Der Verfall und mein Sprunggelenk 2
Anfang des Monats bin ich erneut beim Orthopäden. Der Arzt vom letzten Mal ist nicht da. Der Arzt, der heute vor mir sitzt, sagt, dass eine weitere Spritze nichts bringt, weil die erste schon nicht geholfen hat. Er erklärt mir die möglichen Probleme in meinem Sprunggelenk und schreibt mir eine Bandage auf. Sollte nach vier Wochen keine Besserung auftreten, will er mich zu einer Arthroskopie des Sprunggelenks überweisen. Klingt alles abenteuerlich und macht mir Angst. Seinen Hinweis, dass die Bandage etwas klobig ist, finde ich beunruhigend.
Ein paar Tage später bekomme ich meine medizinische Bandage. Optisch durchaus gelungen, kann ich mich für den Tragekomfort nur bedingt begeistern. Die Frau im Sanitätshaus sagt, dass man solche Bandagen normalerweise direkt nach dem Unfall trägt und nicht sechs Jahre später. Trotzdem wünscht sie mir viel Glück mit der Bandage. So wirklich daran glauben, dass die Bandage irgendetwas bringt, können wir beide allerdings nicht. In vier Wochen weiß ich mehr. Oder auch nicht.
Renteninformation 2012
Die jährliche Renteninformation lässt mich vor Freude hüpfen. Wenn es bei mir so weit ist, bekomme ich 304,55€ Rente. Das ist der Hammer. Der letzte Bescheid ging noch von 287,70€ aus. Da habe ich, ohne auch nur eine Minute zu arbeiten, meine Rente tatsächlich um monatlich 16,85€ gesteigert. Ich bin echt ein Teufelskerl.
Vermutlich bin ich einfach nur ein Arschloch
Normalerweise sitze ich abends vor dem Fernseher und gucke einen Film nach dem anderen. Heute mache ich aber etwas, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe. Ich setze mich in einen Biergarten. Und weil ich das alleine nicht kann, habe ich Manni dabei. Wir sitzen gemütlich auf unseren alten Ärschen, trinken etwas, schauen uns das junge Gemüse an, sind verwirrt wie eh und je und freuen uns, dass wir alten Säcke so etwas noch erleben können.
Um 21.20 Uhr machen wir uns auf den Heimweg. Man soll ja bekanntlich gehen, wenn es am schönsten ist. Ich bringe Manni nach Hause und den Benz in die Garage. Ein gewaschener Mercedes gehört nachts nicht auf irgendeinen Hinterhof. Auf dem Weg zu meiner Wohnung, den ich bewusst langsam gehe, bekomme ich Hunger. Ein Stück Marmorkuchen soll direkt nach meiner Ankunft von mir verspeist werden. Voller Vorfreude steige ich die Treppen hinauf. Vor meiner Tür weicht die Freude einer Art Verzweiflung. Ich habe den falschen Schlüssel eingesteckt und komme nicht in meine Wohnung. Ich schüttle den Kopf, murmel etwas vor mich hin und steige die Treppen hinab. Zwei Etagen tiefer halte ich inne, betrachte erneut den falschen Schlüssel und murmle irgendwelche Flüche. Das Licht geht aus, ich nutze mein Mobiltelefon als Taschenlampe, schalte das Flurlicht am nächsten Schalter ein und gehe weiter. Hinter mir öffnet sich eine Tür und eine Stimme, die offensichtlich zu mir spricht, stellt eine Frage, die ich nicht hören will. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ – „Wie wollen Sie mir denn helfen?“, frage ich mich und drehe mich Richtung Stimme um. Eine mächtige Frau steht in der Tür und sagt:“Weil sie da mit einer Taschenlampe im Flur rum leuchten.“ Der süße Hund der Frau kommt auf mich zu. Ich halte ihm meine Hand zum Beschnuppern hin und sage der Frau, dass ich keine Taschenlampe habe und mit meinem Mobiltelefon geleuchtet habe. Weil ich denke, dass die dicke Frau dumm ist oder ich selbst dumm bin, halte ich ihr zum Beweis das Telefon hin. Der Hund leckt mittlerweile meine Finger ab. Den Hund liebe ich, die Frau macht mich gerade etwas aggressiv, was aber nichts mit ihr zu tun haben muss, sondern vermutlich an mir liegt. Sie sagt irgendwas, das ich aber nicht wirklich wahrnehme. „Ich wohne hier“, sage ich alles andere als freundlich zu ihr. Das kann sie natürlich nicht wissen, weil sie erst wenige Tage eine Wohnung über dem Café Bistro bewohnt. Der Hund findet mich jetzt vermutlich doof und geht zurück in die Wohnung. „Ich kann das ja nicht wissen. Kenne ja noch nicht jeden hier im Haus.“ -„Jetzt kennen Sie mich!“, erwidere ich alles andere als freundlich, halte immer noch das Mobiltelefon hoch und gebe der Frau zu verstehen, dass ich ein Arschloch bin. Sie murmelt etwas und zieht sich in ihre Wohnung zurück. Ich mache mich auf den Weg zu meinen Eltern, um meinen Ersatzschlüssel zu holen.
Etwa fünfzehn Minuten später habe ich meinen Ersatzschlüssel. Weitere fünfzehn Minuten später bin ich endlich in meiner Wohnung, die so aufgeheizt ist, dass ich sie nicht mag. Aus dem Kühlschrank hole ich mir ein Stück Mohnkuchen, lasse den Abend Revue passieren und frage mich, warum ich ein so unfreundliches Arschloch bin.
Check up 35, ein Déjà vu und andere Unangenehmlichkeiten
Alle zwei Jahre gehe ich als pflichtbewusster Sterblicher zum Arzt, um mich checken zu lassen. Keine Ahnung, wie sinnvoll es ist, aber meine Krankenkasse zahlt und schaden kann so eine Vorsorgeuntersuchung vermutlich auch nicht. Obwohl, so ganz richtig ist das nicht. Die Vorbereitungen richten schon einen gewissen Schaden an. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem es darum geht, Stuhlproben zu nehmen. Das war vor zwei Jahren schon ein Alptraum und ist es auch jetzt. Im Gegensatz zum letzten Mal, verzichte ich heute darauf, mir Teebaumöl unter die Nase zu schmieren und verstopfe meine Nase stattdessen mit Papier. In der Hoffnung, dass ich so gegen meine eigenen Gerüche geschützt bin, mache ich mich angewidert ans Werk. Kaum geht es darum, die ersten zwei Stuhlproben zu nehmen, wird mir schlecht. Ich würge, als würde ich sterben und schaffe es nur mit größter Mühe, die erste Probe zu platzieren. Probe zwei schaffe ich leider nicht wirklich. Völlig unkontrolliert ekel ich mich dermaßen vor dem, was ich da tue, dass ich noch mehr würge. Als selbst die Nasenstopfen nicht mehr ihre Aufgabe erfüllen, gebe ich völlig entkräftet auf. Ich bin einfach nicht der Typ, der ordnungsgemäß Stuhlproben nehmen kann. Und es macht für mich keinen Unterschied, um wessen Scheiße es sich handelt, die da untersucht werden soll. Es ist einfach nur ekelhaft. Noch zwei Tage und zwei weitere Proben sind notwendig, bevor ich den ganzen Mist zur Untersuchung abgeben kann. Mir ist schlecht. Ob ich je wieder etwas essen kann?
Zweiter Tag, zweite Probe. Kaum bin ich aufgestanden beginnen die Vorbereitungen. Nase verstopfen, an alles Mögliche denken, nur nicht an das, was ich gleich tue. Wie schon am Vortag kann ich dem Ganzen nichts Positives abgewinnen. Ich kann mich weder für Farbe, Form noch Konsistenz des Testprodukts begeistern. Dennoch klappt es besser als beim ersten Mal. Ich schaffe es sogar, nicht zu würgen. Ein Fäkalfreak werde ich dennoch nie werden.
Bevor ich am dritten und letzten Tag in meinen Exkrementen herumstochere, steht die Urinprobe an. Weitaus einfacher und weniger übelerregend, aber dennoch auch nichts, was ich täglich machen möchte. Im Winter kann man sich an so einem gefüllten Becher sicher ganz toll die Hände wärmen. Im Sommer bringt das nichts. Kaum ist der Becher voll geht es an die Ausscheidungen des Darms. Die Nase wird ordnungsgemäß verschlossen und der Spachtel bereitgelegt. Ein durchaus abartiges Ritual, welches heute seinen letzten Tag hat und hoffentlich erst in zwei Jahren wiederholt werden muss. Nachdem alles ordnungsgemäß verpackt ist, bringe ich die Produkte meines Körpers ins Labor meines Hausarztes. Jetzt kann ich nur hoffen, dass meine Absonderungen ohne Befund sind, ich entspannt weiter leben darf und keine weiteren Ausscheidungen benötigt werden.
Im Wartezimmer des Arztes darf ich neben zwei entzückenden Damen Platz nehmen. Die Dame rechts neben mir hat feinen Mundgeruch. Eine Mischung aus Kaffee, Tabak und Verzicht aufs Zähneputzen, umschmeichelt meine Nase. Ich halte meine Hände vor Mund und Nase, um nicht zu kotzen. Das ist in etwa so ekelhaft, wie das erste rumwühlen in der eigenen Scheiße. Die Dame links neben mir ist alt und schmatzt. Ob es ein nervöses Schmatzen ist oder sie mit ihrem Gebiss spielt, kann ich nicht beurteilen. Schön ist es jedenfalls nicht. Dreißig Minuten sitze ich wie gelähmt zwischen den beiden Damen, dann wird das stinkende Weibchen aufgerufen. Kaum ist sie weg, kann ich wieder atmen. Solche Stinker gehören desinfiziert und unter Quarantäne gestellt. Jetzt wird neben mir nur noch geschmatzt, was auch alles andere als angenehm ist.
Nach nur fünfundvierzig Minuten bin ich schon an der Reihe. Blut und Exkremente ohne Befund. Urinprobe verschwunden. Ob die jemand ausgetrunken hat? Ich werde abgehört, abgetastet und für gesund befunden. Der Arzt sagt, dass er an mir in den nächsten Jahren nichts verdienen wird. Ich bin erfreut, weil ich sowieso kein Geld habe und schon zerstört genug bin. Ein kaputtes Sprunggelenk, ein schlecht sehendes Auge, ständiges Sodbrennen und ein Knie, mit dem ich nicht joggen kann, sind genug Baustellen für mein Alter. Zum Abschluss lasse ich mich noch impfen und bekomme einen neuen Impfpass. Fast wie Weihnachten hier. In vier Wochen komme ich wieder, um mich erneut impfen zu lassen.
Nach dem Arztbesuch fahre ich zur Werkstatt, weil mein Benz klappert und neue Gummilager braucht. Da er dazu auf eine Bühne muss, lasse ich ihn auch gleich von unten checken. Von unten sieht alles gut aus, der Zustand meines Benz wird gelobt und ich bin sicher, dass ich bis zum nächsten Ölwechsel nicht mehr zur Werkstatt muss. Fast 60€ hat mich die Aktion gekostet und ich bin begeistert, als ich losfahre und feststelle, dass der Benz nicht mehr klappert. So muss sich ein Mercedes anhören. Nur so. Jetzt sind wir beide gecheckt und uns kann nichts mehr passieren.
Fröhlich und vergnügt fahre ich zum Friseur, lasse mir die Haare, ohne es zu wollen, furchtbar kurz schneiden, steige in meinen Benz und checke meine Finanzen. Noch 85€ bis zum Ende des Monats. Genug Geld, um zu tanken. Weil sich vor der Tankstelle hier im Ort, wegen der Schnäppchen Benzinpreise von 1,649€ pro Liter, eine lange Schlange gebildet hat, fahre ich nach Eving, um dort zu tanken. Ich hasse lange Warteschlangen. Da ich so vergnügt bin, beschließe ich, mein ganzes Geld zu vertanken. Leider ist der Tank am Ende des Geldes gar nicht voll, dennoch fühle ich mich erleichtert. Fröhlich und vergnügt steige ich in den Benz und will losfahren. Doch dazu kommt es nicht. Er springt nicht an. Es ist als wäre ich in einem schlechten Film. Ein Mercedes, der nicht anspringt. Das ist schon irgendwie entwürdigend. Ratlos schiebe ich den Benz an einen Platz an dem er keinen stört und überlege, was zu tun ist. Irgendwer muss mich und meinen Benz hier abholen. Aber wer? Manni arbeitet, Petra auch. Mein Vater, der die beste Lösung wäre, hat seinen Wagen in der Werkstatt. Nur der Loerz hat frei und wohnt nicht weit weg. Leider geht er weder ans Festnetz- noch ans Mobiltelefon. Es kommt mir vor als hätte ich ein Déjà vu. Ratlos rufe in der Werkstatt meines Vertrauens an. Die haben allerdings zu viel zu tun und können deshalb niemanden schicken. Erneut versuche ich den Benz zu starten. Keine Reaktion. Die Zeit verrinnt, ich bleibe ratlos. Weil mir langweilig ist, schreibe ich Markus an. Er sagt, dass er nach Dienstschluss vorbei kommen kann, wenn ich dann noch niemanden gefunden habe. In etwa einer Stunde. Da ich sonst niemanden kenne, bleibt mir nix anderes übrig als zu warten. Ich bekomme Durst. Doch weil ich mein ganzes Geld zum Tanken ausgegeben habe, gibt es nichts zu trinken. Der Benz steht in der Sonne und sieht gut aus. Erinnert mich an Frauen, die auch oft nur gut aussehen, aber zu nichts zu gebrauchen sind. In meinen Benz kann ich mich aber immerhin reinsetzen und Musik hören. Mache ich aber nicht. Stattdessen setze ich mich in den Schatten und warte.
Fast zwei Stunden sind seit dem Tanken vergangen. Loerz ruft an und sagt, dass er sein Telefon auf lautlos gestellt hatte. Das bringt mich auch nicht weiter. Markus fährt vor, ich beende das Gespräch mit Loerz und der Benz kommt an die Abschleppstange. Innerhalb eines Jahres wird der Benz nun zum dritten Mal in die Werkstatt geschleppt. Vielleicht sind 19 Jahre selbst für einen Mercedes-Benz zu viel. Vielleicht taugt er nur noch dazu gut auszusehen und nicht mehr für den Alltag. Ich glaube, ich brauche Geld, um mir einen Alltagswagen zu kaufen. Aber erst einmal brauche ich Geld, um den Benz wieder fahrbar machen zu lassen. In der Werkstatt wird nach kurzem Check beschlossen, dass der Anlasser kaputt ist. Ich lasse den Benz zurück und mich von Markus nach Hause bringen. Für heute bin ich bedient.
Die Geschichte vom Anlasser
Kaum zu Hause angekommen suche ich im Internet nach einem Anlasser für meinen Benz. Das Internet ist eine tolle Erfindung. Dennoch verwirren mich all die Informationen, die ich dort bekomme, manchmal sehr. Es gibt Anlasser von 40€ bis 300€. Woher soll ich wissen, welcher der Richtige für meinen Benz ist? So rufe ich bei einem Ersatzteilhandel an, um mich beraten zu lassen. 150€ soll mich ein angemessener Anlasser dort kosten. Weil ich nicht weiß, was ich davon halten soll, rufe ich anschließend bei Mercedes-Benz an, um dort nachzufragen. Doch leider ist niemand zu erreichen. Für heute gebe ich auf.
Die Nacht passt zum Tag. Ich habe unerklärliche Schmerzen im linken Arm und kann mich nicht auf die Seite drehen. Ich muss mich irgendwo gestoßen haben. Weil ich so nicht schlafen kann, gehe ich zu einem Spiegel, um zu schauen, ob ich einen blauen Fleck am Arm habe. Habe ich nicht. Nur ein Pflaster. Es dauert einen Moment, bis ich verstehe. Das Pflaster hat mir der Arzt aufgeklebt, nachdem er mich geimpft hat. Er sagte irgendwas von Schmerzen und jetzt macht endlich alles einen Sinn. Zeit, weiter zu schlafen.
Direkt nach dem Aufstehen beschäftigt mich wieder die Frage nach dem Anlasser. Anruf bei Mercedes. Die wollen 320,89€ + Mehrwertsteuer. Geben mir aber 48€ für meinen alten Anlasser zurück. Nein, danke. Der Ersatzteilhändler vor Ort bietet einen generalüberholten Anlasser für 150€ an. Ich überlege eine Weile, bin kurz davor zu kaufen, befrage dann aber erneut das Internet und werde fündig. Ein Neuteil für 70€ inklusive Versand soll es werden. Nach Rücksprache mit einem der Mitarbeiter, der mir bestätigt, dass der Anlasser in meinen Benz passt, wird der Anlasser bestellt. Schon morgen soll er mir gehören und wenn alles gut läuft, bekomme ich meinen Benz noch morgen zurück. Vielleicht wird doch noch alles gut.
Um 09.36 Uhr klingelt es. Der UPS Mann bringt meinen Anlasser. Sofort schnappe ich mir das Teil und mache mich auf zur Werkstatt. Dreißig Minuten Fußmarsch sollen ja gesund sein. Auf dem Weg zur Werkstatt komme ich an Cherkasov vorbei. Wie immer sitzt er in seinem Rollstuhl und grüßt Autofahrer. Als er mich auf dem Bürgersteig auf sich zukommen sieht, lässt er mich nicht mehr aus den Augen. Nur wenn er hört, dass sich ein Auto nähert, konzentriert er sich kurz darauf, hebt den Arm und konzentriert sich wieder auf mich. Als ich auf seiner Höhe bin, hebt er den Arm zum Gruß. Ich grüße zurück. Er sagt „Hallo“, ohne dass man auch nur einen Ton hören kann. Ihm fehlen einige Zähne. Er tut mir Leid.
Noch etwa zehn Minuten bis zur Werkstatt. Der Rest der Strecke bietet wenig Schatten. Da passt es prima, dass mein Blutdruck sich seine morgendliche Auszeit nimmt. Eine Cola könnte helfen, habe ich aber dummerweise nicht dabei. Also weiterlaufen, bis der Blutdruck wieder steigt. Hab ja keine andere Wahl. Durchaus erschöpft erreiche ich die Werkstatt. Es ist voll und man teilt mir mit, dass ich den Benz am Nachmittag abholen kann. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Ich wollte eigentlich zurück fahren. Wie erwartet, ist der Rückweg zunächst eine einzige Quälerei. Mein Blutdruck übertreibt es wirklich. Ich passiere Cherkasov. Wir grüßen freundlich und kurz danach steigt endlich der Blutdruck in den Normalbereich. So macht Wandern Spaß. Nach fünfundzwanzig Minuten habe ich mein Ziel erreicht. Jetzt heißt es warten.
Vier Stunden verharre ich in meiner Wohnung, dann mache ich mich frisch und erneut auf den Weg zur Werkstatt. Die Sonne versteckt sich hinter Wolken, es ist angenehm warm. Cherkasov fährt mit seinem Rollstuhl Richtung Wohnung. Dabei grüßt er weiter jeden, der vorbeikommt. Mein Benz steht total verstaubt auf dem Hof der Werkstatt. Irgendwie unwürdig. Ich zahle 40€ und steige ein. Der Benz springt unverzüglich an und fast will ich mich freuen, da fällt mir auf, dass die Klimaanlage nicht mehr richtig kühlt. Ein weiterer Werkstattbesuch steht damit kurz bevor. Wenn es so weitergeht, muss ich mir entweder einen Job suchen oder meinen Benz nur noch zu Dekozwecken nutzen.
Insekt
Als ich mein Handtuch benutze, um mir die Hände abzutrocknen, erschreckt sich ein mottenähnliches Insekt, welches es sich irgendwo auf dem Handtuch gemütlich gemacht hat. Völlig verwirrt fliegt es los, knallt gegen das Waschbecken, läuft irritiert daran entlang und fliegt gerade rechtzeitig los, bevor ich es K.O. schlagen kann. Es fliegt Richtung Badezimmerschrank und ist plötzlich verschwunden. Obwohl ich mir sicher bin, dass es zu groß ist, um in den Schrank zu gelangen, schaue ich im Schrank nach. Keine Spur von dem Vieh. Ich suche das Bad ab, das Insekt bleibt verschwunden. Zunächst denke ich mir nichts dabei. Was kann ein Insekt schon anrichten, außer einen zu erschrecken? Doch dann wird mir mulmig. Was ist, wenn das Insekt schwanger ist und bald Nachwuchs bekommt? Dann habe ich mehrere von den Viechern hier in der kleinen Wohnung. Und wer garantiert mir, dass die Viecher keinen Inzest betreiben? So kann es passieren, dass innerhalb weniger Monate meine Wohnung von Millionen dieser Insekten bewohnt wird, die mich eines Tages überfallen und töten. Das macht mir berechtigte Angst. Ich muss das Insekt finden und töten, bevor es mich tötet. Wie ein Verrückter suche ich danach, doch es bleibt verschwunden. Raus kann es jedenfalls nicht, weil ich Fliegengitter vor den Fenstern habe. Wie ist es überhaupt reingekommen? Und wo steckt es jetzt? Vermutlich hinter irgendeinem Schrank. Dort bereitet es alles für die Geburt des Nachwuchses vor. Bald wird die Wohnung voller Insekten sein. Verdammt.
Am Abend, als ich bei romantischer Beleuchtung TV sehe, fliegt das Insekt ganz knapp an mir vorbei. Sofort springe ich auf, um es zu verfolgen. Doch es ist schon weg. Ich kann förmlich hören, wie es mich auslacht. Das verdammte Insekt ist mir haushoch überlegen. Vielleicht sollte ich mir eine neue Wohnung suchen. Aber so wie ich das Insekt kenne, wird es heimlich mit umziehen. Das ist kein schöner Gedanke. Ich bin verloren.