Oktober 2011

FZW – 80er Party und mehr
Nach langer Zeit will ich mal wieder zur 80er Party ins FZW. Weil Markus heute Zeit hat, darf er mich begleiten. Dummerweise neige ich dazu, auch an meinen freien Tagen, morgens gegen 07.00 Uhr aufzustehen und abends spätestens um 23.00 Uhr ins Bett zu gehen. So ist es wenig verwunderlich, dass ich am Abend vor dem Fernseher einschlafe. Glücklicherweise habe ich damit gerechnet und mir vorher den Wecker auf 21.47 Uhr gestellt, um meinen Diskoausflug nicht zu verschlafen.
Um 22.36 Uhr betreten wir das FZW, machen einen kleinen Rundgang und stellen uns dann im Eingangsbereich an einen Tisch. Dort bleiben wir etwa eine Stunde fast völlig regungslos stehen und schauen uns das Publikum an. Die Optik ist angenehm. Die Musik ebenso. Kurz vor Mitternacht verlassen wir unseren Stehtisch und bewegen uns Richtung Tanzfläche, wo wir für längere Zeit verweilen. Meine neue Frisur und mein Singledasein bedeuten allerdings keine Veränderung. Ich schaue mir das Geschehen ebenso unfreundlich wie gleichgültig an. Passend dazu werde ich von der Damenwelt nicht wahrgenommen. Alles ist gut, weil es wie immer ist. Ich bin erstaunlich gleichgültig. Erst als eine gemischte Gruppe von etwa zehn Personen direkt neben mir auftaucht, werde ich etwas ungehalten. Diese durchaus attraktiven Frauen mit den durchaus betrunkenen Männern, tanzen so wild, dass sie ständig jemanden anrempeln. So zwingen mich diese degenerierten Volldeppen dazu, immer weiter zurückzuweichen, um nicht ständig angerempelt zu werden. Denen würde ich gerne Zeitungspapier in die Mäuler stopfen und anstecken. Würde bestimmt herrlich aussehen. Markus unterhält sich mit einer Bekannten, während ich die Gruppe tanzender Vollidioten argwöhnisch beobachte und durchaus verachte. Kurze Zeit später stellen sich zwei Frauen vor uns auf. Eine der Frauen guckt mich an. Ich gucke sie an. Niemand von uns zeigt auch nur irgendeine Art von Regung während wir uns angucken. Dieses Ausdruckslose hat was. Nach ein paar Sekunden guckt sie weg. Sehr schön.
Während des ganzen Abends habe ich nicht einmal das Interesse, irgendeine Frau kennenzulernen. Ab und zu gefällt mir immerhin eine und ich schaue ihr eine Weile beim Tanzen zu, bevor ich mich abwende und sie unverzüglich vergesse. Markus hat Spaß, singt und tanzt. Ich stehe einfach nur da und schaue mich um. Wie es aussieht, gibt es nur einen Menschen im FZW, der während der ganzen Zeit weder singt noch tanzt. Dieser eine Mensch, der völlig ausdruckslos dasteht und sich absolut nicht anmerken lässt, dass ihm die Musik gefällt, bin ich. Normal kann ich echt nicht sein.
Um 01.52 Uhr verlassen wir das FZW. Vielleicht komme ich bald wieder. Vielleicht auch nicht.


03. Oktober 2011
An meinem ersten Arbeitstag im Oktober wird mein Büro mit der Bürgerarbeiterin gefüllt. Wie erwartet, ist es nicht die 30 jährige Schnitte, sondern Miss Ibiza. Dabei hätte ich so gerne das süße Schnittchen gehabt. Die Bürgerarbeiterin hat einen Dreijahresvertrag und sagt, dass man ihr gesagt hat, dass ich ihr sagen kann, welches ihre Aufgaben sind. Ich sage ihr, dass ich nicht weiß, was ihre Aufgaben sind. Überhaupt weiß ich nicht viel. Ich weiß nur, dass sie meine Arbeit nicht machen darf und teile ihr das mit. Scheint ihr recht zu sein. Ich erkläre ihr ein paar Abläufe, dann darf sie sich den Rest des Tages an ihren neuen Arbeitsplatz gewöhnen.


Statistik und Konservendosen
Laut Statistik habe ich 63,64% der Frauen mit denen ich Sex hatte im Internet kennen gelernt. Ohne Internetbekanntschaften hätte ich in den letzten vier Jahren nur ein einziges Mal Sex gehabt.
Von den 36,36% der Frauen, die ich nicht aus dem Internet kenne, ging in mindestens 50% der Fälle die Initiative von der Frau aus. Was sagt das jetzt über meine Chancen bei Frauen über mich aus?
72,73% der Frauen mit denen ich Sex hatte, waren zu dem Zeitpunkt in einer Beziehung. Von diesen Frauen trennte sich die Hälfte innerhalb von drei Monaten, nachdem sie etwas mit mir hatten, von ihrem Partner. Was sagt das über meine Sexpartnerinnen aus?
Was will mir diese Statistik sagen? Vermutlich, dass ich schüchtern und verklemmt bin, die größten Chancen bei Frauen habe, die unglücklich in ihrer Beziehung sind, und dass ich ohne das Internet so gut wie kein Sexleben hätte.
Nun frage ich mich, welche Chancen ich nach so einer Statistik habe. Und was ich gegen mein sexloses Singleleben tun kann, falls ich etwas dagegen tun will. Dummerweise habe ich keine Ahnung. Aber ich weiß, dass es nicht gut fürs Immunsystem und sogar ungesund ist, wenn ich daran nichts ändere. Und wer will schon ungesund leben? Andererseits denke ich, dass ich derzeit als Single ganz gut bedient bin. Ich hätte auch gar keine Zeit für so eine Beziehung. Ich arbeite schließlich, bin nach der Arbeit meist müde und muss schon früh ins Bett. Also kann ich in der Woche keine Beziehung führen. Und am Wochenende muss ich mich von der Woche erholen. Da bleibt also auch keine Zeit für eine Beziehung. Dazu kommt, dass ich auch gar nicht weiß, wo ich eine Frau finden kann, die Lust auf einen depressiven Pessimisten und Interesse an einer Rundumbetreuung hat. So Frauen gibt es nur wenige. Wenn man jetzt bedenkt, dass ich Frauen fast grundsätzlich im Internet kennengelernt habe, aber so gar keine Lust mehr auf diese Art der Internetrecherche habe, dann bleiben mir nicht viele Möglichkeiten. Im realen Leben war ich, wie die Statistik beweist, schon immer äußerst erfolglos. Also schließe ich auch dort eine Suche aus. Und im Winter mag ich die Wohnung sowieso nicht so gerne verlassen. Für den kleinen Hunger zwischendurch kann ich ja zur Not immer noch auf die eine oder andere Konserve zurückgreifen. Hoffe ich zumindest, habe aber meine Zweifel, weil ich nicht wirklich viele Konserven zur Verfügung habe. Habe ich überhaupt irgendwo eine Konserve rumliegen? Ich weiß es nicht. Muss ich nachher mal schauen. Wenn ich keine Konserven finde, dann geht mein Immunsystem kaputt, was nicht gut für mich ist.
Die Suche nach einer kompatiblen Frau für mehr als nur Sex, verschiebe ich auf nächstes Jahr. Alles andere würde zum jetzigen Zeitpunkt nur Stress bedeuten. Im Frühling, spätestens Sommer, fange ich mit der Suche an. Und im nächsten Winter habe ich dann wieder eine Frau. Doch falls ich auch im nächsten Jahr nicht in der Stimmung oder in der Lage bin, eine geeignete Frau zu finden, verschiebe ich die Suche einfach auf 2013. Bloß keine Eile. Bringt ja nichts. Und die Statistik spricht eh gegen mich.


07. Oktober 2011
Nach der ersten Woche lässt sich sagen, dass die Bürgerarbeiterin okay ist. Sie stört nicht, unterhält mich, kopiert, scannt und bringt den Müll raus. So mag ich das. Vielleicht ist Bürgerarbeit doch für irgendwen sinnvoll. Vermutlich nicht unbedingt für die Bürgerarbeiter oder Bürgerarbeiterinnen, aber für irgendwen bestimmt.


Nie wieder?
Eine Woche nach meinem Comeback auf dem Fußballplatz, habe ich noch immer Probleme mit meinem Sprunggelenk. Es macht nicht nur einen instabilen Eindruck, es ist auch instabil. Und so knicke ich gelegentlich einfach so weg und habe prächtige Schmerzen. Logischerweise führt das zu erheblichen Zweifeln, was meine Zukunft als Hobbyfußballer angeht. Dachte ich zunächst, ich könnte noch alle zwei bis drei Wochen kicken, so glaube ich nun, dass maximal einmal pro Monat möglich sein könnte.
In der Nacht von Freitag auf Samstag verwerfe ich den Gedanken, je wieder Fußball zu spielen, endgültig. Ich habe derart heftige Schmerzen, dass ich nachts mehrmals aufwache. Es wäre vermutlich mehr als bescheuert, wenn ich in den nächsten Jahren, oder gar in diesem Leben, noch einmal Fußball spielen würde. Mein Original Atletico Madrid Trikot werde ich dem Loerz schenken. Mein Chelsea Trikot mit der Nummer 7 werde ich behalten. Als Andenken an bessere Zeiten. Meine Fußballschuhe werde ich nicht an den Nagel hängen, weil ich denke, dass das irgendwie blöd aussehen werde. Das wäre zu albern und unwürdig. Die Stutzen werde ich irgendwann entsorgen. Die Bandagen behalte ich, weil ich fürchte, dass ich sie noch oft tragen muss. Bei der Krankenkasse werde ich mich in Kürze nach einem Rollator erkundigen müssen. Scheiße, dass alles gefällt mir nicht.


Kein Geld vom Donnervogel
Völlig unüberraschend überweist der Donnervogel mir das Geld nicht zurück. Ich beschwere mich über die völlig unprofessionelle Arbeit des Herrn Donner bei Groupon. Groupon erstattet mir daraufhin den Betrag zurück. Jetzt muss ich nur noch die Folien irgendwie wieder aus meinem Auto entfernen. Das ist doch alles Mist.


Danke
Am Samstag habe ich einen Brief in meinem Briefkasten. Die Absender kenne ich nicht. Gespannt öffne ich den Brief. Darin befindet sich eine Karte auf der „Danke“ steht. In der Karte steht folgendes:
„…, dass Du derzeit nicht weggeschaut hast und mir das Autokennzeichen vom Unfallverursacher auf dem Parkplatz / McFit notiert hast.
Auch wenn es lange gedauert hat, möchten wir uns mit einem kleinen Geschenk bedanken.“
Das Geschenk sind 50€. Weil ich kein sentimentaler Typ bin, bin ich ziemlich gerührt. Und sprachlos obendrein.


10. Oktober 2011
Der Ehrengast ruft an. Er möchte wissen, welchen Anwalt ich ihm für seine Anliegen empfehlen kann. Ich empfehle ihm eine Kanzlei in Dortmund. Kurze Zeit später möchte wer wissen, wie er dahin kommt. Als sein persönlicher Betreuer erkläre ich ihm den Weg. Dafür bin ich schließlich da.


11. Oktober 2011
Seit gestern sind die alleinerziehenden Chaoten wieder im Nebenraum und nerven mich mit ihrem ohrenbetäubenden Lärm. Ich habe das Gefühl, dass deren Dummheit unter der Tür durchkriecht, um von mir Besitz zu ergreifen. Diese Art von Dummheit lehne ich kategorisch ab. Nach einer Weile gibt es einen Streit bei den Chaoten. Die Frau mit den kurzen Haaren, die mit mir Gassi gehen wollte, ist plötzlich sauer, rennt aus dem Klassenraum und sagt, dass sie sich einen Krankenschein nimmt. Das finde ich gut, so bin ich wenigstens vor ihr sicher. Der Lärmpegel bei den Idioten bleibt hoch, obwohl die Dozentin im Klassenraum ist. Hoffnungslose Fälle. Einschläfern könnte helfen, ist aber in Deutschland verboten. Ob ein Klassenausflug in die Niederlande helfen könnte?
Gegen Mittag kommt der Ehrengast. Weil die Anwaltskanzlei, zu der ich ihn gestern geschickt habe, ihm nicht helfen konnte oder wollte, soll ich ihm nun einen Anwalt für Sozialrecht suchen. Mache ich alles sehr gerne für meinen Lieblingsgast. Bevor er geht, erzählt er noch etwas von einem Miethandy. Damit kenne ich mich nicht aus. Und so macht der Ehrengast sich wieder auf den Weg in eine ungewisse Zukunft.


12. Oktober 2011
Am Mittwoch besuche ich das Jobcenter, um meinen Antrag auf Gehaltsaufstockung zu erneuern. Ich erfahre, dass meine Tätigkeit als Weiterbildung geführt wird. Ich bin also gar kein Arbeiter. Das ist fast zu schön um wahr zu sein. Wie soll ich so je wieder eine Frau ins Bett kriegen? Das geht doch gar nicht. Wie soll ich das meinen Eltern erklären, wie meinen Freunden und Bekannten? Drei Monate habe ich allen erzählt, dass ich einen Job habe, dass ich arbeite. Und nun erfahre ich, dass ich an einer Weiterbildung teilnehme. Einer Weiterbildung ohne Dozenten, ohne Unterricht, ohne Zukunft. Nach dem Besuch im Jobcenter bin ich ein gebrochener Mann. Wie kann ich jetzt noch weiter leben? Und wenn ich es kann, wozu? Maximal um einen Weiterbildungsrekord aufzustellen. Das habe ich nicht verdient. Das ist nicht fair. Das kann ich alles gar nicht glauben.


13. Oktober 2011
Am Donnerstag besucht mich die 42 jährige Eulalia, die jedes Mal eine volle Stunde hier sitzt, sich Bewerbungen schreiben lässt und mich dazu vollquatscht. Eulalia ist etwa 1,70m groß, hat schulterlange, braune Haare und eine gute Figur. Leider ist sie ansonsten eher merkwürdig. Sie ist ständig nervös, guckt immer undefinierbar und redet mich in eine Art Wachkoma. Mehrmals im Monat schreibe ich ihr Bewerbungen. Manchmal sogar an dieselben Firmen. Ich glaube, dass sie hochgradig verwirrt ist. Heute sage ich ihr, dass ich noch rauchen will, bevor die nächste Kundin kommt und wir uns deshalb ein wenig beeilen müssen. Als sie gerade gehen will, sagt sie, dass sie auch rauchen will und fragt, ob ich mit ihr draußen rauchen möchte. Ich sage ihr, dass ich immer heimlich auf der Toilette rauche. Die ist echt hartnäckig. Ich vermute, dass sie mich in ihr zu großes Herz geschlossen hat.
Kaum ist sie weg, sitzen die nächsten zwei Besucherinnen, Olga und Wolga, vor mir. Die beiden waren schon letzte Woche hier. In der letzten Woche wollte Olga, die nur einen Teil ihrer Zähne im Mund mit sich führt, dass ich ihr einen Job als Briefzustellerin suche. Andere Jobs kommen für sie nicht in Frage. So konnte ich ihr nur eine Bewerbung schreiben. Nun sitzen sie wieder vor mir. Heute möchte die blonde Wolga, dass ich ihr einen Job im Pflegebereich suche. Wolga riecht dermaßen muffig und sieht dermaßen alt aus, dass ich das Gefühl habe eine etwa 70jährige, verwesende Frau vor mir sitzen zu haben. Dabei ist sie erst 50 und verwest vermutlich noch nicht wirklich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendwann irgendwer einstellt. Müffel-Wolga möchte ihr Abitur nachmachen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass sie das schafft, wünsche ihr aber viel Glück dafür. Ihre Bewerbungsunterlagen soll ich für sie zusammentackern, was ich ablehne. Dann soll ich die Blätter wenigstens mit einer Heftklammer zusammenhalten, damit sie die Blätter am Ende nicht durcheinander bringt. Widerwillig willige ich ein. Als sie die Blätter später beim Einpacken fast zusammenknüllt bin ich selbstverständlich nicht überrascht. Da kann sie ihre Bewerbungen auch gleich im Papierkorb entsorgen. Direkt nachdem Olga und Wolga das Büro verlassen haben, sprühe ich das Büro mit Lufterfrischer ein und wir lüften durch. Wirklich etwas bringen tut es nicht, weil der furchtbare Geruch der Damen einfach nicht verschwinden will und meine Nase noch eine Weile umschmeichelt. Was für eine üble Weiterbildungsmaßnahme das hier doch ist.
Am Nachmittag ruft mich ein Herr Schneider an. Er möchte einen Termin. Wir vereinbaren einen Termin und ich frage nach seinem Vornamen. Corinna. Aber wir haben ihn, also sie, noch unter dem Namen Michael hier gespeichert. Ich bin irritiert und verwirrt. Ich gucke in sein, nein ihr, Profil. Zwei Passfotos. Einmal als Michael, einmal als Corinna. Corinna sieht wie ein geschminkter Michael mit langen Haaren aus. Ich bin sehr gespannt, ob er, oder sie, sich als er oder sie bewerben wird. Ich würde beide nicht einstellen.
Kurz vor Feierabend kommt eine Mitarbeiterin der AWO in mein Büro. Sie erzählt von Leuten, die sie betreut. Sie stellt Fragen, die ich nicht beantworten kann, ist nervös und macht einen verwirrten Eindruck. Sie hat die Ruhr-Nachrichten dabei und schenkt sie mir. Dann fragt sie, ob ich noch mehr davon haben will, weil ihr Wagen voll davon ist. Will ich nicht. Wozu auch? Sie möchte ein paar Flyer mitnehmen, aber da ich nicht genug Flyer habe, nimmt sie gar keine Flyer mit. Anschließend erzählt sie, dass sie gerade geblitzt wurde. Was soll ich mit dieser nutzlosen Information? Alles sehr bizarr. Nach ein paar Minuten muss sie wieder gehen. Vorher bietet sie mir allerdings noch Stadtpläne von Lünen an, weil ihr Wagen voll davon ist. Ich lehne ab, weil ich ihren nutzlosen Müll nicht will. Demnächst will sie wieder vorbeikommen und mir ein paar Menschen, die sie betreut, vorstellen. Ich finde, dass sie Betreuung braucht. Die Frau, ich nenne sie ab jetzt Stadtplanfrau, ist skurriler als meine sonstigen Besucher. Nur, dass sie glaubt, etwas Sinnvolles zu tun.


15. Oktober 2011
Am Samstag erhalte ich Post vom Jobcenter. Mein Antrag ist bewilligt. Ich bekomme monatlich 42€ dazu. Das ist mir zu wenig. Die Erklärung der niedrigen Summe finde ich auf der Rückseite. Es wird ein fiktives Einkommen von 1100 Euro brutto und 900 Euro netto angerechnet. Nach Vorlage der monatlichen Lohnabrechnungen erfolgt dann eine Neuberechnung. Das ist wirklich unglaublich. Denn mein fiktives Einkommen von 1100 Euro brutto ist mein tatsächliches Bruttoeinkommen. Aber statt der fiktiven 900 Euro, habe ich ein Nettoeinkommen von 859,37 Euro. Die dazu gehörenden Lohnabrechnungen liegen dem Jobcenter natürlich längst vor. Wieso also arbeiten die jetzt mit fiktiven Zahlen? Sind die wirklich so beschränkt? Oder machen die das, damit sie auch immer genug zu arbeiten haben? So wird die Gehaltsaufstockung auch weiterhin monatlich neu berechnet und der Differenzbetrag nachgezahlt. Dazu gibt es den üblichen Papier- und Verwaltungskrieg. Mir fehlen die Worte, doch da ich weiß, dass der Wahnsinn in diesem Land einen hohen Stellenwert hat, gebe ich mich mit dem Papierkrieg zufrieden. Wichtig ist nur, dass ich am Ende mein Geld auf meinem Konto habe. Wie kompliziert es wird, kann ich eh nicht beeinflussen. Armes Deutschland.


17. Oktober 2011
Der Ehrengast ist mein erster Anrufer der neuen Woche. Er möchte die Telefonnummer der Caritas. Ich suche sie für ihn raus. Der Ehrengast bleibt mir ein Rätsel.
Eulalia kommt zu Besuch. Eine Bewerbung schreibe ich für sie, dann quatscht sie uns hier im Büro voll. Eine ganze Stunde lang, weil sie sich, wie sie immer wieder betont, hier so wohl fühlt. Kann die sich nicht woanders wohlfühlen?
Der letzte Besucher des Tages will einfach nicht gehen. Er hat viel zu erzählen. Als ich am wenigsten damit rechne, entfernt er mit der Zunge seine untere Zahnreihe und spielt damit rum. Ich will so etwas nicht sehen. Warum tut er das?


18. Oktober 2011
Zwei Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Beide vom Ehrengast. Er möchte, dass ich ihn zurückrufe, weil er mir etwas mitzuteilen hat. Ich soll ihn auf jeden Fall anrufen, weil er nicht zurückrufen kann. Wie fast immer, sagt er seine Handynummer an. Dann sagt er, dass er, wenn ich ihn nicht anrufe, am Nachmittag oder Vormittag bei mir anruft. In der zweiten Nachricht teilt er erneut mit, dass er mich anruft, wenn ich ihn nicht anrufe. Ich finde solche Nachrichten durchaus sinnlos. Aber wen interessiert das schon? Gegen Mittag ruft er an, um mich auf den neuesten Stand zu bringen. Wie immer spricht er in Rätseln. Jedenfalls hat er neue Informationen und fragt, ob er diese der Anwältin mitteilen soll und ob er mich in Zukunft auch weiter zu allen möglichen Themen fragen darf. Ich sage, dass das kein Problem ist und obendrein sehr interessant. Hab ich sie eigentlich noch alle? Vermutlich nicht.
Am Nachmittag kommt der Mann, der jetzt eine Frau ist. Oder die Frau, die früher ein Mann war. Ich kann das nicht genau sagen. Jedenfalls ist er nun offiziell eine sie, was bedeutet, dass er, bzw. sie, nun kein Kaufmann, sondern eine Kauffrau ist, was ich unverzüglich im Lebenslauf ändere. Ich bin etwas irritiert, verhalte mich aber professionell und frage nur, ob ich alle neuen Vornamen angeben soll. Ich soll. Statt eines Markennamens hat sie nun drei Frauennamen. Da konnte sie sich wohl einfach nicht entscheiden. Sie sagt, dass sie Transsexuell ist. So etwas in der Art habe ich mir schon gedacht. Ihre Stimme finde ich etwas unpassend für eine Frau. Aber gut, irgendwas ist ja immer.


19. Oktober 2011
Der Tag verläuft äußerst ruhig. Lediglich die regelmäßigen Anrufe des Ehrengastes bieten etwas Abwechslung. Er möchte ständig Telefonnummern von Neurologen, die ein Gutachten für ihn erstellen sollen. Und nachdem er die Neurologen angerufen hat, berichtet er mir davon. Ob er mich mag?
Ein Mann kommt ins Büro: „Ich komme von Hartz IV. Ich brauche einen Lebenslauf.“ – “ Haben Sie denn Ihre Daten, wann sie was gemacht haben mit?“ – „Nein.“ – „Haben Sie alle Daten im Kopf?“ – „Nein.” – „Wie soll ich dann einen Lebenslauf für Sie erstellen?“ Nun guckt er mich ziemlich sparsam an und hat keine Antwort parat. „Gehen Sie nach Hause und schreiben auf, wann sie was gemacht haben. Dann kommen sie zurück und ich schreibe den Lebenslauf.“ Das findet er gar nicht gut. Das überfordert ihn offensichtlich. Aber was hat er gedacht? Dass ich hier vorbereitete Lebensläufe liegen habe und nur noch den Namen eintragen muss und dann geht es ab? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wiederkommt. Vermutlich wird er woanders versuchen einen Lebenslauf zu bekommen. Oder, was noch wahrscheinlicher ist, er gibt auf. Ich liebe diese hoffnungslosen und hoffnungslos überforderten Fälle.


20. Oktober 2011
Heute ist so gut wie nix los hier. Ich bin teilweise wie gelähmt, starre den Monitor an, die Wand, die Tastatur. Der Bürgerarbeiterin geht es ähnlich. Wir vermuten, dass mit den Räumen etwas nicht stimmt. Irgendwelche Giftstoffe oder etwas in der Art, müssen für unseren Zustand verantwortlich sein. Wir sind nicht einmal in der Lage länger als 25 Sekunden miteinander zu kommunizieren, dann bricht das Gespräch abrupt ab und wir starren irgendwo hin. Vielleicht werden wir in diesem Büro verenden. Vielleicht sind wir es längst.
Am Nachmittag kommt die Zeit der Stinker. Es beginnt mit der Frau, die mal ein Mann war. Sie riecht dermaßen nach Tabak, dass ich überlege, ob ich sie anstecke. Kaum ist sie weg kommt eine 18jährige mit ihrem Vater ins Büro. Sie sieht aus wie ein kleiner, fetter Müllberg, der den ganzen Tag nur ungesunde Nahrung in sich hinein stopft. Und sie riecht nach altem Fett, schlechtem Essen und einer Portion Eigenmief. Ob ihr Vater ähnlich oder anders riecht, kann ich leider nicht beurteilen. Der kleine Miefhaufen möchte bei McDonalds arbeiten. Als was denn? Als altes Fett? Ich schreibe der netten Frau ihre Bewerbung und kann es kaum erwarten, dass sie das Büro verlässt. Nachdem sie das Büro verlassen hat, müssen wir lüften. Die Bürgerarbeiterin, die am anderen Ende des Büros sitzt, reißt unverzüglich die Fenster auf. Ich hole das Impresan Imprägnierspray raus und sprühe die Stühle ausgiebig ein. Dann bade ich meine Hände in Desinfektionslösung. Den Kugelschreiber, den die Dame benutzt hat, tauche ich kurz in die gleiche Desinfektionslösung. Anschließend gehe ich ins Bad, um meine Hände ausgiebig zu waschen. Als ich zurück im Büro bin, stinkt es trotz geöffneter Fenster noch immer so als wären Vater und Tochter noch zugegen. Das ist echt übel. Und kaum sitze ich auf meinem Stuhl kommt der nächste Stinker. Auch er hat einen großartigen Eigengeruch mitgebracht. Er bleibt glücklicherweise nur kurz im Büro. Ich freue mich fast schon, dass er geht, als er mir spontan die Hand hinhält um sich zu verabschieden. Seine Hand ist schön feucht. Kaum ist er aus dem Büro bade ich meine Hand in Desinfektionslösung. Anschließend gehe ich ins Bad, um meine Hände gründlich zu waschen. Zurück im Büro stelle ich fest, dass es, trotz der immer noch geöffneten Fenster, immer noch riecht als wären alle Stinker noch da. Ob die Leute vielleicht biologische Waffen sind, die hier im Büro getestet werden? Ausschließen kann ich es jedenfalls nicht.


21. Oktober 2011
Freitag. 08.37 Uhr. Der einzige Besucher des Tages verlässt das Büro. Gähnende Langeweile bricht herein. Wir sitzen im Büro, starren abwechselnd auf die Uhr oder unsere Monitore. Wir schweigen, starren und wundern uns, dass es so etwas gibt. Wir essen, trinken und warten. Teilweise hört man nichts als das Ticken der Uhr. Hin und wieder schaffen wir ein Gespräch. Dann erstarren wir wieder. Gucken aus dem Fenster, an die Decke, an die Wand. Das Telefon klingelt. Ich schrecke auf und fühle mich belästigt. Anrufe in einer Phase wie dieser sind eine Frechheit. Es ist der Ehrengast. Er erzählt etwas von einer E-Plus Rechnung über 1,34€. Da müssen wir nächste Woche einen Brief schreiben. Er sagt, „Die trete ich in den Arsch“. Das finde ich so toll, dass ich ihm dazu rate, es zu tun. Denn so geht es ja nicht. Er redet immer weiter. Wie eine Wiederholung im ZDF oder eine Endlosschleife. Ich amüsiere mich, weil er auf tragische Art und Weise witzig ist. Als er genug erzählt hat, lege ich auf und starre unverzüglich vor mich hin. Die Bürgerarbeiterin sagt, dass es so in der DDR gewesen sein muss. Die waren auch alle arbeiten und standen oder saßen doch nur rum. Gut möglich, dass sie recht hat. Ich kann nicht weiter darüber nachdenken und starre aus dem Fenster. Das Wetter ist schön, mein Auto sauber. Ich sollte lüften.


24. Oktober 2011
Ständig klingelt das Telefon. Es scheint so als wären die Arbeitslosen aus ihrem Koma erwacht. Obwohl es mich nervt, dass ständig das Telefon klingelt und ein Arbeitsloser nach dem anderen mein Büro betritt, kann ich nicht leugnen, dass der Tag so schneller umgeht. Heute riechen auch nur zwei Gäste unangenehm. Einer davon allerdings so übel, dass ich mich fast übergeben muss. Er riecht als hätte er in Nikotin gebadet und hat einen Mundgeruch als würde in seinem Mund ein Nikotinverwesungslager sein. Das ist echt widerlich. Den Impuls ihn mit irgendeinem Spray einzusprühen kann ich nur mit Mühe und Not unterdrücken. Und weil es so schön läuft, darf der Ehrengast natürlich nicht fehlen. Er ruft an und fragt nach irgendwelchen Namen. Ich verstehe nicht, was er möchte. Er nennt eine Straße. Ich frage, wie man die Straße schreibt, weil ich ihn so schlechte verstehe. „T, dann das O mit den beiden Punkten. Und dann halt so, wie man es spricht.“ Wenn er deutlich sprechen könnte, wüsste ich vielleicht wie man es schreibt, so weiß ich nichts. Nach einigen weiteren Versuchen, weiß ich endlich welche Straße er meint. „In der Töddinghauser Straße 150 gibt es ein Geschäft. Oben. Da sind Leute. Da möchte ich die Namen wissen. Ein Modegeschäft.“ Ich frage nach, welche Namen er wissen will. “Die von die Leute da.” Das bringt mich ganz weit nach vorne. Er möchte in den nächsten Tagen nochmal anrufen, um mich nach den Namen zu fragen. Gute Idee, aber durchaus sinnlos, weil ich nicht weiß, wie ich ihm helfen kann. Vielleicht sollte ich ihm einfach ein paar Namen nennen. Vielleicht aber auch nicht. Was geht nur in seinem Kopf vor?


26. Oktober 2011
Der letzte Tag vor meinem Kurzurlaub. Wie so oft in den letzten Tagen frage ich mich, was später mal aus mir werden soll. Was werde ich nach dieser Maßnahme sein? Ein zufriedener Arbeitsloser? Ein unglücklicher Arbeitsloser? Ein frustrierter Arbeitsloser? Oder ein hoffnungsloser Fall? Vermutlich werde ich ein hoffnungsloser Fall sein, weil ich schon immer ein hoffnungsloser Fall war. Warum sollte sich das auch je ändern?
Die Bürgerarbeiterin und ich wandern mittlerweile gemeinsam durchs Büro. Wie Tiger im Zoo. Aber was sollen wir auch den ganzen Tag machen? Zu tun ist wenig und irgendwann wird es dermaßen langweilig, dass wir einfach aufstehen und verwirrt im Büro auf und ab wandern müssen. Es fehlen nur noch die Besucher, die uns durch die Fenster beobachten und mit Essen bewerfen. Ich hätte jetzt gerne eine Banane. Wenig später sitze ich vor meinem PC und starre auf den Bildschirm. Minutenlang. Die Bürgerarbeiterin malt Bilder aus. Es wird mit jedem Tag wahrscheinlicher, dass wir bald verrückt werden. Wenn wir es nicht längst sind.


Stadtrundfahrt
Am letzten Sonntag im Oktober gönne ich mir zusammen mit Agnes eine Stadtrundfahrt durch Duisburg. Als wir am Abfahrtsort ankommen, sehen wir eine Vielzahl von Menschen, die ebenfalls an dieser Stadtrundfahrt teilnehmen wollen. Meiner Meinung nach zu viele Leute, um einen guten Sitzplatz in dem Doppeldeckerbus zu bekommen. Gut heißt für mich, oben zu sitzen. Leider stehen zu viele Leute vor mir, so dass ich schon etwas frustriert bin. Meine Miene hellt sich auf, als der Busfahrer sagt, dass zuerst die Passagiere einsteigen dürfen, die reserviert haben. Ich habe reserviert. Vollends zufrieden bin ich als der Busfahrer meinen Namen aufruft. Ich werde der Erste sein, der den Bus betritt. Das gefällt mir sehr gut. Ich fühle mich wie ein C- oder D-Promi und steige höchst vergnügt, zusammen mit Agnes, in den Bus. Natürlich setze ich mich auf dem Oberdeck in die erste Reihe. Das nenne ich standesgemäßes Reisen.
Los geht die Stadtrundfahrt. Der Bus fährt mir etwas zu langsam und bleibt schon nach wenigen Metern stehen. Es gibt Erklärungen zu irgendwelchen Gebäuden. Ich dachte, bei einer Stadtrundfahrt wird gefahren. Da habe ich wohl falsch gedacht. Minutenlang stehen wir da und hören uns tot langweilige Fakten an. Ich bezweifle, dass mir das auf Dauer Spaß machen wird. Endlich geht die Fahrt weiter. Wir hören Geschichten vom Herrn Mercator und seinen Leistungen. Mir kommt es vor wie ein langweiliger Schulausflug und ich kämpfe gegen das Einschlafen. Wir erreichen den Hafen. Die Informationen dazu erreichen mich nicht wirklich. Ich glaube, Stadtrundfahrten sind nicht so meine Welt. Es gibt mehrere Stationen an denen man aussteigen kann und bei der nächsten Rundfahrt wieder zusteigen kann. Ich glaube, ich würde gerne aussteigen, aber nicht wieder einsteigen. Der Busfahrer sagt, dass wir gleich eine dieser Haltestellen erreichen. Kaum haben wir die Haltestelle erreicht, hält er für den Bruchteil einer Sekunde an. Soviel zum Thema aussteigen. Hier wird nicht ausgestiegen. Verdammt.
Nächstes Ziel Duisburg-Meiderich. Es gibt eine rührende Geschichte über den MSV. Dann wird die Vereinshymne gespielt. Die Hymne ist furchtbar und könnte ein Grund dafür sein, warum der MSV so schlechten Fußball spielt. Der Bus hält vor dem Stadion damit wir die Hymne am richtigen Ort bis zum bitteren Ende hören können. Verzweifelt sinke ich auf meinem Sitz zusammen. Und dafür habe ich auch noch Geld bezahlt. Später folgen noch Ausschnitte einer Rede von jemandem, der gegen die Schließung irgendwelcher Hochöfen oder irgendetwas Ähnlichem war. Sofort fühle ich mich an eine Rede des Führers erinnert. Der hat auch immer so rumgeschrien. Ob das hier eine Comedyveranstaltung ist? Am Ende der Rede erfahren wir, dass trotz dieser Rede alles stillgelegt wurde. Herrlich sinnlose Informationen und vollkommen überflüssige Rede. Zum Abschluss unserer Reise wird Kommissar Schimanski erwähnt. Ich fürchte schon, dass es nun Ausschnitte aus irgendwelchen Tatortfolgen zu hören gibt, doch davon bleiben wir verschont. Stattdessen sing Klaus Lage ‚Faust auf Faust‘ für uns. Eindeutig besser als Fußballhymnen oder langweilige Informationen. Kurz danach sind die neunzig Minuten um und wir dürfen den Bus verlassen. Ich sage den Mitreisenden, dass ich noch nie eine so langweilige Stadtrundfahrt mitgemacht habe. Ich glaube nicht, dass es irgendeinen der Mitreisenden interessiert. Mir ist das egal, ich musste es einfach loswerden. Ich schnappe mir Agnes, die ebenfalls alles andere als begeistert ist, und wir klettern aus dem Bus. An weiteren Stadtrundfahrten sind wir nicht interessiert.


Wegfahrsperre
Weil ich zu alt für so etwas bin, bringe ich den Benz am Montag zum Polieren nach Eving. Um 16.00 Uhr kann ich ihn abholen. Den ganzen Tag über habe ich ein komisches Gefühl und frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich meine Telefonnummer hinterlegt hätte. Für den Fall, dass irgendwas nicht in Ordnung ist.
Um 16.00 Uhr bringen meine Eltern mich nach Eving. Ich steige aus, meine Eltern fahren weg. Kaum bin ich angekommen, teilt der Chef mir mit, dass er eine schlechte Nachricht für mich hat. Der Benz konnte nicht poliert werden, weil er sich nicht starten ließ. Meine Laune ist schlagartig im Keller. Wir gehen zum Benz und ich versuche die Wegfahrsperre auszuschalten. Nichts passiert. Ich schließe auf, setze mich rein und versuche es erneut. Nichts passiert. Ich vermute, dass die Fernbedienung defekt ist und will es mit dem Ersatzschlüssel, an dem die Ersatzfernbedienung hängt, versuchen. Meine Ersatzschlüssel liegt allerdings bei mir zu Hause. Zu Hause ist etwa 10 Kilometer entfernt. Meine Eltern haben kein Handy. Loerz geht nicht ans Telefon. Alle anderen arbeiten. Ich beschließe mit der Bahn zu fahren. Diese fährt aber nicht, weil eine Oberleitung kaputt ist. Besser kann es gar nicht laufen. Wie oft geht so eine Oberleitung kaputt? Und wie oft kommt es vor, dass mein Benz nicht anspringt? Doch wohl eher selten. Und wie hoch liegt die Wahrscheinlichkeit, dass beides zur selben Zeit passiert? Vermutlich unter 0,5 Prozent. Und ausgerechnet mit passiert so etwas. Das ist doch Scheiße. So beschließe ich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Natürlich versuche ich, währenddessen weiterhin den Loerz zu erreichen. Keine Chance. Ich versuche Petra zu erreichen und habe Glück. Sie ist eben von der Arbeit nach Hause gekommen. Ich bestelle sie nach Eving, um mich abzuholen. Wenige Minuten später sitze ich in ihrem Wagen und wir fahren zu mir. Ich hole die Ersatzschlüssel und will mir noch Batterien kaufen, um defekte Batterien als Ursache auszuschließen. Der Laden, in dem ich mir immer Batterien kaufe, hat ausgerechnet diese nicht vorrätig. Bestellen bringt mir nichts, also gehe ich wieder und versuche es in einem Fotoladen. Dort bekomme ich zwei Batterien für 6,98€. Jetzt weiß ich wieder, warum ich hier sonst nie Batterien kaufe. Auf geht es zurück nach Eving.
Die Ersatzfernbedienung bringt gar nichts. Ich bin ratlos. In zwei Stunden wird der Hof hier abgesperrt. Entweder der Benz ist dann weg oder bis Mittwoch eingesperrt. Von den Leuten, die ihn polieren sollten, ist niemand mehr da. Im Reifengeschäft nebenan räumt gerade ein Mann Reifen um. Ich frage ihn, ob er mithelfen kann den Benz zur Straße zu schieben. Er ist bereit. Wenige Minuten später steht der Benz in einer Nebenstraße. Direkt hinter zwei anderen Mercedes, die nicht mehr fahren können. Ich schaue mich um. Es stehen nur abgemeldete PKWs auf dieser Straße. Gegenüber ist ein Schrottplatz. Ist das ein Zeichen? Muss ich mich heute von meinem 19jährigen Gefährten trennen? Das erscheint mir albern. Schließlich ist das nicht irgendein Benz. Schweren Herzens lasse ich ihn zurück und fahre zur Werkstatt meines Vertrauens. Dort wird mir empfohlen die Wegfahrsperre auszubauen. Finde ich gut, denn die Wegfahrsperre mochte ich noch nie. Jetzt muss ich den Wagen morgen nur noch hierhin bekommen. Weil ich abschleppen per Abschleppseil nicht mag und kategorisch ablehne, beschließe ich, dass sich der ADAC morgen darum kümmern soll.
Am nächsten Tag rufe ich den ADAC an und bestelle einen Pannenhelfer. Dieser kann den Benz natürlich auch nicht starten und bestellt einen Abschleppwagen. Mein Benz gehört definitiv nicht auf einen Abschleppwagen und ich hoffe, dass dies seine erste und letzte Fahrt auf einem Abschleppwagen ist. Vor der Werkstatt wird er abgeladen und nur vier Stunden später kann ich ihn bereits wieder abholen. Nun hat er zwar keine Wegfahrsperre mehr, aber wer braucht schon so einen Unsinn, der obendrein auch noch störanfällig ist und die Mobilität einschränken kann. Ich jedenfalls nicht.

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