Nächste Zahlungsaufforderung des Finanzdienstleistungsunternehmens
Kaum beginnt der März, schon finde ich die Antwort zu meinem Schreiben vom 25.01.2006 in meinem Briefkasten. Die Forderung ist unverändert. Die 740,64€ sollen bis zum 13.03.06 an das Finanzdienstleistungsunternehmen überwiesen werden. Natürlich halte ich die Idee für Schwachsinnig und werde erneut an das Finanzdienstleistungsunternehmen schreiben und mitteilen, dass ich auch weiterhin nicht einverstanden bin. Parasiten. Das kommt davon, wenn man sich mit so Finanzexperten einlässt, wenn man selbst keine Ahnung von Finanzen und so Zeug hat. Ich bin echt zu blöd für diese Welt.
Letzter Arbeitstag?
Laut Vertrag ist heute mein letzter Arbeitstag. Demnach bin ich ab morgen wieder arbeitslos. Wie in alten Zeiten. Aber vielleicht kommt ja auch alles anders. Wer weiß das schon? Ich mache mich jedenfalls ordnungsgemäß auf den Weg zur Arbeit und gucke was passiert. Pünktlich schließe ich, vermutlich zum letzten Mal, die Filiale auf und frage mich, warum ich überhaupt noch herkomme. Man will mich hier nicht, wieso also komme ich her? Noch bevor ich eine Antwort finde kommen die ersten Kunden. Kaum sind die Kunden weg, da klingelt das Telefon. Es ist der Bezirksleiter, der mir mitteilt, dass er gleich vorbei kommen wird. Hat also er die Aufgabe, mir mitzuteilen, dass ich nicht mehr gebraucht werde. Einer muss es ja tun und er hat mich schließlich auch eingestellt, da ist es nur konsequent, wenn er mich auch entfernt.
Noch bevor der Bezirksleiter mich besucht, um mir mitzuteilen, dass ich nicht mehr benötigt werde, betreten meine vermutlich letzten Kunden den Laden. Während ich sie berate, erscheint auch der Bezirksleiter. So sieht also jemand aus, der einem mitteilen wird, dass man nicht gut genug ist, um weiter beschäftigt zu sein. Er sah schon mal fröhlicher aus. Er setzt sich an die Kasse, während ich dem älteren Ehepaar, meinen letzten Kunden, Waren im Wert von über 1300€ verkaufe. Nicht unbedingt schlecht für einen schlechten Verkäufer. Die Kunden fragen, ob ich auch in Zukunft ihr Ansprechpartner sein werde und ich lüge sie an, anstatt ihnen zu sagen, dass ich in wenigen Augenblicken nicht mehr hier beschäftigt sein werde. Ich bin ein Feigling, aber ein Feigling, der ein letztes Mal eine gute Provision verdient hat. Die Kunden verabschieden sich und auch meine Verabschiedung steht kurz bevor.
Es ist 11.15 Uhr als mein Bezirksleiter mir mitteilt, dass mein Vertrag nicht verlängert wird und er liefert mir die Begründung, welche mir besonders gut gefällt, gleich mit. Ich sah beim letzten Seminar so unmotiviert aus, dass Herrn A., der ja auch sein Vorgesetzter ist, keine andere Wahl blieb als meinen Vertrag nicht zu verlängern. Sehr witzig. Herrn A. hat also meine Visage nicht gefallen, vielleicht war es auch die Kleidung. Genau festlegen will sich der Bezirksleiter nicht. Möglicherweise hat Herr A. auch gemerkt, dass ich ihn für einen unfähigen Trottel halte. Vielleicht hätte ich ihn nicht immer so fragend und angewidert anschauen sollen, wenn er irgendeinen Müll erzählt hat. Oder lauter über seine flachen Witze Lachen sollen. Wenn er doch nur ein wenig witziger gewesen wäre. Dummerweise kann ich mich nicht anders verhalten, wenn ich jemanden für einen Blödmann halte. Nur gut, dass man mir sonst scheinbar nichts vorzuwerfen hat. Ein zwei Gesichtsoperationen, bei denen ich mir ein Grinsegesicht modellieren lasse, dann bewerbe ich mich vielleicht erneut irgendwo. Nun bin ich also tatsächlich wieder arbeitslos und habe plötzlich irgendwie Lust etwas kaputt zu machen. Das mache ich aber nicht, weil es nicht meine Art ist. Daher verabschiede ich mich ordnungsgemäß von meinem Bezirksstellenleiter und mache mich auf den Weg zurück ins Leben eines Arbeitslosen. Da kenne ich mich eh viel besser aus.
Normalerweise machen mir Entlassungen nichts aus, doch irgendwie war der Job wie für mich geschaffen. Ich musste lediglich dreißig Stunden in der Woche arbeiten und an der Tätigkeit gab es auch nicht wirklich etwas auszusetzen. So hatte ich nebenher noch genügend Zeit, um Filme zu gucken und merkwürdige Berichte zu verfassen. Und mit dem Geld, welches man mir für meine Dienste zahlte, konnte ich mir hin und wieder ein paar sinnlose Dinge gönnen. Alles in allem ein angenehmer Job. Ich sollte wirklich langsam lernen meine Meinung über Vorgesetzte nicht immer so deutlich mitzuteilen. Etwas mehr Zurückhaltung und ein gewisses Maß an Vernunft können manchmal nützlich sein. Aber leicht wird das nicht, wenn ich mal wieder einen so dummen Vorgesetzten habe. Ich finde, dass man dumme Vorgesetzte verbieten sollte. Die Gefahr, dass ich in nächster Zeit wieder einen dummen Vorgesetzten habe, ist zum Glück nicht besonders hoch, da ich von einer länger andauernden Arbeitslosigkeit ausgehe.
Inflation?
Als ich mir 1999 vor lauter Langeweile beim Zahnarzt zwei voll verblendete Kronen einbauen ließ kostete mich der Spaß 440 DM (224,97€) Zuzahlung. Als ich vor ein paar Tagen mal wieder Lust auf zwei neue Kronen hatte (dieses Mal aber wollte ich nur eine voll verblendete und einen schönen Goldzahn) kostete mich das Ganze 548,19€. Das sind nur knapp 143,67% mehr als 1999. Im Jahre 2013 wird der Spaß vermutlich 1335,77€ kosten. Gut, dass ich mir das schon jetzt gegönnt habe.
Hartz IV Antrag
Da gestern und heute Vormittag das Rathaus für Hartz IV Empfänger verschlossen war, muss ich mich leider am Nachmittag auf den Weg machen, um meinen Antrag auf Hartz IV (offiziell heißt es ALG II) zu holen. Ab 13.30 Uhr sollen die Türen geöffnet sein und als ich um 13.20 Uhr ankomme sind schon unglaublich viele Menschen dort. Für mich sind laut Aushang die Räume 26-32 geöffnet. Da die Wartschlange vor Raum 26 am kürzesten ist, entscheide ich mich dort zu warten. Nachdem dreißig Minuten lang nichts passiert, ergibt sich die Möglichkeit den Mann aus Raum 26 zu fragen, wann man denn eintreten kann. Er macht mir unverzüglich klar, dass man bei ihm gar nicht eintreten kann, denn an seiner Tür befindet sich kein Schild mit den Öffnungszeiten und somit hat er auch gar nicht geöffnet. Das ist jetzt irgendwie blöd. Kurz darauf stelle ich fest, dass nur die Räume 30 und 32 für Leute wie mich geöffnet sind und habe zugleich die Erklärung für die unendlichen Warteschlangen vor eben diesen Räumen. Nachdem ich zehn Minuten vor Raum 30 warte und nichts passiert, beschließe ich ein wenig in die Stadt zu gehen und etwas zu trinken.
Nach etwa einer Stunde komme ich zurück ins Rathaus. Es ist nun ziemlich leer vor den Türen geworden. Vor Raum 30 steht der Typ, hinter dem ich vorher schon warten durfte und so stelle ich mich erneut hinter ihm an. Als ich endlich an der Reihe bin bekomme ich unzählige Formulare und einen Termin für den kommenden Dienstag. Dummerweise habe ich während des ganzen Wartens vergessen, dass meine Parkzeit begrenzt ist. Und so habe ich selbstverständlich an meinem Scheibenwischer einen feinen Strafzettel kleben. Alles in allem also ein rundum gelungener Tag und ein angemessener Einstieg in mein neues, altes Leben als Arbeitsloser.
Disko
Traditionell gehe ich einmal im Jahr in die Disko. Heute ist es wieder soweit und wir fahren ins Prisma. Positiv finde ich, dass es nicht zu voll ist, dass ich nicht der älteste Anwesende bin und dass die Musik sehr gut ist. Was mir nicht so gut gefällt ist die hohe Anzahl an attraktiven Menschen. Neben all diesen Personen fühle ich mich mit meinem beschissenen Gesicht selbstverständlich nicht ganz so wohl. Dennoch bleibe ich über vier Stunden.
Mittlerweile habe ich fast alle traditionellen Unternehmungen für dieses Jahr abgeschlossen. Dabei ist es erst März.
Zufall?
Genau heute vor 18 Jahren war der Tag der Erstzulassung bei meinem Ford Sierra. Und heute melde ich meinen neuen Gebrauchten an. Bei beiden Autos wohnte der Erstbesitzer in Hattingen. Somit wurden beide erstmalig im Ennepe-Ruhr-Kreis zugelassen. Ich finde das irgendwie erstaunlich. Dabei ist das vermutlich gar nichts Außergewöhnliches. Oder doch? Jetzt muss ich nur noch jemanden finden, der mir meinen alten Sierra abkaufen will.
Mein neues Auto
Nachdem ich meinen Wagen, ein rotes Hyundai Coupé, abgeholt habe, führt mich meine erste Fahrt direkt in die Waschstraße. Danach geht es ab in die Garage. Dort baue ich zunächst die Heckleuchten aus, um alles sauber zu machen. Später poliere ich den Kofferraum, natürlich von innen. Was ich als nächstes putze, weiß ich jetzt noch nicht, aber es wird sich sicher etwas finden, da der Wagen doch nicht so gut gepflegt ist, wie ich es mir erhofft hatte. Ich schätze, Anfang nächster Woche werde ich dann das nächste Mal, vorausgesetzt es regnet nicht, mit dem Coupé fahren. Gut, dass ich meinen Sierra noch nicht abgemeldet habe. Sonst müsste ich noch laufen.
Verkauft
Nun habe ich nur noch ein Auto, denn meinen Sierra habe ich gerade verkauft. Dabei war es doch so cool, arbeitslos zu sein und zwei eigene PKWs zu haben. Jetzt muss ich mein Hyundai Coupé unverzüglich weiter putzen und polieren damit es in einen angemessen Zustand versetzt wird. Gut, dass man als Arbeitsloser so viel Zeit für so einen Unsinn hat.
Meine letzte Gehaltsabrechnung
Meine letzte Gehaltsabrechnung gefällt mir nicht. Ich bin mir sicher, dass mir eine höhere Provision zusteht. So wenig habe ich nämlich nicht verkauft. Ich glaube, die wollen mich verarschen. Bestimmt eine Idee des verwirrten und überflüssigen Gebietsleiters. Glücklicherweise kann ich nachweisen, dass mir etwa 100€ zu wenig ausgezahlt wurden. Also schreibe ich an die Buchhaltung und frage nach, was da wohl schiefgelaufen ist. Wenige Tage später ist das Geld auf meinem Konto. Na also, geht doch. Damit ist das Kapitel Matratzenverkäufer endgültig abgeschlossen.
Strafbefehl für den Volksverhetzer
Am 28. März 2006 erhalte ich meinen Strafbefehl wegen Volksverhetzung.
in der Zeit von 2001 bis zum 27.09.2005
in Lünen und anderen Orten
Schriften, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung bestimmte Gruppen aufstacheln und die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich und verleumdet werden, verbreitet zu haben.
Ihnen wird folgendes zur Last gelegt:
Als Betreiber der Homepage www.drschwein.de stellten Sie im Jahr 2001 das Gedicht „Der Asylbetrüger in Deutschland“ ins Internet ein. Das so für jedermann bis zur Entfernung am 27.09.2005 von der Homepage zugängliche Gedicht stellt die Asylbewerber in Deutschland als Betrüger, „Schmarotzer“ und Straftäter dar, denen das Lebensrecht in Deutschland abgesprochen wird.
Vergehen nach § 130 Abs. 2 StGB.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen Sie eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 EUR (800 EUR) festgesetzt.
Zugleich werden Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Ihre eigenen Auslagen haben Sie selbst zu tragen.
Es lässt sich nicht mehr leugnen. Ich bin nun per Gesetz ein Krimineller. Ein echter Volksverhetzer.
Da ich mittlerweile auch wieder zu den Arbeitslosen gehöre, lege ich selbstverständlich gegen die Höhe der Tagessätze Einspruch ein. Ein weiterer Anwalt, den ich wegen dieser Sache aufsuche, rät mir es dabei zu belassen, da alles andere wenig Aussicht auf Erfolg hat.
Einigung mit dem Finanzdienstleistungsunternehmen
Nach einigen Briefen, die wir uns kurz nacheinander zugeschickt haben, einigen wir uns auf einen Betrag von 590,64€, den ich in monatlichen Raten von 10€ abbezahlen werde. So bleibe ich noch lange Zeit mit dem Finanzdienstleistungsunternehmen in Kontakt. Herrlich. Traumhaft. Wunderschön. Doch jammern hilft nichts, denn ich habe mir die Suppe selber eingebrockt, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es im Inneren dieses Finanzdienstleistungsunternehmen so zugeht und ich obendrein ziemlich einen an der Waffel habe. Für eine solche Erfahrung zahle ich doch gerne 590,64€.
Fazit zum Monat März 2006
Der März 2006 hat mein Leben möglicherweise nachhaltig verändert, werde ich vermutlich in ein paar Jahren feststellen, sofern ich mich dann noch an diese Zeit zurückerinnern kann. Ich bin aus der Arbeitswelt, in die ich nicht wirklich passe, zurückgekehrt in die Arbeitslosigkeit, die scheinbar perfekt zu mir passt. Darüber hinaus habe ich mich mit dem Finanzdienstleistungsunternehmen auf eine Ratenzahlung geeinigt. Allein die Tatsache, dass ich dort Schulden gemacht habe, bestätigt, dass ich ziemlich gestört bin. Und als Krönung meiner Sturheit und meines merkwürdigen Handelns, habe ich einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung erhalten. Ich bin wahrlich ein Mann von Format und stecke noch voll in meiner Entwicklung. Man darf gespannt sein, was dabei am Ende als Gesamtkunstwerk entsteht. Da ich erst die Hälfe meiner Lebenszeit verbraucht habe, kann ich in den nächsten Jahren zum Glück noch viel mehr schwachsinnige Entscheidungen treffen und unfassbar viel Unsinn anstellen. Ich fange am besten sofort damit an.
Inzwischen scheint sich die Rechtslage geaendert zu haben: https://www.mimikama.org/schmaehgedicht-lied-eines-asylsuchenden/
Ich fand das Urteil schon damals fragwürdig. Geholfen hat es letztlich auch niemandem.