September 2014

Dreißig Jahre später
Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass ich, wenn ich einkaufen gehe, das Verkaufspersonal zwar zur Kenntnis nehme, sogar ansehe, aber dies derart oberflächlich mache, dass ich wenige Sekunden später nicht mehr weiß, wer mich überhaupt bedient hat. Ich kann mich maximal daran erinnern, ob es ein Mann oder eine Frau war. So ist es wenig verwunderlich, dass es heute nicht anders ist. Ich kaufe eine Kleinigkeit, sehe die Verkäuferin an und vergesse sie sofort. Weil es etwas länger dauert, werfe ich, wie ich es in letzter Zeit häufiger mache, einen Blick aufs Namensschild. Mein Blick ist längst wieder woanders als mir auffällt, dass der Name mir bekannt vorkommt. Ein erneuter Blick aufs Namensschild bestätigt es. Wir waren zusammen auf der Schule. Ich habe genau einmal mit ihr geredet. Aber auch nur, weil es sich nicht verhindern ließ. Sie gehörte zu den Mädchen, die bei den Jungs gut ankamen und dazu sah sie auch ganz süß aus. Diese Mädchen sprachen damals nie mit mir und ich nicht mit ihnen, weil ich schon damals leicht gestört war. Als ich irgendwann mal wieder aus dem Unterricht geflogen bin, kam es zu unserem einzigen kurzen Gespräch. Sie war wohl auf der Toilette, sah mich vor dem Klassenraum sitzen und sprach mich an. Keine Ahnung, was sie sagte, aber ich weiß noch, wie peinlich mir das alles war, weshalb das Gespräch auch schnell vorbei war. Danach verzichtete sie darauf, je wieder mit mir zu sprechen. Und nun steht sie hier an der Kasse und ich betrachte sie, um sicherzugehen, dass sie es auch wirklich ist. Viele Jahre älter als damals zwar, aber deutlich zu erkennen, dass sie es ist. Süß ist sie allerdings nicht mehr, aber das ist wohl normal in ihrem Alter. Die meisten Menschen sind jenseits der vierzig nicht mehr süß. Und vielleicht war sie damals auch nicht süß. Vielleicht war alles nur ein Irrtum. Sie scheint mich nicht zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass auch ich mich möglicherweise verändert habe und alt geworden bin. Ist ja auch schon fast dreißig Jahre her unser kurzes Gespräch. Möglicherweise kann sie sich aber auch weder an mich noch an das Gespräch erinnern. Und weil ich nicht das Bedürfnis habe, an alte Zeiten anzuknüpfen, zahle ich und verabschiede mich. Alles andere wäre albern und würde keinem helfen.

Classic Remise Düsseldorf
Gegen 10.30 Uhr mache ich mich zusammen mit meinem Vater auf den Weg nach Düsseldorf. Wir wollen zur Classic Remise und uns dort Autos ansehen. So kann ich meinem Alltagstrott, meinen lieb gewonnenen und doch verachteten Routinen, entkommen. Ein Ausbruch aus dem Alltäglichen ohne großen Aufwand und mit überschaubaren Kosten, denn der Eintritt ist frei. Es ist wie in einem Autohaus. Nur, dass hier alte und meist schöne Fahrzeuge verkauft werden. Besonders angetan bin ich davon, wie sauber all diese Fahrzeuge sind, wie sehr der Lack glänzt. Ich muss mich beherrschen, meine Finger bei mir zu behalten und diese Automobile nicht zu berühren. Auch mein Vater ist sehr angetan von den Fahrzeugen. Ich denke allerdings nicht, dass er auch ständig alles anfassen will. Eine weitere Sache, die mir gefällt, ist der Geruch dieser alten Fahrzeuge. Wann immer es möglich ist, halte ich meine Nase an ein geöffnetes Fenster, um den Geruch aufzunehmen. In meinem Benz ist von diesem herrlichen Geruch leider nicht mehr viel zu spüren. Vielleicht minimal. Hier ist es vollkommen. Am liebsten würde ich meinen Benz abmelden, hier aufbereiten lassen und abstellen, um ihn dann nur noch zu besonderen Anlässen zu fahren. Nie wieder soll er nass werden, außer wenn er gewaschen wird. Ach, hätte ich doch nur das nötige Geld oder etwas aus meinem Leben gemacht, dann würde ich meinen Benz angemessen behandeln.

Nachdem wir etwas gegessen haben, betrachten wir die restlichen Modelle. Es ist unglaublich, in welchem Zustand diese alten Fahrzeuge sind. Es ist traurig, dass nicht eines davon mir gehört. Ich würde wirklich gut in das eine oder andere Fahrzeug passen. Wieso nur bin ich nicht als Sohn reicher Eltern zur Welt gekommen? Das wäre sogar noch einfacher als zu arbeiten und etwas aus mir gemacht zu haben. Trotz gelegentlich aufkommender Trauer, genieße ich den Ausflug allerdings sehr. Vielleicht sollte ich jedes Jahr einmal herkommen, um mir diese wundervollen Fahrzeuge anzusehen. Dann hätte ich etwas Abwechslung und könnte an den Fahrzeugen schnuppern. Das klingt nach einem Plan, der mir durchaus zu gefallen vermag. Weil es noch früh ist, beschließen wir, noch etwas in die Stadt zu gehen. In Düsseldorf fahren viele teure Autos herum. Besonders Porsche scheint hier angesagt zu sein. Ich finde Porsche gar nicht mehr so beeindruckend. Schon vorhin habe ich die vielen Porsche nur flüchtig betrachtet. Als ich noch jung war, war das anders. Während wir so durch die Stadt wandern, frage ich mich, wieso ich nicht öfter so Ausflüge mache. Doch wie immer, kann ich die Frage nicht wirklich beantworten. Und dann wird es auch schon Zeit für die Heimreise, die dank zu vieler Fahrzeuge auf den Straßen viel länger dauert, als es Spaß macht. Schon habe ich vergessen, dass ich noch eine Antwort auf die Frage, warum ich nicht öfter Ausflüge mache, suche. Und eine Banane habe ich jetzt auch nicht zur Hand.

Zwei Türken
Nachdem ich meinen Benz nach einer kurzen Ausfahrt in der Garage abgestellt habe, treffe ich einen alten Bekannten. Ich grüße, so wie ich es immer zu tun pflege, doch dieses Mal bleibt es nicht dabei, dass er zurück grüßt. Dieses Mal fragt er tatsächlich, wie es mir geht. Er scheint tatsächlich daran interessiert zu sein, ein Gespräch zu führen. Weil ich keine Ahnung habe, was ich sagen soll, frage ich ihn, wie lange wir uns mittlerweile kennen. Seit 1982, sagt er. Damals kam er gerade nach Deutschland und ich habe ihn direkt vollgequatscht, obwohl er nicht wirklich viel verstanden hat. Früher war ich eine echte Plaudertasche. Während ich nachrechne, wie viele Jahre von 1982 bis heute vergangen sind, gesellt sich ein Bekannter von ihm zu uns und wir setzen uns in Bewegung. 32 Jahre kennen wir uns, wie ich zwischenzeitlich errechnet habe. Und fast 32 Jahre haben wir auch nicht mehr miteinander gesprochen. Denn wir hatten damals nur kurze Zeit Kontakt. Ich denke, er fand mein Geplapper damals gruselig und ich hatte alles gesagt, was es zu sagen gab, weshalb wir anschließend auf weitere Konversation verzichtet haben. Bis heute. Unser Gespräch beinhaltet die Themen Arbeit, Rente, Geld und Politik. Meine beiden Begleiter meckern über die niedrigen Löhne, die Politiker, die in ihrer eigenen Welt leben, die steigende Kriminalität durch Rumänen und die Rente, die zu niedrig ausfallen wird. Ich stimme gelegentlich zu, beteilige mich fast schon rege, aber habe doch nichts zu sagen. 18 Jahre muss er noch bis zur Rente arbeiten. Mit 63 kann er in Rente gehen, sagt mein alter Bekannter, den ich in Wirklichkeit gar nicht kenne. Ich rechne nach. 63 – 18 = 45. Er ist also 45 Jahre. Sehr interessant. Sein Kumpel siezt mich spontan. Ich verbiete es ihm nicht, duze ihn aber weiter, weil ich es für unangebracht halte, ihn zu siezen. Vielmehr frage ich mich, ob ich ihn, wenn ich ihn mal ohne Begleitung meines alten Bekannten, den ich nicht kenne, erkenne. Also sehe ich ihn an und versuche, mir sein Gesicht einzuprägen. Doch kaum sehe ich weg, kann ich mich schon nicht mehr erinnern. Ich versuche es noch einige Male, erkenne dann aber, dass es hoffnungslos ist. Ich kann mir Gesichter nur schwer merken. Ein Foto möchte ich dennoch nicht machen. Wird schon nicht schlimm sein, wenn ich ihn mal nicht grüße.
Meine beiden Begleiter sind türkischer Abstammung, reden aber als wären sie Deutsche. Das finde ich schade, weil Deutsche einen oft deprimieren. Besonders dann, wenn sie über Arbeit, Politik und Kriminalität reden. Irgendwie macht mich das traurig und ratlos. Wieso sind Deutsche nur so Miesepeter und wieso lassen sich unschuldige Menschen aus anderen Ländern davon anstecken? Kaum frage ich mich das, bin ich auch schon an meiner Wohnung angekommen und muss mich von den beiden verabschieden. Ob es noch Hoffnung für sie gibt? Ich weiß es nicht.

Lünsche Mess
Mittlerweile verbringe ich die meiste Zeit, die ich nicht alleine bin, mit meinem Vater. Heute führt uns der Weg zur Lünsche Mess. Die Lünsche Mess soll Unterhaltung für die ganze Familie sein. Erlebniskulisse Innenstadt. So nennt es sich. Für mich ist es nur eine Aneinanderreihung von Ständen, an denen man etwas kaufen kann und ein großer Auflauf von Menschen, die man nicht verkaufen kann. Wir schieben uns durch die Massen, ohne genau zu wissen, warum wir das tun. Ohne die ganzen Menschen wäre es hier bedeutend angenehmer. Wir treffen Verwandte und Bekannte, reden kurz mit ihnen und verschwinden dann wieder in der Menschenmasse. Menschen drängen sich vor den Ständen und haben möglicherweise sogar Spaß. Manche haben ihre Hunde mitgebracht und quälen sie damit, dass die Hunde zwischen den Menschenmassen völlig deplatziert sind. Gelegentlich tritt mal jemand auf einen Hund, was bei der Dichte an Menschen nicht verwunderlich ist. Besonders zu mögen scheinen die Hundebesitzer ihre Vierbeiner jedenfalls nicht, denn sonst würden sie ihnen das nicht antun. Aber Menschen waren von jeher dumm, da sollte man nicht zu viel erwarten. Und so ein Hund ist ja rasch ersetzt. Mein Vater ist ganz angetan von einigen Fahrgeschäften. Die Geschwindigkeit vom Break Dance findet er so toll, dass er stehen bleibt und eine Weile zusieht. Ich fühle mich unwohl. Wenn so eine Gondel plötzlich und unerwartet kaputt geht und wegfliegt, stehe ich genau richtig, um sie abzubekommen. Es ist echt schlimm mit mir. Nicht nur, dass mich niemand in so ein Fahrgeschäft bekommt, mittlerweile habe ich ständig Angst, dass ich, wenn so etwas kaputt geht, mit voller Wucht getroffen werde. Ich bin echt erleichtert, als mein Vater weitergeht und wir den direkten Gefahrenbereich verlassen. Wie immer, wenn es in Lünen ein Fest mit Musik gibt, gefällt mir das nicht. Auf einer kleinen Bühne mitten im Zentrum der Fußgängerzone singen zwei Frauen und ein Mann gemeinsam irgendwas von Abba. Das ist so grässlich, dass mir fast die Ohren bluten. Ich frage mich, ob das vielleicht irgendwelche Besucher der Lünsche Mess sind, die spontan auf die Bühne geklettert sind, um andere Besucher zu quälen. Oder es ist ein gezielter Anschlag auf die Gehörgänge, der von einem Hörgerät Unternehmen und einer Ohrenarztpraxis gesponsert worden ist? Ich frage mich, wieso die keiner von der Bühne zerrt. Wenn man schon nicht singen kann, dann sollte man es echt nicht öffentlich machen.

Wir möchten etwas essen, gehen zu einem Stand und stellen uns an. Die Bratwürstchen sehen gut aus. Nicht zu verbrannt und für 2 Euro angemessen teuer. Der Mann am Grill packt mit seinen Händen in die Würstchenbox und legt neue Würstchen auf. Der andere Mann, träge und irgendwie verpeilt, kassiert, schneidet die Brötchen auf und verkauft die Würstchen. Nachdem er kassiert hat, schnappt er sich die Brötchen, schneidet sie mit seinen schmierigen Händen auf und erst dann nimmt er eine Serviette, um das Brötchen hinein zu legen, bevor er das Würstchen in die Brötchen legt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es etwas ekelhaft, dass er alles mit seinen Dreckspfoten anfasst. Wenn es nicht so offensichtlich wäre, würde es mich weniger stören, aber erst das Geld, dann die Brötchen anzufassen ist mir zu abstoßend, weshalb ich meinen Vater auf die Umstände hinweise. Auch er findet es unhygienisch, weshalb wir auf den Genuss verzichten. Auf dem Rückweg kommen wir wieder an der Bühne vorbei. Statt der drei Pappnasen von vorhin steht nun ein netter, älterer Herr dort und singt alte Lieder. Das ist zwar besser als das Gejaule von vorhin, aber weit entfernt davon gut zu sein. Die spinnen doch alle. Karaoke extrem.
Weil wir noch Hunger haben, suchen wir uns einen anderen Würstchenstand. Dummerweise entscheiden wir uns erneut für einen falschen Stand. Denn hier kosten die Bratwürstchen mit Brötchen nicht nur ganze 3 Euro, sondern sind dazu auch schön verbrannt. Manche würden es cross nennen, ich nenne es verbrannt. Da mein Vater, noch bevor ich etwas sagen kann, schon bestellt hat, halte ich wenig später schon das verbrannte Würstchen in der Hand. Ich beiße vorsichtig hinein und es schmeckt so, wie ich es erwartet habe. Nach verbrannter Wurst. Mein Vater findet mein Gemecker nicht gut. Ich weise ihn darauf hin, dass ich das auf keinen Fall essen kann und werfe die Wurst weg, was er noch weniger gut findet. Drei Euro für die Tonne. Doch das ist besser als nachher mit Magenschmerzen, die ich immer bekomme, wenn ich so etwas tatsächlich esse, den Abend zu verbringen. Nach dem Schock hole ich mir eine Cola und stelle fest, dass auch hier gesungen wird. Eine Frau, die wenigstens optisch ganz passabel ist, versucht, die Menge mit lateinamerikanischen Songs zu begeistern. Und tatsächlich tanzt, mitten in der Menge, ein Pärchen. Ich finde das irgendwie beschämend, wenn man so etwas tut. Die Musik ist allerdings gut. Zumindest, wenn die Frau nicht gerade singt. Auch wenn das hier besser ist als auf der Bühne, so ist es doch eher eine Belästigung als eine Freude. Irgendwie abgrundtief Provinziell und jämmerlich. Aber da ich von Stimmung und guter Laune sowieso keine Ahnung habe, verbiete ich mir weitere Kommentare. Sollen die sich doch lächerlich machen und ihren Spaß haben. Mein weiteres Leben beeinflusst das nicht. Nachdem mein Vater seine Bratwurst verspeist hat, sagt er, dass ich recht hatte und die Wurst furchtbar war. Aber Menschen seiner Generation essen tapfer weiter, was mir unlogisch erscheint, aber nicht zu kurieren ist. Nach dem kulinarischen Festmahl machen wir uns auf den Weg, die Lünsche Mess zu verlassen. Es war nicht schön, aber dafür schön voll. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, kommen wir wieder. Oder auch nicht.

Bad Salzuflen
Ein weiterer Versuch, meine Lebenszeit woanders als zu Hause zu verbringen, führt mich nach Bad Salzuflen. Zusammen mit Agnes will ich mir dort einen entspannten Tag machen. In Bad Salzuflen treffen wir auf sehr viele ältere Menschen, was mir aber nichts ausmacht, weil Bad Salzuflen eine schöne Stadt ist. Durch die Gradierwerke, auch Salinen genannt, ist die Luft sehr angenehm und während wir den Ort erkunden, finde ich, dass ich gut hier leben könnte. Zwischen all den alten Leuten und den Gradierwerken wäre ich gut aufgehoben. Es ist so viel sauberer und ruhiger als an meinem Wohnort. Die Einkaufsmöglichkeiten sind hier allerdings nicht wirklich nach meinem Geschmack, was aber kein wirkliches Problem darstellt. Im Café Salinen essen und trinken wir eine Kleinigkeit, bevor wir uns weiter im Ort umsehen. Ein wirklich netter Ort, um sich zur Ruhe zu setzen. Aber auch hier ist nicht alles rosig. Da die Krankenkassen immer geiziger werden und immer weniger Kuren genehmigen, stehen viele Kurgebäude und Kliniken leer oder vor dem Aus. Vermutlich wird dieser schöne Ort in ein paar Jahren nur noch eine traurige Erinnerung sein. Doch weil in diesem Land früher oder später alles vor die Hunde geht, will ich mich heute nicht davon runterziehen lassen. Noch ist es hier schön und viel schöner als an manch anderem Ort. Wir gehen in ein Gradierwerk. Es ist sehr feucht, aber die Luft tut mir spürbar gut. Leider können wir uns aber nicht setzen, weil die Sitzgelegenheiten zu nass sind. Wir gehen in einen Raum, der völlig vernebelt ist und in dem man kaum etwas sehen kann. Kinder scheinen sich hier aufzuhalten und ein älterer Mann, der übel hustet. Da wir diesen Husten als bedrohlich empfinden, bleiben wir nur kurz und gehen dann nach oben aufs Werk. Dort kann man wunderbar auf die Stadt sehen und sitzen. Hier könnte ich Stunden verweilen, doch leider bekommen wir Durst und müssen gehen. Unser Weg führt uns in ein Gebäude im Park, weil wir hoffen, dass es dort etwas zu trinken für uns gibt. Der Geruch von Tod und alten Leuten hat vom Gebäude Besitz ergriffen. Wir können absolut nicht behaupten, dass uns das irgendwie begeistert. Überall laufen Zombies herum. Erst bei genauerer Betrachtung entpuppen sich diese Zombies als ältere Menschen, die keineswegs schon verstorben sind. Einige von ihnen trinken Salzwasser. Salzwasser halten wir für keine gute Lösung, weil wir ja Durst haben und nicht noch mehr Durst produzieren wollen. Am Ende des Gebäudes finden wir etwas, was wie ein Ort aussieht, an dem man etwas zu trinken bekommt. Wir nehmen Platz und werfen einen Blick in die Karte. Die Frau, die hier wohl angestellt ist, sitzt in einer Art Laden. Alles wirkt sehr skurril. Bevor die Frau zu uns kommt, geht sie in den hinteren Teil des Ladens und putzt sich die Nase. Das finden wir etwas unangenehm. Nun setzt sich die Frau in unsere Richtung in Bewegung. Da sie sich, nachdem sie ihre Nase geputzt hat, nicht ihre Hände gewaschen hat, springen wir von unseren Stühlen auf und verschwinden, weil wir Angst vor Viren und Bakterien haben. Ach, hätten wir doch nur nicht gesehen, dass die Frau sich ihre Nase geputzt hat, dann hätten wir jetzt etwas zu trinken bekommen und müssten nicht verdursten. Mit Mühe und Not erreichen wir ein anderes Café. Da sich hier niemand offensichtlich die Nase putzt, bestellen wir uns etwas. So müssen wir doch nicht verdursten.

Am Kurparksee ist ein Kneippbecken, welches jeder benutzen darf. Daneben ist der Barfußpfad. Agnes möchte, dass ich ins Becken gehe, weil das herrlich gesund sein soll. Dazu müsste ich allerdings meine Jeans hochkrempeln und meine Schuhe und Socken ausziehen. Das geht nicht, weil ich ja nur zu Hause und evtl. beim Arzt barfuß laufe. Doch weil ich ja nicht will, dass alles ist, wie es immer ist, ziehe ich mich untenrum aus, krempel die Hose hoch und gehe in das Becken. Das Wasser ist kalt, aber nicht zu kalt. Wir drehen zwei Runden, bevor wir das Becken verlassen. Weil ich gerade übermütig bin, möchte ich nun auch noch den Barfußpfad durchwandern. Und schon geht es los. Eine wirklich interessante Erfahrung. Anschließend bin ich allerdings etwas ratlos, weil ich mit nassen und dreckigen Füßen auf einer Bank sitze und nichts zum abtrocknen dabei habe. So müssen letztlich Papiertaschentücher für Ordnung an den Füßen sorgen. Besser als so in die Socken und Schuhe zu steigen. Kaum bin ich wieder in einem ordnungsgemäßen Zustand, stelle ich fest, dass meine Beine ganz warm sind und ich mich irgendwie gut fühle. Diese kleine Exkursion hat also tatsächlich gut getan. Schon verrückt, wie einfach es manchmal ist. Wir wandern noch eine Weile durch den Park und ich frage mich, ob ich vielleicht doch kein komplett hoffnungsloser Fall bin. Bevor ich eine Antwort finde, vergesse ich meine Frage auch schon wieder und erfreue mich an dem Ort. Erst als ich um 21.00 Uhr zurück in meiner Wohnung bin, hat mich mein altes Leben wieder. Was werde ich wohl als nächstes tun?

Café to here
Die Blödheit der Menschen nimmt immer groteskere Züge an. So gibt es hier im Ort eine Lottoannahmestelle, die nicht nur auf Lotto setzt, sondern auch Zusatzleistungen bietet. So wird dort auf einem Aufsteller vor dem Geschäft darauf hingewiesen, dass es dort Kaffee oder Café, da habe ich nicht so drauf geachtet, zum verweilen gibt. Das alleine klingt schon etwas bekloppt, aber als ich dann las, wie man dieses Angebot noch nennt, war selbst ich, der von diesem Ort und den hier lebenden Menschen nur wenig bis gar nichts erwartet, für einen Moment sprachlos. Café to here, steht tatsächlich auf dem Schild. Café to here. Ehrlich. Café to here. Was zum Teufel soll das? Kaffee zu hier? Kaffee nach hierhin? Ich glaube, das ist so blöd, dass es dafür keine Übersetzung gibt. Und ganz sicher heißt es weder Kaffee zum verweilen noch Café zum verweilen. Schon alleine wegen dem Aufsteller, würde ich mir dort keinen Kaffee kaufen. Ich will nicht mit den Deppen und dem Kaffee dort verweilen, weil ich fürchte, dass ich dann noch mehr verblöde. Das möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht. Sollte ich mich allerdings irgendwann von dem „Café to here Schock“ erholt haben, gucke ich mir die Deppen in dem Laden vielleicht mal aus der Nähe an. Könnte lustig werden.

Blutige Nacht
Mein Wohnort ist wahrlich alles andere als beschaulich. Und es ist leider alltäglich, dass es nachts zu laut ist. Daher ist es zunächst wenig verwunderlich, aber durchaus ärgerlich, als es in Höhe des Marktplatzes etwas lauter wird. Ich liege zu diesem Zeitpunkt, es ist nach Mitternacht, längst im Bett und bereite mich auf den bevorstehenden Schlaf vor. Der Lärm entpuppt sich als eine Art Streit, jedenfalls empfinde ich es so. Ein Mann brüllt etwas, zwei Frauen brüllen zurück und nach einer Weile gehe ich davon aus, dass bald Ruhe einkehren wird. Doch ich irre mich, denn stattdessen wird es anders als in anderen Nächten. Der Mann fängt an, eine Frau aufzufordern, zu verschwinden. Ich habe mittlerweile mein Bett verlassen, um vom Balkon aus besser zu hören, was da eigentlich los ist. Der Mann schreit „Cora, Du Fotze!“ und andere Sachen, die ich nicht genau verstehe, die aber alles andere als freundlich klingen. Dann schreit er, dass er verblutet und von irgendwoher brüllt eine Frau, vermutlich eine Anwohnerin, dass da unten alle ruhig sein sollen. Dann will der Mann wieder, dass Cora abhaut und dabei verblutet er weiter. Cora will aber nicht gehen. Irgendwer sagt, dass der Krankenwagen unterwegs ist. Ich notiere mir, dass es sicherer ist, nachts die Wohnung nicht zu verlassen, weil das blutig enden könnte. Weil einen Moment nicht wirklich etwas passiert, frage ich mich, ob Cora, die Fotze, vielleicht für den verblutenden Mann zuständig ist. So Streitereien zwischen Mann und Frau können durchaus mal blutig enden. Erneut will der Mann, dass Cora verschwindet. Dann sagt er „Ich weiß, wer das war und zeig ihn morgen an.“ Das klingt nun doch so, als wäre da noch jemand gewesen. Dummerweise habe ich das nicht mitbekommen und wenn es wirklich so ist, dann ist meine Vermutung, dass Cora für das Blut verantwortlich ist, möglicherweise falsch. Dann ist auch schon der Krankenwagen da. Eine der Frauen, möglicherweise Cora, sagt, dass sie nicht weiß, wer das war. Sie wiederholt ihre Aussage auffällig oft. Ob sie am Ende doch mehr weiß, als sie zugibt? Leider wird es dann ruhiger und nach einer Weile fährt der Krankenwagen langsam davon. Ich frage mich, wieso keine Polizei da war. Oder habe ich das nur nicht mitbekommen? Zurück im Bett bin ich noch immer überzeugt, dass man in der Dunkelheit besser nicht die Wohnung verlassen sollte. Dieser Ort ist wirklich nichts für Menschen wie mich.

Jabba the Hutt
Vermutlich zum letzten Mal bin ich heute auf der Kommende, um mich über Veränderungen und Urteile beim SGB II informieren zu lassen. Neben mir sind weitere zwanzig Personen hergekommen. Wir sind zehn Männer und elf Frauen. Eine ausgewogene Mischung. Den einen oder anderen habe ich hier garantiert schon mal gesehen. Bei Herbert bin ich mir sicher, dass ich ihn kenne, weil er immer hier ist, wenn ich hier bin. Herbert ist Rentner, arbeitet ehrenamtlich und ist immer freundlich. Er wird vermutlich bis zu seinem Tod herkommen. Ich sehe mich etwas um. Babsi, die im Dezember noch negativ auffiel, ist heute nicht da. Dann entdecke ich eine Frau, die ich ganz sicher kenne. Jabba the Hutt. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, dass so eine bekannte Person hier sein würde. Das kann ja heiter werden.
Es ist 10.00 Uhr, wir sind mitten im Thema, als die Tür aufgeht und eine kleine Frau mit mächtigem Bauchumfang den Raum betritt. Sie macht einen freundlichen Eindruck, lächelt lieb, hält nach einem freien Platz Ausschau und geht an mir vorbei. Sie trägt ein aufdringliches, unangenehm riechendes Parfum, welches wie eine Mischung aus WC-Reiniger und billigem Lufterfrischer wirkt. Es bleibt eine Weile in meiner Nase, obwohl die Frau schon einige Meter weiter Platz genommen hat. War bestimmt nicht billig, auch wenn es so riecht. Der Vortrag wird nur selten durch unsinnige Fragen unterbrochen. „Nicht jede Frau, die zum Amt geht, ist nur dick, manche sind auch schwanger.“ Der Satz bleibt mir sicher im Gedächtnis, obwohl ich gar nicht genau weiß, um was es geht. Ich war nämlich gerade dabei Jabba the Hutt zu beobachten und etwas abgelenkt. Dann ist auch schon Pause und die Dinge nehmen ihren Lauf.

Nach der Pause, ich träume gerade von einer Karriere als Immobilienmakler, höre ich plötzlich ein Schmatzen. Das Schmatzen kommt aus Jabba the Hutts Richtung. Ich drehe meinen Kopf und erkenne, dass sich Jabba genussvoll und laut schmatzend die Finger ableckt. Dann sehe ich, dass Jabba ihren Bauch ein wenig freigelegt hat und sich eine Spritze setzt. Erschrocken und irritiert schaue ich weg. Wenige Augenblicke später schmatzt Jabba wieder. Ich werfe einen Blick in ihre Richtung und erkenne, dass sie sich abermals die Finger schmatzend ableckt. Ich muss gestehen, dass ich das nicht nur befremdlich, sondern auch ekelhaft finde. Ich vermute, Jabba leidet unter Diabetes. Möglicherweise hat sie auch einen Dachschaden. Dennoch hätte ich es besser gefunden, wenn sie für die Aktion raus gegangen wäre. Noch besser hätte ich es gefunden, wenn Jabba sich die Hände nicht so geräuschvoll abgeleckt hätte. Das ist doch kein normales Verhalten für eine ältere Frau. Auch dann nicht, wenn sie Jabba the Hut ist.

Nach der Mittagspause lernen wir, dass man besser nicht alleine zum Amt geht, weil man da öfter mal angelogen wird. Deshalb folgender Merksatz: „Keiner geht alleine zum Amt!“ Ich frage mich nur, was man machen soll, wenn man keine Freunde hat. Gar nicht zum Amt gehen? Erscheint mir nicht wirklich sinnvoll. Ich überlege noch, wie sich das Problem lösen lässt, da folgt der nächste Satz, der immens bedeutend und total wahr ist. „Jedes Kind hat seinen Vater.“ Wo kämen wir auch hin, wenn es anders wäre? Das weiß wahrscheinlich nur Jabba the Hutt. Sie spielt währenddessen mit ihrem Mobiltelefon, um ihrem Bürgerarbeiter etwas zu präsentieren. Gespannt beobachte ich die Szene als plötzlich und unerwartet furchtbar laute und völlig schreckliche Musik aus dem Teil erklingt. Sofort hat Jabba die ganze Aufmerksamkeit der Runde. Oh Gott, ist die peinlich. Sofort vermute ich, dass Jabba dumm ist, denke dann aber, dass ich vielleicht etwas streng bin und denke dann gar nichts mehr.
Bis zum Ende der Veranstaltung macht Jabba noch das eine oder andere merkwürdige Geräusch, aber da der Bürgerarbeiter mir zwischenzeitlich gesagt hat, dass Jabba voll okay und sehr nett ist, hinterfrage ich das nicht weiter. Ich muss auch nicht alles hinterfragen. Bringt eh nichts und schon wenige Augenblicke später ist die Veranstaltung vorbei und ich darf nach Hause. Gut möglich, dass ich Jabba nie wiedersehe. Aber vielleicht höre ich sie von irgendwoher schmatzen oder andere Geräusche machen. Ausschließen kann ich das jedenfalls nicht.

Vom Museum zum See
Wieder einmal mache ich einen Ausflug mit meinem Vater. Dieser führt uns ins Automobilmuseum in Dortmund. Hier stehen etwa 35 Fahrzeuge und somit ist das alles sehr überschaubar. Kein Vergleich zu Düsseldorf und auch nicht ganz so informativ. Aber dennoch ganz interessant, um es mal gesehen zu haben. Ein paar Motorräder runden die Ausstellung ab. Wir sind die einzigen Besucher, was irgendwie merkwürdig ist. Andererseits ist es eine kleine Ausstellung und wenn man einmal durch ist, braucht man so bald auch nicht wiederkommen. Weil wir recht schnell fertig mit der Ausstellung sind, fahren wir anschließend noch zum Phoenix-See. Dort wird weiter kräftig gebaut. Ein Gebäude neben dem anderen wird aufgezogen und alles wirkt etwas zu voll. Die Wege sind von den Enten teilweise sehr vollgeschissen und man muss sehr aufpassen, wohin man tritt. Eine Familie, die einen etwas merkwürdigen Eindruck auf mich macht, füttert, obwohl es ausdrücklich verboten ist, die Enten. Die Familie würde besser zu Frauentausch als an den See passen. Obwohl ich sie nicht kenne, sind mir alle aus der Familie, abgesehen vom Hund, unsympathisch. Aber das sage ich bestimmt nur, weil es mich stört, dass sie die Enten füttern. Es ist windig und wir beschließen ein Eis zu essen. Eine Kugel Eis kostet nur 1,50€, was mich zunächst etwas schockiert. Doch nachdem wir das Eis bekommen haben, denke ich, dass der Preis wohl okay ist, weil die Kugeln recht groß und wir ja am Phoenix-See sind. Da hat das sicher alles seine Richtigkeit. Nachdem das Eis verspeist und bezahlt ist, gehen wir noch ein paar Meter und schauen uns um. Wenn ich hier wohnte, würde es mir vermutlich besser gefallen. Ich bin gespannt, wie das alles aussieht, wenn es komplett bebaut ist. Um das herauszufinden, beschließe ich, dass ich im nächsten Jahr wieder komme, um die Entwicklung zu betrachten. Für heute beenden wir unseren Ausflug und verschwinden hier.

Letzter Arbeitstag?
Obwohl der Chef etwas anderes verlauten ließ, glaube ich, dass heute mein letzter Arbeitstag als ehrenamtlicher Mitarbeiter ist. Denn am 30.09. endet der Vertrag der Bürgerarbeiterin, sodass das Büro hier dann unbesetzt ist. Der geplante Umzug in ein anderes Büro, in dem ich dann zwei andere Mitarbeiter ehrenamtlich unterstützen soll, hat bisher nicht stattgefunden. Außerdem, und das ist wohl noch wichtiger, wissen die beiden Mitarbeiter ebenso wenig, wie ihr Chef, dass sie ab dem 01. Oktober für die Arbeitslosen zuständig sind. Daraus lässt sich meiner Meinung nach ableiten, dass es für mich nicht weiter geht. Obendrein kann ich seit zwei Wochen den Chef nicht erreichen. Er geht nicht ans Telefon und ruft nicht zurück. So überfordert kann eigentlich niemand sein. Und so schreibe ich den letzten Kunden ein paar Bewerbungen, sage den Leuten, die einen Termin wollen, dass wir am 30. schließen und gehe anschließend ordnungsgemäß fort. Am kommenden Dienstag ist der 30. An diesem Tag werden die Bürgerarbeiterin, eine weitere Bürgerarbeiterin und ein Bürgerarbeiter verabschiedet. Da darf ich natürlich nicht fehlen, um mich, was ich vermute, auch verabschieden zu dürfen. Und vielleicht, wenn er nichts anderes vorhat, sehe ich dann zum ersten und auch letzten Mal meinen Chef. Das ist spannend und deprimierend zugleich. Und wenn es so kommt, wie ich fürchte, habe ich ein Problem, weil mir dann jeden Monat 175€ fehlen werden. Dann werde ich entweder vergammeln oder mir etwas anderes einfallen lassen müssen. Schöne Scheiße.

Körperlicher Verfall
Ich versuche ja immer großzügig darüber hinwegzusehen, dass mein Körper nicht mehr voll funktionsfähig ist und das eine oder andere Dauerleiden hat. Ein seit Jahren schmerzendes Sprunggelenk, welches gewisse sportliche Aktivitäten unmöglich macht, ist zwar nur schwer zu ignorieren, aber ich versuche es immer wieder. Auch wenn ich nur noch Schuhe mit Einlagen tragen kann, bin ich mittlerweile nicht mehr ständig wütend auf das Sprunggelenk. Zu wissen, dass diese Probleme nie mehr verschwinden, ist dennoch nicht prickelnd.
Neu in meiner Sammlung habe ich Schmerzen im Schulter- Armbereich. Ein entzündeter Bizeps, wie mein Heilpraktiker vermutet. Seit zwei Wochen spritzt er mir deshalb zweimal wöchentlich Procain in den Bereich. Dazu nehme ich täglich Opsonat. Der Zustand hat sich seither auch gebessert, aber dennoch bleibt es ein Problem, weil es mich beim Sport einschränkt und nach einer langwierigen Sache aussieht. Vielleicht hätte ich nicht erst vier Wochen warten sollen, bevor ich den Heilpraktiker aufsuchte. Vielleicht ist das alles auch Blullshit. Übernächste Woche muss ich zum Orthopäden, vielleicht hat er ja eine Idee.
Nun dachte ich in meiner grenzenlosen Naivität, dass es erst mal reicht mit neuen Beschwerden. Doch weil alle guten Dinge ja bekanntlich drei sind, habe ich nun Zahnschmerzen. Aber nicht, wie von meinem Zahnarzt prognostiziert, an meinem gammeligen Weisheitszahn, den er mir seit Jahren ziehen will, sondern am überkronten und vor Jahren wurzelbehandelten Zahn direkt daneben. Allerdings hat mein Zahnarzt beim letzten Röntgen erwähnt, dass Wurzelbehandelte Zähne immer dazu neigen, Probleme zu verursachen. Ich habe zwei davon. Und normalerweise ist es der andere, der immer mal anzeigt, dass er noch da ist. Aber nie so, wie es der hier nun tut. Ich fürchte fast, dass ich zum Notdienst muss, wenn das nicht besser wird. Schmerzen am Wochenende sind gleich doppelt doof. Es dauert eine Weile, dann sind die Schmerzen erträglicher. Lediglich beim essen wird es unangenehmer. Wenn es insgesamt aber nicht schlimmer wird, reicht es vielleicht, wenn ich am Montag beim Zahnarzt anrufe und einen Termin vereinbare. Aber eigentlich möchte ich das nicht, weil mein Zahnarzt den Zahn sicher ziehen wird und bei der Gelegenheit den Weisheitszahn sicher auch gleich entfernen will. Und das tut dann sicher tagelang weh, wenn einem gleich zwei direkt nebeneinander liegende Zähne entfernt werden. Anderseits habe ich ja jetzt auch Schmerzen, obwohl noch gar nichts entfernt wurde. Das ist doch alles Müll. Das braucht doch kein Mensch. Reicht der vergammelte Weisheitszahn denn nicht? Muss sich da noch ein weiterer Problemfall dazu gesellen? Das wäre vermutlich alles halb so schlimm, wenn ich nicht so eine Angst vor Zahnarztbesuchen hätte. Muss ich denn wirklich bis zu meinem Ende den Verfall meines Körpers mitmachen? Kann ich mir nicht einen anderen Körper aussuchen? Einen ohne Mängel? Das wäre was.

Am nächsten Morgen ist das Zahnproblem noch da. Ich kann auf der Seite nicht kauen und der Zahn mag es nicht, wenn er berührt wird. Weil ich immer wissen will, wie so etwas plötzlich kommt, frage ich mich, ob die Einnahme von Obsonat vielleicht verantwortlich ist. Und wenn es verantwortlich ist, vielleicht löst es das Problem ja auch. Und so nehme ich es weiter, spüle mit Salviathymol und hoffe, nicht zum Zahnarzt zu müssen.

Der Tag verläuft relativ problemlos und ich bin voller Hoffnung, nicht zum Zahnarzt zu müssen als ich ins Bett gehe. In der Nacht ändert sich meine positive Einstellung, denn ich erwache wegen der Zahnschmerzen und bin alles andere als angetan. Das kann doch nicht wahr sein. Die Schmerzen sind unangenehm, aber es tut weniger weh, wenn ich zubeiße. Ich vermute, dass der Weisheitszahn für die Schmerzen verantwortlich ist. Manchmal macht er das. Ich bilde mir dann immer ein, dass er schmerzt, weil er weiter raus wächst, da er ja keinen Weisheitszahn gegenüber hat und einfach so weit raus wachsen kann, wie er mag. Vermutlich ist das Blödsinn, aber bisher hat mich das immer beruhigt und da die Schmerzen nach einer Weile immer wieder verschwanden, ist es nicht ausgeschlossen, dass ich vielleicht doch Recht hatte. Ich will einfach nicht zum Zahnarzt. Das müssen meine Zähne doch verstehen. Oder verlange ich da zu viel von ihnen? Nach einem Rundgang durch meine kleine Wohnung, bei dem ich auch die Balkontür öffne, gehe ich zurück ins Bett und schlafe nach einer Weile tatsächlich wieder ein. Als ich am nächsten Morgen erwache, geht es meinen Zähnen durchaus besser und ich verzichte zunächst darauf, den Zahnarzt anzurufen. Feigling.

Ehrenamt
Da der Chef nicht zu erreichen ist, mein Arbeitsort geschlossen werden soll und die Bürgerarbeiterin ab morgen wieder eine gewöhnliche Arbeitslose ist, beschließe ich, nach Kamen zur Teamsitzung zu fahren, um meinen Schlüssel abzugeben und mich zusammen mit den Bürgerarbeitern, männlich und weiblich, zu verabschieden. Doch schon als ich in das Protokoll schaue und die Themen der Sitzung lese, erscheint es mir unwahrscheinlich, dass ich kein ehrenamtlicher Mitarbeiter mehr bin. Ich lerne den neuen Chef persönlich kennen und erfahre, dass ich nun ganz alleine in Lünen tätig bin. Aber nur vorübergehend. Dann werden drei Leute den Job der Bürgerarbeiterin übernehmen. Für mich heißt es, dass ich weiter am Donnerstag für die Arbeitslosen zuständig bin, die aber in den letzten Tagen alle informiert wurden, dass wir geschlossen haben. So werde ich am Donnerstag vermutlich ziemlich alleine in meinem Büro sitzen. Die Zeit kann ich nutzen, um alles so herzurichten, wie es sich gehört, was bedeutet, dass ich vermutlich gar nichts tun kann. Während ich mich über diese für mich überraschende Wende wundere, werden die beiden Bürgerarbeiterinnen und der Bürgerarbeiter verabschiedet. Bürgerarbeit gibt es bald gar nicht mehr. Wieder eine Erfindung, die es nicht lange gab. Schöner Unsinn. Neben mir sitzt Jabba the Hutt. Sie ist und bleibt eine skurrile Person, die mir etwas zu laut erscheint. Zumindest leckt sie sich heute nicht schmatzend die Finger ab. Sie ersetzt übrigens den Bürgerarbeiter in der Zentrale. Sie ist also, wie sie selber sagt, die neue Leiterin dort. Ich müsste, da ich dieselbe Tätigkeit ausführe, ebenfalls Leiter sein. Das erscheint mir aber zu weit hergeholt, weshalb ich ehrenamtlicher Mitarbeiter bleibe. Für das Anlernen neuer Mitarbeiter ist die Wachtel zuständig. Sie arbeitet ebenfalls ehrenamtlich und als ihr der Chef sagt, dass sie die drei neuen Leute anlernen soll, verhält sie sich komisch und redet sich raus, ohne aber auf den Punkt zu kommen. Sie sagt, dass sie irgendwie keine Zeit hat, weil sie ja nebenbei einen Vollzeitjob hat und ich frage mich, warum sie das Ehrenamt nicht an jemanden übergibt, der das Geld dringender braucht und bessere Arbeit abliefert. Weil sie mich nervt, sage ich, dass ich die neuen Leute anlerne. Damit ist sie sehr einverstanden, möchte dann aber auch vorbeikommen. Natürlich nicht, um mir reinzureden, sondern nur, um sich vorzustellen. Sie will den Neuen sagen, dass sie für QM zuständig ist. Völlig überflüssig, die alte Wachtel. Sie und Jabba the Hutt gefallen mir nicht. Selbstdarsteller mit fragwürdigen Leistungen gehen mir schon seit frühester Kindheit auf die Nerven. Wenn sie keine Zeit zum Anlernen hat, woher nimmt sie sich dann die Zeit, um sich wichtig zu machen? Muss ich nicht verstehen, will ich wohl auch nicht verstehen. Zeit das Ganze hier zu beenden, bevor ich noch sarkastische Kommentare dazu abgebe.

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