Neujahr
Obwohl ich erst sehr spät, zumindest für meine Verhältnisse, ins Bett kam, signalisiert mir mein Körper zur üblichen Zeit, gegen 08.30 Uhr, dass ich aufstehen muss. Ich bin unfassbar müde, habe aber keine Chance, nicht aufzustehen. Die morgendlichen Rituale lassen keinen Aufschub zu. Für alles hat mein Körper feste Zeiten, die sich, je nach Jahreszeit, ein klein wenig verschieben. In der dunklen Jahreszeit ist es mir nicht gestattet, nach 09.00 Uhr noch zu schlafen. Und so mache ich schon bald meine morgendlichen Übungen für den Rücken, um mich dann ordnungsgemäß zum morgendlichen Stuhlgang auf der Toilette einzufinden. Keine Minute länger hätte mir mein Körper dafür Aufschub gegeben. Es ist zwar ein neues Jahr, doch die alten Strukturen, die sich seit Jahren bewährt und gefestigt haben, lassen sich so leicht nicht aufbrechen. Sollte ich nächstes Silvester noch unter den Lebenden weilen, werde ich darauf achten, dass ich eher ins Bett komme. Alles andere wäre albern und gegen meines Körpers Rhythmus. Das möchte ich nicht, weil ich mich nicht nochmal so gerädert fühlen möchte, wie in diesem Moment. Um 09.26 Uhr ist alles erledigt und mein Körper möchte gefüttert werden. Da mir eventuell noch ein sehr aufregender Tag bevorsteht, werde ich mich jetzt brav an den Tagesablaufplan halten. Nicht, dass es mir am Ende noch wirklich schlecht geht und ich Ärger mit meinem Körper bekomme. Das möchte ich auf keinen Fall. Nachdem mein Körper gefüttert ist, stecke ich alle Sachen, die ich gestern Abend an hatte, in den Wäschebehälter. Die Sachen stinken nämlich so sehr nach Rauchern, dass es mir unmöglich ist, diese erneut zu tragen, bevor sie nicht gewaschen wurden. Wie kann man nur freiwillig so stinken?
Nachdem ich das letzte Jahr als negatives Jahr in meine Geschichte eingehen lassen musste, gehe ich genauso unmotiviert und optimistisch, wie ich es seit Jahren zu tun pflege, ins neue Jahr, denn außer, dass seit dem letzten Jahr nur ein paar Stunden vergangen sind, hat sich ja nicht wirklich was geändert. Warum also sollte ich ab jetzt ein Anderer sein, als vor ein paar Stunden, nur weil wir nun das Jahr 2014 schreiben? Eben. Dazu gibt es gar keine Veranlassung. Was plane ich also in diesem Jahr anders zu machen als im letzten Jahr? Nicht viel. Definitiv mehr Sport und vielleicht nicht mehr ein ganz so unfreundlicher Pessimist sein. Ich könnte versuchen, ein freundlicher Pessimist zu werden. Ich kann es aber auch lassen. Also beschränke ich mich vermutlich lediglich darauf, mehr Sport zu machen. Der Rest wird sein, wie er ist und vermutlich immer war. Die Wohnung könnte ich ein wenig renovieren und es wäre ganz angenehm, wenn ich auch in diesem Jahr keinen Job bekomme. Nicht, weil ich durch und durch faul bin, sondern weil ich einfach nicht in der Verfassung bin, einen Job zu ertragen. Ich würde davon nur krank und frustriert werden und permanent schlechte Laune haben. Meine Freizeit wäre durch so einen Job arg eingeschränkt. Das möchte ich nicht. Also lasse ich das mit dem Job besser sein. Das Leben ist zu kurz und schon beschissen genug, da will ich es mir nicht durch einen Job weiter versauen. Wie es aussieht, war es das auch schon. Ich bin also voller Tatendrang und kann es kaum erwarten, meine weitreichenden Pläne in die Tat umzusetzen. Wichtig wäre natürlich noch, meiner entzückenden Freundin ein besserer Freund zu sein, denn sie hat es nicht verdient, dass ich nicht als die beste Version von mir Zeit mit ihr verbringe. Das erscheint mir der schwerste meiner Pläne zu sein. Die Zukunft beginnt genau jetzt.
Erster Kinobesuch des Jahres
Das Jahr ist kaum wenige Stunden alt, da steht endgültig fest, dass ich schon heute ins Kino gehen werde. Und weil ich kein großer Kinogänger bin, kann es durchaus sein, dass es auch gleichzeitig mein letzter Kinobesuch des Jahres wird. Dummerweise habe ich mir einen Film ausgesucht, der sehr lang ist. 162 Minuten. So einen langen Film habe ich noch nie im Kino gesehen. Ich bevorzuge für Kinobesuche Filme, die etwa 90 Minuten dauern.
Es ist 17.00 Uhr, als ich mich zusammen mit Petra, Christoph und Manni auf den Weg mache. Als wir den Kinosaal betreten, sitzen schon einige Leute dort und es läuft Filmwerbung. Wir nehmen unsere Plätze ein und schon beginnt der Film. Der Hobbit – Smaugs Einöde. Hoffentlich ist er besser als Teil 1. Und hoffentlich machen sie keine Pause zwischendurch. Die meisten anderen Kinobesucher verhalten sich ganz ruhig, was mir sehr entgegenkommt. Der Film ist tatsächlich besser als Teil 1 und ich bin fast zufrieden, als etwas passiert, was mich ganz durcheinander bringt. Der Film geht aus und eine 15 minütige Pause wird angekündigt. Sofort rennen einige Kinobesucher raus. Ich überlege, ob ich zur Toilette muss. Ich war zwar direkt vor dem Film, habe aber zwischenzeitlich einen Schluck Cola getrunken und etwas Popcorn zu mir genommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich vor Ende des Films das Bedürfnis verspüren könnte, die Toilette aufsuchen zu müssen, ist also gegeben. Und so beschließe ich, dass ich mich besser erleichtere. Man weiß ja nie. Auf den Toiletten gibt es zum Trocknen der Hände diesen Dyson. Ich liebe diesen Apparat. Doch irgendwie klappt das heute nicht. Ich stecke die Hände rein, freue mich auf das Trocknen, bewege meine Hände, doch es passiert nichts. Ich ziehe meine Hände raus, schon läuft der Apparat. Das ist voll verrückt. Schnell ein weiterer Versuch. Endlich klappt es und ich bin bereit für den Rest des Films.
Die letzte halbe Stunde des Films nervt mich leider sehr. Ich bin seit jeher kein Freund von sprechenden Drachen in Filmen. Smaug ist so ein Drache und er redet nicht nur viel, er sorgt auch für viel Action. Beides geht mir mit zunehmender Dauer immer mehr auf den Keks. Mit jeder Minute wird es anstrengender und ich sehne den Tod des Drachens herbei. Doch mein Wunsch wird nicht erfüllt. Smaug fliegt durch die Luft, erzählt etwas von Rache und der Film ist zu Ende. So steht fest, dass Smaug auch im dritten Teil dabei sein wird. Das möchte ich nicht. Das halte ich nicht aus. Das ist einfach zu viel für mich. Doch abgesehen von dem Drachen, war der Kinoausflug ganz angenehm. Vielleicht gehe ich doch noch einmal in diesem Jahr ins Kino. Vielleicht aber auch nicht. Es bleibt spannend.
Junger Mann sucht Frau
Völlig unerwartet klingelt es an meiner Tür. Ich gehe zur Tür und schaue durch den Spion. Ein junger Mann wartet vor meiner Tür. Ich erinnere mich, dass es gestern schon mal geklingelt hat und ich, als ich durch den Spion sah, eben diesen jungen Mann sah, wie er mit meiner Nachbarin redete. Da ich mich gestern aber unsauber fühlte, konnte ich die Tür nicht öffnen. Außerdem hatte ich gestern so gar keine Lust mit Fremden zu kommunizieren. Weil ich jetzt ausnahmsweise weder beschmiert noch nackt bin und eh schon an der Tür stehe, öffne ich diese und bin gespannt, was der junge Mann möchte. Er ist sehr freundlich und scheinbar auf der Suche nach einer Frau. Das war ich früher auch ständig. Allerdings habe ich deshalb nie bei irgendwelchen Leuten geklingelt. Er fragt mich, ob eine Svenja hier im Haus wohnt. Ich denke nach, kann mich aber an keine Svenja erinnern. Doch da ich Namen grundsätzlich schnell vergesse, frage ich ihn, wie alt diese Swenja ist. 23. Nein, die wohnt definitiv nicht hier, was ich jetzt direkt etwas schade finde. Eine junge Frau täte dem Haus sicher gut. Vorausgesetzt, sie ist attraktiv und umgänglich. Außerdem hätte der junge Mann dann gefunden, wonach er sucht. So aber muss ich ihm sagen, dass es hier im Haus keine so jungen Frauen gibt, biete ihm aber stattdessen eine ältere Frau an, die allerdings sehr füllig ist. Er scheint kein Interesse zu haben. Ich bedauere, ihm nicht helfen zu können und verabschiede mich. Kaum ist er weg, tut er mir Leid. Ich frage mich, ob ihm die Frau gesagt hat, dass sie hier wohnt oder ob er gesehen hat, wie diese Frau hier ins Haus ging. Da sich hier im Haus eine Arztpraxis befindet, kommt es sicher gelegentlich vor, dass Frauen hier ins Haus gehen. In beiden Fällen hilft das dem jungen Mann aber nicht. Dennoch bewundere ich seinen Mut und hoffe, dass er eines Tages findet, was er sucht.
Der Verkaufsinspektor
Auf der Suche nach einem Regal für meine Küche, landen mein Vater und ich bei Möbel Boss. Weil wir schon mal da sind, schauen wir uns eine Sitzecke an. Kaum bemerkt ein Verkäufer das, steht er schon neben uns und sagt, dass wir alles auch seitenverkehrt montieren können. Da ich das alles längst weiß, wir nicht wegen einer Sitzecke hier sind und ich keinen Kontakt zu dem Verkäufer möchte, sage ich nur „Ja, ja“ und wir gehen weiter. Den Verkäufer fand ich schon vor ein paar Wochen, als mein Vater und ich hier einen Schrank kauften, zu präsent. Mit seinem Schnauzbart und seiner kauzigen Art erinnert er mich an den verkleideten Inspektor Clouseau, allerdings den von Peter Sellers gespielten, nicht diesen Steve Martin Unsinn.
Während wir uns weiter im Laden umschauen, entdecken wir einen höhenverstellbaren Wohnzimmertisch. Optisch fast genau wie meiner, nur halt Höhenverstellbar. Ich begutachte den Tisch und schwupps, als wäre er von der Decke gefallen, ist der Verkaufsinspektor wieder da, murmelt irgendwas von Höhenverstellung, greift nach der Kurbel am Tisch und kurbelt los. Dummerweise am falschen Tisch, was er aber noch nicht weiß, während er kurbelt und etwas erzählt. Ich betätige die Höhenverstellung an dem Tisch, der mich interessiert. Der Tisch fährt hoch und trifft den kurbelnden Verkaufsinspektor am Hintern. Weil er damit nicht gerechnet hat, wirft es ihn fast um. Doch davon lässt sich der Verkaufsinspektor nur kurz verwirren. Kaum ist der Schock verdaut, erzählt er von den Vorzügen des Tisches, den ich ausgesucht habe. Super Qualität, tolle Mechanik und fast unkaputtbar. 1000 Jahre oder Monate hält so ein Teil. Oder doch nur Stunden? Ich weiß es nicht, jedenfalls irgendwas mit 1000. Der Tisch würde gut in meine Wohnung passen. Aber 299 Euro für einen Tisch sind auch keine Kleinigkeit, zumal ich ja einen Tisch habe. Ich sage dem Verkaufsinspektor, dass ich mir das überlege. Er flitzt zum Computer und teilt mir mit, dass er nur noch einen Tisch vorrätig hat. Er hat wirklich gut aufgepasst während seiner Ausbildung. Ich sage, dass ich den Tisch nicht sofort brauche und es mir überlege. Sofort wirft er ein, dass es dann aber sehr lange dauern kann, bis ich den Tisch bekomme wegen der langen Lieferzeiten. Herrlich. Auch wenn er ein wenig nervt, gibt er alles. Er ist tatsächlich der Prototyp eines echten Verkaufsinspektors. Um vom Tisch wegzukommen, frage ich nach einer Sitzecke, die wenig Platz benötigt. Obwohl ich mir sicher bin, dass er keine solche im Angebot hat, stürmt er los und zeigt mir eine Sitzecke, die ich bei all meinen Besuchen vorher nie beachtet habe. Womöglich wegen des Bezugs, der nicht meinen Gefallen findet. Als ob er meine Abneigung spüren kann, schnappt er sich einen Stoffzettel, der bei dem Sofa liegt und sagt mir, dass es natürlich auch andere Farben gibt. Er kann alles an Sitzecken besorgen, was ich begehre. Eifriger, kleiner Kerl. Er erklärt die Vorteile dieser 599 Euro teuren Sitzecke. Ich nehme Platz und stelle fest, dass sie von allen bisher getesteten Sitzecken, die mit Abstand passendste ist. Lieferzeit etwa acht Wochen. Allerdings, so sagt er, kostet es in der von mir gewünschten Farbe 50 Euro mehr. Also 649 Euro. Oh je, dabei wollte ich doch nur ein Regal für die Küche. Ich sage dem Verkaufsinspektor, dass ich nachdenken muss und dazu in die obere Etage gehen werde, weil ich davon ausgehe, dass er mir nicht folgen wird.
Da mein Vater den Tisch ganz hervorragend findet, ich irgendwie auch, beschließe ich, ihn zu kaufen. Ein Regal allerdings finde ich nicht. Kaum sind wir wieder unten machen wir den Verkaufsinspektor glücklich und kaufen den Tisch. Zur Sitzecke hat er natürlich noch eine Information. Mit dem von mir bevorzugten Bezug steigt der Preis doch nur auf 639 Euro. Großartig. Ich sage ihm, dass ich darüber nachdenke und er bittet mich, dass ich, sollte ich mich für den Kauf entscheiden, doch bitte vorher zu ihm kommen möge, weil er mich ja beraten hat. Natürlich, ich will ihm seine Provision schließlich nicht vorenthalten. Schließlich hat er mich gut unterhalten und lustig beraten. So Verkaufsinspektoren gibt es heutzutage nur noch wenige. Wer weiß, vielleicht gönne ich mir das Sofa ja doch noch. Der Besuch hat sich gelohnt, wenn auch anders als geplant. Und alles nur wegen eines Verkaufsinspektors vor dem es kein Entkommen gab. Herrlicher Spaß.
Fehler?
Ich bin bei der Bank, um ein Konto meiner Mutter aufzulösen. Die Bankangestellte, Mitte zwanzig, vermute ich, erledigt den Papierkram und ich nutze die Zeit, sie mir anzusehen. Schon früher sah ich mir gerne attraktive Frauen an. Sie hat große, schlanke Finger und diese künstlichen Nägel. Ich bin kein Freund dieser Nägel, aber in diesem Fall wirkt es weder billig noch abstoßend. Ihre zarten, langen Finger gefallen mir gut und passen zu ihr. Sie hat sehr schlanke Schultern und einen irgendwie kleinen Kopf. Nicht zu klein, sondern eher niedlich, sympathisch klein. Ihr glattes Haar fühlt sich sicher toll an und sie pflegt es sicher ebenso, wie ihre Hände und Nägel. Wie sie wohl duftet? Ihre Zähne passen sich perfekt dem harmonischen Gesamtbild der oberen Körperhälfte an. Selbst ihre Stimme lässt keine Wünsche offen. Da scheint sich jemand wirklich große Mühe gegeben zu haben bei der Herstellung. Sie steht auf, um etwas zu erledigen. Groß ist sie. Mindestens 1,76m. Ihr Kleidungsstil passt perfekt zu ihr. Früher hätte mich das ganz nervös gemacht, weil ich mir krampfhaft überlegt hätte, wie ich ihre Aufmerksamkeit bekommen oder sie persönlich kennenlernen kann. Früher ist aber mindestens zehn Jahre her, weshalb ich mich nun Frage, wieso diese attraktive Frau einen so breiten Hintern hat. Das passt einfach absolut nicht zusammen. Ich werfe, während sie an mir vorbei geht, einen erneuten Blick auf den Hintern. Der scheint tatsächlich etwas überproportioniert zu sein und ich leide nicht an Wahrnehmungsstörungen. Dieser breite Hintern gehört zwar zu dieser ansonsten schlanken Frau, passt da aber meiner Meinung nach nicht hin. Vielleicht handelt es sich bei dem Hintern um einen Produktionsfehler. Oder einen Gendefekt. Möglicherweise eine Erbkrankheit. Ob es in ihrer Familie weitere solcher Fälle gibt? Kann man da denn gar nichts machen? Oder ist das vielleicht gar nicht so schlimm und gibt ihr so das ganz besondere Etwas? Etwas viel vielleicht, aber was weiß ich denn schon? Spätestens ein paar Minuten nachdem ich die Filiale verlassen habe, werde ich mich an fast gar nichts mehr erinnern. Außer an den Fehler mit dem Hintern vielleicht.
Fehlschaltungen im Kopf einer Knalltüte
Immer wieder, wenn in seinem Kopf irgendwelche Fehlschaltungen stattfinden, schreibt Mirco Agnes irgendwelchen Dreck, der keinen interessiert. So bietet er ihr zum Beispiel an, ihr die privaten Tagebucheinträge von Ursula zu schicken, in denen sie über ihre Beziehung mit mir schreibt. Weil er, so wie immer, keine Antwort erhält, verzichtet er völlig überraschend darauf, private Dinge seiner Freundin weiterzugeben. Doch kaum sind ein paar Tage vorbei, meldet er sich wieder und schreibt Agnes, dass Sex mit ihm das Beste ist, was Agnes passieren könnte. Menschen, die unter derartiger Selbstüberschätzung leiden, entpuppen sich zu oft als die größten Knalltüten dieses Planeten. Und dass es sich bei Mirco um eine Knalltüte handeln muss, beweist er immer wieder aufs Neue. Wie schade nur, dass seine Freundin nichts von seinen Aktivitäten weiß. Aber wer weiß, vielleicht erfährt sie es ja irgendwann. Was dann wohl aus der Knalltüte wird?
Natürliches Erwachen
Ich bevorzuge es, morgens auf natürliche Weise zu erwachen. Das bedeutet, dass mein Körper entscheidet, wann er aufwachen will. In der Regel bei Sonnenaufgang und nicht bei völliger Dunkelheit. So schlafe ich im Winter naturgemäß etwas länger als im Sommer. Das ist ein natürlicher Vorgang, der für mein Wohlbefinden sehr wichtig ist. Dummerweise ist das natürliche Erwachen nicht immer möglich. Gelegentlich habe ich morgens Termine, die es nötig machen, vor Sonnenaufgang aufzustehen. Solche erzwungenen Schlafabbrüche sind Gift für mich und meinen Körper. Es fängt mit dem Klingeln des Weckers an, was grundsätzlich dafür sorgt, dass ich mich erschrecke. Damit störe ich direkt das harmonische Gleichgewicht des Körpers. Nach dem Klingelschock schalte ich das Licht ein, was einen weiteren Schock verursacht. Würde ich das aber nicht machen, täte ich nicht aufstehen, also ist das Licht alternativlos. Nach ein paar morgendlichen Übungen im Bett, die leider nichts mit Sex zu tun haben, stehe ich auf, versuche Tageslicht in die Wohnung zu lassen, stelle aber fest, dass es zu dunkel ist, um von Tageslicht reden zu können. Also öffne ich die Balkontür, um etwas kalte und verunreinigte Luft hereinzulassen und schalte weitere Lampen an. Ausnahmslos in allen Zimmern. Wenn ich das nicht mache, werde ich noch depressiver als ich es ohnehin schon bin. Es folgt der morgendliche Stuhlgang. Anschließend setze ich mich verwirrt an den Schreibtisch und frage mich, wieso ich so frühe Termine überhaupt akzeptiere, bevor ich meinen noch immer geschockten Körper unter die Dusche stelle. Meine Hoffnung, dass es nach dem Duschen hell ist, erfüllt sich gewöhnlich nicht, was mich nicht nur traurig macht, sondern direkt am Sinn des Lebens zweifeln lässt. Nein, die Dunkelheit ist nicht mein Freund. Trotzdem versuche ich, bevor ich die Wohnung verlasse, eine Kleinigkeit zu essen. Nicht, weil ich mag, sondern weil es ganz und gar nicht gut fürs allgemeine Befinden ist, wenn ich gar nichts esse. Gelegentlich wird danach ein zweiter Stuhlgang fällig, bevor ich endlich bereit bin, die Wohnung zu verlassen. Bis es so weit ist, ist immer mindestens eine Stunde seit dem Aufstehen vergangen. Grundsätzlich stehe ich immer mindestens eine Stunde, bevor ich die Wohnung verlasse, auf. Alles andere würde mich völlig verrückt machen. Manchmal, wenn ich Glück habe, ist es, wenn ich endlich die Wohnung verlassen habe, bereits hell oder wenigstens etwas hell. Wenn nicht, gehen meine Depressionen draußen einfach so weiter. Nein, erzwungenes Aufstehen ist wahrlich nichts für mich.
Augenärztin erneut besorgt
Der etwas verfrühte Termin bei meiner besorgten Augenärztin lässt die Sorgen nicht geringer werden. Denn kaum ist mein Augeninnendruck gemessen, wird meine Augenärztin sehr ernst. Der Augeninnendruck beträgt 14. Das ist gefährlich, weil ich noch so jung bin. Wäre ich 120, dann wäre es kein Problem, aber in meinem Alter ist ein Augeninnendruck von 10 – 12 das Ziel. Dahin wollen wir kommen. Und sie weiß auch schon wie. Da ich die Ganfort Augentropfen so gut vertrage, bekomme ich noch ein paar andere Tropfen dazu. Aber nur, wenn mein Blutdruck in Ordnung ist. Ich sage, dass er meistens in Ordnung ist und erfahre, dass eine der Nebenwirkungen meiner neuen Augentropfen ein mögliches Absinken des Blutdrucks ist. Aber da ich Ganfort und den darin enthaltenen Beta-Blocker so gut vertrage, sollte ich mit den neuen Augentropfen, die sich Brimonidin nennen, auch gut klarkommen. Während ich den weisen Worten meiner Augenärztin lausche, frage ich mich, warum ich ihr nicht sage, dass ich so ziemlich alles, was sie erzählt, für ziemlichen Unfug halte. Ihren Wahn, den Augendruck auf einen Wert von 10 – 12 zu senken, finde ich sehr fragwürdig. Will sie wirklich allen ihren Patienten einen solchen Augendruck ermöglichen, um dann ins Guiness Buch der Rekorde aufgenommen zu werden, weil alle ihre Patienten fast den gleichen Augendruck haben und lediglich an den Nebenwirkungen leiden oder möchte sie einfach nur möglichst viele Rezepte ausstellen? Oder will sie testen, wie weit sie bei den einzelnen Patienten gehen kann, bis diese ihre Zweifel an der Behandlung anmelden. Und wann werde ich meine Bedenken äußern? Ach, wäre ich doch nur nicht so Konfliktscheu. So verzichte ich auf Einwände, gucke sie verständnisvoll an und lausche scheinbar interessiert ihren Ausführungen. In drei Monaten werde ich erneut untersucht. Wenn wir dann keine Erfolge erkennen können, bin ich schon sehr auf die weitere Vorgehensweise der Ärztin gespannt. Wie üblich werde ich auf die Einnahme der Augentropfen verzichten, obwohl die Gefahr besteht, dass ich es irgendwann bitter bereuen werde.
Kaum bin ich zu Hause, suche ich im Internet nach meinen neuen Augentropfen. Interessanterweise steht unter den Nebenwirkungen, dass sie den Blutdruck erhöhen oder senken. Spannende Sache. Außerdem können die Tropfen Herzrhythmusstörungen verursachen. Dazu hat die besorgte Ärztin geschwiegen. Die ist echt fürsorglich und wollte mir sicher keine Angst machen, weil so Nebenwirkungen eh nur selten vorkommen und daher zu vernachlässigen sind. Bin gespannt, wann sie mir zu einer Augen-OP rät.
Der Verkaufsinspektor. Ein Lügenmaul?
Etwas später als geplant fahre ich zu Möbel Boss, um mir die Sitzecke zu gönnen. Der Verkaufsinspektor ist leider nicht da, weshalb ich einen Auszubildenden zu meinem Verkäufer mache. Ich zeige auf die Sitzecke, erkläre, welchen Bezug ich gerne hätte und schon macht sie der Azubi an die Arbeit. Ich beobachte sehr genau, was er da macht und warte, dass er mir etwas von 50 Euro Aufpreis in der gewünschten Farbe sagt. Doch stattdessen sehe ich, wie er beim Preis 599 Euro einträgt und bin erstaunt. Hat mich der Verkaufsinspektor also verarschen wollen? Hat er einfach mal so ein paar Euro aufgeschlagen? Oder macht der Azubi hier einen Fehler? Ich denke nicht. Sofort entziehe ich dem Verkaufsinspektor seinen Titel. Der kauzige Mann ist ab sofort kein Inspektor mehr. Er ist nichts weiter als ein gewöhnlicher Verkäufer, der seine Kunden zu Deppen macht, indem er sie belügt und verarscht. Ich bin echt froh, dass ich kein Verkäufer bin. Ich würde mich sonst rund um die Uhr schämen. Sollte ich demnächst wieder etwas bei Möbel Boss einkaufen und der ehemalige Verkaufsinspektor, ab jetzt Verkäufer Lügenmaul, mich ansprechen, werde ich ihm sagen, was ich von ihm halte und mitteilen, dass ich nie wieder etwas von ihm kaufe. Dann darf er sich entfernen, dieser kleine, verlogene Mistkerl. Verdammtes Lügenmaul.