Die 3er-Regel
Die ersten drei Treffen mit einer Frau sind entscheidend für alle nachfolgenden Treffen. Eine Frau, mit der bei den ersten drei Treffen nichts läuft, mit der läuft danach auch nie etwas. Dabei ist es vollkommen egal, ob es mir egal ist oder ob ich etwas von der Frau will. Sind die ersten drei Treffen platonisch abgelaufen, bleibt es platonisch.
Eine Frau, die ich bei einem der ersten drei Treffen lediglich geküsst habe, wird ebenfalls nicht in meinem Bett landen. Küsse sind zwar weiterhin möglich, Sex selbstverständlich ausgeschlossen. Einzig mögliche Ausnahme ist, dass es aus unerklärlichen Gründen nicht mit dem Sex klappt während der ersten drei Treffen, man aber vereinbart, dass bei nächster Gelegenheit der Sex nachgeholt wird. Sollte ich also ernsthaft daran interessiert sein, mit einer Frau im Bett zu landen, sind die ersten drei Treffen entscheidend. Danach kann ich es vergessen. Deshalb erzähle ich Frauen, an denen ich auch sexuell interessiert bin, von meiner 3er-Regel. So weiß jede Frau, dass sie maximal drei Chancen hat und sich anstrengen muss, wenn sie Sex mit mir haben will. Klingt vielleicht ein wenig albern, funktioniert aber bisher super.
Notwendige Strukturen
Ich gehöre zu den Menschen, die feste Strukturen zum Überleben brauchen. Alles, was meine Strukturen stört und alles, was zeitlich nicht klar definiert ist oder zu lange dauert, bereitet mir Probleme. So ist ein geordneter Tagesablauf unabdingbar. Das Aufstehen erfolgt immer zwischen 07.00 und 09.00 Uhr. Da ich morgens nicht wirklich essen kann, gibt es immer nur eine Kleinigkeit.
Besonders wichtig ist das Mittagessen für mich. Mittagessen gibt es immer um Punkt 12.00 Uhr und nochmal zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr. Der Ausfall einer dieser beiden Mahlzeiten führt zu ernsthaften Problemen. Zum einen wird meine innere Uhr damit verstellt, zum anderen führt es zu diversen Magenproblemen. Außerdem kann es Depressionen hervorrufen und dazu führen, dass ich vollkommen orientierungslos werde.
Zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr benötige ich mein Abendbrot. Sollte es mir nicht möglich sein, mein Abendmahl zu dieser Uhrzeit einzunehmen, werde ich nervös und grantig. Wenn ich bis spätestens 21.00 Uhr mein Abendbrot nicht eingenommen habe, bekomme ich eine Magenverstimmung und möchte unsympathischen Leuten schlimme Dinge antun. Nach dem Abendessen, aber noch vor 23.00 Uhr muss ich noch einen Snack zu mir nehmen, weil ich sonst nicht einschlafen kann.
Gegen 00.00 Uhr muss ich ins Bett, weil meine Konzentrationsfähigkeit ab 00.00 Uhr rapide nachlässt und die Augenringe meine Optik vollkommen zerstören. Sollte ich einen nächtlichen Ausflug machen, muss ich spätestens auf der Heimfahrt, die möglichst nicht nach 02.30 Uhr stattfinden sollte, eine Banane zu mir nehmen. Sollte ich keine Banane dabei haben, bekomme ich fast immer Depressionen und einen Unzufriedenheitsanfall.
Wichtig ist es außerdem, dass Unternehmungen und Veranstaltungen nach spätestens drei Stunden beendet sind. Am besten ist es, wenn ich nach drei Stunden alleine sein kann. Nach drei Stunden unter Menschen brauche ich Zeit, um mich zu erholen und zu sortieren. Mindestens eine, besser noch zwei Stunden. Alles, was länger als drei Stunden dauert, ist ungesund und zerstört mein inneres Gleichgewicht. Außerdem kann ich mich nur schwer länger als drei Stunden auf etwas konzentrieren. Daher ist es mir auch kaum möglich an Veranstaltungen oder Unternehmungen teilzunehmen, die meinen geregelten Tagesrhythmus und mein inneres Gleichgewicht stören, weil ich meinem Körper einfach keine derartige Belastung zumuten mag und so etwas nur zu Faltenbildung und innerer Unruhe führen würde. Und ich hasse Falten und innere Unruhe, weshalb ich nur selten Dinge unternehme bei denen von vornherein feststeht, dass sie über drei Stunden dauern.
Einladung zum nächsten Kurs
Als mein Telefon klingelt und ich die Nummer von der ARGE erkenne, überlege ich, ob ich nicht besser darauf verzichten sollte, ans Telefon zu gehen. Solche Anrufe sind meist wenig prickelnd und führen nur zu Scherereien. Dennoch entscheide ich mich, mir anzuhören, was man von mir will. Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf. Eine Arbeitsvermittlerin, von der ich noch nie zuvor gehört habe, erzählt mir total begeistert, ich sei auserwählt worden, um an einem neunwöchigen Kurs teilzunehmen. Dieser geht weit über gewöhnliches Bewerbungstraining hinaus, denn es geht darum, die persönlichen Stärken jedes Teilnehmers zu fördern und ihm zu helfen, diese in Vorstellungsgesprächen zu präsentieren. Das ist schon alleine deshalb großartig, weil ich regelmäßig Vorstellungsgespräche habe. Ich habe diese sinnfreien Informationen noch nicht verarbeitet, da erfahre ich auch schon, dass ich täglich von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr an diesem Kurs teilnehmen muss und es schon morgen, am 19. Oktober 2010, losgeht. Das ist mir natürlich zu früh und dauert auch viel zu lange. Außerdem ist jetzt Winter, da pflege ich meinen Winterschlaf zu machen und will nicht um 06.30 Uhr aus dem Bett klettern müssen, um sinnlose Zusatzkosten für die armen Steuerzahler zu verursachen. Als mir abschließend noch mitgeteilt wird, dass die Parkplätze sehr knapp bemessen sind und nur wer zeitig kommt überhaupt eine Chance auf einen der begehrten Parkplätze hat, ist mein Tag endgültig versaut. Warum musste ich nur ans Telefon gehen?
Nina. Teil 4
Die Wahrscheinlichkeit für ein viertes Treffen sinkt rapide als mir Nina mitteilt, dass sie mich bei unserem dritten Treffen gerne geküsst hätte. Nicht, dass ich sie nicht verstehen könnte und grundsätzlich bin ich ja auch begeistert, wenn ich küssen darf, aber in diesem Fall hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Bedeutet es doch, dass unser nächstes Treffen nicht völlig platonisch sein wird. Und außerdem bedeutet es, dass ich mich dann mit dem Thema Mundgeruch auseinanderzusetzen habe. Vielleicht sollte ich sie darauf hinweisen. Möglicherweise ist ihr das nicht bewusst und sie ist dann dankbar für einen Hinweis. Oder aber das geht voll in die Hose. Mist, auf dem Gebiet bin ich echt nicht zu gebrauchen.
Sechs Tage nach dem dritten Treffen teilt mir Nina mit, dass sie bei ihrem Mann ausgezogen und sauer auf ihn ist. Außerdem ist sie gerade wuschig und ich bin der einzige Mann, der derzeit zur Verfügung steht. Es ist ihr auch egal, wenn der Sex schnell vorbei ist. Ihr ist heute alles egal. Da ich schon immer mal Sex mit einer Frau haben wollte, die sauer auf ihren Mann ist, erkläre ich mich bereit mit ihr Sex zu haben, obwohl ich mir sicher bin, dass es mit uns nicht gut klappen wird im Bett und es obendrein einen Verstoß gegen die 3er-Regel darstellt.
Zwei Stunden später steht sie vor meiner Tür. Sie kommt herein und wir setzen uns aufs Sofa. Die Situation ist nicht wirklich entspannt und sie scheint sich auch nicht sonderlich wohl zu fühlen. Fast so, als müsste sie etwas tun, was sie nicht wirklich will. Ihren Mundgeruch hat sie heute auch wieder mitgebracht. Das kann kein guter Sex werden. Aber da müssen wir jetzt durch.
Ihr Mundgeruch stört mich schon sehr beim Küssen, weshalb ich ihr drei Tic Tac gebe. Dummerweise zerkaut sie diese sofort. So können die doch nicht wirken. An weiteren Tic Tac ist sie nicht interessiert. Also stopfe ich mir welche in den Mund und hoffe, dass wir uns nicht zu lange küssen. Dabei ist es höchst unwahrscheinlich, dass es so kommen wird. Wenn ich sie nun auf den Mundgeruch hinweise, wird es keinen Sex geben, was auch blöd wäre, weil ich schon gerne mit ihr schlafen will. Blöde Situation.
Im Bett geht es daher irgendwie unerotisch weiter. Sie zieht sich recht unmotiviert aus und macht nie den Eindruck als würde ihr das Ganze hier Spaß machen. Ich bin wahrscheinlich auch alles andere als motivierend, wie ich hier nachdenke und abwäge. Meine Lust ist trotzdem groß genug für einen Quickie, weshalb wir einfach weitermachen. Dann kommt es auch schon, wie es kommen muss. Das Kondom kommt zum Einsatz kommt, sie setzt sich auf mich und noch bevor sie irgendwas merkt, ist schon alles vorbei und sie verständlicherweise enttäuscht, denn da steht nicht mehr, was man irgendwie gebrauchen könnte. Schlaf hängt das Glied im Kondom im eigenen Saft. Sofort bemüht sie sich, alles wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu bringen, doch das wird scheinbar nichts. Das Arbeitsgerät bleibt erschlafft. Sie scheint es allerdings nicht akzeptieren zu wollen und so versucht sie fast vierzig Minuten alles Mögliche, um auch noch etwas Spaß zu bekommen. Sie versucht es mit der Hand, mit ihren Füßen, die wirklich sexy sind, doch es bleibt ohne Erfolg, obwohl mich das eigentlich anmachen müsste und sonst auch immer zum gewünschten Erfolg führt. Ab und zu beobachte ich sie bei ihren Bemühungen. Es ist klar zu erkennen, dass sie keinen Spaß dabei hat. Warum sie nicht aufgibt, ist mir allerdings ein Rätsel. Da ich nichts weiter vorhabe, lasse ich sie weitermachen, weil es mir, obwohl es zu nichts führt, irgendwie doch gefällt. Vor allem, wie sie es mit ihren Füßen versucht. Unter anderen Umständen würden wir bestimmt Spaß miteinander haben, aber vom Kopf her kann ich mich einfach nicht auf die Situation einlassen. Ich denke, der Mundgeruch hat alles zerstört, denn optisch und von ihren Aktionen her ist das schon reizvoll. Allerdings, und das kommt erschwerend hinzu, sieht sie bei allem nicht aus, als hätte sie Spaß. So kann das einfach nichts werden.
Nach einer Weile fängt sie an mich zu beißen. Anfangs finde ich das noch sehr anregend, doch dann übertreibt sie es irgendwie. Ihre Bisse werden heftiger und schmerzhafter. Zur Krönung beißt sie mir heftig in die Lippe. Nun ist es Zeit zurück zu beißen. Und zum ersten Mal scheint sie Gefallen an dieser Nummer zu finden. Je heftiger ich beiße oder sie anfasse, desto mehr Gefallen scheint sie an der Sache zu finden. Dann eben auf die harte Tour. Scheinbar scheint es mir auch zu gefallen, denn nach einer Weile kommen wir doch noch zu einem Quickie, welcher allerdings ebenfalls sehr schnell vorbei ist und ihr sichtbar wenig Freude bereitet. Das sollte ich echt besser können, doch wenn einmal der Wurm drin ist, welch lustiger Gedanke, dann bleibt er auch drin. Besser wäre es gewesen, wenn etwas anderes länger in ihr geblieben wäre. Sehr bizarr.
Nach unserem merkwürdigen Sex bringe ich sie zurück zur Straßenbahn. Da wäre echt mehr möglich gewesen, weil sie wirklich etwas hat, was mich sehr anmacht. Aber derzeit hat sie leider auch etwas, was die Erotik killt. Hätte ich ihr das sagen müssen? Vermutlich. Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass wir das in dieser Form irgendwann wiederholen wollen, liegt die Wahrscheinlichkeit für ein weiteres Treffen nun bei 12,46%.
Die ersten Schultage
Pünktlich erscheine ich zu meinem ersten Schultag. Das Gebäude, in dem ich von jetzt an regelmäßig zu Gast sein werde, ist verdammt alt. Eine Art Ruine, die derzeit restauriert bzw. saniert wird. Einige Räume sind bereits fertiggestellt, andere sehen aus als würden sie nie mehr fertiggestellt. Es ist verdammt kalt in diesem Gebäude. Unser Unterrichtsraum ist der ausgebaute Dachboden. Zu erreichen ist er über zwei schmale Holztreppen. Der schmale Holztreppenpfad, der in den Raum führt, ist nicht nur sehr kalt, er verströmt auch einen äußerst unangenehmen Geruch und lässt darauf schließen, dass der Unterrichtsraum ebenfalls nicht überzeugen kann. Der Raum ist zwar renoviert, aber unschwer lässt sich erkennen, dass er alt ist und extra für diese Maßnahme, oder wie auch immer man es nennen mag, hergerichtet wurde. Auch hier ist es tatsächlich eiskalt und die Heizungen funktionieren nicht. Der Raum passt somit perfekt zum Flur mit der Holztreppe. Der erste Eindruck ist somit alles andere als überwältigend und lässt Schlimmes erahnen. Die beiden Dozenten wurden erst kurz vor Maßnahmebeginn aus ihrer eigenen Arbeitslosigkeit befreit, um uns durch diese Maßnahme zu leiten. Von geplanten elf Teilnehmern sind sieben anwesend. Einer hat allerdings nur bis 11.30 Uhr Zeit, weil er dann irgendwas anderes zu tun hat. Was auch immer das sein mag, es kann nur besser als das hier sein. Die Dozentin ist eine Sozialpädagogin, die, wie bereits erwähnt, bis vor wenigen Tagen selber noch arbeitslos war. Der Dozent ist Kaufmann, hat zuletzt bei einem Personaldienstleister gearbeitet und dort Personal rekrutiert und vermittelt. Beide haben einen Arbeitsvertrag für neun Wochen bekommen. Das klingt wirklich alles sehr vielversprechend und nach einer gut durchdachten Sache. Weil es so verdammt kalt ist, ziehen wir nach einer Stunde in den EDV-Raum, der gut beheizt sein soll, um. Dort ist es allerdings kein bisschen wärmer. Ich schnappe mir eine Elektroheizung, die irgendwo im Raum steht, stelle sie unter meinen Tisch, lege meine Füße drauf und schaffe es so, nicht zu erfrieren. Der Dozent erklärt uns, wie man die Internetseite der Arbeitsagentur benutzt, um nach Jobs zu suchen. Ich schlafe ein. Der Beginn dieser Maßnahme ist wahrlich bombastisch.
Gegen Mittag ziehen wir erneut um. Diesmal wandern wir ein paar hundert Meter weiter zur VHS. In der dortigen Aula verbringen wir den Rest des Tages und reden über Arbeit. Ich weiß zwar nicht, was das soll, aber ich muss auch nicht alles wissen. Die wichtigste Information für mich lautet, dass jeden Freitag das Fahrgeld ausgezahlt wird. Mehr muss ich heute nicht wissen.
Der Schüler, der immer um 11.30 Uhr gehen muss und wohl ein Architekt ist, zumindest gibt er vor einer zu sein, ist selbstverständlich mittlerweile weg. Dafür ist Sunny jetzt da. Sie kenne ich noch von meiner Umschulung zum Automobilkaufmann. Sie hat ihre Umschulung ein Jahr nach mir begonnen. Da werden wir wohl die nächsten Wochen zusammen hier abhängen. Durch Sunny ist die Optik nun um einiges besser, was aber nicht wirklich dabei hilft, dem ganzen Schwachsinn hier etwas Gutes abzugewinnen. Neben Sunny gibt es noch die Unsichere, die Architektin und drei Männer. Klaus ist 46 Jahre und macht den normalsten Eindruck. Vermutlich reden und sitzen wir deshalb zusammen. Ein anderer Teilnehmer, Apathie, sitzt einfach nur da und starrt vor sich hin. Möglicherweise ist er ein Autist oder ein irgendwie gestörter Mensch. Ein weiterer, Mr. Bean, grinst permanent, hat furchtbaren Mundgeruch und trägt zu kurze Hosen. Keine Ahnung, ob er sich dessen bewusst ist. Da wir insgesamt 20 Teilnehmer werden sollen, bin ich schon sehr gespannt auf die Figuren, die noch nachgeliefert werden.
Durch den Mittwoch, der ebenfalls in der VHS stattfindet, leitet uns Dozentin 2. Sie ist ein echter Sonnenschein und scheint mit sich und ihrem Leben sehr zufrieden zu sein. Aber nur so lange, wie alles nach ihrem Plan läuft und es keine Unstimmigkeiten oder gar Kritik gibt. Und Grund zur Kritik gibt es heute reichlich. Wir beginnen mit L/WP. Das soll die Revolution für die Arbeitslosen sein und Möglichkeiten bieten, die sonst gar nichts bietet. Man muss nur daran glauben. Zunächst wird uns unser Ziel für die nächste Woche erklärt. Wir sollen in einen Betrieb gehen, für den wir aber nicht arbeiten wollen und einem Mitarbeiter dort vier Fragen stellen. Vorher sollen wir uns folgendermaßen vorstellen. Guten Tag. Mein Name ist xxx. Ich mache zur Zeit einen Kurs zur beruflichen Orientierung und möchte mit Menschen sprechen, die als xxx arbeiten. Ich habe vier Fragen zu dem Beruf. Haben Sie einen Augenblick Zeit? Sollte der Mitarbeiter Zeit haben, sollen wir ihm folgende Fragen stellen: 1. Wie sind Sie zu diesem Job gekommen? 2. Was gefällt Ihnen besonders gut an diesem Job? 3. Was ist nicht so gut? 4. Kennen Sie noch Personen, die ich ebenfalls zu diesem Thema befragen kann? Dieses lustige Fragespiel müssen wir zunächst in kleinen Gruppen proben. Da ich alles andere als motiviert bin, spricht mich Dozentin 2 darauf an. Ich erkläre ihr, dass ich von dem System nichts halte und an dem Sinn dieser Fragerei zweifle. Das gefällt ihr gar nicht. Da ich nicht hier bin, um ihr zu gefallen, interessiert mich nicht, dass ihr etwas nicht gefällt. Die nächste Aufgabe ist noch blöder. Wir sollen aufschreiben, was wir an Chefs ätzend finden. Dann sollen wir die drei ätzendsten Eigenschaften bestimmen und dazu die gegenteiligen, positiven Worte beschreiben. Erneut muss ich passen, da mir auch hier der Sinn nicht ersichtlich ist. Danach erklärt Dozentin 2 uns, was wir, wenn wir später spontan in die Betriebe gehen, nachdem wir uns selber zum Vorstellungsgespräch eingeladen haben, dort tun müssen. Wir müssen dem Mitarbeiter mit dem wir gesprochen haben bzw. bei dem wir uns vorgestellt haben, eine Karte schreiben, mit der wir uns für das Gespräch bedanken. Dazu sagt Dozentin 2: „Die Dankeskarten haben eine bestimmte Form. Sie sind bunt.“ Ich sage dazu nichts, denn mir wird es hier gerade eindeutig zu bunt.
Als nächstes sollen wir eine Positiv-Liste erstellen. Um diese voll zu kriegen, bekommen wir einen weiteren Zettel. Den Städte-Zettel mit den Fragen: Wo? Wann? Mit wem? Was habe ich (haben wir) gemacht? Sonstige Erinnerungen? Dazu die Erklärung: Denken Sie bitte an die Städte, wo sie sich gerne aufgehalten haben. Wo war das? Und wann waren Sie da? Ich schreibe Warschau, Gronau, Passau und das ich dort gesoffen habe. Macht zwar keinen Sinn, ist mir aber egal. Der nächste Zettel ist noch absurder. Es ist der Frauen-Zettel mit den Fragen: Wer? Wann? Wo? Was haben wir gemacht? Sonstige Erinnerungen? Dazu die Erklärung: Denken Sie an die Frauen, mit denen Sie in der Vergangenheit angenehme Erfahrungen gemacht haben. Wie hießen Sie? Wenn Ihnen etwas zu den anderen Spalten einfällt, dann können Sie es in den jeweiligen Zeilen ergänzen. Wieso dürfen die die Frauen eigentlich Spalten nennen?
Unter den Aufgabenzetteln steht folgende Erklärung: Diese Blätter sind ausschließlich für ihren Augen. Zu keinem Zeitpunkt im Kurs werden Sie diese Seite vorzeigen. Es stimmt, dass wir die Zettel nicht vorzeigen müssen. Wir müssen lediglich vortragen, was wir geschrieben haben. Entweder ist die Dozentin total verwirrt oder das ganze L/WP ist Scheiße. In ein paar Tagen oder Wochen wissen wir vielleicht mehr.
Am Ende des Tages fragt die Dozentin, wie es uns gefallen hat. Als ich ihr sage, dass mir das alles wie eine Psychotherapie vorkommt, verteidigt sie sich unaufgefordert und teilt uns mit, dass sie gar nicht ausgebildet wäre eine Psychotherapie zu machen und dass niemand gesagt hätte, dass wir eine Psychotherapie bräuchten. Überhaupt ist sie enttäuscht von unserem Lerntempo und der Einstellung von Einigen von uns, weil man so ja nicht ordentlich arbeiten kann und man sich schon ein wenig öffnen muss. Abschließend werden die Unterlagen bzw. Arbeitszettel eingesammelt und eingeschlossen. Meine Unterlagen nehme ich mit nach Hause. Es geht nämlich keinen etwas an, was ich da geschrieben habe und ich traue der Dozentin nicht.
Der Donnerstag findet wieder in der Kältekammer statt. Wir reden über Erwartungen an uns und von uns. Alle frieren und zittern vor Kälte, doch keiner sagt etwas. Also mache ich es und sage, dass ich nicht bereit bin den ganzen Tag in diesem kalten Unterrichtsraum zu verbringen. Da es der Dozentin ebenfalls zu kalt ist, sorgt sie dafür, dass wir ab 11.30 Uhr den Unterricht in der VHS fortsetzen. Ich erkläre mich bereit, so lange zu bleiben, weise aber darauf hin, dass ich danach nie wieder bereit sein werde Unterricht in der Kältekammer zu haben. Daraufhin wird beschlossen, dass wir am nächsten Tag erst um 11.30 Uhr in der VHS mit dem Unterricht beginnen. Und zur Belohnung bekommen wir eine neue Mitschülerin. Eine 47 jährige Astrologin. Mal schauen wozu die gut ist und was für eine Funktion sie hat.
Nachdem wir von der Kältekammer ins die VHS umgezogen sind, werde ich sehr müde. Das Thema des Unterrichts ist noch immer ‚Erwartungen‘. Ich erwarte, dass es nicht besser wird.
Freitag ist Zahltag, denn heute bekommen die Autofahrer ihr Fahrgeld. Die Leute, die mit dem Bus kommen, werden immer schon am Montag bezahlt. Ich bekomme 12,80€ für die vier Tage, die ich es hierher geschafft habe. Später bekomme ich endlich die Broschüre, die das Projekt beschreibt und in der die Unterrichtsinhalte aufgeführt sind:
Mit folgenden Angeboten werden wir Ihnen Wege aufzeigen, Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheidend zu verbessern:
• Kompetenzfeststellung
• Verfahren der Selbstaktivierung
• Kompetenzstärkung
• Gesundheitsförderung
• Individuelle Integrationsberatung und
• Erstellen von Bewerbungsunterlagen
Als Experte in eigener Sache werden sie aktiv Arbeit suchen und nachhaltige Integrationsstrategien entwickeln.
Nachdem ich mir die Broschüre durchgelesen habe, möchte ich mich übergeben. Aber dazu habe ich keine Zeit, weil nun jeder Teilnehmer einen Vortrag halten muss. Das soll uns fit für zukünftige Bewerbungsgespräche machen. Ich wusste gar nicht, dass man mittlerweile bei Bewerbungsgesprächen Vorträge halten muss. Es scheint so als wäre ich nicht mehr auf dem Laufenden. Ich werde das Wochenende nutzen, um darüber nachzudenken.
Agnes 2
Einen Monat nach unserem ersten Treffen kommt Agnes mich besuchen. An ein platonisches Treffen glauben wir beide nach unseren Telefonaten der letzten Wochen nicht wirklich. Vermutlich wäre ein rein platonisches Treffen sogar ziemlich albern.
Um 14.07 Uhr betritt Agnes meine Wohnung und ist nervöser als ich es gedacht habe. Wir setzen uns auf das Sofa und plaudern ein wenig. Um die Situation etwas zu entspannen, nehme ich ihre Hand. Sie ist etwas überrascht von meiner Spontanaktion, doch nach einem kurzen Augenblick rutscht sie näher an mich heran und schon küssen wir uns. Weil ich mein Sofa zwar für optisch gelungen, aber unbequem halte, schlage ich vor, dass wir die Sache im Schlafzimmer fortsetzen. Sie ist einverstanden und wir ziehen ins Schlafzimmer um, wo es direkt gemütlich wird. Alles läuft darauf hinaus, dass irgendwann ein Kondom zum Einsatz kommt. Der Gedanke gefällt mir nicht, denn Kondome machen meist alles kaputt. Doch heute nicht. Wir haben viel Spaß und ich hoffe, dass wir das weiter ausbauen, denn wenn der erste Sex so gut ist, dann ist meiner Erfahrung nach noch viel mehr möglich. Wenn dazu der Einsatz eines Kondoms so problemlos integriert wird, muss es eine Wiederholung geben. Es kommt eben doch darauf an, dass man die richtige Frau mit ins Bett nimmt. Agnes und ich scheinen sehr Bettkompatibel zu sein. Und ihr Hintern fühlt sich echt prima an. Das sollten wir auf jeden Fall wiederholen.
Die zweite Schulwoche
Der erste Tag der zweiten Woche beschert uns Zuwachs. Fünf Frauen und zwei Männer vergrößern den kleinen Kreis. Ein Mann ist ein redender Springbrunnen. Er redet und redet, obwohl er eben erst zur Tür herein kam. Und was für eine Scheiße aus dem heraussprudelt. Einfach Ekelhaft. Er scheint vollkommen durchgeknallt zu sein. Die versprochene, funktionierende Heizung gibt es natürlich nicht. Es ist weiterhin furchtbar kalt. Für mich eindeutig zu kalt, weshalb ich darauf hinweise, dass ich nicht bereit bin, diese Zustände weiter zu akzeptieren. Daraufhin ruft die Dozentin bei Dozentin 2 an und fragt, ob wir in die VHS umziehen können. Können wir. Ab viertel nach elf. Dozentin 1 will uns gerade erklären, dass wir die drei Stunden nun, wie schon letzte Woche, in der Kälte überbrücken werden, als ich sie unterbreche und ihr erkläre, dass ich dies auf keinen Fall tun werde. Gerne bin ich bereit, um viertel nach elf wieder zur Gruppe zu stoßen, aber bleiben kann ich unter keinen Umständen. Sie sagt, dass es meine Entscheidung ist. Natürlich ist es meine Entscheidung und so verlasse ich die Kältekammer. Warum alle anderen in der Kälte bleiben, ist mir allerdings ein Rätsel. Menschen sind echt merkwürdig.
Als ich um viertel nach elf wieder zur Gruppe stoße, schaue ich mir meine Leidensgenossen, besonders die Neuen, genauer an. Der sprechende Springbrunnen trägt eine Brille, nicht wirklich gut sitzende Jeans und sieht aus als hätte er es nicht leicht gehabt in seinem bisherigen Leben. Er ist schon bei fast allen unbeliebt und wird es hier wohl auch nicht leicht haben. Vielleicht sollte man ihn einschläfern. Der zweite Mann sieht aus wie Gerd Baltus. Er ist ebenfalls eine Nervensäge und trägt, wie unser Mr. Bean, zu kurze Hosen. Vermutlich haben beide denselben Schneider. Oder sie kaufen clever bei KIK. Ich kann allerdings nicht verstehen, wieso erwachsene Männer sich zu kurze Hosen kaufen und mir nicht vorstellen, dass Hosen mit der passenden Länge teurer sind. Also warum kaufen die beiden sich zu kurze Hosen? Der sprechende Springbrunnen, Gerd Baltus und Mr. Bean haben sich scheinbar gesucht und gefunden. Sie bilden erst mal die Gruppe der Außenseiter. Daneben gibt es noch Klaus und Apathie. Klaus ist ein paar Jahre älter als ich und macht den vernünftigsten Eindruck. Apathie ist ein besonderer Fall. Er spricht weiterhin sehr wenig und schaut äußerst verunsichert hinter seiner Brille hervor. Sein Lachen klingt etwas merkwürdig. Letzter Mann im Team ist der Architekt. Er ist türkischer Abstammung und mit Mundgeruch zum Weglaufen ausgestattet. Außerdem spricht er etwas undeutlich, so dass man oft nicht versteht, was er von einem will. Ob es Taktik oder eine Störung ist, kann ich nicht beurteilen.
Zeit einen Blick auf die neun Frauen zu werfen. Es gibt die kleine Architektin, die einen etwas ungepflegten Eindruck macht, eine unfassbar schlechte Grammatik hat und deshalb auch nicht wirklich leicht zu verstehen ist. Wir haben also zwei Architekten türkischer Abstammung hier, die nur schwer zu verstehen sind und üblen Mundgeruch haben. Es scheint fast so als hätten türkische Architekten, die schwer zu verstehen sind und dazu furchtbaren Mundgeruch haben, in Deutschland Schwierigkeiten einen Job zu finden. Sehr interessant. Doch zurück zum Thema. Ich will mir ja die anderen Teilnehmerinnen genauer anschauen. Neben der Architektin gibt es die Schüchterne, die immer senge Pullis trägt, die ihre durchaus ansprechende Figur betonen. Aus der Figur könnte man sicher etwas machen. Dann gibt es da noch Sunny, die optisch gelungen ist, allerdings für meinen Geschmack zu große Brüste hat. Dazu kommt die Astrologin, die schwer einzuschätzen ist, sich hier aber vermutlich auch nicht wohl fühlt. Und seit heute gibt es noch die Blonde mit dem Oberlippenflaum und dem dicken Hintern. Dazu eine dicke Blonde mit kurzen Haaren und Trommelfell tötender Lache. Daneben gibt es noch die Dicke mit den rot gefärbten Haaren und die Lesbe mit dem praktischen Kurzhaarschnitt und der furchtbaren Stimme. Diese vier bilden auch sofort eine Einheit. Eine überflüssige Einheit, wie ich finde. Und als Bonbon gibt es noch die kleine, hübsche Frau, die ich schon öfter mal irgendwo beobachtet habe. Ich weiß allerdings nicht mehr, wo ich sie schon sah. Ich werde sie in den nächsten Tagen beobachten und dann entscheiden, ob ich Verwendung für sie habe und in welche Gruppe sie eingeordnet wird. Die alten Teilnehmer sind der Meinung, dass die neuen Teilnehmer, besonders die beiden Männer, die Harmonie der Gruppe vollkommen zerstört haben. Sehe ich auch so.XXX
Der Unterricht ist erneut gigantisch. Zunächst reden wir über die Ansprüche der Arbeitgeber, dann kommen wir zum Thema Gesundheitsförderung. Dort erfahren wir, dass Arbeitslosigkeit depressiv machen kann und gesunde Ernährung und Sport wichtig sind. Das hätten wir ohne diesen Unterricht sicher nicht gewusst. Der sprudelnde Sprechbrunnen hat permanent etwas mitzuteilen und nervt tierisch. Ich möchte ihm am liebsten meinen Kugelschreiber ins Auge rammen. Wieder und wieder. Da man so etwas aber nicht macht, stelle ich mir vor, dass ich mir nun den Kugelschreiber in den Hals ramme. Wieder und wieder. Bringt mich aber auch nicht weiter. Abschließend machen wir noch ein paar Tests. Da die meisten nicht in der Lage sind, diese Tests in der vorgegebenen Zeit zu schaffen, verlängert die Dozentin die Zeit einfach beliebig. So machen die Tests gleich doppelt so viel Sinn. Und am Ende haben alle ganz hervorragende Testergebnisse, was gut fürs Selbstbewusstsein ist. Sehr clever. Meine Frage, ob wir morgen mit einem beheizten Klassenraum rechnen können, bleibt unbeantwortet. Das lässt auf einen kurzen Unterrichtstag hoffen.
Der Dienstag beginnt mit einer Überraschung. Zwei der vier Heizungen sind lauwarm. Die Dozentin ist entzückt und freut sich. Die freut sich scheinbar über jeden Scheiß. Aber nur bis ich ihr sage, dass die anderen Heizungen gar nicht funktionieren und es nicht wirklich warm ist. Eine Stunde später ziehen wir in die Aula der VHS um. Wirklich warm finde ich es dort mittlerweile auch nicht mehr.
Gegen 10.00 Uhr sind auch die Langschläfer eingetroffen und die Gruppe ist komplett. Aber nur bis 10.30 Uhr. Dann muss der Architekt wieder zu seinem 400€ Job. Ich frage mich, warum jemand, der einen 400€ Job hat und täglich um 10.30 Uhr weg muss, einen solchen Kurs finanziert bekommt? Dumm, dümmer, ARGE?
Die Unterrichtsthemen sind erneut vielfältig. Stress, Bewerbungen, Lebensläufe, Aufstockung. Alle wichtigen bzw. neuen Informationen sind in 20 Minuten durch. Alles andere ist Quälerei. Gegen Mittag sind meine Füße fast abgefroren und die Kälte wandert langsam höher. Ich hasse das. In einer Pause sagen Sunny und ich dem plappernden Springbrunnen, dass er ein hoffnungsloser Fall und ein Quatschkopf ist. Keine Ahnung, warum wir das tun. Vermutlich musste es einfach raus. Die Architektin scheint mich aus unerklärlichen Gründen in ihr Herz geschlossen zu haben. Sie redet viel mit mir. Da sie unter Mundgeruch leidet, werfe ich einen Blick auf ihre Zähne. Diese sind eindeutig schlecht gepflegt. Zahnbelag ist deutlich zu erkennen, was nicht schön ist, aber zum Gesamteindruck passt. Schade eigentlich.
Nach der Pause geht die Quälerei weiter. Mit jeder Minute wird der Vortrag vom Dozenten langweiliger und die Müdigkeit größer. Mir gegenüber sitzt die Hübsche. Sie schafft es, ebenso wie ich, kaum, die Augen aufzuhalten. Die Zeit, in der ich meine Augen offen halten kann, nutze ich, um sie anzuschauen. Sie ist echt attraktiv. Dummerweise bleibt mein Spannen nicht unbemerkt. Irgendwie bin ich schon etwas peinlich. Aber sie ist halt eine Frau zum angucken und sonst bietet die Maßnahme mir ja auch nichts. Die letzten zwei Stunden tun schon fast weh. Müdigkeit und Kälte haben mich fest im Griff. Ich möchte nur noch schreien. Oder sterben. Oder beides.
Nach dem Unterricht fahre ich direkt zu meinen Eltern und nehme ein heißes Bad. Ein paar Minuten später ist mir zum ersten Mal seit Stunden warm. Herrlich.
Der Mittwoch geht als erster Tag, an dem die Heizungen funktionieren, in die Geschichte ein. Alles was sonst passiert, kann man getrost vergessen. Wir unterhalten uns zunächst erneut über das Thema Stress. Später muss die Architektin tun, als hätte sie ein Vorstellungsgespräch. Nach ihr darf die Lesbe dieses so sinnvolle Vorstellungsgespräch proben. Mehr passiert bis zum Mittag nicht.
In der Mittagspause spreche ich die Hübsche im Vorbeigehen an. Nur ein kurzer Satz, um ihre Reaktion zu testen. Sie reagiert, wie sie immer reagiert, wenn sie jemand anspricht. Sie lächelt freundlich. Mehr hatte ich auch nicht von ihr erwartet. Nach dem Mittag kommt der sprudelnde Sprechbrunnen in den Klassenraum und erzählt uns, dass er die Toilette verstopft hat und das dort alles voll Scheiße ist. Ich sage ihm, dass ich seine Toilettengeschichten nicht hören will. „Bist Du so empfindlich?“ – „Nein, aber ich interessiere mich nicht für Deine Scheiße!“ Was für ein Vollidiot. Und da ich gerade dabei bin, sage ich ihm, dass er nicht so viel Fernsehen soll, dass ich ihn für einen unfassbar unzufriedenen Menschen halte und dass er vom vielen Fernsehen nur noch frustrierter wird. Er sagt, dass er gut damit leben kann. Aber nicht mehr lange, wenn er so weiter nervt.
Der Unterricht erreicht danach einen weiteren Tiefpunkt. Thema: Essen ist Leben. Wir sollen alles dazu aufschreiben, was uns dazu einfällt. Klaus und ich schreiben gar nichts auf. Die Hübsche verzichtet ebenfalls auf diesen Unsinn. Später schreibt die Dozentin alle Dinge, die meine fleißigen Mitschüler zusammengetragen haben, für uns alle auf. Allerdings nicht, ohne über jede Einzelheit zu diskutieren. So erfahre ich von der Architektin, dass der Koran nicht von Menschen geschrieben wurde. Meine Frage, ob es Außerirdische waren, bleibt leider unbeantwortet. Sehr schade. Die Dozentin kommt mir auch immer merkwürdiger vor. Ständig fragt sie „Ist das so?“, hält dann inne, versinkt in irgendwelchen Gedanken, um dann nach einer Weile des Stillstands weiterzumachen. Irgendwie macht mir das Angst. Nachdem wir uns über eine Stunde über das Thema Essen unterhalten haben, steigern wir den belanglosen Kram ein weiteres Mal und erstellen eine Liste. Darauf schreibt die Dozentin alle Dinge, die man zum Frühstück essen kann. Und alle Dinge, die man zum Mittagessen kann. Und die Dinge, die man zum Abendbrot essen kann. Außerdem alles, was man als Zwischenmahlzeit und/oder später vor dem Fernseher essen kann. Ich sitze fassungslos in der letzten Reihe und versuche, nur mit der Kraft meiner Gedanken, einige Köpfe platzen zu lassen. Es gelingt mir nicht. Die Dozentin scheint allerdings ihren Spaß zu haben. Was für Drogen die sich wohl einwirft?
Der Donnerstag beginnt mit einem total verschwitzen Klaus. Er hat die Kälte der letzten Tage wohl nicht verkraftet und sich trotz Fieber hergeschleppt. Das gefällt mir absolut nicht. Die Ansteckungsgefahr erscheint mir zu groß, weshalb ich ihn auffordere, sich abzumelden und zum Arzt zu gehen. Glücklicherweise ist er einsichtig und kommt meiner Aufforderung nach. Nachdem Klaus gegangen und Sunny nicht erschienen ist, stelle ich mich auf einen ruhigen Tag ein. Doch es kommt alles ganz anders. Zunächst erscheint die Architektin, doch anstatt sich, wie sonst üblich, neben die Unsichere zu setzen, nimmt sie neben mir Platz. Das kommt gar nicht gut, weil sie nicht wirklich frisch riecht und Mundgeruch hat. Außerdem nötigt sie mich immer dazu mit ihr zu reden. Das wollte ich doch heute vermeiden. Wenig später erscheint Sunny. Sie war wohl etwas müde und hat sich deshalb verspätet. Das erste Unterrichtsthema bekomme ich nicht wirklich mit, weil ich gedanklich ganz woanders bin. Vermutlich ist es irgendwas Sinnfreies. Das nächste Thema ist der Hartz IV Satz. Wir versuchen herauszufinden, ob 30,50€ für Lebensmittel in der Woche ausreichend sind. Dazu sollen wir in verschiedene Geschäfte gehen, die Preise vergleichen und eine Einkaufsliste erstellen. Die Aufgabe stößt auf wenig Begeisterung. Lediglich die drei Aussätzigen wollen gemeinsam Preise vergleichen. Da es kaum etwas Schlimmeres als diesen Unterricht hier gibt, bilden Sunny und ich spontan eine Gruppe, um wenigstens für eine Weile hier raus zu kommen. Wir verlassen den Unterricht und fahren zu KAUFLAND, wo wir zunächst einen Gratiskaffee mit Sirup trinken und anschließend eine Einkaufsliste erstellen. Ist zwar irgendwie lächerlich, aber deutlich unterhaltsamer als der schwachsinnige Unterricht. Und ich muss zugeben, dass es mir durchaus gefällt mit einer attraktiven, jungen Frau alleine unterwegs zu sein. Als wir zurück sind und auf unseren Plätzen Platz genommen haben, wird gerade der Klassenraum gelüftet. Der Luft kommt rechts herein und muss links wieder heraus. Dummerweise sitzt rechts von mir die Architektin. Und so bekomme ich statt frischer Luft bei jedem Luftzug eine ordentliche Portion Architektinnenmundgeruch, der sich während meiner Abwesenheit prächtig weiterentwickelt hat, ab. Kurz bevor ich daran verende, schließt jemand die Fenster. Das war verdammt knapp.
Um 13.00 Uhr soll es in der VHS mit L/WP weitergehen. Überraschenderweise fehlt Dozentin 2. Die Dozentin, die gegen 13.15 Uhr in der VHS eintrifft, ist über das Fehlen von Dozentin 2 überrascht und ruft diese an, um festzustellen, was das Problem ist. Ich vermute, dass Dozentin 2 verwirrt ist und sich vor uns versteckt. Ob ich Recht habe erfahren wir leider nicht. Wir erfahren lediglich, dass Dozentin 2 den Tag wohl anders geplant hat und nicht mehr erscheinen wird. Die muss mehr als verwirrt sein. Weil Dozentin 2 nun auch nichts mehr mit uns anzufangen weiß, schlägt sie vor, dass wir gemeinsam in die Stadt gehen. Ich verliere kurz die Kontrolle und sage, dass ich auf einen Behindertenausflug keine Lust habe. Ein Raunen geht durch die kleine Gruppe und ich werde arg merkwürdig angeschaut. Die sind echt empfindlich, diese beschränkten Arbeitslosen. Da die anderen Behinderten, ebenso wie ich, keinen Ausflug machen wollen, dürfen wir um 13.45 Uhr nach Hause. Jetzt kann der Tag doch noch schön werden.
Am Freitag ist der EDV-Tag. Dazu ziehen wir in den unbeheizten EDV-Raum. In dem Raum stehen 13 Computer. Leider funktionieren nur 7 davon. Aber auch nur etwa eineinhalb Stunden, dann verweigern sie den Internetzugang. Somit ist das Thema durch und wir können uns mit noch wichtigeren Themen beschäftigen. Dem Bewerbungsanschreiben in der Theorie und Arbeitsverträgen. Letzteres macht besonders viel Sinn, da wir von einem Arbeitsvertrag in etwa so weit entfernt sind, wie die Sonne vom Mond.