie machen die das bloß?

Samstag, 02. Oktober 2004
11:00 Uhr. Der erste Unterrichtstag. Die Zeit geht relativ schnell um, ich langweile mich fast nie und werde auch nicht zum Sprechen genötigt. So mag ich das. Hoffe, das wird auch in Zukunft so sein. Die große Pause verbringe ich allein in meinem Auto, denn ich mag es nicht meine Mahlzeit inmitten so vieler Menschen einzunehmen und reden möchte ich auch mit keinem.

Noch drei Wochenenden dieser Art, dann sollte es für mich vorbei sein, denn die Hälfte der Teilnehmer wird danach entweder freiwillig aufhören oder aussortiert. Ich denke, ich lasse mich aussortieren, denn ich kann weder Menschen beraten noch vernünftige Finanzgespräche führen. Doch noch hat das scheinbar keiner gemerkt oder es ist ihnen egal. Sehr bedenklich. Vielleicht verdiene ich ja doch etwas Geld bevor ich gehen muss. Vielleicht mehr als zehn Euro. Das wäre was. 15.30 Uhr. Endlich Feierabend.
Schon die erste Hausaufgabe stellt mich vor ein unlösbares Problem. Wer in meinem Bekanntenkreis braucht diese oder jene Beratung? Woher soll ich das wissen? Niemand will von mir belästigt werden, schon gar nicht meine Bekannten. Doch wie soll ich sonst Geld verdienen? Fremde Leute zu belästigen ist ja auch nicht die feine Art. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Selbst für die nächste Woche hat man mich schon verplant. Es wird Zeit einen eigenen Kundenstamm aufzubauen. Tolle Idee. Kann ich nicht Kunden von jemandem übernehmen, der die nicht mehr will? Aber so was gibt es ja nicht. Also darf ich mich in der nächsten Woche mal richtig blamieren. Ist Arbeitslosigkeit wirklich so schlecht wie alle sagen?

Montag, 04. Oktober 2004
10:00 Uhr. Für mich etwas zu früh, doch das behalte ich besser für mich. Wir sitzen im übungsraum, zumindest nenne ich den Raum jetzt so, reden über unseren neuen Job und die kommenden Aufgaben. Mir ist das jetzt schon alles zu viel. Es gibt zwar auch Freizeit, aber zu den ungünstigsten Zeiten. Dafür ist man abends immer verplant, wenn man es richtig macht. Dann brauche ich mir deswegen ja doch keine Sorgen machen. Wir lernen, wie man sich selbständig macht, wie viel Geld wir verdienen können und noch mehr. Kaum ist es ausgesprochen, schon vergesse ich das meiste wieder. Und es wird immer später. Erst um circa 16:00 Uhr ist es geschafft. Mein erster Tag in dieser verrückten Arbeitswelt ist vorbei. Endlich ab nach Hause.

Dienstag, 05. Oktober 2004
11:00 Uhr. Diese Anfangszeit kann ich akzeptieren. Heute steht Training, was eigentlich nichts anderes bedeutet als lernen, auf dem Programm. Wir lernen, was eine Hausrat- und eine Haftpflichtversicherung so alles abdeckt und wann sie eintritt. Dann berechnen wir, wie viel wir arbeiten müssen, um Erfolg zu haben. Ich muss etwa 180 Kunden im Monat anrufen, um genügend Termine zu bekommen und Geld zu verdienen. Harte Fakten. Trotzdem bleibe ich und tue so, als würde ich dazugehören. Was ist nur in mich gefahren? 15.15 Uhr. Feierabend. Ich stehe noch mal dreißig Minuten im Stau, dann ist es geschafft. Wie soll ich so ein Leben führen, ohne dabei durchzudrehen?

Mittwoch 06. Oktober 2004
Schon um 08:00 Uhr sitze ich beim Arbeitsamt, um Überbrückungsgeld zu beantragen. Es ist leer und still im Wartesaal. Plötzlich und unerwartet kommt eine Ladung Osteuropäer, ich vermute russischer Abstammung, um etwas Leben in den Wartebereich zu bringen. Zunächst sind es acht Personen, die wild diskutieren und Platz nehmen. Ich verstehe leider nur zwei ihrer Worte: AOK und Sozialhilfe, also genau das, was man hier zu Lande wissen muss, um ein schönes Leben zu haben. Ich werde aufgerufen. Als ich wieder rauskomme haben sich die Osteuropäer vermehrt, mindestens eine Erwachsene und zwei Kleinkinder bereichern nun zusätzlich den Wartebereich mit ihrer Anwesenheit. Großartiger Sozialstaat. Ich gehe.

Die nächsten Termine beim Gewerbeamt und bei der Krankenkasse sind nicht wirklich unterhaltsam, müssen jedoch sein. Jetzt habe ich also ein eigenes Gewerbe. Wow. Nun ruhe ich mich aus und am Abend spiele ich Fußball. Eigentlich nicht erwähnenswert, doch die Tatsache, dass ich nun selbst beim Fußball durch Anrufe der AWD-Mitarbeiter gestört werde, macht diesen Hinweis so interessant. Mir wird vorgeschlagen mal zu einem Beratungstermin mitzukommen. Möchte ich nicht, ich will weiterspielen. Gespräch beendet. Gute Nacht.

Donnerstag, 07. Oktober 2004
Ein Tag fast ohne Belästigungen, wenn ich von den ganzen geschäftlichen Mails, die über vieles berichten, was mir fremd erscheint, absehe. Ich lese alle brav durch und werde den Rest des Tages nicht mehr gestört. Zeit also über mein merkwürdiges Verhalten der letzten Tage nachzudenken. Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Bin (theoretisch) selbständig und muss für mich selber sorgen, habe einen Beruf der möglicherweise nicht uninteressant ist, aber wohl kaum für mich erfunden wurde. Arbeite dort mit lauter Optimisten zusammen, die entweder wirklich glücklich sind oder jeden Bezug zur Realität verloren haben. Werde diese Leute weiter beobachten. Habe demnächst, wenn es nach diesen Leuten geht, täglich zwölf oder mehr Stunden Arbeitszeit. Sonn- und Feiertage werden abgeschafft. Das ist doof, denn bis vor kurzem hatte ich nur Sonn- und Feiertage. Das Leben kann echt hart sein. Darüber mag ich nicht mehr nachdenken, das deprimiert mich nur.

Freitag, 08. Oktober 2004
Um 19:00 Uhr steht Training auf dem Programm. Was auch immer das ist, ich bin dabei. Verlasse das Haus gegen 18.15 Uhr und wundere mich mal wieder über die wenigen Parkplätze vor dem Haus. Gut, dass ich eine Garage habe. Als ich diese erreiche, muss ich feststellen, dass mein Auto nicht da ist. Ich gehe eine Runde durch die Garage und überlege, wo ich den Wagen geparkt haben könnte. Wandere zurück zum Haus und finde den Wagen dort vor. Was für ein Glück. Ab geht’s.
Das Training leitet Herr Franzel, ein gut geschulter Mann, wie mir scheint. Ich bin fast begeistert von seiner Show, reiße mich dann aber doch zusammen, bevor man mir was anmerkt. Vier oder fünf Leute haben den Weg ins Trainingscamp heute nicht mehr geschafft, so dass nur noch 23 Personen dieser Veranstaltung beiwohnen. In der Pause spricht mich ein Teilnehmer an, wir unterhalten uns etwas. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen, obwohl ich ganz hinten sitze und alles im Blick habe. Pause vorbei, zurück auf die Plätze. Zu meinem Erstaunen nimmt er nun neben mir Platz. Ich bin überrascht und verwirrt, lasse es mir aber nicht anmerken. Nach circa zweieinhalb Stunden ist es überstanden und ich darf zurück nach Hause. Puh.

Samstag, 09. Oktober 2004
Heute ist wieder Schule. Jetzt sind wir nur noch zweiundzwanzig Teilnehmer. Etwas Verlust gibt es immer. Meinen Tischnachbarn von gestern erkenne ich diesmal auch. Da er, im Gegensatz zu den meisten anderen Pappnasen, normal zu sein scheint, setze ich mich neben ihn. Dummerweise sitzen wir in der ersten Reihe, wie die Streber damals in der Schule. Ich bin kein Streber. Die Pause verbringe ich auch diesmal im Auto und rede bis zum Schulschluss kein Wort mehr. Dann ist es geschafft. Ich freue mich auf den freien Sonntag.

Nach der Schule lasse ich meinen Wagen waschen. Während die Bürsten rotieren klingelt mal wieder mein Handy. Herr Rotenbaum, wer sonst? Am Sonntag von 14:00 Uhr bis circa 19:00 Uhr hat der Firmengründer die Stadthalle in Kamen gemietet und es wäre schön, wenn ich diesem Ereignis beiwohnen könnte. Ich zögere und entscheide mich, mich nicht zu entscheiden. Später entscheide ich, nicht teilzunehmen, weil der Gedanke, den Sonntag so zu verbringen, meine Laune schlagartig verschlechtert hat. Zuviel Zeit mit zu vielen Erfolgreichen oder eingebildeten Erfolgreichen, das kann ich einfach nicht verkraften. Ich frage mich, wann mir dieser Erfolgschip eingepflanzt wird und ich auch so gepflegt und überzeugend reden kann, solche Termine als den Höhepunkt des Tages ansehe und nicht mehr darauf verzichten mag. Und merke ich es, wenn ich diesen Erfolgschip eingesetzt bekomme? Ich werde sehr wachsam sein in den nächsten Tagen.

Montag, 11. Oktober 2004
Ich bin krank und gehe erst um 15:00 Uhr ins Büro. Mache meine eigene Datenerhebung, um mal zu sehen, wie so was geht. Da ich seit Ewigkeiten arbeitslos bin, ist diese Auswertung ziemlich witzlos, doch so habe ich es wenigstens auch einmal gemacht. Danach gehe ich nach Hause.

Dienstag, 12. Oktober 2004
Um 11:00 Uhr beginnt ein neuer aufregender Tag in meinem Leben als zukünftiger Finanzberater. Wir üben telefonieren: Was hat man zu sagen, um einen Termin beim Kunden zu bekommen und wie reagiert man auf seine ablehnenden Bemerkungen? Wir lernen ein paar Standardtexte, die angeblich ausreichen, um die meisten Menschen umzustimmen. Dann darf jeder einmal in den Nebenraum gehen und wir spielen ein einfaches Telefongespräch nach. Als ich wieder zurück in den übungsraum komme, empfangen mich drei applaudierende AWDler. Wie peinlich. Für mich hat das den typischen Sektencharakter. Ich behalte dies aber für mich, spiele weiter mit und klatsche auch brav, als die anderen von den Telefonsimulationen zurückkommen. So richtig anfreunden kann ich mich mit dem Ganzen nicht und bin froh als endlich Schluss ist und ich nach Hause kann.

Am Abend, um 20:00 Uhr, kommt Herr Rotenbaum zu Petra zur Datenerhebung. Es wird ein langer Abend, der erst um 23.30 Uhr endet. Mich langweilt das trockene Versicherungsvertretergeschwafel so sehr, dass ich Mühe habe, nicht am Tisch einzuschlafen. Herr Rotenbaum hat Mundgeruch.

Donnerstag, 14. Oktober 2004
Um 14:00 Uhr habe ich einen Termin beim Steuerberater, der eine Stellungnahme fürs Arbeitsamt abgeben muss, damit ich Überbrückungsgeld erhalte. Das Büro des Steuerberaters wurde scheinbar in den 70ern eingerichtet und seitdem nicht mehr wirklich verändert. Der Herr Steuerberater sieht auch aus wie in den 70ern zu Ende entwickelt und passt vorzüglich in sein 70er Jahre Büro. Hier scheint die Zeit seit Jahren still zu stehen. Der Herr Steuerberater ist wirklich nett und nach ein paar Minuten habe ich die Stellungnahme fürs Arbeitsamt.

Ich gehe ins Büro und werte Petras Daten aus. Das heißt, ich gebe sie in ein Programm ein, welches sie auswertet. Herr Rotenbaum versucht nun alles zu optimieren. Meinen Hinweis, von der Lebensversicherung die Finger zu lassen und da nicht rumzuoptimieren, beachtet er irgendwie nicht und am Ende möchte er, dass meine Freundin den HAUS DREI(Immobilienfonds) und den Sparplan Segelyacht als Anlage für die Zukunft nimmt, dazu noch einen Aktienfonds. Klingt alles sehr gut, aber ist, wie sich später herausstellen wird, nicht ganz das, was sich Petra vorgestellt hat. Das Risiko ist zu hoch und in dieser Form nicht gewünscht. Bin gespannt, wie er ihr das in der nächsten Woche schmackhaft machen wird. Des Weiteren erwähnenswert an diesem Tag ist die Beschwerde des Herrn Ekelfink, dass ich nicht ordentlich rasiert bin und sein Gefasel von ‚im Auto rasieren‘ und ‚Handys mit Rasierapparat‘. Als ich seine Bemerkung als sinnloses Gebrabbel abwerte und seinen Vorschlag ‚Handy mit Rasierapparat‘ leicht spöttisch wiederhole, ist er irgendwie irritiert und sichtlich unzufrieden, aber da muss er wohl durch.
Ich muss von nun an damit klarkommen, dass ich Büromiete zahlen muss, anfangs nur 150 Euro, später dann 250 Euro und noch später noch mehr. Dafür darf ich aber Kaffee trinken, telefonieren und die Toilette mitbenutzen. Na, wenn das kein Angebot ist. Herr Ekelfink will allerdings viel lieber ab sofort 250 Euro Miete haben und ist über meine Ablehnung nicht begeistert. Mir ist es vollkommen egal, ob der Kasper davon begeistert ist oder nicht. Zum Abschluss des Tages setzt Herr Ekelfink noch einen drauf und erzählt, dass wir am Samstag Menschen anrufen werden, um diese als Kunden zu gewinnen. Hatte ich vergessen, deshalb niemanden angeschrieben bzw. angemailt zu haben und somit auch gar keinen Grund arme, unschuldige und vollkommen ahnungslose Leute anzurufen. Und Lebewesen aus meinem privaten Umfeld kommen dafür erst recht nicht in Frage. So ein Pech. Doch auch hier weiß man im Büro eine Lösung: Telefonbuch auf und einfach irgendwen anrufen. Das finde ich sehr interessant, denn folgender Satz aus dem Handelsvertretervertrag verbietet eigentlich so eine Aktion:

11.2 Der Handelsvertreter wird darauf hingewiesen, dass es rechtlich unzulässig ist, fremde Personen zum Zwecke der Akquisition in ihrer privaten Sphäre zu stören (zum Beispiel durch Anrufe), ohne dass deren ausdrückliches Einverständnis hierzu vorliegt.

Das kann aber auch was ganz anderes bedeuten. Ich verstehe das wahrscheinlich nur wieder nicht richtig und werde brav tun, was man von mir verlangt.

Freitag, 15. Oktober 2004
Von 10:00 bis 17:00 Uhr findet eine Immobilienveranstaltung statt. Wer wieder einmal fehlt bin ich, denn auf so einer Veranstaltung verdient man kein Geld und wird nur permanent zugelabert. Ich gehe stattdessen ins Fitnessstudio, auch wenn das meinen Beliebtheitsgrad beim AWD, ganz besonders bei Herrn Ekelfink, nicht steigert. Das Leben ist halt kein Wunschkonzert.

Um 19:00 Uhr steht das nächste Training auf dem Programm. Wir sind jetzt noch 21 Teilnehmer. Zwei sind also in den letzten Tagen auf der Strecke geblieben. Vor der Pause müssen wir alle einmal einen möglichen Kundeneinwand mit Hilfe der gelernten Texte abweisen. Dazu dient ein Ball, auf dem die Einwände geschrieben sind. Er wird uns zugeworfen und der Einwand, der oben steht, ist abzuweisen. Ich entscheide mich, einfach den Einwand zu nehmen, den ich einigermaßen kann und bei dem der Text auch recht kurz ist. Dass ich dafür von Herrn Franzel gelobt werde, ist mir irgendwie peinlich.
Die Pause verbringe ich draußen vor der Tür mit einigen Rauchern. Irgendwann während der Pause kommt eine Frau aus dem Gebäude. Auf den ersten Blick sieht sie attraktiv aus, kommt mir aber auch ein wenig merkwürdig vor. Sie stellt sich uns vor und gibt jedem von uns die Hand. Ich verzichte bewusst darauf, ihr meinen Namen zu sagen. Dann fragt sie, ob wir noch ein wenig Zeit hätten für eine Zigarette. Ich antworte: „Die Zeit nehmen wir uns einfach“, was sie dazu veranlasst blöd zu lachen und meinen Satz zu wiederholen. Während ich noch darüber nachdenke, was mit ihr nicht stimmt, setzt sie dem Ganzen noch einen drauf und fragt mich: „Was ist der AWD?“ Nun muss ich laut loslachen und stoße dabei den Satz „Ach du Scheiße.“ hervor, was sie dazu veranlasst, noch gestörter zu gucken, auch diesen kurzen Satz fragend zu wiederholen, und mich danach penetrant blöd anzugucken. Ich überlege, ob ich nun einfach gehen soll, entscheide mich dann aber dafür, ihr einen der Standard-AWD-Sätze aufzusagen. Das gefällt ihr scheinbar und so wendet sie sich mit der nächsten doofen Testaktion dem nächsten Trainingsteilnehmer zu. Sie ist wirklich ziemlich unattraktiv. Als wir im Fahrstuhl hochfahren labert sie die ganze Zeit von irgendwelchen Immobilien und wie toll doch alles ist. Ich schaue sie dabei mehrfach an und finde sie sogar zum Vögeln zu hässlich. Endlich steigt sie aus dem Fahrstuhl und erlöst uns von ihrer Anwesenheit. Ab sofort werde ich einen großen Bogen um die irre Schreckschraube machen.

Samstag, 16. Oktober 2004
Schule. Ich setze mich, wie ich es am liebsten mag, in die letzte Reihe, was aber bei Herrn Franzel, der das Training leitet, auf wenig Gegenliebe stößt. Er beordert mich weiter nach vorn. Ich finde sein Verhalten zwar lächerlich, aber eine Diskussion macht wenig Sinn, und so folge ich seiner Aufforderung. Der Tischnachbar, an den ich mich in den letzten Tagen gewöhnt habe, erscheint erst kurz vor Trainingsbeginn und setzt sich in die letzte Reihe. Kurzentschlossen setze ich mich zurück zu ihm in die letzte Reihe. Als Herr Franzel dies bemerkt, kündigt er an, in der Pause mit mir darüber zu reden. Scheint so, als duldet er so was nicht. Um drei Minuten nach 11:00 Uhr betritt Teilnehmer Nummer 21 den Unterrichtsraum. Herr Franzel eilt sofort mit einer Spardose, in die alle Zuspätkommer 10 Euro einzahlen müssen, herbei, um von Teilnehmer Nummer 21 zu kassieren. Dieser hat dazu gar keine Lust und lässt es auch alle merken. Herr Franzel schickt nun Nummer 21 raus, damit dieser sich Geld von seinem Teamleiter holt, was aber nur ein Vorwand zu sein scheint, denn er folgt ihm entschlossen. Einen kurzen Augenblick später kommt Nummer 21 wieder zurück, holt seine Sachen und verabschiedet sich zum letzten Mal von den anderen Teilnehmern. Er war nicht brav, für ihn ist die Karriere vorbei. Autsch. Mit zwanzig Teilnehmern geht es nun weiter. Mein angekündigtes Gespräch mit Herrn Franzel findet natürlich nicht statt.
Irgendwann gegen 14:00 Uhr heißt es ‚telefonieren‘. Wir sollen entweder Leute anrufen, die wir kennen oder welche, die nicht einmal wissen, dass es uns gibt. Erscheint mir wenig sinnvoll und der falsche Zeitpunkt für solche Spielereien. Die drei erfolgreichsten Telefonierer werden mit Sekt bzw. Wein ausgezeichnet. Ich gehöre nicht dazu, denn ich telefoniere überhaupt nicht. Telefonterror ist nichts für mich. Ob dies ein Nachspiel haben wird, zeigt sich wohl in der nächsten Woche. Ich bin gespannt.

Mittwoch, 20. Oktober 2004
Ich bringe meinen Antrag auf Überbrückungsgeld zur Ausländerbehörde bzw. zur Agentur für Arbeit. Klappt reibungslos. Draußen vor dem Arbeitsamt hält ein schwarzer Golf mit polnischen Kennzeichen neben mir. Der Fahrer kurbelt das Fenster runter und fragt in wunderschön gebrochenem Deutsch nach einer Straße, deren Name mir zwar bekannt ist, von der ich aber nicht weiß, wo sie sich befindet, was ich dem Fahrer auch mitteile. Im Fahrzeug stinkt es nach Alkohol und ich bin froh, dass ich nicht einsteigen muss.

Freitag, 22. Oktober 2004
Wieder Schule, zum letzten Mal am Freitag. Achtzehn Teilnehmer ertragen auch diesen Tag und freuen sich, dass sie freitags nun wieder selbst entscheiden können, was sie anstellen und wo sie es anstellen. Ich langweile mich.

Samstag, 23. Oktober 2004
Jetzt sind es nur noch siebzehn Teilnehmer. Heute findet der Abschlusstest statt. Ich habe das Gefühl, dass ich es schaffe, denn 51 Prozent sind machbar. Als vor der Mittagspause endlich mit dem Test begonnen wird, trifft mich fast der Schlag. Zwanzig Fragen, 75 Prozent müssen erreicht werden. Sind die doof? Egal. Die ersten Fragen bereiten keine großen Schwierigkeiten, erst ab Frage 15 verliere ich den Überblick, lese noch mal nach, verbessere eine Aufgabe, was sich später als Fehler herausstellt, und gebe den Test als erster ab. Ich bin gerne Erster.
Nach der Pause schwafelt Herr Melmack noch etwas von seiner Karriere und nervt mich mehrmals, weil ich ja so unfreundlich und unmotiviert in die Gegend starre. Krieg ich ein Stück Kuchen, wenn ich grinse? Wie auch immer, das Geschwafel endet auch irgendwann und ich kann endlich nach Hause fahren.

Montag, 25. Oktober / Dienstag, 26. Oktober 2004
Wieder Bürotage. Wir lernen etwas über Fonds, unterhalten uns über Kundengespräche, ich schreibe fünfzehn Werbebriefe und werde am Dienstag darauf hingewiesen, dass ich, wenn ich meine Texte nicht langsam besser beherrsche, keine Zukunft beim AWD habe. Schön, dass sie nun auch langsam begreifen, dass ich ungeeignet bin. Ich blamiere mich noch zweimal mit den Texten, die ich nicht beherrsche, mache mich zum Deppen des Tages, dann ist es vorbei. Ich darf nach Hause, muss aber wiederkommen. So schnell geht das dann doch nicht mit der Trennung.

Am Nachmittag klingelt mein Handy, Herr Rotenbaum mal wieder. Er teilt mir mit, dass ich den Test bestanden habe. Okay, dann ist das wohl so.

Mittwoch, 27. Oktober 2004
Das erneute Beratungsgespräch mit Petra steht an. Herr Rotenbaum sagt, dass er heute mal weniger reden möchte und ihr zuhören will, was sie stört und aus welchem Grund. Am Ende redet aber wieder nur Herr Rotenbaum. Ich werde immer unkonzentrierter, kann kaum noch folgen, Petra geht es wohl ähnlich. Nach etwa zwei Stunden zaubert er doch noch ein Produkt aus dem Hut, was Petras Interesse weckt. Ich bin überrascht. Wir fahren heim.
Dort angekommen liest Petra das Prospekt zu dem Produkt durch und ist nicht mehr davon überzeugt. Ich denke sie wird es nicht nehmen. Mir auch egal, ich will auch keine weiteren Beratungen mit ihr. Das frustriert mich nur. Eigentlich bin ich nun fast täglich genervt, frustriert und desinteressiert. Ich kann mir gut vorstellen, die ganze Sache zu beenden. Diese ominöse AWD-Sache.

Donnerstag, 28. Oktober 2004
Um 19:00 Uhr beginnt der Unterricht. Heute unter der Leitung von Herrn Eber. Herr Eber ist 28 Jahre, sieht aber mindestens zehn Jahre älter aus. Hat der AWD ihn so alt gemacht? Heute lernen wir etwas über die gesetzliche Rentenversicherung. Wir sind über dreißig Teilnehmer, weil viele Nebenberufler regelmäßig an diesen Veranstaltungen teilnehmen müssen. Macht es mir nicht gerade sympathischer, aber was soll es? Gegen 21.40 Uhr ist es überstanden. Fahre nach Hause. Das Übliche.

Freitag, 29. Oktober 2004
Ich verbringe den Tag fast ohne den AWD. Ich bekomme lediglich zwei Info-Mails. Unter einer steht ‚Gemeinsam sind wir stark‘. Solche Sprüche begeistern mich überhaupt nicht. Ich behalte auch das für mich, würde sowieso keiner verstehen. Morgen wird mein erster Aktivtag im Büro sein. Ich freu mich darauf fast genauso, wie über einen Pickel auf der Nase. Wird bestimmt ein grandioser Tag.

Samstag, 30. Oktober 2004
Der erste Aktivtag beginnt damit, dass alle erzählen, wie viele Einheiten sie schon haben und wie viele noch dazu kommen werden. Interessiert mich nicht und Einheiten habe ich auch keine. Es wird noch etwas über Möglichkeiten gesprochen, dann beginnt der entsetzliche Teil. Wir sollen telefonieren. Telefonbuch auf und los. Ist zwar verboten, aber interessiert ausnahmsweise mal niemanden. Nach dem dritten oder vierten Anruf bei fremden Leuten habe ich keine Lust mehr. Die wollen alle nicht, dass ich sie berate und ich habe Schwierigkeiten mit dem Text. So kommt kein Termin zustande. Also rufe ich die Personen an, denen ich Anfang der Woche Werbebriefe geschickt habe. Besser gesagt, ich rufe zwei von denen an. Einer will sich partout nicht beraten lassen, der andere ist zwar nicht interessiert, macht dann aber doch einen Termin mit mir, weil ich ein netter Kerl bin. Danach stelle ich meine Aktivitäten für diesen Tag ein. Ein Termin, der meiner Meinung nach nichts bringen wird, ist zwar kein wirklicher Termin, aber so kann ich wenigstens etwas vorweisen und man nervt mich etwas weniger. Weiterhin völlig demotiviert verlasse ich irgendwann das Büro. Wieder ein Tag geschafft.

Montag, 01. November 2004r
Ab heute bekomme ich Überbrückungsgeld. Bin von nun an offiziell selbständig. Wahnsinn. Fühle mich trotzdem nicht besser, zumal ich heute ins Büro muss. Dazu kommt, dass heute ein Feiertag ist, da sollte ich schon mal gar nicht im Büro sein. Der Tag vergeht irgendwie, ohne dass ich etwas auf die Reihe kriege. Dennoch behaupte ich, dass ich diesen Monat sechs Datenerhebungen/Termine haben werde. Dabei habe ich nur zwei wirklich sicher, aber ich muss ja positiv denken und vor allem reden. Das gelingt mir nun hin und wieder und so stelle ich die anderen im Büro ein wenig zufrieden.

Mittwoch, 10. November 2004
Meine ersten beiden Kundentermine stehen an. Zum ersten Termin fahre ich allein, was sich als etwas dämliche Idee herausstellt. Es wird chaotisch und weicht ziemlich von dem ab, was Standard ist und wie man normalerweise bei Kunden vorgeht. Nach einer Stunde hat der Mandant, Kunden heißen ab jetzt auch für mich Mandanten, keine Zeit mehr. Ich habe fast alle Daten und hoffe so eine Bilanz erstellen zu können.
Termin zwei findet mit Herrn Rotenbaum statt. Ich glaube, der Termin verläuft planmäßig und ich verdiene demnächst ein paar Euro. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Es ist spät, 22.30 Uhr, alle sind müde, wir sind fertig, es ist geschafft.

Donnerstag, 11. November
Ich verbringe den Tag damit, durch Geschäfte zu wandern, auf der Suche nach einem Anzug, der auch bei kaltem Wetter akzeptabel ist, und einem Mantel. Nach Hause komme ich Stunden später wie erwartet ohne Einkäufe. Da werde ich halt weiterhin im Sommeranzug durch die Kälte irren.

Freitag, 11. November 2004
Nach meinem morgendlichen Fitnessprogramm fahre ich wieder nach Dortmund. Diesmal nehme ich Petra mit. Allein kriege ich eh nichts gebacken. Tatsächlich bin ich heute erfolgreich. Es gibt einen Mantel und einen Anzug für mich. Somit habe ich schon über 500 Euro für meinen neuen Beruf ausgegeben. Wenn ich mich recht erinnere war das früher anders, da wurde man bezahlt, wenn man irgendwo arbeitete. Aber die Zeiten ändern sich halt.

19:00 Uhr. Wieder mal Schule, Thema GRV. Es ist langweilig wie immer und will einfach nicht enden. Erst gegen 21.50 Uhr können wir gehen. Der Abend ist gelaufen. Ich fahre heim und lege mich ins Bett.

Samstag, 12. November 2004
Ich bin wieder im Büro, weiß nicht warum und wieso und gebe lediglich zwei Datenerhebungen in den Computer ein, werte diese mit Herrn Rotenbaum aus, erstelle eine Finanzbilanz und fahre irgendwann nach Hause zurück.

Sonntag, 13. November
Ich gehe ein wenig spazieren.

Montag, 14. November / Dienstag, 15. November 2004
Wieder Bürotage. Ich bin völlig deplatziert, doch mittendrin. Ich erstelle, wieder zusammen mit Herrn Rotenbaum, eine Finanzbilanz für die Mandanten, die am Dienstagabend besucht werden müssen.

Mittwoch, 16. November
Ich treffe den Mandanten privat und unterhalte mich kurz mit ihm. Sein Interesse an einer Zusammenarbeit scheint nicht mehr vorhanden sein, er mag auch nichts weiter dazu sagen. Wozu soll ich dann da nächsten Mittwoch noch hinfahren? Wozu verschwende ich meine Zeit mit Mandanten, die mir sowieso nichts einbringen? Oder liegt es an meiner Einstellung, dass ich nie etwas verkaufe?

Donnerstag, 18. November 2004
Mehr als die Hälfte des Monats ist vorbei. Geld verdient habe ich keins und die Aussichten, dass sich diesen Monat daran wirklich etwas ändert, sind sehr bescheiden. Mein komplettes Umfeld ist ebenso kritisch wie ich. Alle sind sich einig, dass ich in meinem derzeitigen Job scheitern werde, so wie ich immer gescheitert bin. Ich weiß, dass sie recht haben, mache aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen weiter. Wenn ich scheitere, dann will ich das auch richtig, um mir irgendwas zu beweisen, was längst nicht mehr bewiesen werden muss. Die total positiven Mitarbeiter im Büro auf der einen und die destruktiven außerhalb des Büros auf der anderen Seite. Ein Zustand, der für Unbehagen sorgt. Bis Ende April erhalte ich noch Überbrückungsgeld. So lange werde ich weiter rumeiern, dann ist es vorbei und alle können sagen: „Ich hab mir gleich gedacht, dass es nichts wird.“, ich kann meine Zeit wieder auf dem Sofa verbringen und alle sind zufrieden.

Um 19:00 Uhr sitze ich wieder im Unterricht. Thema der nächsten drei Donnerstage ‚Haus und Wohnen‘. Wie schön. Der Dozent des Abends: Herr Viel. Leicht durchgeknallt, doch das überrascht mich nicht. Anfangs macht er, wie sollte es auch anders sein, die Einwandbehandlung. Wer nicht gut antwortet, darf aufstehen, beim zweiten Mal auf den Stuhl klettern und bei einer weiteren nicht zufrieden stellenden Antwort geht es rauf auf den Tisch. Der hat total einen an der Waffel. Zum Glück bleibe ich von dem Blödsinn verschont. Mein Tischnachbar hat weniger Glück, er darf sogar aufstehen. Peinlicher wird es zum Glück nicht und wir beginnen mit dem eigentlichen Unterricht, besser gesagt, die Show des Herrn Viel erreicht eine neue Dimension. Wie so oft kann ich mich gar nicht begeistern und sehne das Ende herbei. Irgendwann, es muss nach 22.30 Uhr sein, hört die Show endlich auf und wir dürfen raus. Jetzt muss ich diese Show noch an zwei weiteren Donnerstagen über mich ergehen lassen. Ich bekomme Mitleid mit mir.

Donnerstag, 25. November 2004
Teil zwei der unglaublichen Show steht an. Ich habe die Ehre in der ersten Reihe zu sitzen. Und wer so freundlich und begeistert bei der Sache ist wie ich, der wird natürlich öfter aufgefordert sein erlerntes Wissen vorzuführen. Klappt leider nur zum Teil, denn ich weiß eigentlich nichts und wer nichts weiß, der wird wieder und wieder gefragt. Ansonsten geht die Show fast spurlos an mir vorbei. Ich schalte fast völlig ab, schweife gedanklich in anderen Sphären und irgendwann ist es vorbei. Ich kann nicht sagen, dass ich an diesem Abend etwas gelernt habe, aber ich habe es überlebt. Und das ist ja schon mal was.

Donnerstag, 08. Dezember 2004
Nachdem am letzten Donnerstag der Unterricht ausfiel dürfen wir heute Teil 3 des Themas ‚Haus und Wohnen‘ über uns ergehen lassen. Zum Glück unter anderer Leitung. Ein Herr Klemmbrett hält den Unterricht ab. Auch er scheint mich zu mögen, denn er fragt mich ständig irgendwas. Antworten kriegt er von mir nur selten, denn woher soll ich das alles wissen? Trotzdem ist er von den bisherigen Vorturnern der Erträglichste, fast normal möchte ich mal behaupten. Was mich allerdings etwas verwundert ist, dass, wenn er seine Anekdoten von sich gibt, es dieselben sind, wie bei den anderen Dozenten. Da fragt man sich natürlich, ob man als AWD-Mitarbeiter grundsätzlich früher oder später dasselbe erlebt hat oder ob diese Geschichten doch nur der Unterhaltung dienen sollen und nichts weiter sind als ‚Grimms Märchen‘. Ich habe das Gefühl, dass wir da vorne nur Märchenerzähler stehen haben doch das behalte ich mal besser für mich.

Freitag, 10. Dezember
Während ich zu Hause gemütlich am PC sitze klingelt mein Telefon. Ein Herr B. aus Waltrop ruft an und ist furchtbar sauer. Was ich mir erlaube ihm Werbematerial vom AWD zu schicken. Er will die Erlaubnis sehen, die er erteilt hat und die besagt, dass er Infopost erhalten darf. Und wenn die nicht in den nächsten Tagen da ist, wird er weitere Schritte einleiten. Ich kann den Wüterich nicht beruhigen und verspreche ihm, mich darum zu kümmern. Da hab ich wahrscheinlich zu viel versprochen. Scheiße, jetzt komme ich bald ins Gefängnis. Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

Samstag, 11, Dezember 2004
Heute präsentiere ich Herrn Ekelfink den Widerspruch von Petra zu ihrer frisch vermittelten Fondspolice. Das überrascht Herrn Ekelfink auf dem falschen Fuß. Er kann einfach nicht verstehen wie jemand ein Produkt widerrufen kann, was so hohe Kosten verursacht, dass man nach zehn Jahren aller Vorrausicht nach weniger rausbekommt als man eingezahlt hat. Tja, nicht alle Kunden lassen sich jeden Dreck andrehen. Dass ich den Mist auch sofort widerrufen hätte, verschweige ich ihm besser. Vor lauter Wut kündigt er an, dass wir ab sofort nichts mehr an Petra verkaufen. Bockig wie ein Schulkind führt er sich auf. Ich schweige, denn ich will ja noch ein paar Tage diesem lustigen Team, was ständig neue und unglaublichere Merkwürdigkeiten zu Tage fördert, beiwohnen. Den Rest des Tages beachte ich Herrn Ekelfink kaum noch. Als er mir vorschlägt den Vertrag selber zu übernehmen, damit es kein Storno gibt, weil es ja auch mein erster Verkauf war und meiner Karriere nicht dienlich ist, frage ich mich ernsthaft, ob er total durchgeknallt ist, mir diesen Mist jetzt aufs Auge drücken zu wollen. Ich gehe auf seine Frage dann auch nicht wirklich ein. Soll er den Vertrag doch selber übernehmen, wenn er ihn so toll findet. Später als Petra im Büro anruft, erkläre ich in Anwesenheit von Herrn Rotenbaum, dass ich das Verhalten von Herrn Ekelfink total kindisch finde und es kein Verlust ist, dass Petra nun nicht mehr vom AWD betreut wird. Besser gar nicht als schlecht betreut. Was Herr Rotenbaum davon hält weiß ich nicht. Später jedoch, als ich mich weiter über diesen Vorgang aufrege, scheint er meiner Meinung zu sein. Abwarten.

Sonntag, 12. Dezember 2004
Heute findet der Weihnachts-Brunch für unser Büro statt. Ich nehme selbstverständlich nicht daran teil.

Donnerstag, 16. Dezember 2004
19.00 Uhr. Schule steht auf dem Programm. Thema heute: Gesundheitsversorgung. Dozent Herr Eindhoven macht einen normalen Eindruck auf mich. Liegt vielleicht daran, dass er erst seit sechs Jahren dabei ist und schon über vierzig war als er dazu kam. Auch wenn der Unterricht sehr langweilig ist und auch er mir den Ball zuwirft, lässt es sich aushalten. Ich weiß nun, dass unser Gesundheitssystem keine Zukunft mehr hat. Schön. Zeit nach Hause zu fahren. Es ist kurz vor 22 Uhr.

Dienstag, 21. Dezember 2004
Heute haben wir einen Termin bei einem Herrn B., Steuerberater. Das Gespräch verläuft etwas anders als erwartet, denn Herr B. hat keine Lust sich die AWD-Standardgeschichte erzählen zu lassen. Er will direkt wissen, wie er sein Geld anlegen kann. Herr Rotenbaum bietet wieder das übliche an: Aufbauplan Schiff (Sparplan Segelyacht) und HAUS DREI (geschlossener Immobilienfonds). Davon will Herr B. nichts wissen, alles zu riskant und nichts für ihn. Er will Medienfonds. Haben wir nicht. Dafür bieten wir ihm US Renditefonds an. Das weckt sein Interesse, darüber will er mehr wissen.
Am späten Nachmittag bringe ich ihm die gewünschten Unterlagen und bin gespannt, ob er sich irgendwann deswegen meldet. So richtig daran glauben kann ich nicht.

Donnerstag, 23. Dezember 2004
19.00 Uhr. Wieder Schule. Und wieder verbringen wir den größten Teil des Abends damit die Einwandbehandlung und Telefongespräche zu üben. Etwas mehr Fachunterricht wäre sicher angebrachter. Glücklicherweise dürfen wir etwas eher gehen, da um 21.45 Uhr die Harald Schmid Show kommt und irgendwer den Dozenten davon überzeugt hat, dass man das sehen muss. Gute Sache.

Montag, 27. Dezember 2004
Wieder habe ich es geschafft pünktlich um 10.00 Uhr im Büro zu sein. Ich weiß auch heute nicht, was mich dazu getrieben hat und worin der Sinn dieses Ganzen liegt, aber wo ich nun einmal hier bin kann ich auch bleiben. Herr Ekelfink präsentiert wie an jedem Montagmorgen die Zeitungsartikel der letzten Tage. Ist eigentlich wie immer ganz nett. Man braucht nur dabei sitzen und hat seine Ruhe. Nach seiner Präsentation wird er allerdings mal wieder merkwürdig. Er verlangt von mir, dass ich für die nächsten beiden Tage Termine lege, dazu soll ich einfach irgendwelche Leute aus dem Telefonbuch anrufen. Ich gucke kommentarlos durch den Raum. Zu solch einem Unfug habe ich keine Lust. Ich lasse Herrn Rotenbaum ein paar Anrufe für mich erledigen und irgendwann verschwinde ich, weil ich etwas Wichtiges zu erledigen habe. Termine habe ich keine. Wie überraschend.

Dienstag, 28. Dezember 2004
Wieder sitze ich im Büro und bin gespannt, was der Tag bringen wird. Draußen schneit und stürmt es. Bei so einem Wetter sollte man zu Hause im Bettchen liegen. Wir beginnen mit leichter Verspätung den Arbeitstag und lernen etwas über den Sparplan Segelyacht und den HAUS DREI. Der HAUS DREI ist besser als eine Lebensversicherung und eine tolle Sache. Das in der Gesprächsnotiz extra darauf hingewiesen wird, dass ein Totalverlust möglich sein könnte scheint im Büro niemanden zu interessieren. Das Produkt, so glauben hier scheinbar alle, oder zumindest tun sie so, ist absolut sicher und bringt eine hohe Rendite. Da frage ich mich natürlich warum wir eine solche Gesprächsnotiz vom Kunden unterschreiben lassen, um aus der Haftung zu sein, wenn doch alles so sicher und gewinnbringend ist. Ich spreche die Frage aber nicht aus, es würde mich niemand verstehen. Der Spaß mit der Gesprächsnotiz ist auch für den Sparplan Segelyacht nötig. Merkwürdig.

Mittwoch, 29. Dezember 2004
Um 18.00 Uhr sitze ich im Büro und darf mir anhören welche tollen neuen Produkte das Jahr 2005 bietet. Das Ganze verpackt in eine „Wir müssen den Umsatz steigern, alles wird besser“ Show. Ich hoffe man sieht mir meine Begeisterung nicht an. Dies war nämlich mein Fußballabend, da habe ich grundsätzlich kein Interesse an neuen Produkten und erst recht nicht an irgendwelche Motivationsrunden. Als dann auch noch das Motto für den kommenden Montag verkündet wird, reißt es mich fast vom Stuhl: „Zehn Termine in zehn Tagen“. Jetzt sind die völlig durchgeknallt. Wie soll ich denn zehn Termine am Montag vereinbaren, wenn niemand will, dass ich ihn belästige und ich auch nicht weiß, wen ich anrufen soll? Angeblich hat unser Teamleiter etwas vorbereitet für Montag. Ich halte das für blödes Geschwafel und bin sicher, dass am Montag nichts vorbereitet sein wird, was mich in irgendeiner Weise zu einem Termin führt. Ich will jetzt nur noch nach Hause, denn die AWD-Mitarbeiter hier sind doof.

Donnerstag, 30. Dezember 2004
Eigentlich müsste ich in der Schule sein, aber erstens habe ich dazu gar keine Lust und zweitens habe ich Schnupfen und somit einen Grund zu Hause zu bleiben. Also gucke ich Big Brother, Big Boss und dann noch Pocher. So mag ich das.

Silvester 2004
Zeit für ein Fazit. Seit drei Monaten bin ich nun beim AWD. Meine Einnahmen sind gleich Null. Wenn man jetzt noch die monatlichen Bürokosten von 150€ und die Fahrtkosten dazu addiert, stellt man sehr schnell fest, dass ich kein guter Geschäftsmann zu sein scheine. Ich beginne das nächste Jahr trotzdem mit nur 300€ Mietschulden, weil allen Mitarbeitern die Monatsmiete für Dezember erlassen wurde. Läuft vielleicht doch ganz gut.

Montag, 03. Januar 2005
Tag der Termine. Ich bin gespannt. Wie erwartet ist nichts vorbereitet. Wer selbst nichts vorbereitet hat, hat Pech gehabt. Außer mir hat komischerweise niemand Pech. Ich telefoniere wie immer so gut wie gar nicht und auch nur dann, wenn ich mal kurz alleine im Büro bin. Mein erster Anruf ist gleich ein Teilerfolg, denn ich rufe einen Bekannten von meinem Onkel an, der sich sowieso überlegt hatte mal seine Versicherungen irgendwo günstiger zu besorgen. Da er durch meinen Onkel vorgewarnt war, hatte ich es weniger schwer. Nächsten Montag wollen wir noch mal telefonieren und einen Termin vereinbaren. Letztendlich habe ich mich mit diesem einen Termin bis 21 Uhr durchgemogelt. Glücklicherweise hat an diesem Tag niemand die geplanten zehn Termine bekommen. Einerseits müsste ich mich langsam etwas mehr Bemühen, denn von diesem rumblödeln wird mein Konto sicher nicht gefüttert. Andererseits, was nützt all das Bemühen, wenn man von einer Sache nicht überzeugt ist?

Dienstag, 04. Januar 2005
Heutiges Thema: Die neuen Produkte zur Altersvorsorge. Ich stelle sehr schnell fest, dass mich Begriffe wie ‚Riester‘, ‚Rürup‘ usw. nicht wirklich interessieren und ich auch nicht so recht verstehe was diese ganzen Produkte leisten. Mir ist das alles zu kompliziert. Wie soll ich das mal einem Mandanten erklären, wenn ich nicht einmal selber weiß, was die Vorteile sind? Es endet Stunden später und ich bin genauso dumm wie zuvor. Herzlichen Glückwunsch. Weiter geht’s.

Donnerstag, 06. Januar 2005
Wie eine Maschine setze ich mich ins Auto, um pünktlich um 19.00 Uhr am Unterricht teilnehmen zu können. Ich erreiche den Seminarraum kurz vor 19.00 Uhr und stelle fest, dass mein Tischnachbar, an den ich mich so gewöhnt hatte, nicht da ist. Ich setze mich zu einem anderen Teilnehmer, den ich auch schon mal gesehen habe. Kurzer Smalltalk. Unterrichtsbeginn. Thema: Altersvorsorge unter Leitung von Herrn Eber. Kommt mir bekannt vor, langsam wiederholt sich alles. Der Abend zieht sich. Mein Tischnachbar beginnt mir irgendwas zu erzählen, er ist nett, aber er soll nicht mit mir reden. Ich höre ihm genauso interessiert zu wie dem Dozenten da vorne. Ab und zu bestätige ich seine Aussagen. Keine Ahnung wovon der redet. Er ist sehr freundlich.

Freitag, 05. Januar 2005
19.00 Uhr. Jahresauftaktveranstaltung im Hilton, Dortmund. Circa 300 Menschen sitzen mit mir im Saal und beklatschen, ich klatsche nicht mit, die Jahresbesten 2004. Herr Melmack hält eine Rede. Danach Herr Brämer, verantwortlich für den Börsengang des AWD. Mir ist das zwar alles etwas zu lang, aber es lässt sich aushalten. Zu guter Letzt kommt noch ein Mann mit Persönlichkeitsspaltung auf die Bühne. Verkleidet als Elvis singt er irgendein Lied von Elvis. Er ist nicht wirklich gut. Als nächstes behauptet er Robbie Williams zu sein, fordert alle auf aufzustehen und singt „Let me entertain you“, springt dabei mehrmals auf einen Tisch und wieder runter, zwischendurch redet er wirres Zeug und singt weiter. Es scheint als hätte er seine Tabletten nicht genommen. Schrecklich. Ich entschließe mich beim nächsten Lied den Saal zu verlassen. Und da er tatsächlich weiter singt, gehe ich, denn so geht das ja nicht.

Samstag, 06. Januar 2005
Der Aktiv-Tag beginnt mit einem Gemeinschaftsfrühstück im Büro, ein Festakt auf den ich grundsätzlich verzichten kann. Als nächstes werden noch ein paar interne Dinge besprochen. Herr Ekelfink ist unzufrieden, weil er nur der zweitbeste Teamleiter im letzten Jahr war und fordert mehr Engagement von uns. Ich höre ihm nicht wirklich zu, es ist diese Art von Diskussion, die mich nicht interessiert. Entgegen seiner Vorgaben telefoniere ich wieder nicht und gehe bei erster Gelegenheit nach Hause.

Montag, 10. Januar 2005
Der Tag beginnt ganz harmlos. Wir lernen etwas über die Riester-Rente, bevor wir alle unsere Jahresziele präsentieren sollen. Irgendwie vergesse ich für einen Moment, dass ich nicht das sagen soll, was ich wirklich meine, sondern lieber reden sollte, wie es Herrn Ekelfink zusagt. Nun habe ich den Salat. Meine miserablen Ergebnisse der letzten Monate werden angeprangert, mein mangelnder Ehrgeiz usw. Irgendwann war das sowieso zu erwarten, trotzdem hätte es nicht heute sein müssen. Von nun an muss ich mehr telefonieren, meine Anrufe genau protokollieren und wenn dabei wieder nichts rumkommt, dann… . Es wird nicht ausgesprochen, was dann passieren könnte, denn ich bezahle Büromiete und wenn ich nicht mehr da bin, müssen die anderen schließlich mehr bezahlen. Zum Abschluss des Tages erstelle ich 108 Briefe, die ich im Laufe der Woche verteilen werde. Und irgendwann werde ich Briefträger oder gar Postbote.

Dienstag, 11. Januar 2005
Heute lernen wir etwas zur bAV(Betriebliche Altersvorsorge). Zwischendurch will Herr Ekelfink vorführen was für ein guter Telefonierer er ist. Klappt leider nicht. Ich verspüre eine gewisse Schadenfreude. Auch sein zweiter Anruf ist nicht von Erfolg gekrönt. Ich finde das sehr amüsant.
Später schreibe ich noch 50 Einladungen an Leute aus dem Telefonbuch. Samstag werde ich die alle anrufen müssen. Schrecklicher Gedanke. Verdrängter Gedanke. Als ich gegen 17.00 Uhr das Büro verlasse, kann Herr Ekelfink es kaum glauben. Denn auch heute habe ich nicht telefoniert. Er erzählt wieder, dass ab sofort mehr telefoniert wird im Büro und dass ich morgen früh Firmen anrufen soll. Morgen früh bin ich aber gar nicht im Büro. Mittwochmorgens bin ich nie im Büro. Der weiß aber auch gar nichts. Ich gehe. Meine Zeit läuft ab. Am Abend verteile ich die ersten der 108 Briefe. Klappt echt gut.

Samstag, 15. Januar 2005
Heute muss unweigerlich telefoniert werden. Doch diesmal habe ich Glück. Ein Büro ist leer. Ich verschwinde dorthin und telefoniere so viel wie noch nie. Der Erfolg ist wie immer bescheiden. Zwei Leute wollen zur VIV (Verbraucherinformationsveranstaltung) kommen. Ob sie wirklich kommen wird sich zeigen. Daran glauben kann ich nicht. Trotzdem sind alle zufrieden mit mir und ich kann beruhigt nach Hause gehen. Was für Deppen.

Montag, 17. Januar 2005
Ein weiterer Tag im Büro. Heute ist eine Frau von der Continentale da. Sie erklärt einiges zu Krankenzusatzversicherungen und zur privaten Krankenversicherung. Die Zeit geht ganz gut rum. Zuletzt bekommen wir alle ein Geschenk. Einen Kugelschreiber, der auch leuchten kann. Ich bin glücklich. Während die anderen danach zusammen Brötchen verspeisen, ziehe ich mich in ein Büro zurück und erledige noch ein paar Anrufe. Wieder einmal äußerst erfolglos. Doch da ist mir egal, ich habe einen neuen Kugelschreiber, der im Dunkeln leuchtet.

Dienstag, 18. Januar 2005
Ich bin ziemlich allein im Büro und weiß nichts mit mir anzufangen. Da entscheidet Herr Ekelfink, mir Bestandskunden zu vermitteln. Ich werde kurzerhand zum Bestandsteam geschickt und erfahre dort, dass alle Texte bezüglich des Kundengesprächs dort anders sind als ich es bisher gelernt habe. Irgendwie habe ich nun doch keine Lust auf Bestandskunden. Ich ziehe mich zurück in mein Büro und telefoniere die nächste Stunde. Auch diesmal erfolglos. Zumindest kann mir niemand vorwerfen, dass ich keine konstanten Leistungen bringe.

Donnerstag, 20. Januar 2005
Um 10.30 sitzen wir beim Volkswohl Bund und hören uns an, was für tolle Produkte zur Altersvorsorge die anbieten und welche Gesetze in diesem Jahr geändert wurden. Einschläfernd. Sofort nach dem Vortrag verschwinde ich wortlos nach Hause. Schließlich ist heute Donnerstag, da bin ich faul und am liebsten zu Hause.
Am Abend sitze ich wieder artig im Unterrichtsraum. Herr Eber kündigt Herrn Pökel an. Dieser ist Trainer. Aber nicht von einer Fußballmannschaft, er trainiert AWD-Mitarbeiter bis sie endlich erfolgreich sind. Ich finde ihn unterhaltsam. Allerdings bezweifle ich, dass sein Auftritt irgendwas bewirkt bei mir. Ich bin weiterhin resistent. Das ist auch gut so. Nach dem Auftritt des Herrn Pökel macht Herr Eber noch bis fast 22.00 Uhr Unterricht. Da ich nicht von ihm belästigt werde, will ich diesmal nicht klagen.

Montag, 24. Januar 2005
Es ist ziemlich leer in unseren Büros, kaum jemand ist heute da. Zur Belohnung gehen Herr Ekelfink, Frau Christ und ich ins Büro von Herrn Ekelfink und dürfen dort Firmen zum Thema bAV anrufen. Später bereichert Herr Lustig unsere illustre Runde. Den ersten Anruf tätigt Herr Ekelfink. Prompt hat er einen Termin. Auch Frau Christ bekommt sofort einen Termin. Nun bin ich an der Reihe. Überraschenderweise kriege ich keinen Termin. Da nützt mir das Lob von Herrn Ekelfink wenig, dass ich ja ganz toll telefoniert habe. Herr Lustig weigert sich zu telefonieren, er telefoniert nur alleine. Kann ich verstehen. Er ist übrigens fast genauso erfolglos wie ich. Frau Christ geht nun nach Hause. So darf ich alleine weiter telefonieren. Meine Erfolglosquote bleibt bei 100%. Ich bin einfach schrecklich konstant. Um 14.00 Uhr schleiche ich mich aus dem Büro.

Dienstag, 25. Januar 2005
Wieder ist es sehr leer im Büro. Herr Ekelfink erzählt mir und Frau Christ, wie erfolglos wir doch sind. Immer dasselbe. Danach noch ein paar Anrufe. Ergebnis wie gewohnt. Gegen 14.00 Uhr verlasse ich das Büro, weil ich um 16.00 Uhr einen Termin bei einem Mandanten habe. Der Termin fällt dann allerdings aus, weil der Mensch mir die Tür nicht öffnet. Ich habe einen Lauf.

Mittwoch, 26. Januar 2005
Es gibt eine weitere Absage für die VIV. Mein Erfolg nimmt langsam bedrohliche Formen an.

Donnerstag, 27. Januar 2005
Unterricht. Thema: Einkommensabsicherung. Dozent: Herr Peitsche, 30 Jahre, seit sechs Jahren beim AWD und seit zwei Jahren als Dozent tätig. Sieht erfolgreich aus. Der Unterricht ist langweilig, aber dafür wird niemand mit irgendwelchen lästigen Einwandbehandlungen oder ähnlichem belästigt. Nach der Pause zeigt uns Herr Peitsche, wie man Kunden anspricht und zu einem Termin kommt. Außerdem malt er einen Hubschrauber, eine Geld-Druck-Maschine und anderes Gedöns auf, um uns zu zeigen, wie man Empfehlungen bekommt. Ich finde das alles lächerlich, aber angeblich soll es ja erfolgreich sein. Ich kann mir das nicht vorstellen. Ob ich es jemals herausfinde? Wohl kaum. Unterricht beendet.

Freitag, 28. Januar 2005
Um 19.00 Uhr beginnt die Verbraucherinformationsveranstaltung (VIV). Schon gegen 18.15 Uhr bin ich im Büro, verstecke mich sofort und rede mit niemandem. Ich gehöre hier einfach nicht hin. Glücklicherweise habe ich meine Provisionsabrechnung eben bekommen. Ich mag diese Abrechnungen, mir gefallen der Aufbau und die detailreiche Auflistung. Weniger gefällt mir die Summe: -240,24€. Soviel Schulden hatte ich noch nie. Gegen 18.45 Uhr kommen die ersten Gäste. Ich verlasse mein Versteck nicht, denn ich bin nicht an den Gästen interessiert. Zu Beginn der VIV setze ich mich dann doch zu den ganzen Menschen und lausche dem Vortrag. Interessant. Nach dem Vortrag stürzen die Menschen ans Buffet, ich stürze zurück in mein Versteck. Irgendwann schaffe ich es allerdings doch, mich zu den Gästen zu begeben. Habe aber nichts zu erzählen und schweige bis zum Ende der Veranstaltung. Als auch die letzten Gäste gegangen sind verabschiede auch ich mich. Genug ist genug.

Samstag, 29. Januar 2005
Wir begrüßen einen neuen Kollegen im Büro. Herr El Habib. Herr Rotenbaum erzählt mir, dass Herr Ekelfink findet, ich telefoniere sehr gut und bin einer der besten Telefonierer im Büro. Ich halte das für ein Gerücht, denn normalerweise haben gute Telefonierer Termine. Ich nicht. Ob das Ganze ein weiterer Motivationstrick ist? Wenn ja: Hat nicht funktioniert! Funktioniert bei mir nie. Zu plump. Die Krönung des Tages folgt kurze Zeit später. Am 11. Februar habe ich plötzlich einen Termin wegen einer Baufinanzierung bei einem Bekannten. Bin schon jetzt gespannt, warum ich auch dort nichts verdienen werde und woran es scheitern wird.

Sonntag, 30. Januar 2005
Ich bin faul wie immer, Petra allerdings ist heute sehr fleißig. Sie schreibt einige Stunden an einem Werbebrief, den ich in der nächsten Woche verteilen werde, um Kunden zu bekommen. Irgendwie tut mir Petra jetzt Leid. Sie gibt sich solche Mühe und opfert Zeit für eine Sache die sowieso aussichtslos ist. Arme Frau.

Montag, 31. Januar 2005
Wieder ein Tag im Büro. Wieder ist ein möglicher neuer Kollege dabei. Herr Holzmann. Er möchte sich beruflich verändern. Klingt wohl besser als „Ich bin arbeitslos und brauche einen Job“. Na ja, wenn er sich mit der ‚Veränderungsaussage‘ besser fühlt, dann soll er es so sagen. Um 14.00 Uhr ist der Unterricht beendet. Ich muss noch die Briefe ausdrucken und eintüten, was mich bis fast 18.00 Uhr beschäftigt.

Dienstag, 01. Februar 2005
Heute verpacke ich die Briefe in die Briefumschläge und erledige zwei Anrufe. Beim ersten Anruf gibt es gerade einen Todesfall in der Familie und deshalb für mich keinen Termin. Anruf zwei gilt dem Ehepaar, welches am Freitag nach der VIV angeblich Interesse an einer persönlichen Beratung geäußert hatte. Bei meinem Anruf wissen die davon nichts, würden aber sehr gerne an der nächsten VIV teilnehmen. Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht die Bohne. Es geht also genauso weiter, wie ich es gewohnt bin. Keine Termine und keine Einnahmen. Ich liebe diesen Job.

Donnerstag, 03. Februar 2005
Schule steht auf dem Programm. Ich erfahre, dass von den vierzehn Teilnehmern nur einer in der letzten Woche einen Termin hatte. Willkommen im Club der Erfolglosen.

Freitag, 04. Februar 2005
Ich besuche um 15.00 Uhr den Mann, der mir in der letzten Woche die Tür nicht geöffnet hat. Die Türklingel war wohl kaputt. Nun sitze ich in der Wohnung und verkaufe ihm eine Verkehrs-Rechtschutz-Versicherung. Sieben bis acht Euro wird mir die Aktion einbringen. Was werde ich mir dafür Schönes kaufen?

Samstag, 05. Februar 2005
10.00 Uhr. Eigentlich sollte ich jetzt im Büro sein, stattdessen liege ich in meinem Bettchen und lasse es mir gut gehen. Schon Mitte der Woche hatte ich mich entschieden heute das Büro zu meiden, denn ich weiß nicht einen einzigen Grund heute da zu sein. Mir fällt nicht einmal ein Grund ein, warum ich mich im Büro melden sollte, um mein Fehlen zu begründen. Ich bin schließlich Selbständig und niemandem Rechenschaft schuldig.
Am Nachmittag spiele ich wieder Briefträger und verteile endlich die Briefe.

Sonntag, 06. Februar 2005
Um 14.00 Uhr findet wieder eine dieser AWD-Veranstaltungen in Kamen statt. Ich habe keine Lust auf diese lustigen Beförderungen, die ollen Geschichten und dieses Motivationsgequatsche. Folglich nehme ich auch an dieser Veranstaltung nicht teil. So werde ich vermutlich nie Mitarbeiter des Monats.

Montag, 07. Februar 2005
Der Arbeitstag beginnt damit, dass man mir von der gestrigen Veranstaltung vorschwärmt. Ich will das alles nicht hören, kann mich dem Ganzen aber nicht entziehen. Herr Ekelfink ist so begeistert, dass er sofort am Morgen etwas Hanteltraining gemacht hat und danach noch auf der Sonnenbank war. Er hat einfach gute Laune heute, und dass, obwohl wir nur zu viert im Büro sind. Er geht sogar so weit, dass er zum Bäcker rennt und uns Plätzchen kauft. Das ist der pure Wahnsinn. Selbst als ich um 16.00 Uhr das Büro verlasse, ohne auch nur einen Anruf getätigt zu haben, verabschiedet er sich gutgelaunt. Was hat man ihm gestern nur verabreicht?

Dienstag, 08. Februar 2005
Herr Holzmann ist wieder nicht da. Der kommt wohl nicht wieder. Hatte scheinbar schon nach zwei Tagen genug von diesem Quatsch. Kann ich gut nachvollziehen. Heute steht wieder Training auf dem Programm. Einwandbehandlung und Telefonsimulation. Und das bei dem schönen Wetter. Ich überlege wegzurennen, verzichte aber darauf, weil ich denke, es würde etwas albern sein. Als ich, nachdem ich im Nebenbüro ein Telefongespräch simuliert habe, in den Übungsraum zurückkomme, werde ich erstmal gelobt. Lächerlich. Angeblich habe ich ja eine so angenehme Telefonstimme und Herr Ekelfink kann deshalb gar nicht verstehen wieso ich bisher so erfolglos beim Telefonieren bin. Was der nicht alles nicht versteht. Wahnsinn. Nun schlägt Herr Ekelfink mir tatsächlich vor, mal auf die Sonnenbank zu gehen, dann sähe ich frischer aus und das kommt bei den Mandanten an. Weder will ich frischer aussehen, noch habe ich Mandanten, also lehne ich diesen Vorschlag kategorisch ab, was Herr Ekelfink nicht ganz nachvollziehen kann. Als nächstes empfiehlt er uns einen angemessenen Kugelschreiber. Dieser sollte etwa 50€ kosten, denn so etwas macht Eindruck bei den Mandanten. Nach meinen bisherigen Einnahmen müsste ich mindestens 27 Jahre arbeiten, um mir einen solchen Kugelschreiber leisten zu können. So lange werde ich nicht beim AWD sein. Somit ist auch dieser kuriose Vorschlag nicht umsetzbar. Es ist noch nicht einmal 14.00 Uhr, da verlasse ich auch schon das Büro. Die Sonne scheint.

Donnerstag, 10. Februar 2005
Ich telefoniere. Jedoch nur kurz. Schon nach dem fünften Telefonat habe ich keine Lust mehr und beende die Telefonaktion. Früher hat telefonieren mehr Spaß gemacht. Früher war sowieso alles besser.
Die Schule am Abend ist Okay. In der Pause stehe ich alleine auf dem Flur. Ich bin scheinbar nicht sehr beliebt. Ein paar Meter weiter stehen ein paar Mitarbeiter, die das 23. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Dies schließe ich daraus, weil sie darüber reden, dass sie in Autohäusern leider nicht alle Luxuswagen Probe fahren dürfen, da dort Personen unter dreiundzwanzig diese nicht bekommen. Wenn ich die drei so betrachte, dann bin ich sehr für diese Regelung. Zwischendurch berichten sie von ihren Erlebnissen mit einem Mercedes SLK, den sie von ihrem Teamleiter jeweils für ein paar Stunden zum Fahren bekommen haben. So erfahre ich, dass der SLK eine lahme Gurke ist, die nicht in die Gänge kommt. Die drei Anzug tragenden Bubis sind jedenfalls enttäuscht von diesem Fahrzeug und können es gar nicht empfehlen. Jetzt wird wieder klar, warum ich die Pausen alleine verbringe. Das nächste Pausenthema der drei Herren ist eine Führungskraft, die scheinbar Probleme mit Zahlen hat. Angeblich nennt diese Führungskraft den Mandanten stets falsche Zahlen und wenn diese dann die Verträge unterschrieben haben und die Rechnung bekommen, ist diese immer etwas höher als ursprünglich mitgeteilt. Klingt sehr seriös und scheint kein Einzelfall zu sein, denn die drei Herren haben alle die gleichen Erfahrungen mit dieser Führungskraft gemacht. Schade, dass ich den Namen dieser Führungskraft nicht verstehen kann.

Freitag, 11. Februar 2005
Heute ist der Termin wegen der Baufinanzierung. Herr Ekelfink ist pünktlich, aber er hat die Präsentationsmappe vergessen. Noch schlimmer jedoch finde ich seinen Kugelschreiber. Der billigste AWD-Kugelschreiber, den es gibt. Was für eine Enttäuschung. Hatte er nicht am Dienstag noch philosophiert, wie wichtig ein anständiger Kugelschreiber ist? Und jetzt das! Ich bin enttäuscht. Maßlos enttäuscht. Der Termin dauert etwa drei Stunden. Herr Ekelfink macht seine Sache scheinbar gut. Trotzdem kann ich die Sache mit dem Kugelschreiber nicht akzeptieren.

Samstag, 12. Februar 2005
Zunächst erfahre ich, dass Herr Allofski, nachdem er nun einige Wochen spurlos verschwunden war, am Montag wieder im Büro erscheinen will. Da bin ich sehr gespannt. Außerdem stelle ich fest, dass Herr Lustig schon wieder nicht da ist. Herr Lustig war nun schon länger nicht mehr da. Herr Ekelfink scheint nicht darüber reden zu wollen, jedenfalls bekommt man keine Antwort auf Fragen Herrn Lustig betreffend. Als ich, während wir die Termine der nächsten Woche besprechen, den Termin bei dem Rentner erwähne und sage, dass dabei wahrscheinlich keine Einheiten rumkommen, sagt mir Herr Ekelfink in seiner mir extrem unsympathischen Art, dass Termine, die kein Geld einbringen Zeitverschwendung sind und ich dem Herrn dann doch lieber einen Brief schreiben soll, indem ich ihm mitteile, dass es uns leid tut, aber wir nichts optimieren können und deshalb nicht persönlich vorbeikommen. Arschloch! Da sieht man mal wieder, wie wichtig die Mandanten doch sind. Ich verspüre das dringende Bedürfnis Herrn Ekelfink ein wenig zu würgen. Von diesem Moment an höre ich ihm noch weniger zu, als es ohnehin schon der Fall war. Ich gucke ihn nicht einmal mehr an, während er weiter irgendwelchen Müll von sich gibt. Ich male in meinem Block herum und stelle mir vor, wie ich ihn würge und sein Gesicht langsam blau anläuft. Irgendwann spricht er mich an, aber mehr als ein „Ja, ja“ kriegt er von mir nicht zu hören. Er sollte mich nicht noch weiter nerven.
Später, als ich am Laptop sitze und irgendwelche Daten eingebe, kommt er mit einem Zettel zu mir ins Büro. Darauf ein Dreieck mit sechs Kreise darin. Drei davon tragen ein „S“, in zweien steht „5€“ und im obersten „20€“. Damit will er uns motivieren viel zu telefonieren und so Termine für die nächste Woche zu legen. Für die ersten drei Termine gibt es jeweils ein Stück Schokolade, für die Termine vier und fünf gibt es jeweils 5€ und für den sechsten gar 20€. Ich überlege kurz den Zettel vor seinen Augen direkt in den Papierkorb zu befördern, lasse es dann aber doch sein und kümmere mich erstmal nicht weiter um ihn. Etwas später entscheide ich, aus diesem Dreieck ein Haus mit vielen Fenstern zu zeichnen. Sieht gut aus. Kurz danach verschwinde ich aus dem Büro, weil ich Herrn Ekelfink heute einfach nicht mehr sehen will.
Zu Hause mache ich einen Termin mit dem Rentner aus. Es ist mir völlig egal, was Herr Ekelfink davon hält. Und auch mein nächstes Telefonat ist von Erfolg gekrönt. Ich habe nun einen Termin für eine Datenerhebung. Ob ich dafür am Montag ein Stück Schokolade bekomme? Vollmilch?

Montag, 14. Februar 2005
Herr Allofski ist natürlich nicht da. Vielleicht ist er doch ein Alkoholiker? Ich quäle mich durch den Tag. Es wird wieder darüber philosophiert, wie man Mitarbeiter anwirbt, weil man so ganz schnell zum Teamleiter werden kann. Ich hasse dieses Schneeballsystem. Herr Lustig ist überraschenderweise auch mal wieder da. Was ich auch noch mitbekomme ist, dass wir auch weiterhin Leute anschreiben, die eine Chiffreanzeige aufgegeben haben, weil sie einen Job suchen. Scheinbar werde ich dabei aber ausgeschlossen. Jetzt gönnt man mir nicht einmal mehr Mitarbeiter. Bei der ersten Gelegenheit verlasse ich das Büro. Bin bedient.

Dienstag, 15. Februar 2005
Heute hat Herr Ekelfink erneut eine fantastische Idee. Wir erarbeiten ein Kontaktgespräch und rufen anschließend Ärzte zum Thema „Betriebliche Altersvorsorge“ an. Ich strahle übers ganze Gesicht, als ich diese Idee zur Kenntnis nehme. Nachdem Herr Ekelfink einen feinen Text fabriziert hat, üben wir ein wenig. Wir rufen Herrn Ekelfink aus einem Nebenbüro an und er gibt sich als Arzt aus. Er ist begeistert von unserer Leistung. Wir sind bereit für den praktischen Teil. Ran ans Telefon, ran an die Ärzte. Dass die Gespräche nicht so einfach verlaufen, wie von uns simuliert, überrascht mich nicht. Trotzdem bekommt Herr El Habib einen Termin. Als ich an der Reihe bin und ein Gespräch sehr schnell aufgebe wird Herr Ekelfink ein wenig ungehalten. Er fordert mich auf sofort noch einmal den Arzt anzurufen und ihm die Dienstleistung noch einmal ordentlich zu erklären, weil dieser mit Sicherheit nicht verstanden hat, um was es bei meinem Anruf ging. Hauptsache Herr Ekelfink versteht alles. Selbstverständlich weigere ich mich, den armen Mann noch mal zu belästigen, also macht Herr Ekelfink es selber. Er hält sich scheinbar für den König des Telefonierens. Dass auch sein Anruf nicht von Erfolg gekrönt ist bestätigt eigentlich nur, dass ich alles richtig gemacht habe. Weil ich nun keine Lust mehr auf diesen Mist habe, gebe ich, als ich das nächste Mal an der Reihe bin, den Hörer direkt wieder zurück. Dadurch entsteht dann fast eine Diskussion mit Herrn Ekelfink, die ich aber geschickt blocke, da wir kein Debattierclub sind. Kurz danach verlasse ich das Büro.

Mittwoch, 16. Februar 2005
Ich stehe schon um 7.30 Uhr auf, weil ich einen der Ärzte, den ich gestern versuchte zu erreichen, angeblich um 8.00 Uhr heute früh erreichen kann. Stimmt aber gar nicht, ich werde gebeten um 11.00 Uhr noch einmal anzurufen. Bis dahin lege ich mich ins Bett. Was soll ich mitten in der Nacht auch sonst machen? Das Ergebnis des 11.00 Uhr Anrufs ist goldig. Der Arzt will mich nicht sprechen und „Betriebliche Altersvorsorge“ mag er auch nicht. Dann eben nicht, ich lauf doch nicht jedem Hansel hinterher, um ihm Vorteile zu verschaffen. Blödmann. Als ich nach dem Mittagessen vor meinem PC sitze klingelt es. Post, Paket. Ich habe nichts bestellt. Habe auch kein Geld für Bestellungen. Der Postzusteller steht mit drei riesigen Paketen unten im Flur. Die habe ich nicht bestellt. Steht aber mein Name drauf. In den Paketen befindet sich laut Aufschrift ein 5.1 Lautsprechersystem „Teufel Concept S 5.1″. Ich schaue auf die Rechnung. Dort steht “ wir gratulieren zu Ihrem gewonnenem Lautsprecherset „. Unglaublich. Es ist leichter für mich bei Gewinnspielen zu gewinnen, als Geld beim AWD zu verdienen. Den Rest des Tages verbringe ich im Internet und nehme an Gewinnspielen teil. Geil.

Donnerstag, 17. Februar 2005
Pünktlich erscheinen Herr Rotenbaum und ich zu meinem ersten Termin, den ich durch meine Telefonaktionen erreicht habe. Herr Rotenbaum erscheint während des Termins wenig souverän. Ist halt doch nicht so einfach fremde Leuten dazu zu bringen sich vom AWD verarschen zu lassen. Die Frau lässt sich jedenfalls nicht von Herrn Rotenbaum einlullen. Ich sitze leicht amüsiert dabei und beobachte die ganze Situation. Herr Rotenbaum erinnert heute mit seinem stets leicht geöffneten Mund und den aufgerissenen Augen stark an Homer Simpson. Ich muss mir das Grinsen verkneifen. Die Frau ist nett, aber nicht zu überzeugen. Nach etwa einer Stunde gehen wir wieder. Obwohl wir ja so tolle Möglichkeiten zu bieten haben und einfach die besten sind, kann sich die Frau nicht entschließen unsere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Ich hatte es auch nicht anders erwartet, fand es aber trotzdem irgendwie amüsant. Homer und ich sind schon ein lustiges Team.
Am Abend verzichte ich bewusst auf die Schule, denn das würde sich negativ auf meine Laune auswirken.

Freitag, 18. Februar 2005
Heute besuchen Homer und ich den Rentner. Es läuft alles sehr harmonisch ab. Homer kommt ganz gut an und sieht heute auch nicht wirklich wie Homer aus. Wir haben sogar Produkte, die den Rentner interessieren. Und er will auch investieren. Doch erst im September. Schade, denn im September habe ich nichts mehr davon, denn dann bin ich nicht mehr dabei. Egal, der Termin war trotzdem okay. Ich bin fast zufrieden. Für einen kurzen Augenblick.

Samstag, 19. Februar 2005
Ich bleibe zu Hause. Samstags im Büro fühle ich mich sowieso nie wohl. Ich tätige einige Anrufe. Ein Termin kommt dabei nicht heraus. Alles wie gehabt.

Sonntag, 20. Februar 2005
Ich rufe einen Bestandskunden an und habe nächste Woche Mittwoch einen Termin. Ich bin gespannt.
Ich schlafe in letzter Zeit schlecht. Ständig habe ich diese merkwürdigen Träume in denen ein Fernseher läuft und Nachrichten aus der Finanzwelt zeigt, irgendwelche Finanzberatereigenschaften preist und andauernd darauf hinweist, dass dies nicht der richtige Job für mich ist. Ich wache mehrmals in der Nacht auf, der Traum kommt ebenso oft zurück. Gruselig.

Montag, 21. Februar 2005
Zu meiner Überraschung ist Herr Allofski im Büro. Nach all den Wochen gehört er wohl wieder dazu. Er ist ein netter, älterer Herr mit grauen Haaren, kreisrundem Haarausfall, einem Schnauzbart und oftmals üblem Mundgeruch. Mein Verdacht, dass er ein Alkoholproblem haben könnte, hat sich bisher jedoch nicht bestätigt. Er hatte scheinbar ziemliche Probleme in letzter Zeit und will jetzt richtig durchstarten. Auf der Rangliste liegt er schon lange weit vor mir. Wer nicht?
Zu Beginn des Tages erzählt Herr Ekelfink wieder die üblichen Geschichten. Je öfter ich sie höre, desto übler wird mir. Schrecklich. Heute erklärt er das MAMI-Prinzip: Je mehr Mandanten ich habe, desto mehr Mitarbeiter habe ich. MAMI funktioniert auch umgekehrt. Je mehr Mitarbeiter ich habe, desto mehr Mandanten habe ich. Großartiges Prinzip. Fast kippe ich vom Stuhl vor lauter Begeisterung. Doch es kommt noch besser. Folgende drei Sätze lassen mich fast völlig ausrasten:

1. Die 9€ Stufe ist unvermeidbar, ebenso die 10€ Stufe und die 11€ Stufe.
2. Wir müssen ein Heer aufbauen von Zweitberuflern!
3. Was ist schwierig daran, 100 neue Mitarbeiter zu bekommen?

Wenn die Mitarbeitergewinnung so leicht ist, wieso hat Herr Ekelfink dann so kläglich dabei versagt? Er hat nicht einmal 20 Mitarbeiter. Nach all den Jahren. Was für eine Enttäuschung. Er, der Held mit den tollen Sprüchen, produziert nichts als heiße Luft. Wir sollten mal lüften, es wird sonst zu heiß hier. Bevor ich tatsächlich vom Stuhl kippe und das Bewusstsein verliere, kommt ein Herr von der Stuttgarter Versicherung ins Büro und erzählt etwas über deren Produkte. Der Mann ist gut und rettet mich vor weiteren merkwürdigen Sätzen des Herrn Ekelfink und der drohenden Ohnmacht.

Dienstag, 22. Februar 2005
„Da passt der Umsatz zu Ihrer Einstellung.“ – „Ja, genau.“ Mit diesen Worten endet der Vortrag des Herrn Ekelfink, den er mir hielt, weil ich eine Fahrt zu einem dieser Motivations- und Selbsthuldigungsseminare nach Bremen abgelehnt habe. Als Grund habe ich den Geburtstag meiner Mutter vorgeschoben, denn mein generelles Desinteresse an solch ekelerregenden Veranstaltungen würde zu noch schrecklicheren Diskussionen führen und sowieso von niemandem Verstanden werden. Während seines Vortrages habe ich weitere äußerst interessante Sachen über Herrn Ekelfink erfahren. Geburtstage sind grundsätzlich nicht so wichtig, dass man dafür auf irgendwelche Aktionen des AWD verzichte müsse. Den Geburtstag seines Sohnes hat Herr Ekelfink bisher immer ausfallen lassen wegen irgendwelcher beruflichen Dinge. Und den Geburtstag seiner Frau findet er auch weniger wichtig. Er ist halt ein Arschloch. Als nächstes erklärt uns Herr Ekelfink, wie und vor allem wo man Mandanten finden kann. Eigentlich überall. Als ich fast eingeschlafen bin klatscht Herr El Habib übermotiviert in die Hände und ruft „Los geht’s, ran die Telefone!“ Erschrocken und völlig verständnislos schaue ich rüber zu meinem übermotivierten Kollegen. Ob er weiß, was er mir damit antut? Nun bin ich sicher, dass ich nicht pünktlich um 14.00 Uhr hier weg komme.
Nach einer kurzen Futterpause beginnen wir mit dem telefonieren. Wir belästigen wieder unschuldige Ärzte bzw. deren Arzthelferinnen, oder wie auch immer die richtige Berufsbezeichnung für die armen Personen ist. In den fünfundvierzig Minuten sind wir dermaßen erfolglos, dass es mich irgendwie amüsiert. Vor allem die Gespräche des Herrn Ekelfink sind bemerkenswert. Er schafft es immer wieder die Ärzte so wütend zu machen, dass sie ihn anbrüllen oder einfach auflegen. Verstehen kann Herr Ekelfink das allerdings nicht, er glaubt fest daran, dass seine Anrufe jeden erfreuen müssten. Er ist schon ein echter Träumer. Noch lustiger finde ich das Ganze, wenn ich bedenke von was für Telefonquoten Herr Ekelfink immer spricht: Aus zehn Anrufen hat man immer einen Termin“! Das ist in etwa so wahr, wie der Himmel braun ist“. Meine Quote liegt etwa bei 1:150.Doch selbst eine Quote von 1:50 hält er für unrealistisch. Er lebt halt in seiner eigenen Welt. Wenn man allerdings unsere Erfolge bei den Anrufen der beiden Tage nimmt an denen wir die Ärzte angerufen haben, dann kommt 1:50 der Wahrheit ziemlich nahe. Darüber eine Diskussion zu beginnen würde nichts bringen. Es ist nach 15.00 Uhr und ich muss jetzt weg. Herr El Habib macht alleine weiter. Viel Glück!

Mittwoch, 23. Februar 2005
Heute wird ein Bestandsmandant besucht. Obwohl ich, weil ich ja so schlecht bin, diesen Mandanten gar nicht anrufen sollte. Herr Rotenbaum begleitet mich mal wieder und das ist auch gut so, denn ich bin weder für Small Talk noch für andere Gespräche beim Mandanten zu gebrauchen. Herr Rotenbaum hat sichtlich seinen Spaß. Wie viel Spaß der Mandant hat kann ich nicht beurteilen. Herr Rotenbaum ist fast euphorisch. Sollte er aber nicht, denn meine Kunden haben noch nie irgendetwas abgeschlossen. Trotzdem ist Herr Rotenbaum zuversichtlich, dass es diesmal klappt. Ich bin auch zuversichtlich, aber nicht wegen dem Mandanten und möglichem Umsatz, sondern dass ich nachher zum Fußball fahre. Ich glaube, heute ist ein guter Tag.

Donnerstag, 24. Februar 2005
Ich muss kurz ins Büro wegen der Baufinanzierung. Unterlagen sortieren, Anträge ausfüllen und diese dann abschicken. Mein Umsatz im Januar waren 4€. Diesen gigantischen Umsatz werde ich in diesem Monat wohl knapp verpassen.

Montag, 28. Februar 2005
Der Arbeitstag beginnt wie jeder Arbeitstag. Ich bin angewidert und könnte schon am frühen Morgen alle Ohrfeigen. Es wird wieder über die Karriereplanung von uns Mitarbeitern gesprochen. über meine Karriere allerdings nicht, denn ich bin schon längst abgeschrieben und werde kaum noch beachtet. Die Karriereplanung sieht neben 3000 EH (Eigeneinheiten), zwei oder mehr Mitarbeitern und der bestandenen Finanzberaterlizenzprüfung folgendes vor, um Teamleiter zu werden:
Aus 12 Kontakten ergeben sich 6 Bewerbergespräche, daraus landen dann 3 Mitarbeiter im Auswahlverfahren. 2 Mitarbeiter beginnen die Ausbildung und einer bleibt letztlich beim AWD. Mir stellt sich sofort die Frage, wo die ganzen Mitarbeiter unseres Büros geblieben sind, weil es bei uns insgesamt nur 13 Mitarbeiter gibt, dass Büro aber schon seit 1998 besteht. Wo ist da nur wieder mein Rechenfehler? Dazu noch folgende These, die bei der Mandantengewinnung gleich ist und auch da schon nicht zutrifft: Wenn ich zehn Leute anspreche, wird einer davon Mitarbeiter. Wieso muss ich mir nur ständig so einen Unsinn anhören? Und wieso unternimmt niemand etwas gegen diese Märchen? Nachfolgend gibt Herr Ekelfink für jeden von uns folgende Parole aus: Ab jetzt jede Woche drei Kontaktgespräche mit möglichen zukünftigen Mitarbeitern. Der kann mich mal. Pause.
Entgegen meiner Hoffnung mit diesem Thema nun fertig zu sein, zaubert Herr Ekelfink seine nächste grandiose Aufgabe für uns aus dem Hut, den er nicht trägt. Herr Rotenbaum hat von der Internetseite des Arbeitsamtes die Daten von mehreren hundert Jobsuchenden mitgebracht. Diese sind nach Orten sortiert und jedem im Büro werden nun Arbeitsuchende aus einem oder mehreren Orten als mögliches Mitarbeiterpotenzial zugewiesen. Das heißt, fast jedem. Bei mir wird aus unerklärlichen Gründen eine Ausnahme gemacht. Am Ende des Tages sind ein paar hundert Anfragen ans Arbeitsamt raus. Ich bin auch raus.

Mittlerweile nervt hier alles nur noch, nichts ist mehr interessant oder hinterlässt den Eindruck interessant zu sein. Im Gegenteil, alles widert mich an, das blöde Büro, in dem ich mich nicht ein bisschen wohl fühle, der blöde Teppich mit dem AWD-Logo, die sich stets wiederholenden Geschichten, das Wetter und ganz besonders Herr Ekelfink. Den kann ich überhaupt nicht mehr sehen, der muss weg. Wenn der nicht bald geht, dann geh ich. Da bin ich konsequent.

Dienstag, 01. März 2005
Zu Beginn des Tages werden die letzten Faxe ans Arbeitsamt gesendet. Nachfolgend steht Training auf dem Programm. Ich sitze wieder wenig beachtet in der letzten Reihe und träume vor mich hin. Ein Anruf vom Arbeitsamt Lünen reißt mich aus meinen Träumen. Die vom Arbeitsamt denken gar nicht daran, unser Jobangebot an die vielen Arbeitslosen weiterzuleiten, weil wir nur Selbständige suchen und das Arbeitsamt dies nicht toleriert. Ich verspüre eine gewisse Schadenfreude und hoffe, dass die anderen Arbeitsämter ähnlich reagieren. Ein weiterer Anruf. Diesmal wird Herrn Ekelfink mitgeteilt, dass ich donnerstags nicht mehr zur Schule gehe. Findet er gar nicht gut. Donnerstag muss ich da wieder hin. Wozu? Zum Abschluss des Tages möchte ich, dass Herr Ekelfink für mich telefoniert, aber selbst dazu hat er keine Lust mehr. Dann eben nicht. Bevor ich mich nach Hause begebe, erfahre ich noch, dass die Baufinanzierung nicht zu finanzieren ist. Was auch sonst? Wieder keine Kunden für mich. Ein weiteres Zeichen? Es läuft wirklich von Tag zu Tag besser. Die Mandanten, deren Baufinanzierung von uns nicht zu finanzieren ist, sind weder enttäuscht noch überrascht. Sie haben zwei andere Angebote und benötigen den AWD nicht. Sie wollen auch sonst nichts mehr mit dem AWD zu tun haben, denn außer einer Menge Sprüchen und noch mehr Eigenlob haben sie nichts vom AWD bekommen. Eine solch schwache Dienstleistung werden sie selbstredend nicht weiterempfehle. Ich stimme ihnen da absolut zu.

Nun sind es nur noch wenige Wochen bis ich wieder zu den Millionen richtigen Arbeitslosen gehöre und erstmalig in den Genuss von HARTZ IV komme. Ein weiteres spannendes Abenteuer steht mir also kurz bevor. Ich habe ein verdammt aufregendes Leben. Ob ich wirklich noch die Empfehlungen von meinem Onkel anrufe und belästige? Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen den Leuten gegenüber, wenn ich denen irgendwelche unangebrachten Produkte vorschlagen soll und so entscheide ich, dass sie verschont bleiben.

Glücklicherweise hat Herr Ekelfink gar kein Gewissen, denn sonst würde er nicht Produkte verteidigen und verkaufen deren jährliche Rendite regelmäßig ausfällt oder zumindest kleiner ist als vorher vollmundig angepriesen. Für mich ist er ein gewissenloses Irgendwas mit Ohren. Aber nur so kann man scheinbar Erfolg haben und es zu etwas bringen. Traurig, aber leider wahr. Früher hat Herr Ekelfink übrigens, wenn er unaufgefordert jemanden angerufen hat und dieser dann wütend auflegte, diesen sofort wieder zurückgerufen „Wenn jemand auflegt, dann bin ich das.“ gesagt und wieder aufgelegt. Über diese Anekdoten wird oft im Büro gelacht. Ich lache nicht mit, mir ist das Lachen schon lange vergangen. Manchmal komme ich mir vor wie Timm Thaler, der sein Lachen verkauft hat. Werde ich nach dem AWD je wieder lachen können? Und wenn ja, worüber?

Dienstag, 08. März 2005
Seit Samstag quält mich eine üble Erkältung. Trotzdem schleppe ich mich ins Büro, denn am Nachmittag habe ich einen meiner seltenen Kundentermine. Als ich im Büro anschelle öffnet mir eine junge, schlanke und scheinbar nette Frau. Später erfahre ich, dass sie unsere Praktikantin ist. Wozu sind Praktikantinnen eigentlich gut? Den Rest des Tages sehe ich sie nicht mehr, stattdessen höre ich wieder all die Dinge, die mir diese Branche so sympathisch machen. Leuten, die eine Lebensversicherung haben, wird diese schlecht geredet und gekündigt und dafür der HAUS DREI verkauft. Das ist eine mir bekannte Strategie. Neu für mich ist dagegen folgender Schlachtplan. Wenn ein Mandant einen Bausparvertrag hat, dann werden alle Nachteile eines solchen aufgeführt und er bekommt dafür Aktienfonds. Sollte der Mandant allerdings Aktienfonds haben, wird ihm aufgezeigt, wie sinnvoll und gewinnbringend doch ein Bausparvertrag ist und dann kündigt man eben die Aktienfonds und verkauft den Bausparer. Hauptsache man hat den Kunden und etwas Provision. Ehrenwerte Methoden, die mir so gar nicht gefallen. Wenig später erhalte ich meine Gehaltsabrechnung. -405,14€. Sensationell. Abschließend folgt der Termin. Begleitet werde ich von Herrn Ekelfink. Die Mandanten scheinen ihm zu vertrauen, ich nicht. Er erzählt, wie fantastisch der HAUS DREI ist und wie viel Geld sie damit verdienen können und dass wir nur zwei ihrer vier oder fünf vorhandenen Rentenversicherungen dafür kündigen müssen. Zu meiner Überraschung willigen die Mandanten sofort ein. Sie scheinen begeistert vom HAUS DREI und stellen nicht eine kritische Frage. Das sind also die Kunden von denen man immer hört. Es gibt sie wirklich. Sie unterschreiben sofort die Kündigungen ihrer bestehenden Rentenversicherungen und alle anderen Formulare. Die Gesprächsnotiz, in der alle Risiken aufgeführt sind, liest Herr Ekelfink nur schnell und undeutlich vor. Auch dieses Blatt wird prompt unterschrieben. Zuletzt noch die Empfehlungsnahme. Es gibt sechs Empfehlungen. Bin schon gespannt, warum keine der Empfehlungen zu einem Termin führen wird. Wir verabschieden uns und es geht ab nach Hause.

Mittwoch, 09. März 2005
Nun ist auch Herr Rotenbaum mal wieder krank. Das kommt davon, wenn keiner der Kranken zu Hause bleibt und so jeder einmal jeden anstecken kann. Herr Ekelfink hat scheinbar nie eine Erkältung. Dabei hätte er sie am meisten verdient. Herr Lustig ist heute auch mal wieder da. Warum weiß ich allerdings nicht. Herr Lustig ist ein sehr außergewöhnlicher Mitarbeiter. Er war früher öfter im Büro und hat dann meist am PC Karten gespielt und die Zeitung gelesen. Telefoniert hat er äußerst selten, weshalb er fast genauso erfolglos ist wie ich. Ich finde ihn witzig, zumal er in letzter Zeit immer nur sporadisch anwesend ist. Ein echter Sonderling. Der Papierkram ist schnell erledigt. Herr Ekelfink ist mal wieder zu beschäftigt und so verlasse ich mich auf die Aussagen von Herrn Rotenbaum. Ein schwerer Fehler wie sich später herausstellen wird.
Um 19.20 Uhr klingelt mein Telefon. Herr Ekelfink ist dran. Er sucht ein paar Dokumente. Dummerweise genau die, die ich mitgenommen habe, weil Herr Rotenbaum darauf bestand, dass diese für den Kunden sind. So darf ich morgen also wieder ins Büro und die Dokumente zurückbringen. Hat Herr Rotenbaum eigentlich keine Ahnung? Ich werde etwas wütend. Als Herr Ekelfink mich dann noch fragt, was ich denn jetzt noch mache und ich ihm, weil es ihn nichts angeht, sage, dass ich nichts mehr mache, wird er etwas laut und erzählt mir, dass ich mir bei meinen Erfolgen nicht erlauben kann nichts zu tun und doch gefälligst telefonieren soll. Als ich ihn, nun schon etwas strenger, darauf hinweise, dass ich mich aber anders entschieden habe kommt wieder der Klassiker „Ich an Ihrer Stelle „. Das geht bei mir ja gar nicht, denn Herr Ekelfink ist nicht an meiner Stelle und für mich nichts weiter als eine Labertasche, die ich immer weniger ernst nehme, weshalb ich ihm ihn noch etwas schärferem Ton erneut darauf hinweise, dass ICH das so entschieden habe und fertig. Diskussion beendet. Was bildet der sich eigentlich ein?
Vielleicht läuft der Laden doch nicht mehr so richtig und er kann sich sein Luxusleben so auf Dauer nicht mehr leisten, denn in den letzten beiden Monaten war der Umsatz dieses Büros nicht wirklich berauschend. Für mich war noch nie ein Monat berauschend, deshalb soll er aufhören zu jammern. Er spart doch schon wieder etwas Geld dadurch ein, dass er die Sekretärin, Frau Christ, Halbtagskraft, entlassen, offiziell heißt es natürlich „in gegenseitigem Einverständnis getrennt“, hat. Gründe der Trennung habe ich bisher leider nicht erfahren können.

Donnerstag, 10. März 2005
Ich bringe die fehlenden Dokumente ins Büro. Herr Ekelfink ist beschäftigt. Wie nun scheinbar jeden Tag führt er Bewerbergespräche. Auf mich wirkt das alles irgendwie verzweifelt. Sein Schneeballsystem läuft einfach nicht rund. Ich rege mich noch kurz etwas auf und bin auch schon wieder verschwunden.
Die Schule am Abend lasse ich mir entgehen, stattdessen verkaufe ich eine Hausratversicherung. Grandios.

Samstag, 12. März 2005
Fünf Telefonate bringen mich durch den Tag. Zwei der Empfehlungen vom Dienstag wollen nicht, einer sucht einen Job und darf sich nächste Woche als Mitarbeiter vorstellen. Bei einer anderen darf ich mich Ende April noch mal melden, bei der nächsten am Montag. Was soll das bringen?

Montag, 14. März 2005
Wieder einmal erfahre ich, dass man mit meinen Leistungen durchaus unzufrieden ist. Dazu erhalte ich noch die Information, dass Herr Melmack absolut dagegen ist, dass wir Leute anschreiben, um so Kunden zu bekommen. Kunden soll man nur aus dem persönlichen Umfeld und durch Empfehlungen erhalten. Da stellt sich mir die Frage: „Wie soll das gehen?“ Das ist alles so widersprüchlich, dass man schon nicht mehr weiß, was man glauben soll bzw. was richtig und was falsch ist. Spontan erstelle ich neunzig Werbebriefe. Ich vermute mal, dass es sich hierbei um meine letzte Werbeaktion handeln wird. Später hole ich mir dann noch ein paar „Neins“ beim Telefonieren ab. Mir macht keiner was vor.

Mittwoch, 16. März 2005
Ich habe schon wieder gewonnen. Ein Nostalgie-Radio. Ein weiterer Beweis dafür, dass Glücksspiele mir mehr bringen als beim AWD zu arbeiten. Den Rest des Tages nehme ich an weiteren Gewinnspielen teil. Brillant.

Donnerstag, 17. März 2005
Schule. Gastgeber: Herr Klemmbrett. Die Stimmung ist so locker wie nie zuvor. Es wird viel gelacht und es gibt viele alberne Zwischenbemerkungen der Teilnehmer. Selbst die meisten Fragen des Herrn Klemmbrett können die Kollegen beantworten. Ich komme mir ziemlich blöd vor. Als ich an der Reihe bin eine der Fragen zu beantworten weiß ich, dass ich blöd bin. Wie immer kann ich die Frage nicht beantworten. Das passt, denn über die Witze und Zwischenbemerkungen konnte ich auch schon nicht lachen. Ich bin hier völlig falsch. Warum schmeißt man mich nicht einfach raus?

Samstag, 19. März 2005
Wir sitzen im Büro und ich darf mir anhören, wie erfolgreich alle diesen Monat sind. Selbst Herr El Habib hat schon fünf Datenerhebungen gemacht. Eine weniger als ich. Allerdings hat er dafür nicht mal ein Drittel der Zeit gebraucht. Herr Rotenbaum ist neidisch auf Frau Koks, weil diese im Moment mehr Umsatz hat als er. Ein echter Neider. So etwas kann ich ja gar nicht leiden. Widerlich. Herr Ekelfink kündigt an, dass er heute mit jedem ein persönliches Gespräch führen möchte. Da wäre ich besser zu Hause geblieben.
Ich erstelle 121 Werbebriefe, da die vom Montag alle voller Rechtschreibfehler waren und ich sie entsorgen musste. Hätte ich das merkwürdige und fehlerhafte Schreiben von Herrn Rotenbaum doch nur am Montag schon kontrolliert, ich hätte mir das Falten und Eintüten sparen können. Nun sitze ich hier, falte 121 Briefe und tüte diese ein. Die einzige Tätigkeit, die ich wirklich beherrsche. Allerdings bekomme ich davon Rückenschmerzen. Nachdem alle Briefe fertig sind nutze ich die erste Gelegenheit, um unbemerkt aus dem Büro zu entkommen. Ein persönliches Gespräch mit Herrn Ekelfink findet somit heute nicht statt.

Montag, 21. März 2005
„Ich bin das Chamäleon. – Ich weiß alles.“ Diese Aussage von Herrn Rotenbaum eröffnet den Tag im Büro. Und der Tag hat noch mehr zu bieten. Wir üben Verkaufsgespräche und nehmen uns dabei mit der Videokamera auf. Später schauen wir uns das ganze Elend auf Leinwand an. Gruselig. An einer Sache, die mir derart wenig Freude bereitet, habe ich schon lange nicht mehr teilgenommen. Meine Vorstellung ist mal wieder die Schlechteste. Ich bin schlecht vorbereitet, weiß nie, was als nächstes kommt, stottere rum und noch bevor ich das ganze Verkaufsgespräch durch habe, werfe ich meinen Kugelschreiber auf den Tisch und beende den Krampf. Dies führt natürlich zu Unverständnis in der Gruppe. Glücklicherweise ist kurz darauf die Unterrichtszeit vorbei und ich kann nach Hause fliehen.

Dienstag, 22. März 2005
Wieder wird geübt. Die Präsentationsmappe ist heute an der Reihe. Ich habe keine und beschäftigt habe ich mich schon seit Monaten nicht mehr damit. Herr Rotenbaum erinnert mich, wie er so dasitzt und den Kunden spielt, irgendwie an einen Vogel. Er sieht aus wie ein Habicht, ein Hühnerhabicht. Homer, der Hühnerhabicht. Bevor ich an der Reihe bin wird der Unterricht vorzeitig beendet. Ist mir recht, hätte mich sowieso nur blamiert. Vielleicht wurde ich verschont, weil ich am Morgen Frau Zitrus mitgeteilt habe, dass ich bald aufhöre beim AWD. Möglicherweise hat es auch andere Gründe. Ist auch nicht mehr so wichtig. So bin ich wenigstens früh zu Hause. Herr Allofski fehlt auch schon wieder. Angeblich wurde ihm diesmal sein Auto, ein alter VW Polo, gestohlen. Die Geschichten, die Herr Allofski präsentiert, um sein Fehlen zu begründen, sind immer wieder erstaunlich. Telefonisch zu erreichen ist er während der Ausfallzeiten auch nicht. Ich glaube ja immer noch, dass er diese Zeiten irgendwo volltrunken vor sich hinvegetiert. Klingt für mich glaubwürdiger und plausibler als all die Geschichten, die er uns regelmäßig auftischt. Doch wer weiß, vielleicht tue ich ihm ja auch unrecht und er ist wirklich so ein Pechvogel. Merkwürdig ist das Ganze auf jeden Fall. Was der Hühnerhabicht wohl darüber denkt?

Am Nachmittag rufe ich die ersten Opfer meiner Briefaktion an. Niemand hat Interesse. Keine Überraschung für mich.

Donnerstag, 24. März 2005
Der Tag beginnt um kurz nach sieben. Ich schlüpfe aus dem Bett, entferne die lästige Gesichtsbehaarung, wasche mir die Haare und schon bin ich auf dem Weg zum Arbeitsamt. Ich will Arbeitslosengeld II. Hartz IV soll nun auch Teil meines Lebens werden. Meine Selbstständigkeit hat mir irgendwie nichts eingebracht. Der Berater beim Arbeitsamt kann nichts mit mir anfangen. Er schickt mich ins Rathaus, weil die angeblich wissen, wie man Langzeitarbeitslose verwaltet. Dort angekommen muss ich feststellen, dass die Abteilung für Arbeitslosengeld II-Opfer erst ab 13.30 Uhr geöffnet hat. Das finde ich zwar anständig, denn Arbeitslose brauchen ihren Schlaf, aber im Moment irgendwie unpassend. Ich lasse mir ein paar Telefonnummern geben, um mir später telefonisch einen Termin zu besorgen.

Als ich am Nachmittag im Rathaus anrufe teilt man mir mit, dass ich mich ganz normal beim Arbeitsamt arbeitslos melden müsse und den kompletten Arbeitslosengeld II-Antrag noch einmal ausfüllen muss. Da hat man mir beim Arbeitsamt aber was anderes mitgeteilt. Schön, wie erfolgreich die beiden Ämter zusammen arbeiten. Ich werde mich also in der nächsten Woche arbeitslos melden. Wie es aussieht kann ich meine Tätigkeit beim AWD sogar als Nebenjob weiter ausführen. Das würde mir gefallen. Der AWD hat mein Leben bisher so bereichert, das möchte ich nicht mehr missen. Nach all diesen freudigen Ereignissen greife ich zum Telefonhörer und rufe weitere Leute meiner Briefaktion an. Nach dem fünfzehnten ‚Nein‘ habe ich allerdings keine Lust mehr und breche die Telefonaktion ab. Ich glaube, ich bin frustriert und völlig ungeeignet.

Abends in der Schule treffe ich auf Herrn El Habib. Er hat die Grundausbildung hinter sich, mittlerweile auch mehr Datenerhebungen und logischerweise auch mehr Umsatz als ich. Wie macht er das bloß? Ich fühle mich geehrt, dass ich neben ihm sitzen darf. Zu meiner Rechten sitzt eine Frau mittleren Alters, klein und ab und zu bebrillt. Der Unterricht scheint wieder unterhaltsam und witzig zu sein, jedenfalls lacht die Dame neben mir lauthals bei jeder sich bietenden Gelegenheit los. Ihr Lachen ätzt. Ich fühle mich belästigt und verstehe das alles nicht. Habe ich nicht nur mein Lachen, sondern auch meinen Humor, falls ich je welchen hatte, verloren? Was ist nur aus mir geworden? Wie ein geistig Verwirrter sitze ich apathisch im Unterrichtsraum und kann dem Unterricht und allem was dazugehört nicht folgen. Die Pause verbringe ich alleine auf dem Ledersofa, welches auf dem Flur steht. Komapatienten können kaum lebloser sein. Als ich wieder zu mir komme sitze ich zu Hause an meinem PC. Sehr merkwürdig.

Samstag, 26. März 2005
Warum ich heute ins Büro fahre wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Völlig sinnlos vergeude ich Sprit und verpeste die Umwelt. Im Büro sitze ich mal hier, mal da oder stehe in der Küche und gucke aus dem Fenster. Sehr ergiebig. Als Herr Ekelfink mir beim Nichtstun mal wieder über den Weg läuft, beginnt er ein Gespräch. „Immer, wenn ich sie sehe, sitzen Sie irgendwo rum und machen nichts. Nehmen Sie sich mal ein Beispiel an Herr El Habib, der macht täglich einen Termin“. Worauf ich nur erwidern kann: „Ich bin aber nicht wie Herr El Habib.“ Das ist für Herrn Ekelfink scheinbar keine Basis für ein sinnvolles Gespräch, weshalb er Kommentarlos wieder abzieht. Was spricht er mich auch an? Sehe ich aus, wie jemand, der sich gerne unterhält? Wohl kaum. Kurze Zeit später verschwinden ich aus dem Büro. Ist besser so.
Am Nachmittag rufe ich weitere Leute meiner Briefaktion an und lege sogar einen Termin. Das verwundert mich sehr. Wer weiß, wo da der Haken ist?

Nun sind über sechs Monate vergangen. Viel Zeit, sehr viel Zeit. Mein letzter Job dauerte nur sechs Tage. War allerdings besser bezahlt. Herr El Habib hatte in seinem ersten Monat bereits mehr Umsatz als ich in den sechs Monaten. Er ist überhaupt sehr eifrig. Täglich ruft er zwischen 50 und 100 Leute aus dem Telefonbuch an und hat somit auch regelmäßig Termine. Da sollte ich mir mal ein Beispiel dran nehmen. Mach ich aber nicht. Insgesamt war der März ein recht erfolgreicher Monat für unser Büro. Es freut mich, dass auch ich dazu beitragen konnte.

April 2005

In dieser Woche entscheidet sich, wann ich mich wieder arbeitslos melde. Ich habe sage und schreibe vier Termine. Sollten die Termine wirklich stattfinden und einigermaßen erfolgreich verlaufen, wovon ich nicht ausgehe, kann ich meine Arbeitslosmeldung möglicherweise um einen Monat verschieben. Das würde aber nicht wirklich zu mir passen.

Montag, 04. April 2005
Heute sitzt Frau Koks mit uns im Seminarraum. Sie war bereits einige Jahre nebenberuflich dabei und ist ab jetzt hauptberufliche Mitarbeiterin. Sie hat dafür sogar ihren Job bei der Stadt aufgegeben. Das finde ich zwar etwas suspekt, aber das geht mir ja bei allem, was im Büro stattfindet, so. Kleidungstechnisch machen mich die Frauen heute wahnsinnig. Sie tragen Strumpfhosen, oder zumindest Strümpfe, die vortäuschen Strumpfhosen zu sein, in den Farben Schwarz und Natur. Ich glaube, es gibt nichts Widerwärtigeres als Damenstrumpfhosen in der Farbe natur. Außer vielleicht Damenstrumpfhosen in halboffenen Schuhen, wie Frau Koks sie trägt. Dieser Anblick ruft eine gewisse Übelkeit bei mir hervor. Als ich dann noch eine dieser Laufmaschen bei Frau Schluck entdecken muss, bin ich restlos bedient und möchte mich in ärztliche Behandlung begeben. Kaum ist der Schock überwunden, beginnt der nächste Spaß. Wir üben Verkaufsgespräche. Natürlich wieder unser Lieblingsverkaufsgespräch: HAUS DREI. Manchmal könnte man fast meinen es gebe gar keine anderen Produkte mehr. Ist aber nicht so, der HAUS DREI bringt halt viel Provision und Herr Ekelfink liebt dieses Produkt wie kein zweites. Meine Aufgabe ist es der Kameramann zu sein. Das kann ich mittlerweile recht gut. Nach Abschluss der Dreharbeiten bereite ich noch ein paar Sachen für den morgigen Termin mit Herrn Ekelfink vor. Anschließend verschwinde ich wie immer grußlos aus dem Büro.

Dienstag, 05. April 2005
Ich erfahre, dass unsere Sekretärin, Frau Christ, tatsächlich aus Kostengründen entlassen wurde. Es ist wahrlich nicht alles so himmlisch, wie es immer vorgetragen wird. Die Entlassung hat aber auch was Gutes. Die Büromiete wird gesenkt und somit steigt mein Schuldenberg etwas langsamer an.
Mein erster Wochentermin fällt ins Wasser, denn als ich bei den Mandanten anklingele, bleibt die Tür verschlossen. Wahrscheinlich hat man mich einfach vergessen. Meine Terminwoche beginnt also ganz nach meinem Geschmack und lässt böses erahnen.

Mittwoch, 06. April 2005
Der zweite Wochentermin. Die Leute sind sehr nett und hören sich interessiert unsere Dienstleistungsvorstellung an. Doch als wir erwähnen, die sie dafür bezahlen sollen, merkt man, dass sie zögern und nicht wirklich überzeugt sind. Herr Rotenbaum gibt sich alle Mühe, aber eine Entscheidung können und wollen die zwei heute nicht treffen. Kann ich absolut nachvollziehen. Morgen soll ich noch mal anrufen, dann teilen sie mir ihre endgültige Entscheidung mit. Ich kenne diese bereits.

Donnerstag, 07. April 2005
Der dritte Wochentermin verläuft in der für mich typischen Art. Herr Rotenbaum und ich stehen vor der Türe, doch Einlass wird uns nicht gewährt. Was entweder daran liegen mag, dass niemand in der Wohnung ist, um uns herein zu lassen, oder aber niemand möchte, dass wir eintreten. Spielt auch keine Rolle. Das Ergebnis ist dasselbe. Bevor ich mich nun bis morgen von Herrn Rotenbaum verabschiede, hat er noch eine entzückende Kleinigkeit mitzuteilen. Herr Ekelfink hat nämlich entschieden, dass ich nun schon lange genug dabei bin und den morgigen Termin alleine wahrnehmen soll. Halte ich zwar für eine ausgesprochen dämliche Idee, wirklich aufregen mag ich mich über diesen blödsinnigen Vorschlag aber nicht. Wer weiß, vielleicht bleibt auch morgen die Tür verschlossen und die Woche endet ebenso fulminant, wie sie begonnen hat.

19.00 Uhr. Anruf bei den Leuten von gestern. Sie haben kein Interesse und ich bin kein bisschen überrascht. Karriere beendet. Montag bin ich beim Arbeitsamt. Zurück zu den Wurzeln.

Freitag, 08. April 2005
Schon morgens freue ich mich auf den Nachmittagstermin bei der polnischen Familie, deren Deutschkenntnisse am Telefon so dürftig schienen, dass ich mir ernsthaft überlege einen Dolmetscher mitzunehmen.
Pünktlich erscheine ich zum Termin und erstaunlicherweise wird mir aufgetan. Die Begrüßung ist recht freundlich, lediglich der Hund mag mich nicht, bellt und knurrt mich an und wird alsbald aus dem Zimmer befördert. Ein schlechtes Omen? Schnell wird mir klar, dass es hier für mich nichts zu verdienen gibt, denn die Leute sind zwar sehr nett, aber auch sehr verschuldet. Glücklicherweise ist das Sprachproblem weniger groß als befürchtet, so dass eine vernünftige Konversation möglich ist. Doch je länger ich mich mit dem Mann unterhalte, desto mehr tut er mir Leid. Ich schlage ihm vor seine Versicherungen zu überprüfen, um dort eventuell ein paar Euro für ihn einzusparen. Nach einem kurzen Blick über die Policen wird mir klar, dass dies nicht möglich sein wird, was ich aber für mich behalte. Kurz darauf verabschiede ich mich und sage, dass ich mich in den nächsten Tagen melden werde, wenn ich Einsparmöglichkeiten entdecke, bezweifle aber, dass die Leute je wieder von mir hören werden. Ein beschissener Job ist das. Morgen teile ich meine Entscheidung wieder ins Arbeitslosenleben zurückzukehren meinen Kollegen mit. Wie werden sie es wohl aufnehmen? Wird es Tränen geben?

Samstag, 09. April 2005
Um 07.30 Uhr befördert mich mein Wecker aus dem Schlaf. Draußen schneit es. Kann ein Tag schöner beginnen? Mit Sicherheit! Ich hüpfe aus dem Bett und beginne meinen vielleicht letzten Tag als Mitarbeiter des AWD. Mein Spiegelbild ist heute wieder besonders hässlich. Als Spiegel hat man es auch nicht leicht.

Herr El Habib führt die interne Rangliste des Monats April derzeit an. Er könnte ein erfolgreicher Mitarbeiter werden. Es könnte auch anders kommen. Im Büro wird mal wieder die Presse der letzten Tage vorgestellt. Es folgen ein paar Sprüche a la „Gewerkschaften sind Scheiße für uns als Unternehmer“ und anderer unfassbarer Blödsinn. Danach wird eine Reihe von Produkten aufgeschrieben. Ganz oben die Produkte, die am meisten Provision bringen. Fragen, was denn die Vorteile von diesen Produkten gegenüber anderen sind, werden nicht wirklich beantwortet. Die Provision erklärt die Vorteile. Die bei den Kunden stets vorgeheuchelte Objektivität nur Schall und Rauch. Erst kommt die Provision, dann der Nutzen.
„Ich höre auf mit meiner hauptberuflichen Tätigkeit.“ – „Ja, das würde ich auch Vorschlagen.“ Dieser kurze Dialog mit Herrn Ekelfink beendet meine Mitarbeit. Es folgt ein kurzes Gespräch mit Herrn Rotenbaum, dann verabschiede ich mich von ihm, sonst verabschiede ich mich von niemandem, und verlasse das Büro. Draußen ist plötzlich eine unerklärliche Leere in mir. Wieder endet ein erfolgloses Kapitel meines Lebens. Möglicherweise war dies die letzte berufliche Tätigkeit, die ich mir selber ausgesucht habe, vielleicht sogar die letzte überhaupt. Etwas Neues ist nicht in Sicht. Klingt eigentlich gar nicht so schlecht. Die Leere verschwindet ebenso schnell, wie sie gekommen ist. Hurra!

Montag, 11. April 2005
Ich stehe früh auf, um beim Arbeitsamt, welches schon seit geraumer Zeit Agentur für Arbeit heißt, vor den meisten anderen Arbeitslosen da zu sein, was mir auch gelingt. Recht zügig werde ich aufgerufen und melde mich arbeitslos. Doch ganz so reibungslos verläuft es dann doch nicht. Erstens muss ich mich auch noch im Rathaus melden, um ganz sicher Geld zu bekommen. Und zweitens soll ich noch mit einem weiteren Kollegen im Nebenbüro sprechen und so lange im Wartebereich Platz nehmen bis ich aufgerufen werde. Der Wartebereich füllt sich mit weiteren Arbeitslosen. 10 Minuten vergehen. 20 Minuten. 30 Minuten. Der Wartebereich ist jetzt fast voll. Es scheint so als würden nicht nur die Arbeitslosen hier nicht arbeiten. Dann werde ich tatsächlich aufgerufen. Der Beamte, der mich in sein Zimmer bittet, erweist sich als netter Mensch. Wir unterhalten uns über den AWD, über den auch er nichts Gutes zu berichten weiß, danach folgt die Aussage von ihm, dass das Arbeitsamt sich zu 80% selbst verwaltet und nur wenig zur Arbeitsvermittlung beiträgt. Ein wenig Kritik noch an Firmen, die auch nur unzureichend mit dem Arbeitsamt zusammenarbeiten und zuletzt noch ein Blick auf die Jobangebote. Nichts dabei für mich. Das war’s. Alle drei Monate einmal melden. Vielen Dank. Auf Wiedersehen.
Zu Hause angekommen stelle ich fest, dass Herr Rotenbaum versucht hat mich telefonisch zu erreichen. Was mag er von mir wollen? Später versucht Herr Rotenbaum es erneut. Will er mich zurückgewinnen? Nein! Es geht nur um einen Vertragsbeginn. Die Auskunft kann er haben. Das war es. Leben sie wohl.

Dienstag, 12. April 2005
Um kurz vor 08.00 Uhr erscheine ich im Rathaus und betrete das Büro eines für das Arbeitslosengeld II zuständigen Mitarbeiters. Dieser teilt mir mit, dass ich den kompletten Antrag noch einmal ausfüllen muss, da mein letzter Antrag schon vor über sechs Monaten gestellt wurde. Obwohl es irgendwo Meldungen gab, dass es eine Vereinfachung bei diesem Antrag gegeben haben soll, merke ich davon nichts. Mir scheint es im Gegenteil sogar noch etwas komplizierter zu sein. Neben dem Antrag und den vielen Zusatzblättern muss ich noch folgende Nachweise zu meinem nächsten Termin mitbringen:

“ Pässe aller Haushaltsangehörigen
“ Sozialversicherungsausweis
“ Krankenversichertenkarte
“ Kundennummer der Bundesagentur für Arbeit
“ Mietvertrag
“ Mietbescheinigung
“ Bankkarte
“ Lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate
“ Provisionsabrechnungen der letzten sechs Monate
“ Bescheide über Arbeitslosengeld der letzten zwei Jahre
“ Steuerbescheid 2004
“ Sparbücher
“ Haftpflichtversicherung
“ Kfz – Schein und -Brief
“ Kfz – Haftpflichtversicherung und Steuerbescheid

Dazu brauche ich noch irgendwelche Bestätigungen vom Arbeitsamt.
So führt mich mein nächster Weg zum Arbeitsamt. Dort verursacht ein aufgebrachter Mann einen Stau. Er ist äußerst erbost und unzufrieden und schimpft lauthals. Die Schlange hinter ihm wird immer länger und länger. Zuletzt will er den Geschäftsführer sprechen und wird endlich in die 1. Etage geschickt. Kurze Zeit später bin ich an der Reihe. Ich erhalte eine Unterschrift und dazu die Mitteilung, dass ich wegen eines weiteren Termins angeschrieben werde. Ich will doch keinen Termin, ich brauche doch nur eine Bescheinigung! Resigniert verlasse ich das Arbeitsamt und fahre Heim. Dort angekommen beginne ich sofort mit dem Ausfüllen und Zusammenstellen der erforderlichen Unterlagen, was eine Menge Zeit in Anspruch nimmt und natürlich keinen Spaß macht. Früher war alles einfacher.

Dienstag, 19. April 2005
Bereits um 06.30 Uhr beendet der Wecker meinen Schlaf. Grässlich. Kurz wach werden, frisch machen und ab zum Rathaus. Alles vorlegen, einiges nachtragen und nach etwa einer halben Stunde bin ich fertig. Jetzt bin ich wieder ein echter Arbeitsloser.

15.00 Uhr. Das Telefon klingelt. Herr Ekelfink. Beginnt jetzt alles von vorn? Wohl kaum. Aber um 15.00 Uhr haben Herr Ekelfink und ich einen Termin und er will mir mitteilen, dass er zu spät kommen wird. Unglücklicherweise hatte ich den Termin schon verdrängt und bin auch nicht vorbereitet. Dennoch schmeiße ich mich in meinen Anzug und mache mich auf den Weg. Dummerweise unrasiert. Das wird Herrn Ekelfink überhaupt nicht gefallen. Doch ehrlich gesagt ist mir völlig egal, was Herrn Ekelfink gefällt oder nicht. Mit fünfzehnminütiger Verspätung erscheine ich bei meinen einzigen Mandanten. Kaum habe ich Platz genommen, ruft Herr Ekelfink erneut an und teilt mir mit, dass er sich noch mehr verspäten wird. Peinlich! Ich beschließe, den Mandanten schon mal ihre Bilanz zu erklären, so schwer kann das ja nicht sein. Und wieder klingelt das Telefon. Herr Ekelfink, wer sonst? Er ist jetzt fast da und möchte noch mal Straße und Hausnummer genannt bekommen. Er scheint äußerst gut vorbereitet heute. Kurze Zeit später ist er endlich da. Fünfundvierzig Minuten zu spät. Unverschämt und inakzeptabel. Er hat natürlich keine Unterlagen dabei, lediglich seinen billigen Kugelschreiber. Er startet nach kurzem Small Talk endlich mit den Dingen, die uns zu den Mandanten geführt haben. Und wieder droht Umsatz. Genug um meine Schulden zu begleichen. Ich finde das sehr entzückend. Allerdings wird das Produkt erst ab August starten. Doch auch das macht mir nichts mehr aus. Seit ich meine Hauptberuflichkeit aufgegeben habe, ist der Job viel angenehmer. Endgültig entscheiden wollen die Mandanten sich jedoch erst bis Freitag. Auch da habe ich nicht das geringste Problem mit. Herr Ekelfink scheint heute irgendwie unkonzentriert. Ob das jetzt mein letzter Termin für den AWD war, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Da Herr Ekelfink und ich auch weiterhin nicht wirklich kommunizieren, lasse ich mich einfach überraschen.

Freitag, 22. April 2005
Anruf bei Herrn Ekelfink. Ob er denn schon bei den Mandanten angerufen hat. Natürlich nicht. Angeblich weiß er die Telefonnummer nicht. Blöde Ausrede. Erstens hatte ich ihm die Nummer geschickt, zweitens steht sie in den Mandantenunterlagen. Will der mich verarschen oder ist er völlig bescheuert? Wahrscheinlich trifft beides zu. Ich gebe ihm die Telefonnummer durch, er will sich wieder bei mir melden. Ob ich ihm das glauben kann? Abwarten. Später meldet er sich tatsächlich. Die Mandanten wollen den Vertrag. So so.

Mittwoch, 04. Mai 2005
Ich hole den Vertrag bei den Mandanten ab.

Samstag, 07. Mai 2005
Ich fahre ins Büro, um den Vertrag, den ich am Mittwoch von meinen einzigen Mandanten geholt habe, abzugeben. Herr Ekelfink ist beschäftigt und bemerkt mich nicht einmal. Herr Rotenbaum ist wie immer freundlich und dann plötzlich verschwunden. Ein kurzer Plausch mit Herr El Habib, ein Blick auf die Rangliste, alles wie gehabt. Ab nach Hause.

Montag, 06. Juni 2005
Post von Herrn Ekelfink. Er hätte gerne 600€ von mir. Mietschulden. Mein Gott, muss es dem schlecht gehen, dass er mir schon Bettelbriefe schickt. Armer Kerl.

September 2005

Nach einem erneuten Bettelbrief von Herrn Ekelfink, in dem er noch zwei Monatsmieten á 150€ fordert, überweise ich ihm 150€ auf sein Konto. Mehr Geld habe ich leider nicht. Nun sollte das Thema AWD endgültig erledigt sein.

Donnerstag, 12. Januar 2006
Post vom AWD. Hört das denn nie auf? Sie hätten gerne 740,64€ von mir. Bin ich vielleicht einer, der zu viel Geld hat? Ich lehne natürlich die Bezahlung ab, da mir die erklärenden Provisionsabrechnungen nicht vorliegen.

Samstag, 21. Januar 2006
Nun liegen mir die Provisionsabrechnungen vor. 300€ Bürokosten und 440,64€ für den stornierten Vertrag meiner einzigen Kunden soll ich bezahlen. Und zwar bis zum 01. Februar. Wie soll das gehen? Und wieso haben die Kunden den Vertrag storniert? Die waren doch erst so begeistert vom HAUS DREI. Ob sie sich doch noch etwas genauer informiert haben über den Dreck und bemerkt haben, dass Herr Ekelfink ihnen Märchen erzählt hat? Um die Kosten für den stornierten Vertrag werde ich wohl nicht rumkommen, aber die Bürokosten sind ein besonders schlechter Witz, zumal ich dem Büroleiter am 12.09.2005 schon Geld überwiesen habe. Was sind das doch für widerliche Kreaturen, die einen einfach nicht in Ruhe lassen wollen? Mal schauen, ob sie mit einer Ratenzahlung in Höhe von 10€ monatlich zufrieden sind.

Mittwoch, 25. Januar 2006
Ich schreibe erneut an den AWD. Weise auf ein Urteil des BGH vom 25.05.2005 – VIII ZR 279/04 hin und gebe zu erkennen, dass ich auch weiterhin nicht bereit bin zu bezahlen.

Mittwoch, 01. März 2006
Die Antwort zu meinem Schreiben vom 25.01.2006 liegt in meinem Briefkasten. Die Forderung ist unverändert. Die 740,64€ sollen bis zum 13.03.06 an den AWD überwiesen werden. Halte ich für Schwachsinnig diese Idee. Werde erneut schreiben und mitteilen, dass ich auch weiterhin nicht einverstanden bin. Parasiten.

Nach einigen Briefen einigen wir uns auf einen Betrag von 590,64€, den ich in monatlichen Raten von 10€ abbezahlen werde. So bleibe ich noch lange Zeit mit dem AWD in Kontakt. Herrlich. Traumhaft. Wunderschön. Doch jammern hilft nichts, denn ich habe mir die Suppe selber eingebrockt, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es im inneren des AWD so zugeht. Für eine solche Erfahrung zahle ich doch gerne 590,64€.

Nachdem ich ein paar Monate jeden Monat zehn Euro überwiesen habe, schlage ich vor, dass ich die Hälfte des noch fehlenden Betrages auf einmal zahle und man mich dann in Ruhe lässt, weil es sonst zu einer unendlichen Geschichte wird. Mein Vorschlag wird angenommen. Die Sache somit endgültig erledigt.
ENDE

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