(Un)Bequeme Schuhe, moderne Sklaverei und Margarine
Am Vormittag mache ich mich auf den Weg zum einkaufen. Ich will mir einen Teppich fürs Wohnzimmer kaufen. Dummerweise biege ich schon nach wenigen Metern falsch ab und so fahre ich anstatt nach Dortmund in Richtung Lünen. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Da ich nichts davon halte umzudrehen, beschließe ich, dass ich mir keinen Teppich, sondern stattdessen in Lünen Schuhe kaufe. Bei Deichmann ist Schnäppchentag und so kaufe ich statt einem gleich zwei Paar Schuhe und spare dabei 50%. Die beiden Paar Schuhe sehen sehr ähnlich aus, was aber nichts Außergewöhnliches ist, da meine Schuhe immer irgendwie ähnlich aussehen.
Zu Hause angekommen werfe ich meine alten Schuhe sofort in den Müll und schlüpfe in meine neuen schwarzen Lederschuhe, die im Laden noch so bequem erschienen. Nachdem ich einige Minuten in den neuen Schuhen durch die Wohnung gewandert bin, ich trage übrigens nichts weiter als meine neuen Schuhe, ein Ritual, welches ich mir irgendwann spontan zugelegt habe, finde ich meine neuen Schuhe nicht mehr wirklich bequem. Ich ziehe sie aus und schlüpfe in das zweite Paar. Die Schuhe sind nur minimal bequemer, aber auch nicht dafür da, um mich damit viel zu bewegen. Es sieht so aus als hätte ich mir einfach nur schöne, aber ziemlich unpraktische Schuhe gekauft. Doch weil ich meine alten, bequemen Schuhe sofort entsorgt habe und definitiv nicht wieder aus dem Müll ziehen werde, muss ich mir in den nächsten Tagen wohl noch ein Paar bequeme Schuhe zulegen. Dazu bräuchte ich allerdings erstmal einen Job, da ich mir weitere Schuhe sonst nicht leisten kann. Als ich meine neuen, schönen Schuhe in den Schuhschrank stelle, entdecke ich dort einige Schuhe, welche schon seit Jahren einfach nur so in dem Schuhschrank liegen, weil sie ebenfalls unbequem sind. Es sieht tatsächlich so aus, als müsste ich in nächster Zeit oft zu Hause bleiben, weil ich keine bequemen Schuhe habe. Das ist ziemlich blöd.
Am Abend fällt mir auf, dass meine Margarine aufgebraucht ist. Das bedeutet, dass ich, wenn ich morgen Brote essen möchte, sofort morgen früh einkaufen muss. Sehr deprimierend.
Kaum wache ich am nächsten Morgen auf, gehe ich auch schon gut gelaunt mit meinen unbequemen Schuhen einkaufen. Ich kaufe Brot, Milch, Hähnchenbrustfilet und Chips. Ich bin sehr zufrieden und verlasse für den Rest des Tages die Wohnung nicht mehr. Als ich mir gegen 21.00 Uhr mein Abendbrot zubereiten will, stelle ich fest, dass ich keine Margarine habe und erinnere mich, warum ich heute Morgen eigentlich einkaufen gegangen bin. Glücklicherweise müssen die Sklaven in Supermärkten bis 22.00 Uhr arbeiten und so kann ich in meine unbequemen Schuhe klettern und mir selbst um diese Uhrzeit noch Margarine kaufen. Das ist wirklich erstaunlich. Früher hätte ich Hungern müssen. Vielleicht ist die moderne Sklaverei doch nicht so schlecht. Wenn ich nicht irre, kann ich nun ein paar Tage zu Hause bleiben und muss nicht in meinen unbequemen Schuhen irgendwelche Ausflüge unternehmen. Jetzt wird alles gut.
Falsche Frau
Sie erzählt mir von den furchtbaren Verabredungen, die sie in letzter Zeit hatte. Von Männern, die komplizierter sind als Frau es ertragen kann. Sie sagt, dass sie schon zufrieden wäre, wenn sie jemanden hätte, den sie regelmäßig trifft und mit dem sie regelmäßig Sex hat, weil sie keine Lust hat ständig mit anderen ins Bett zu gehen, die sich danach als Flops erweisen, weil sie nicht nur beziehungsuntauglich, sondern auch als Gesamtkunstwerk ziemlich gestört sind. Aber es klingt nicht nach einer Aussage, sondern fast wie eine Frage an mich, ob ich nicht derjenige sein kann, der sich regelmäßige mit ihr trifft. Eigentlich ein prima Angebot. Es gibt da nur einen klitzekleinen Haken. Sie ist Leonetta. Sie hat mich Impotent gemacht. Deshalb ist sie die falsche Frau.
Enschede
Nach über zwei Jahren verlasse ich Deutschland wieder und natürlich führt mich meine Reise, wie eigentlich immer, wenn ich das Land verlasse, in die Niederlande. Genauer gesagt nach Enschede. Petra fährt mich über die Dörfer ans Ziel. Und durch meine vielen Auslandsreisen der letzten Jahre bin ich auch gar nicht so aufgeregt als wir die Grenze überqueren.
Routiniert wie ein alter Hase wandere ich später durch Enschede. Eine feine Stadt, die mir recht gut gefällt. Es war doch die richtige Entscheidung mein Treffen mit Leonetta abzusagen und diese Reise anzutreten. Während ich durch die Stadt schlendere, die Menschen und die Umgebung beobachte, ruft Leonetta an. Sie liegt im Krankenhaus, weil sie von einem Auto angefahren wurde. Morgen muss sie operiert werden. Und es scheint sich erneut zu bestätigen, dass es gefährlich für Frauen ist, mich zu kennen. Und es bedeutet nichts, wenn einer Frau oder ihren Angehörigen nicht vor unserem ersten Treffen etwas zustößt. Es scheint auch gefährlich zu sein, wenn ich eine Verabredung absage. Oder ließ sich Leonetta anfahren, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen? Man weiß es nicht und es bleibt mysteriös. Morgen will mich Sabine zum ersten Mal besuchen. Ich sage ihr besser nicht, wie gefährlich es mittlerweile ist, mich zu treffen oder nur zu kennen. Schließlich bin ich sehr gespannt, wie Sabine so ist und ob wir uns verstehen.
Zum Abschluss der Reise macht Petra noch ein Beweisfoto. Sonst glaubt mir am Ende doch niemand, dass ich im Ausland war. Auf der Rückreise gönne ich mir eine Banane, die ich mir extra für diesen besonderen Moment mitgenommen habe. Herrlich. Ich sollte öfter verreisen.
Sabine
Sabine schreibt in der gleichen Community, ein Wort, welches ich gerne durch ein anderes ersetzen würde, wie ich. Gelegentlich schreiben wir uns private Nachrichten und so kam es, dass wir eines Tages telefoniert haben. Weil wir uns auch am Telefon sympathisch sind vereinbarten wir, dass sie mich heute besuchen kommt und wir einen gemütlichen Filmabend machen. Ich bin sehr gespannt, wie das wohl wird. Dummerweise wird mir, wie mittlerweile bei jedem Treffen mit einer Frau, schon vorher schlecht und ich bin durchaus gestresst. Ich frage mich, warum ich mir das immer antue und was die Leute aus der Gruppentherapie, die ich einmal wöchentlich besuche, wohl dazu sagen würde.
Als Sabine einige Minuten nach dem verabredeten Zeitpunkt noch nicht bei mir eingetroffen ist, mache ich mir leichte Sorgen, ob sie auf dem Weg zu mir verunglückt ist. Wird es am Ende doch nichts mit dem geplanten Filmabend? Kurze Zeit später klingelt sie allerdings an meiner Tür. Sie ist glücklicherweise nicht verunglückt und so sehen wir uns jetzt zum ersten Mal nachdem wir uns monatelang nur virtuell gekannt haben. Sie ist 1,65m, schlank und hat dunkle Haare. Sie sieht allerdings etwas anders aus als auf den Fotos, die ich von ihr kannte. Das macht aber nichts, weil sie ja jetzt hier ist und ich sie nicht nach Hause schicken kann, nur weil ich glaube, dass sie anders als auf den Fotos aussieht. Ich sehe ja vielleicht auch anders aus, was Sabine mir wenig später bestätigt. Und so einigen wir uns darauf, dass wir nicht ganz so aussehen wie erwartet, aber dennoch zufrieden sind. Wir verstehen uns außerdem besser als erwartet, was zur Folge hat, dass wir uns ausführlich unterhalten. So dauert es eine ganze Weile bis wir es schaffen mit dem Film, Stirb langsam 3, anzufangen. Und da es keinen Sinn macht, wenn man sich gut versteht, weit voneinander entfernt zu sitzen, setzt sie sich ganz nah zu mir und es dauert nicht lange, bis meine Hände auf Alltagstauglichkeit getestet werden, was bedeutet, dass die Handlinien begutachtet werden. Eine gute, fast unverfängliche Art jemanden zu berühren und so zu testen, ob er unter Berührungsängsten leidet. Anscheinend haben wir beide keine Berührungsängste und als der Film endlich läuft sitzen wir so eng beisammen, dass ich es wage, meinen Arm um sie zu legen. Nachdem ich das gemacht habe, dauert es auch nicht lange bis wir uns ganz spontan küssen. Ich liebe es zu küssen.
Nach dem Film folgt eine Raucherpause auf dem Balkon. Wobei allerdings nur sie raucht, was daran liegen könnte, dass ich Nichtraucher bin. Es folgt Film zwei, Stirb langsam 4. Gegen 02.30 Uhr sind wir müde und beschließen schlafen zu gehen. Ich frage sie, ob sie mit mir im Bett schlafen will oder die Couch bevorzugt. Zum Glück lehnt sie die Couch ab und wir gehen ins Bett. Ich lösche das Licht und irgendwie geraten unsere Lippen in der Dunkelheit nochmal aufeinander. Kaum tun unsere Lippen das, sagt sie: „Ich will aber nicht mit Dir schlafen.“ Das trifft sich gut, da ich derzeit an vorübergehender Impotenz leide, was mich allerdings nicht davon abhalten würde trotzdem mit ihr zu schlafen, wenn sie es verlangen würde. Ihr Körper wäre schon eine Sünde wert. Wir küssen uns noch eine Weile, verzichten dabei aber völlig auf unsittliche Berührungen. Irgendwann brechen wir das Küssen ab und versuchen zu schlafen.
Es ist etwa 06.27 Uhr, ich habe höchstens zwei Stunden geschlafen, als sie mich fragt, ob ich wach bin. Scheint so als wäre ich es. Und so unterhalten wir uns bis zu ihrer Abreise in meinem Bett über die Menschen, Psychotherapien, Hände, meine in ihren Augen sterile Wohnung und darüber, dass ich viel netter bin als erwartet. Das tut mir leid, hatte ich mir doch vorgenommen, den Erwartungen meiner Gäste immer voll und ganz zu entsprechen. Zum Glück verzeiht sie mir, dass ich nicht ganz ihren Vorstellungen entspreche. Wir küssen uns noch ein paar Mal, weil küssen gesund ist und mir sehr viel Freude bereitet, dann verabschiedet sie sich von mir. Es war ein überraschend entspanntes und gelungenes Treffen. Vielleicht sollte ich öfter Frauen zum küssen zu mir einladen, denn küssen macht wirklich viel Spaß. Andererseits, und das spricht mehr und mehr gegen solche Treffen, wird mir vorher immer schlecht. Das macht absolut keinen Spaß, sondern ist einfach nur blöd.
Das neue FZW
Um 21.45 Uhr machen Petra, Manni und ich uns auf ins FZW. Wir gehören zu den ersten Gästen und können uns in Ruhe umschauen. Sieht alles ganz nett aus, aber ob es mir gefällt, kann ich noch nicht abschließend sagen. Nach und nach wird es voller, aber nie zu voll. Die Musik ist nicht so überzeugend. Das Publikum ist nicht wirklich interessant. An der Bar arbeiten heute nur Unfähige und so steht man locker dreißig Minuten und länger an, um etwas zu trinken zu bekommen. Wir bekommen allerdings gar nichts zu trinken. Scheinbar existieren wir für die Bedienungen nicht. Und so wird es ein trockener aber günstiger Abend für uns. Gegen 02.00 Uhr haben wir genug gesehen und gehört und sind durstig. Also verlassen wir das FZW und fahren zu McDonalds, um dort etwas zu trinken. Danach gönne ich mir meine Banane.
Das war heute nicht wirklich überzeugend. In ein paar Wochen werde ich nochmal gucken, ob es mir besser gefällt. Wenn nicht, bleibe ich halt öfter zu Hause und esse dort meine Bananen.
Und ich lauf … AMOK
Da mir weder orientalische Musik noch Ohropax beim einschlafen helfen, denke ich etwas über des Deutschen neuestes liebstes Hobby, den Amoklauf, nach und frage mich, warum diese Amokläufe so häufig in Schulen stattfinden müssen. Die Erklärung, dass es daran liegt, dass in Deutschland am allerliebsten Schüler Amok laufen und dort Amok laufen, wo sie die meiste Zeit verbringen, lasse ich nicht gelten, denn noch mehr Zeit als in der Schule verbringen die meisten vermutlich im Bett. Doch würde niemand auf die Idee kommen im Bett Amok zu laufen. Vielleicht gleichen manchmal Sexspiele einem Amoklauf, der im Bett stattfindet, doch diese Art Amoklauf zählt nicht. Also warum immer die Schule? Weil die meisten ihre Mitschüler, ihre Lehrer und ihre Noten hassen, ist als Erklärung sicher nicht von der Hand zu weisen, zeugt aber gleichzeitig davon, dass Amokläufer nicht viel Phantasie haben. Überhaupt finde ich Amokläufer doof. Sie hassen sich und die Welt und wollen scheinbar nichts sehnlicher als Aufmerksamkeit und den Tod. Ich finde diese Kombination etwas albern, zumal der amoklaufende Depp von seinem zweifelhaften Ruhm so nichts mitbekommt. Da wäre ein wunderschön inszenierter Selbstmord doch viel schöner. Zumindest für Außenstehende. Aber dazu scheint es den Amokläufern an Kreativität zu fehlen. Vielleicht fehlen aber auch nur die passenden Computerspiele dazu. Warum bringt keine Firma ein Spiel raus, bei dem es darum geht einen spektakulären Selbstmord zu kreieren, bei dem sonst niemand zu Schaden kommt? Schließlich sind doch die Videospiele für alles verantwortlich. Ich finde die Idee mit den Selbstmordspielen großartig. Außerdem sollte in jeder größeren Tageszeitung die Rubrik „Selbstmord der Woche“ eingeführt werden. Und am Ende eines Monats wählen die Leser den „Selbstmord des Monats“ und am Jahresende den „Selbstmord des Jahres“. Eine Tradition, die auch beim Fußball schon lange erfolgreich ist. Nur geht es da halt um Tore. Doch ich schweife ab.
Wenn so ein Amoklauf wirklich in einer Schule stattfinden muss, warum dann nicht offiziell? Ich stelle mir eine abgesperrte Schule vor, die einmal pro Quartal mit potentiellen Amokläufern gefüllt wird, welche sich dann ab einer bestimmten Uhrzeit gegenseitig vernichten können. Der Gewinner bekommt am Ende eine Medaille und wer dreimal hintereinander den Wettbewerb gewonnen hat, bekommt eine Ehrennadel, einen Burger in einem Restaurant seiner Wahl und einen gelben Overall. Na, liebe zukünftige Amokläufer, wäre das nichts für euch?
Was ich auf dem Amoklaufmarkt wirklich vermisse ist ein Light-Produkt. In fast allen Bereichen haben sich Light-Produkte längst etabliert und sind nicht mehr wegzudenken. Warum also kein Amoklauf-Light? Dieser Amoklauf müsste sich auf ein weniger großes Gebäude, z.B. ein Café Bistro, beschränken und die Auswahl an Waffen müsste auf wenige begrenzt sein. Ich denke hierbei an Messer, Axt, Säbel, Dolch und Schwert. Das müsste ausreichen für einen kleinen, kalorienarmen Amoklauf. Und der Täter hat vor und während seines Amoklaufs noch eine Option, die bei den richtigen Amokläufen nicht zur Verfügung steht. Einen Buzzer. Diesen kann er während oder unmittelbar nach seinem kleinen Amoklauf drücken. Mit drücken dieses Buzzers wird die speziell für die Light-Amokläufe ausgebildete Eingreiftruppe gerufen. Nach Eintreffen dieser Truppe hat der Nachwuchsamokläufer folgende Möglichkeiten. Er kann sich ergeben und widerstandslos festnehmen lassen, was sich selbstverständlich positiv in Bezug auf seine zu erwartende Strafe auswirkt, oder sich direkt erschießen lassen. Ganz wie er mag. Als Ort für die Light-Amokläufe würde sich tatsächlich das Café Bistro vor meiner Wohnung anbieten. Ein wirklich schönes und gepflegtes Amokläuferambiente mit vielen unterschiedlichen Typen, die möglicherweise sogar Widerstand leisten, wenn sie niedergemetzelt werden, was sicherlich einen besonderen Reiz für Nachwuchsamokläufer darstellt. So könnte die Zukunft des Amoklaufs gesichert sein und die Bevölkerung in Zukunft weniger stark belastet bzw. dezimiert werden. Denn wenn der Vorrat an Menschen vermindert wird, dann doch bitte richtig und in einem angemessen Rahmen. Alles andere ist doch längst überholt und auch irgendwie uncool. Und ein uncooler Amokläufer geht nach meinem Empfinden einfach gar nicht.
Tretboot
Den Nachmittag verbringe ich mit Ursula in einem Treetboot auf einem See. Wir fahren einmal kurz um einige kleine Inseln, dann lassen wir uns in der Mitte des Sees nieder, was bedeutet, dass wir das Treten einstellen und uns nur noch treiben lassen. Das Boot dreht und bewegt sich sanft auf dem Wasser. Ganz so wie ich es mag. Hin und wieder treibt das Boot auf eine Insel zu. Wenn es zu nah heran kommt trete ich in die Pedale, um es vom Rand wegzubewegen. Dabei lenke ich nicht, sondern lasse das Boot die Richtung bestimmen. Ich trete nur, wenn es unbedingt sein muss. Und so verbringen wir zwei Stunden auf dem See, ohne wirklich zu treten oder zu steuern. Ich könnte das den ganzen Tag tun.
Dieser kleine Ausflug spiegelt mein Leben recht gut wieder, denn auch sonst lasse ich mich fast nur treiben. Nur wenn ich unbedingt muss, ändere ich mal die Richtung. Ansonsten treibe ich vollkommen ziellos umher. Ich will scheinbar nirgendwo hin und habe nur ganz selten mal ein Ziel. Und weil das so ist und ich nicht steuern mag, gerate ich gelegentlich in unangenehme Situationen, die ein Steuermann verhindert hätte. Manchmal lasse ich mich durch diese Situationen treiben, manchmal, wenn es zu lästig wird, drehe ich um oder mache mich auf die Flucht und lasse mich danach sofort wieder ziellos treiben. Als Kapitän tauge ich echt nicht. Und so ist dieser kleine Ausflug symbolisch für mein ganzes Leben. Fast vollkommen führungslos treibe ich nun schon seit fast vierzig Jahren durchs Leben. Was der Führer wohl zu so viel Führungslosigkeit gesagt hätte?
Erstes Vorstellungsgespräch 2009
Ein Vorstellungsgespräch ist ein notwendiges Übel, welches mir Unbehagen bereitet. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich schon beim Aufstehen übellaunig bin und den Tag verfluche. Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden gleich ein Vorstellungsgespräch zu haben und mich einem möglichen Arbeitgeber präsentieren zu müssen. Ich habe keine Lust auf diese Heuchelei. Der Job interessiert mich auch nicht wirklich. Ehrlich gesagt interessiert mich überhaupt kein Job. Wenn ich nicht müsste, weil ich Geld brauche, würde ich auf Bewerbungen und Vorstellungsgespräche völlig verzichten. Bringt doch alles nichts.
Weil ich ohne Geld möglicherweise noch unzufriedener bin als mit Job und ich sowieso verpflichtet bin mir einen Job zu suchen, mache ich mich auf den Weg nach Gelsenkirchen und höre mir an, was die von mir wollen und was die zu bieten haben. Zu bieten haben sie 7,50€ Stundenlohn und etwa 12 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Gearbeitet wird montags und dienstags und manchmal auch am Samstag. Von mir wollen sie, dass ich unschuldige Leute besuche und sie frage, ob sie am Wochenende Werbeprospekte erhalten haben oder nicht. Die Antworten soll ich dann in einen Fragebogen eintragen und weiter zum nächsten Kunden gehen. Manchmal soll ich Kundenbefragungen direkt in Supermärkten durchführen, was ich natürlich überhaupt nicht akzeptabel finde. Einstellen wollen sie ganz viele Mitarbeiter. Gearbeitet wird in Dortmund und es sieht so aus als würden die jeden nehmen, der sich anbietet. Da ich kaum eine Wahl habe und 160€ mehr im Monat dringend gebrauchen kann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Job annehme in diesem Moment bei exakt 74%. Aber so Zahlen ändern sich ja ständig. Zeit mich zu verabschieden. Alles andere wird sich ergeben. Bis es soweit ist, lasse ich mich treiben.
Wüstenblume
Weil ich manchmal ein Glückskind bin und weiterhin von den Frauen geliebt werden will, lasse ich sie manchmal an meinem Glück teilhaben. Und zwar immer dann, wenn ich Kinokarten gewinne. So ist die zweite Frau, die in den Genuss kommt mit mir ins Kino zu gehen und nicht dafür bezahlen zu müssen, Petra. Dummerweise ist Petra erkältet und ich habe während des gesamten Abends Angst davor, von ihr angesteckt zu werden. Am liebsten würde ich mich woanders hinsetzen, aber da das Kino fast ausverkauft ist, muss ich neben ihr sitzen. Ihre Hustenanfälle sind sehr beängstigend. Selbst die Tatsache, dass unglaublich viele und sogar attraktive Frauen im Kino sind, kann mich nicht entspannen. Ständig habe ich Angst vor herumwirbelnden Bakterien. Glücklicherweise ist der Film, Wüstenblume, sehr unterhaltsam. Ich war mir ja nicht sicher, ob der Film für einen Kinobesuch gut genug ist, doch zum Glück ist er es. Und so habe ich einen recht angenehmen Abend in netter Atmosphäre mit nettem Publikum, natürlich abgesehen von den ganzen Erkältungsbakterien, die Petra verteilt.
Da ich es wieder nicht geschafft habe, mir Bananen zu kaufen, ist die Heimfahrt nicht ganz so schön für mich. Außerdem bin ich nebenbei ständig damit beschäftigt Petras Bakterien abzuwehren. Es bleibt abzuwarten, ob ich damit erfolgreich war.
Zu Hause angekommen darf ich die DFB-Pokalspiele gucken. Der HSV verliert und als der Fernseher aus ist, höre ich meine geliebte orientalische Musik. Somit ist der Abschluss des Tages fast genauso prickelnd wie das Jobangebot am Mittag und der Kampf gegen Erkältungsviren am Abend. Ist das ein Zeichen? Und wenn ja, was bedeutet es?
Wasserbomben
Heute habe ich mir Wasserbomben gekauft. 100 Stück für einen Euro. Die werde ich nachts vollkommen gleichgültig von meinem Balkon Richtung Café Bistro werfen. Wird bestimmt total witzig, zumal ich nicht sehen werde, wie die da unten ankommen, sondern nur höre, wie die Gäste reagieren, wenn ich gut ziele. Endlich habe ich wieder eine Aufgabe in meinem leben.
Putzfrau
Früher hingen häufig Zettel mit folgendem Text aus, wenn jemand eine Putzfrau suchte: „Wir suchen eine zuverlässige Putzhilfe für eine 100m² Wohnung.“ Darauf meldeten sich oft Frauen aus dem Ausland, die zwar kaum deutsch, aber wunderbar putzen konnten. Heute kann das ehemalige Putzpersonal noch immer kein deutsch, hat aber scheinbar genug Geld, um sich selber eine Putzfrau zu leisten. Und deshalb hängen heute solche Zettel aus: „Wir sucht putze frau“. Wie die Zeiten sich doch ändern.
Bitte lächeln
Nachdem ich mich völlig mies gelaunt und widerwillig ins Fitnessstudio geschleppt habe, befinde ich mich nun auf dem Cross-Trainer und schwitze ein wenig vor mich hin. Und während ich das mache, muss ich an die Frau im gelben VW Bettle denken. Wir waren auf derselben Schule und haben während der ganzen Jahre nur ein einziges Mal miteinander gesprochen. Oder hat sie nur mit jemandem gesprochen, den ich kannte, und ich habe dabei zugehört und gedacht, sie würde mit mir sprechen? Ist jetzt auch nicht wichtig. Jedenfalls gefällt sie mir und ich erinnere mich daran, dass sie vor langer Zeit auch ab und zu am Samstag hier im Fitnessstudio trainiert hat. Und obwohl sie mich nie gegrüßt, nicht einmal gesehen hat, wünsche ich mir, sie heute hier zu sehen. Doch es sieht nicht so aus als würde sich mein Wunsch erfüllen.
Zwei Minuten bevor mein Training zu Ende ist, wird mein Wunsch unverhofft doch wahr. Sie betritt das Fitnessstudio, schlank und attraktiv wie eh und je. Und natürlich sieht sie mich nicht. Dennoch kann ich so nicht gehen. Deshalb beschließe ich, in der Hoffnung, dass sie ihr Training auf dem Fahrradergometer beginnt, noch zwanzig Minuten zu bleiben und nehme auf einem Fahrradergometer Platz. Kaum sitze ich auf dem Trainingsgerät, kommt sie in meine Richtung, sieht sich um und nimmt auf einem Fahrradergometer nur wenige Meter von mir entfernt Platz. Natürlich sieht sie mich nicht. Ich überlege, ob ich sie nicht einfach anspreche und fragen soll, ob wir uns nicht von der Schule kennen oder ob ich wenigstens “Hallo” sage. Doch wirklich überzeugt bin ich von meinen Ideen nicht. Ich gucke regelmäßig zu ihr rüber, doch sie sieht mich nicht. Alles ist wie immer. Ich denke, dass war es für heute. Vielleicht beim nächsten Mal. Die Trainingszeit ist um. Ich bleibe kurz auf dem Fahrrad sitzen, trinke etwas und schaue zu ihr rüber. Natürlich sieht sie mich nicht. So geht das nicht. Ich nehme meine Sachen und schaue ein letztes Mal zu ihr rüber. Jetzt endlich sieht sie mich. Sie sieht mich tatsächlich. Was nun? Schnell, mach etwas. Los, sag was. Mir fällt nix ein. Lediglich ein Lächeln bringe ich zu Stande. Und was macht sie? Sie lächelt zurück. Oh, Gott, nach zwanzig Jahren lächelt sie mich endlich an. Was für ein schöner Tag, was für ein schönes Lächeln. Was für ein schönes Leben. Es hat nur zwanzig Jahre gedauert bis sie mich endlich bemerkt und angelächelt hat. Ich bin gespannt, wie viele Jahre es jetzt dauert, bis sie das erste Mal “Hallo” zu mir sagt. Weitere zwanzig Jahre? Ob sie mir dann auch noch gefällt?
Auf dem Weg zurück nach Hause bin ich zufrieden. An der Ampel hält ein silberner Astra neben mir. Auf dem Beifahrersitz sitzt eine junge Frau. Sie guckt zu mir rüber, ich gucke sie an. Sie guckt weg. Aber nur kurz, dann guckt sie wieder rüber. Ich lächle sie an, sie lächelt zurück. Was ist denn hier los? Ich gucke zur Ampel. Das überfordert mich jetzt doch ein wenig. Die Ampel schaltet auf grün. Noch einmal schaue ich zu ihr rüber. Sie schaut zu mir. Wieder lächeln wir uns an. Dann biegt der Astra ab und ich frage mich, warum sie mich angelächelt hat. Wegen meiner coolen Sonnenbrille? Meinem geilen Wagen? Oder etwa meinetwegen? Ich beschließe, dass es vollkommen egal ist und bin stolz auf mich. Zweimal an einem Tag von attraktiven Frauen angelächelt zu werden ist schließlich etwas Besonderes. Das muss man nicht hinterfragen, sondern kann es auch einfach mal genießen. Vielleicht sollte ich heute Abend ausgehen. Wer weiß, was heute noch alles möglich ist.
FZW. Zweiter Versuch
Nachdem ich beim ersten Besuch etwas enttäuscht vom neuen FZW war, versuche ich es heute erneut. Als wir gegen 22.52 Uhr ankommen ist es erstaunlich leer. Dafür haben einige kleine Änderungen stattgefunden und die Musik ist heute auch prima. Es dauert einige Zeit bis es etwas voller wird. Neben mir steht eine blonde Frau. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie an mir interessiert ist. Sie guckt zwar nie, wenn ich sie angucke, aber sie kommt immer etwas näher. Dabei ist hier genug Platz. Nach einer Weile steht sie so dicht, dass wir uns mit den Armen berühren. So funktioniert das heute nicht bei mir, darum wechsel ich konsequent den Standort. Überhaupt sind einige interessante Frauen hier. Und obwohl mich keine anlächelt, bin ich zufrieden, da ich doch erstaunlich oft angeschaut werde. Ich kann mich nicht erinnern, je zuvor so oft beachtet worden zu sein. Eine blonde Frau geht an mir vorbei und schaut mich die ganze Zeit an. Ich bin entzückt. Wird das hier doch noch meine neues Jagdrevier, in dem ich eine Frau nach der anderen kennen lerne und am Ende der beliebteste Hahn im Korb bin, dem alle etwas zu trinken ausgeben und danach mit nach Hause nehmen wollen? In vier Wochen komme ich wieder, um zu überprüfen, ob das heute nur Zufall war oder ich ab sofort DER MANN bin.
Was wird denn das?
Den Nachmittag verbringe ich mit Leonetta. Es geht ihr ein wenig besser, sie trägt nicht wie bei meinen letzten Besuchen ihr gemütliches Joggingoutfit, sondern eine sehr gut sitzende Jeans und ein ebenso gut sitzendes Oberteil. Irgendwie sieht das sexy aus. Ich weiß allerdings nicht, ob ich das gut finden soll. Wir gehen in die Stadt und während wir so daher spazieren, fasst sie mir an den Hintern. Nicht, dass ich das nicht gut finden würde, aber ich weise sie darauf hin, dass ich diese plumpe Anmache doch etwas unpassend finde.
Als wir später bei ihr auf dem Balkon sitzen, fängt sie an mit ihrem Fuß an meinem Bein entlang zu fahren. Als sie höher und höher wandert, schaue ich kurz zu ihrem Fuß und sie dann streng an. Sofort unterlässt sie den Unsinn. Was ist denn heute mit ihr los? Ist sie scharf auf mich? Will sie mich hier verführen? Wir sind platonisch, daher geht das nicht. Bevor es hier weitere Angriffe gibt, sage ich ihr, dass ich nun gehen muss und begebe mich Richtung Ausgang. Sie folgt mir und wir umarmen uns zum Abschied. Die Umarmung dauert länger als sonst, sie lässt mich einfach nicht los, drückt mich an sich, streichelt meine Arme und ich merke, wie es beginnt mich anzumachen. Da es vollkommen unangebracht ist jetzt rollig zu werden, bereite ich alles für den üblichen Abschiedskuss vor. Doch irgendwas läuft hier falsch, denn plötzlich habe ich ihre Zunge in meinem Mund. Das haben wir uns doch abgewöhnt. Wir küssen uns doch eigentlich nicht mehr auf diese Weise. Dummerweise verliere ich kurz die Kontrolle und mache mit. Jetzt bin ich endgültig geil. Ich löse mich von ihren Lippen, versuche cool zu wirken und sage: „Das machst Du doch nur, damit ich öfter zu Dir komme.“ – „Stimmt. Kommst Du heute Abend zu mir?“ – „Nein!“ Ich nutze ihre Enttäuschung zur Flucht, winke ihr noch kurz zum Abschied und bin weg. Das war jetzt aber verdammt knapp. Beim nächsten Mal muss ich auf ihre Angriffe besser vorbereitet sein. Sonst werde ich vernascht und dann haben wir den Salat.
Erster Abwurf
Als ich unten von der Straße Stimmen höre, die ich nicht hören will, werfe ich eine rote Wasserbombe in Richtung der Stimmen. Leider kann ich die Reaktionen nicht sehen, aber es scheint so als hätte die Wasserbombe ihr Ziel verfehlt. Als ich wenig später kontrolliere, wo die Wasserbombe gelandet ist, muss ich feststellen, dass sie mitten auf der Straße explodiert ist. Für den ersten Abwurf nicht wirklich schlecht, insgesamt aber noch stark verbesserungswürdig. Der nächste Abwurf folgt bestimmt.
Stellungnahme
Am 26. September 2009 bekomme ich Post von dem Autohaus in dem ich mein Praktikum absolviert habe.
Sehr geehrter Herr, F.,
im Rechtsstreit xxx gegen das Autohaus benötigt unser Rechtsanwalt Ihre schriftliche Stellungnahme. Was im Einzelnen besprochen worden ist oder nicht, wie sich die Vertragsgestaltung darstellte und ob Frau xxx bei der Vertragsverhandlung gegenwärtig war.
Bitte senden Sie die Stellungnahme bis zum 30.09.200 direkt an den Rechtsanwalt.
Mit freundlichen Grüßen
Natürlich werde ich keine Stellungnahme senden. Zum einen, weil die seit Monaten wissen, dass es zu einer Verhandlung kommt und erst jetzt kurzfristig eine Stellungnahme von mir wollen, und zum anderen, weil mir das zu förmlich ist. Die hätten mich anrufen können. Stattdessen bekomme ich einen solchen Brief. Sorry, so geht das nicht. Ich werde den Anwalt anrufen, am 30.09., und ihm sagen, dass ich vor Gericht aussagen werde und mich an Details jetzt nicht erinnern kann. Ich wünsche ihm aber viel Glück, obwohl ich, ohne zu wissen, was der Kunde xxx anklagt, davon ausgehe, dass der Prozess vom Autohaus nicht zu gewinnen ist. Und ganz sicher werde ich auch vorher nicht mehr persönlich mit dem Anwalt sprechen. Wir sehen uns vor Gericht. Fortsetzung folgt.
Fast geiles Telefongespräch
„Kommst Du zu mir?“ – „Nein.“ -„Warum denn nicht.“ – „Ich lieg hier gerade so schön auf dem Balkon in der Sonne.“ – „Wir können zusammen in die Sonne gehen.“ – „Das ist nicht dasselbe.“ – „Ach komm, ich streichel Dich auch.“ – „Nein. Das würde mich nur erregen.“ – „Dann küss ich Dich.“ – „Das würde mich noch mehr erregen.“ – „Dann hol ich Dir einen runter.“ – „Du bist ein Miststück.“ Kurz danach gibt Leonetta auf und ich bleibe, wie ich es mir vorgenommen habe, auf dem Balkon in der Sonne liegen. Herrlich.
Dickies
Ich stehe bei Penny an der Kasse und bewundere meine Mitmenschen, als ein ziemlich dickes Mädchen den Laden betritt. Da ich mich unglaublich von dicken Mädchen angezogen fühle, kann ich nicht weggucken und übersehen kann ich sie erst recht nicht. Und so fällt mein Blick auf ihr Shirt. Auf diesem Shirt steht ganz groß „Dickies“ geschrieben. Ich muss grinsen. Wie kann man nur so treffend sein Shirt auswählen? Und ich frage mich, warum sie ausgerechnet dieses Shirt trägt.
A: Es ist ein Shirt der anonymen Dicken.
B: Es soll dezent darauf hinweisen, dass die Trägerin dick ist.
C: Es ist ein Fehlkauf ohne wirkliche Bedeutung.
D: Das Mädchen trägt dieses Shirt, weil es weder weiß, dass es dick ist, noch dass es ziemlich albern ist in ihrem Zustand ein solches Shirt zu tragen.
Noch bevor ich eine Antwort finde, bezahle ich meine Einkäufe und verlasse den Penny Markt.
Comedy?
Da mir etwas langweilig ist, gucke ich ein wenig TV. Ich bleibe bei ‚Was guckst Du?!‘ hängen. Soll angeblich witzig sein. Leider merke ich davon gar nichts. Dem Publikum scheint es im Gegensatz zu mir zu gefallen. Vielleicht bin ich einfach nur humorlos. Direkt im Anschluss folgt ‚Zack! Comedy nach Maß‘, eine ebenfalls vollkommen unlustige Comedysendung. Und jetzt glaube ich auch nicht mehr daran, dass es an mir liegt, dass ich den Mist nicht witzig finde. Der Mist ist nämlich nicht witzig. Höchstens mal kurz und aus Versehen. Das ist Schwachsinnsunterhaltung. Nicht mehr und auch nicht weniger. Zeit den Fernseher auszuschalten. Das wird ja immer schlimmer mit dem Fernsehprogramm. Früher gab es so viel Schwachsinn nicht. Deshalb war zwar früher nicht alles besser, aber es blieb einem einiges erspart.
Ausflug mit zwei Frauen
Am Samstag um 19.50 Uhr machen Ursula und ich uns auf den Weg, um Britta abzuholen und mit ihr nach Greven zu fahren. Da wir etwas spät dran sind, gibt Ursula ordentlich Gas. Wir fliegen förmlich über die Landstraßen. Es ist dunkel und ich sehe kaum etwas, als Ursula plötzlich ein Ausweichmanöver startet. Ich frage sie, was sie da tut und sie fragt mich, ob ich nicht die Katze am Straßenrand gesehen habe. Habe ich nicht. Wie soll man auch bei dieser Geschwindigkeit kleine Katzen sehen? Ich liebe es, wenn eine Frau erst nicht rechtzeitig fertig wird und dann versucht die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Und weiter geht die wilde Fahrt. Ursula fragt, ob ich den Hasen am Straßenrand gesehen habe. Habe ich nicht. Ich bin schon froh den Straßenrand wahrzunehmen. Falls da wirklich eine Hase am Straßenrand saß, wird er vermutlich vom Sog unseres Fahrzeugs dort weggezogen worden sein. Immer weiter geht die wilde Fahrt. Mit 70 durch eine 30 Zone. Vermutlich sieht meine Fahrerin es so, wie die meisten, die es eilig haben. 30 für jede Person im Fahrzeug plus 10 Toleranz. Ich schaue zu ihr herüber. Sie hat zwei Hörner auf ihrem brennenden Kopf und lacht. Ich reibe mir die Augen. Nun sieht sie wieder normal aus. Scheiße, ich werde verrückt und muss hier raus. Der Wagen stoppt, die wilde Fahrt ist zu Ende. Britta steigt zu uns ins Auto und die Fahrt wird in normalem Tempo fortgesetzt. Mein Herzschlag ist jetzt wieder im grünen Bereich und der Angstschweiß trocknet langsam.
Wir erreichen das Weinfest in Greven. Es besteht aus drei oder vier Weinständen, einem Bierstand und einer Bühne. Auf der Bühne tobt eine Band, die furchtbarer kaum sein kann. Das Spielen der Instrumente klappt ja noch ganz gut, doch der Gesang ist noch furchtbarer als die rasante Fahrt vor einigen Minuten. Ich vermute der Sänger ist verrückt oder betrunken. Vermutlich sogar beides. Im Publikum sitzt ein älterer Mann in Frauenkleidung. Möglicherweise ist es aber auch eine Frau, die wie ein Mann in Frauenkleidung aussieht. Was auch immer es ist, es ist kein schöner Anblick. Meine beiden Begleiterinnen haben Hunger und bestellen sich Pizza. Weil ich genau null Euro mithabe, bestelle ich mir nichts. Da die beiden es nicht sehen können, dass ich nichts zu essen habe, bekomme ich von jeder ein Viertel ihrer Pizza. So kann ich wieder mal kostenlos essen und bin entzückt. Nach der kleinen Stärkung geht es weiter auf den Marktplatz. Dort spielt eine um Längen bessere Band als auf dem Weinfest und das Publikum ist um einiges jünger. Außerdem gibt es hier keine alten Männer in Frauenkleidung. Meine beiden Begleitungen trinken Bier. Ich esse Bonbons, die ich vor ein paar Tagen von Leonetta geschenkt bekam, und bin zufrieden. Nach einiger Zeit tritt die nächste Band auf. Sie spielt Punk Rock oder so etwas in der Art. Für mich klingt es so, als würden die einfach nur rumschreien. Das junge Publikum tobt und kriegt sich kaum ein. Ich fasse Ursula unter den Pulli, um auch etwas Spaß zu haben. Zur Belohnung fasst sie mir zwischen die Beine. Sehr bizarr. Als die Band endlich aufhört gehen wir in eine Kneipe, in der ein alter DJ alte Lieder auflegt. Dass die Lieder so alt sind, haben wir allerdings nicht erwartet. Das Publikum ist übrigens noch älter als die Musik. Das ist nicht schön. An den Wänden hängen schwarz-weiß Fotos. Die Fotos sind aus der Zeit als es in Deutschland noch einen Diktator gab, was man daran erkennt, dass auf einigen Fotos Nazifahnen zu sehen sind. Ich frage mich, wo wir hier hingeraten sind, schaue mir das Publikum an und es scheint so, als wären es die Leute von den Fotos, die hier feiern. Die Gäste müssen also zwischen 70 und 127 Jahre alt sein. Wir beschließen, dass wir hier nicht richtig, und vor allem zu jung, sind und beenden den Ausflug. Da die beiden Damen nicht mehr Fahrtüchtig sind, übernehme ich das fahren. Ist sicherer, vor allem für die vielen Tiere am Straßenrand. Wobei ich nochmal darauf hinweisen muss, dass ich während der ganzen Fahrt keine Tiere am Straßenrand gesehen habe.
Lebst Du noch
Es gibt Begrüßungen, die begeistern mich stets aufs Neue. Folgende mag ich besonders: „Hey!“ – „Oh. Hallo.“ – „Lebst Du noch?“ Was ist das bitteschön für eine Frage? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Begrüßte nicht mehr lebt? Und wenn er nicht mehr lebt, warum läuft er dann herum? Hat da einer zu viele Zombiefilme geguckt? Meine Antwort auf die Frage, ob ich noch lebe klingt immer in etwa so: „Nein. Ich bin vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben. Hatte aber bisher keine Zeit mich beerdigen zu lassen.“ Unfassbar.
Gespräch mit dem Anwalt
Als ich nach etlichen Versuchen endlich den Anwalt erreiche, sagt er mir, dass er schon seit Tagen auf eine schriftliche Stellungnahme von mir wartet. Ich sage ihm, dass ich ja deshalb anrufe. „Ich bin aber nicht dafür zuständig, jetzt hier am Telefon Ihre Stellungnahme zu schreiben.“ – „Ich bin auch nicht dafür zuständig eine Stellungnahme zu schreiben.“ _ „Sie sind dazu verpflichtet, da es sich ja um Ihren Arbeitgeber handelt.“ – „Ich habe keinen Arbeitgeber.“ Jetzt habe ich ihm erstmal den Wind aus den Segeln genommen und er ist bereit meine Stellungnahme telefonisch entgegen zu nehmen. Nach meinen Schilderungen sagt er mir, dass ich kein Zeuge bin, auf den man bauen kann. Ich weiß. Habe ich auch nie behauptet. Er bedankt sich dennoch für die Informationen und wird diese dem Chef des Autohauses vortragen. Er klingt ziemlich enttäuscht. Kann ich verstehen, denn diesen Fall kann er eigentlich nur verlieren. Und ich bin der Mann, der diese Niederlage besiegeln wird. Und es scheint sich auch hier zu bewahrheiten „Ich bin DER Mann“. Und ich bin froh, dass ich keinen Arbeitgeber habe. Denn sonst hätte ich noch mehr Ärger und wäre den ganzen Tag frustriert und schlecht gelaunt.
Telefonsex
Den Abend verbringe ich bei Leonetta. Wir gucken „Geküsst wird vor Gericht“, oder so ähnlich. Ein furchtbarer Film, der mir Schmerzen bereitet. Leonetta allerdings hat ihren Spaß und lacht bei jedem noch so banalen Witz. Wie uncool.
Gegen 21.24 Uhr klingelt ihr Telefon. Es ist Ronny, ein scheinbar etwas gestörter Mann, der wohl gerade erregt ist. Er sagt Leonetta, dass sie MSN starten soll, weil er ihr ein Foto von sich zeigen will, damit sie weiß, wie er aussieht. Ich vermute, dass er ihr seinen Schwanz zeigen möchte. Leider funktioniert Leonettas MSN heute nicht. Doch der geile Ronny ist flexibel und fragt Leonetta nun nach ihren sexuellen Vorlieben. Sie ziert sich. Liegt vermutlich daran, dass ich neben ihr sitze. Dafür erzählt Ronny, der geile Bock, ihr nun, was er so mag und fragt sie, ob sie nass ist. Sie sagt, dass sie natürlich nass ist. Ich schüttle den Kopf. Sie muss sich anstrengen nicht zu lachen. Ronny erzählt nur Blödsinn und ich bin fassungslos, dass Leonetta nicht auflegt. Stattdessen hört sie sich den ganzen Mist an. Sie soll sich befummeln und sagt ihm, dass sie es tut und ihre Brüste ganz hart sind. Da ich ihr das nicht glaube, fasse ich an ihre Brüste, um es zu überprüfen. Die sind natürlich nicht hart. Da hat sie den Typen gleich doppelt belogen, denn befummeln tut sie sich auch nicht. Wenig später fragt er sie, ob sie sein Sperma ablecken will. Sie will nicht. Dass ist sehr schade, denn nun muss er sich die ganze Sauerei, die er sich gerade auf seinen Bauch gespritzt hat, selbst wegwischen. So hatte ich ganz spontan den ersten Telefonsex mit Leonetta. Und obwohl sie es bestreitet, glaube ich, dass Leonetta auch gekommen ist. Zweimal. Das habe ich irgendwie gespürt.