Rückenqualen
Mittlerweile ist der zweite Monat meines neuen Trainingsplans angebrochen. Der Erfolg lässt, wie erwartet, auf sich warten. Meinem Rücken geht es nicht wirklich besser. Täglich werde ich auch weiterhin von Rückenschmerzen geweckt, empfinde sie mittlerweile zwar als weniger stark, schiebe das aber auf den Gewöhnungseffekt und nicht aufs Training. Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen. Meine Rückenschmerzen werde ich so nicht besiegen. Aus meinem alten Körper mache ich auf diese Art jedenfalls keinen jungen Körper mehr. Und so ist die Hoffnung, dass meine neue Trainingsdisziplin mich rückentechnisch weiterbringt, mittlerweile längst verflogen. Ich werde zwar weiter trainieren, doch wenn mir keine weiteren Maßnahmen, um meinem Rücken zu helfen, einfallen, werde ich mich an meinen organischen Rückenwecker gewöhnen und die nächsten Jahre mit ihm verbringen müssen. Damit habe ich immerhin einen sehr umweltverträglichen Wecker. Das ist etwas ganz Besonderes. Darauf sollte ich stolz sein. Schließlich geht es auch darum, selbst in dem Schlechten etwas Gutes zu erkennen und zu nutzen. Eine andere Wahl scheine ich eh nicht zu haben.
Ein Jahr ohne Erkältung
Ich kenne niemanden, der in den letzten zwölf Monaten nicht mindestens einmal erkältet war. Besonders die Erkältungswelle in den letzten Monaten hat fast jeden mindestens einmal erwischt. Umso erstaunlicher ist es, dass ich davon verschont blieb. Wenn man jetzt auch noch bedenkt, wie oft ich früher jedes Jahr erkältet war, grenzt es schon fast ein Wunder. Doch auch wenn es heißt, dass es Wunder immer wieder gibt, was schon von Katja Ebstein besungen wurde, glaube ich in meinem Fall nicht an ein solches. Es muss etwas anderes dahinter stecken.
Seit meiner letzten Erkältung besitze ich eine Nasenspülkanne, welche ich mittlerweile fast jeden Abend benutze, um meine Nase ordentlich durchzuspülen. Ist zwar ein merkwürdiges Ritual, aber ich glaube fest daran, dass es gesund und gut für mich ist. Außerdem nehme ich immer, wenn ich das Gefühl habe, dass mich eine Erkältung anzugreifen versucht, Meditonsin. Weil ich ein Hypochonder bin, ist der Verbrauch an Meditonsin nicht wirklich gering. Zusätzlich nehme ich seit Monaten diverse Mittel zur Darmsanierung, die mir der Heilpraktiker empfohlen hat. Ein gesunder Darm trägt maßgeblich zu einem guten Abwehrsystem bei. Dazu kommt natürlich noch, dass ich grundsätzlich Leuten aus dem Weg gehe, die erkältet sind. Sobald einer meiner Bekannten mir sagt, dass er erkältet ist, behandle ich ihn wie einen Aussässigen. Das finden manche zwar total bekloppt, aber der Erfolg gibt mir Recht. Und wenn mir im Büro jemand die Hand gibt, desinfiziere ich sie anschließend sofort mit einem Desinfektionsmittel, welches ich seit Monaten immer bei mir habe. Auch wenn ich mich zwischendurch unwohl fühle, nehme ich mein Desinfektionsmittel, desinfiziere meine Hände und fühle mich unverzüglich besser. Was auch immer von meinen Maßnahmen, ich vermute alles hat seinen Anteil, letztlich dafür ausschlaggebend ist, dass ich nun schon seit einem Jahr nicht mehr erkältet war, ich finde es großartig. Da baut mein Körper mit zunehmendem Alter immer mehr ab, aber dank Alternativmedizin, Nasenspülkanne, Desinfektionsmittel und der Meidung von Menschen mit Erkältungssymptomen, bin ich nun schon länger Erkältungsfrei als ich es je für möglich hielt. Selbst als ich noch ein junger Hüpfer war, war ich, soweit ich mich erinnern kann, nie so lange ohne Erkältung. Dies gibt mir die Hoffnung, dass es doch noch Hoffnung für mich gibt.
Menschen wie sie und ich
Heute ähneln sich meine Kunden irgendwie sehr. Fast alle männlich, mit Tragetasche und nach Tabak stinkend. Verlorene Seelen auf der Suche nach einer Zukunft und schönen Bewerbungsunterlagen. Was die Bewerbungsunterlagen angeht, sind sie bei mir richtig. Doch weiter bringt sie das nicht wirklich, denn sie werden vermutlich für immer irgendwie arbeitslos sein und unangenehm riechen. Das unterscheidet sie nur wenig von mir, dennoch sind wir ziemlich unterschiedlich. Nicht nur deshalb, weil ich nicht so unangenehm rieche. Den meisten sieht man ihre Verwahrlosung sofort an und bei denen man es nicht sofort sieht, riecht man es. Trotzdem, und das unterscheidet sie ziemlich von mir, sind sie nicht vollkommen hoffnungslos, was ihre berufliche Zukunft angeht. Sie glauben scheinbar daran, dass irgendwann eine ihrer Bewerbungen zum Erfolg führen wird. Ich glaube weder bei deren, noch bei meinen Bewerbungen daran, dass sie zum Erfolg führen. Bei ihnen hoffe ich es aber, bei mir fürchte ich es. Möglicherweise habe ich einen schlimmeren Dachschaden als ich es mir eingestehen mag. In einem Punkt aber bin ich sehr wohl wie sie. Wir sind Menschen, welche die Arbeitslosenstatistik nach oben treiben und an denen einige gut verdienen.
Gegen Mittag besucht mich ein Ehepaar im Büro. Statt nach Tabak riecht die Frau nach Parfum. Es brennt in meiner Nase, das Atmen fällt mir schwer. Die beiden kamen vor zwölf Jahren aus Kasachstan nach Deutschland. Sie hat zwei Deutschkurse machen dürfen und trägt nun Zeitungen aus. Er arbeitet ab und an als Helfer. Sie fahren einen ziemlich neuen Audi A6. Von ihnen könnte ich vermutlich noch viel lernen. Doch das möchte ich nicht. Mir geht es gut. Den beiden scheinbar auch. Kurz vor Ende des Tages ruft ein Mann an, redet viel und sagt wenig. Er will noch ein paar Jahre arbeiten. Doch niemand will ihn. Gerade läuft im Fernsehen eine seiner Lieblingsserien. Leopard, Seebär & Co. Da hat er gesehen, dass es ältere Tierpfleger gibt. Er mag Tiere und möchte jetzt Tierpfleger werden. Die sollen ihn anlernen und dann möchte er da ganz entspannt arbeiten. Er fragt, ob er sich nicht einfach in einem Zoo als Tierpfleger bewerben soll. Er stellt sich den Job ganz leicht vor. Er mag Tiere. Und er wiederholt gerne, was er sagt. Wie ein kleiner Junge, möchte dieser fast sechzigjährige Mann nun Tierpfleger werden, weil das im TV so toll aussieht. Ausreden will er sich das nicht lassen. Und weil wir hier im Büro zwar nicht jeden verstehen, aber auch keine Spielverderber sein wollen, bekommt er einen Termin für seine Bewerbung als Tierpfleger. Er wird zwar am Ende sicher kein Tierpfleger, aber vielleicht geben wir ihm für ein paar Tage etwas Hoffnung und den Glauben daran, dass er doch noch gebraucht wird und nicht überflüssig ist. Und jeder Tag Hoffnung, kann nur gut für ihn sein. Regelmäßig geben wir den Verzweifelten, die eigentlich nicht mehr gebraucht werden, für eine kurze Zeit etwas Hoffnung. Und wenn sie später anrufen, um uns zu sagen, dass ihre Hoffnungen und Träume mal wieder zerschlagen wurden, hören wir ihnen zu. Mehr können wir nicht tun. Vielleicht freuen wir uns eines Tages ja auch, wenn uns jemand zuhört und uns kurzzeitig etwas Hoffnung gibt. So endet der Tag im Büro, so wie er begann und wir alle bleiben, was wir am Morgen waren. Lebende Arbeitslose. Schwarze Schafe der Gesellschaft. Die Gesellschaft kann uns mal.
Mein Wetter
Seit Monaten ist das Wetter fast durchgehend einfach nur zum Abgewöhnen. Es ist kalt und fast immer windig. Meist stark windig. Der Wind ist eisig kalt und dringt durch die Kleidung, um mich zu quälen. Es ist das perfekte Wetter, um lethargisch zu Hause zu bleiben und die Decke anzustarren. Jeder Gedanke daran, die Wohnung zu verlassen, verursacht unverzüglich schlechte Laune und Kopfschütteln. Ich will da nicht raus. Ich gehe auch nicht raus. Außer, es muss wirklich sein, weil nix zu essen im Haus ist oder ich trainieren muss. Ansonsten nutze ich das Wetter, um alle möglichen Dinge abzusagen. Vermutlich halten mich längst alle, denen ich sage, dass ich wegen des Wetters nicht raus kann, für noch durchgeknallter als sie es schon vorher taten, doch das ist mir egal, denn ich kann meine Trägheit prima hinter dem Wetter verstecken und muss mich nicht einmal dafür schämen. Dass andere Leute weniger Probleme mit dem Wetter haben, kann mir egal sein. Dieses Wetter ist nichts für mich. Zumindest nicht außerhalb der eigenen vier Wände. Und genau deshalb ist es doch mein Wetter. Eine prima Sache, um eine plausible Erklärung dafür zu haben, dass ich nur zu Hause abhängen will. Ich frage mich echt, wie es weitergehen soll, wenn es irgendwann mit dem Wetter nicht mehr so weiter geht. Werde ich dann tatsächlich wieder häufiger die Wohnung verlassen? Oder suche ich nach neuen Ausreden? Wie ich mich kenne, werde ich wohl neue Gründe erfinden müssen. Doch bis es soweit ist, kann dieses unfreundliche Wetter, das mittlerweile auch irgendwie mein Lieblingswetter geworden ist, noch eine Weile bleiben. Es ist herrlich bequem, sich hinter diesem Wetter zu verstecken und ich hätte nie gedacht, dass dieses Wetter mal zu meinem Wetter werden würde. Das Leben ist wirklich eine Wundertüte.
Ein Zahnarzttermin
Diese stets wiederkehrenden Zahnarzttermine sind einfach nichts für mich. Da hilft es auch nichts, dass ich meine Zähne recht gut pflege und ständig Zahnseide verwende. Ich fühle mich spätestens am Tag vor dem Termin schlecht und stelle mir permanent vor, wie ich in diesem Zahnarztstuhl gefangen und ausgeliefert bin, keine Luft mehr bekomme und gefoltert werde. Fortan habe ich Magenprobleme, die sich erst nach der Behandlung schlagartig von mir verabschieden. Blöde Psychospielchen.
Als ich heute die Praxis erreiche, stelle ich schnell fest, dass ich keine der Helferinnen je zuvor gesehen habe. Vermutlich alles neue Auszubildende. Und obendrein zu jung, um mir das Gefühl zu geben, dass mir hier nichts passieren kann. Lediglich die Frau am Empfang gehört schon immer zum Personal. Aber das hilft mir nicht weiter. Nach einer kurzen Wartezeit werde ich aufgerufen. Eine Auszubildende, ich schätze siebzehn Jahre alt, vermutlich erstes Lehrjahr, führt mich ins Behandlungszimmer. Kaum sitze ich, möchte sie meine Zähne sehen. Und kaum hat sie sie gesehen, möchte sie den Zahnstein entfernen. Ist sie nicht zu jung dazu? Zeit zum Nachdenken bleibt mir nicht, schon geht es los. Mund auf, irgendwas stößt in mein Zahnfleisch. Aua. Und genau so geht es weiter. War es schon immer so schmerzhaft, Zahnstein zu entfernen oder liegt es an der jungen Auszubildenden? Oder sind es meine Vorurteile gegen zu junge Frauen, die in meinem Mund herumdoktern? Spielt vermutlich keine Rolle. Weh tut es trotzdem. Zum Glück habe ich nur wenig Zahnstein mitgebracht, so dass es schnell vorbei ist. Wenige Minuten später erscheint mein Zahnarzt und bringt eine attraktive, blonde Frau mit. Warum tut er das? Er stellt sie vor. Ich bin zu verwirrt, richtig zuzuhören. Angehende Ärztin, Ärztin im Praktikum. Irgendwas in dieser Art. Der Zahnarzt ist entspannt wie immer, ich verkrampft wie immer. Die Kontrolle beginnt. Und damit die blonde Frau auch alles gut sieht, darf sie auch in meinen Mund gucken und bekommt irgendwelche Erklärungen, während ich dazu leide. Mir passiert zwar nichts, aber ich leide. Das ist ganz selbstverständlich für mich. Ich lasse es mir aber nicht anmerken. Ist auch selbstverständlich für mich. Da mache ich keine große Sache draus. Zu allem Unglück findet mein Zahnarzt zwei Zähne, die eine neue Füllung brauchen. Mir wird heiß und kalt. Und wie immer endet die Untersuchung an meinem Weisheitszahn, der schon seit Jahren raus soll. Natürlich nimmt der Zahnarzt auch heute dieses spitze Instrument und sticht in den angegammelten Weisheitszahn. Tief bohrt er die Spitze in den Karieszahn. Und zu unserer beider Überraschung, tut es gar nicht weh. Das war schon mal anders. Der Zahn bleibt weiter unter Beobachtung. Untersuchung beendet. Der Patient lebt, löst sich aus seiner Verkrampfung und verabschiedet sich vom Zahnarzt und der hübschen, blonden Zuschauerin. Gleichzeitig beschließe ich, dass sie niemals an meinen Zähnen rumdoktern darf. Blonde Frauen und ich, das geht niemals gut. Am Ende stehe ich womöglich noch ganz ohne Zähne da. Das möchte ich nicht. Die junge Auszubildende, die ebenfalls blond ist, ist nun für die Terminvergabe zuständig. Sie fragt, ob beide Zähne an einem Termin gemacht werden sollen. „Nein. Die liegen zu weit auseinander und außerdem bin ich ein Angstpatient.“ Sie lächelt freundlich. Vermutlich ist es ein mitleidiges Lächeln. Ich schäme mich. Ich bin echt nicht zurechnungsfähig und voll peinlich, sobald ich eine Zahnarztpraxis betrete. Zeit, mich zu verabschieden und durchzuatmen.
Die Schwester einer Frau aus der Vergangenheit
Gewöhnlich versuche ich es zu vermeiden, an einem Samstag einzukaufen. Manchmal jedoch ist es mir nicht möglich. So wie heute. Und so beschließe ich, dass ich bei Kaufland einkaufe. Da gibt es eine große Auswahl und ich kann prima parken.
Gegen 15.00 Uhr betrete ich den Laden. Es ist akzeptabel voll, so dass ich recht ungestört einkaufen kann. An den Kassen ist allerdings viel los. Lange Schlangen an fast jeder Kasse. Nur eine Kasse findet wenig Beachtung. Das ist meine Kasse. Entgegen meiner Befürchtung, geht es an dieser Kasse sogar zügig voran. Ich werfe einen Blick auf die Kassiererin. Die kenne ich. Aber woher? Nur vom sehen oder auch persönlich? So sehr ich mich auch anstrenge, es fällt mir nicht ein. Also kenne ich sie vermutlich nur vom sehen. Vom sehen kenne ich echt viele Frauen. Gegrüßt habe ich sie jedenfalls nie. Da bin ich mir jetzt sicher. Ihr Namensschild kann ich auf diese Entfernung nicht erkennen. Seit ich Brillenträger bin, sehe ich nicht nur schlechter aus, ich sehe auch schlechter. Nachdem ich etwas näher an die Kasse gekommen bin, kann ich ihr Namensschild endlich lesen und bin überrascht. Es ist die kleine Schwester einer Frau aus der Vergangenheit, die vor etwa sechs Monaten bei mir im Büro war, um sich Bewerbungsunterlagen erstellen zu lassen. Die Welt ist doch ein Dorf. Meine letzte bewusste Erinnerung an die Kassiererin liegt etwa zwanzig Jahre zurück. Damals war sie gerade in der Pubertät angekommen und ich habe ihr irgendwelche Gegenstände auf den Kopf gehauen. Ich fand das witzig, sie fand es doof. Vermutlich finden es Mädchen in der Pubertät grundsätzlich nicht witzig, wenn man ihnen etwas auf den Kopf haut. Ich kenne mich da leider nicht mit aus. Irgendwann habe ich nicht mehr mit ihrer Schwester geredet und ihr dann zwangsläufig nichts mehr auf den Kopf gehauen. Da sie es sowieso blöd fand, wird sie es kaum vermisst haben. Später verlor ich sie ganz aus den Augen und heute brauche ich ein Namensschild, um sie zu erkennen. Ihre Schwester erkannte ich immer ohne Namensschild. Ich finde die kleine Schwester, obwohl sie längst aus der Pubertät ist, immer noch irgendwie sympathisch. Ob sie mich wohl erkennt, wenn ich ihr etwas auf den Kopf haue? Als ich an der Reihe bin, grüße ich freundlich. Keine Ahnung, ob sie mich erkennt. Bevor sie sich um meine Waren kümmert, wird sie von einer anderen Kassiererin, die etwas asig in der Art ihrer Ausdrucksweise ist, angeschrien. Nettes Arbeitsklima. Und vor Kunden ein unmögliches Verhalten. Ich spreche sie auf die schreiende Kollegin an und sie sagt, dass sie das nicht mehr beachtet und die Kollegin vermutlich gar nicht mitbekommt, wie ihr Verhalten sich auf andere auswirkt. Sie tut mir Leid, gibt mir aber keinerlei Hinweise darauf, ob sie mich erkennt. Vermutlich nicht. Sie wirkt irgendwie resigniert, verloren und sieht insgesamt nicht energiegeladen aus. Irgendwie erschöpft. Entweder war es ein langer anstrengender Tag für sie oder das Leben meint es insgesamt nicht gut mit ihr. Das kann ich nicht ordnungsgemäß beurteilen. Muss ich auch nicht. Danach zu fragen, halte ich für unangebracht, obwohl ich sehr neugierig bin. In meiner Erinnerung war sie jedenfalls ein niedliches Kind. Heute ist sie eine geschaffte Frau. Zumindest ist das mein Eindruck. Aber ich kann mich auch irren. Irre mich eh ständig. Ohne ihr etwas auf den Kopf zu hauen, verabschiede ich mich freundlich und überlasse sie den anderen Kunden. Ob ich sie, wenn ich sie mal auf der Straße sehe, erkennen werde? Oder werde ich mich nur daran erinnern, dass ich sie schon mal irgendwo gesehen habe, aber nicht wissen woher und sie deshalb, wie in den letzten zwanzig Jahren, nicht grüßen? Das wäre nur konsequent. So wird es vermutlich sein.
Brigittäh
Heute darf ich wieder einen Tag im Sozialinstitut Kommende verbringen. Wie immer fühle ich mich leicht deplatziert und nutze die Stunden, um das Verhalten der anderen Teilnehmer zu beobachten. Eigentlich sollte es um 09.15 Uhr losgehen, doch wie erwartet verspäten sich viele Teilnehmer, so dass wir direkt von Anfang an in Zeitverzug sind. Ich hasse so etwas. Nach einer launigen und zum Glück recht kurzen Vorstellungsrunde beginnt der Dozent mit seinem Vortrag. Schnell stellt sich heraus, dass Brigittäh heute diejenige sein wird, die den Betrieb mit ihren entzückenden Fragen aufhalten wird. Und weil sie während ihrer Fragen und Ausführungen ständig ins Stocken gerät und immer „Äh“ sagen muss, nenne ich sie Brigittäh. Ein schöner Name für eine Frau über 50. Brigittäh ist auch für die Pausen zuständig. Hat sich selbst zur Pausenwärterin gemacht und fordert die Pausen ein. Sehr tapfer, die kleine Nervensäge. Die erste Pause ist eigentlich kurz, aber da die meisten Teilnehmer komisch sind, verlängern sie die Pause einfach. Sehr klug, denn so werden wir nie pünktlich fertig. Bis zur Mittagspause zieht es sich sehr. Ich bin müde, kann dem Vortrag kaum folgen und nutze die Zeit, um durchzuzählen. Fünf Männer und zwanzig Frauen füllen den Raum. Ich gehöre hier nicht hin, doch das macht nichts. Vielleicht sind hier noch andere, die hier ebenso wenig hingehören. Brigittäh ruft zur Mittagspause. Sie gehört definitiv hier hin. Sie ist sehr sozial. Das passt. Nach der Pause fehlt von den meisten Teilnehmern zunächst jede Spur. Sehr sozial, diese Sozialarbeiter. Der Dozent macht dennoch weiter, um nicht bis Mitternacht hier sitzen zu müssen. Nach und nach trudeln die sozialen Trödler ein. Als letzte taucht, wer hätte es gedacht, Brigittäh auf. Sie hat die Pause genutzt, um ein paar Blumen zu besorgen. Sehr clever und ökonomisch, wie sie so vorgeht. Ein echter Wonneproppen mit hoher sozialer Kompetenz und klaren Zielen. Dann wird es etwas grotesk. Die unpünktlichsten der Teilnehmer, mokieren die Unpünktlichkeit einiger Menschen und besonders die ihrer Kunden. Ich amüsiere mich sehr über diese Teilnehmer. Ob sie wissen, dass sie auch nicht besser sind? Vermutlich nicht. Dass sie die Pausen verlängern, scheint ihnen entgangen zu sein. Oder sie haben triftige Gründe. Jetzt sind sie jedenfalls die, die am lautesten krähen und Unverständnis in die Runde werfen. Widerwärtiges, heuchlerisches Pack. Brigittäh hat dann auch gleich wieder ein paar Fragen. „Äh, Öh, Üh, Ähhhhh, …“ Wir werden hier um 17.00 Uhr noch sitzen, wenn das so weiter geht. Sehr sozial. Ist ihr Gehirn ausgefallen? Es scheint zumindest so.
Pünktlich um 15.00 Uhr verlangt Briggitäh nach einer Kaffeepause. Die ist doch durch. Kaffeepause genehmigt. Bei ihren Pausenzeiten ist Brigittäh sehr genau. Die hat sie sich verdient. Muss sich vermutlich von ihren vielen Fragen erholen. Nachdem alle noch einmal Kräfte gesammelt haben, geht es weiter. Brigittäh hat da noch eine Frage. Und dann noch eine. Und dann, es ist etwa 15.50 Uhr, fallen bei ihr die Systeme aus. Augen zu und ruh. Unglaublich. Nach einigen Minuten kommt sie wieder zu sich, zieht ihre Jacke an, steht auf und verlässt um 16.02 Uhr die Runde, die sie vorher so grandios aufgehalten hat. Sie ist gnadenlos konsequent und gnadenlos lästig. Der Dozent macht weiter. Nur wenige hören weiter zu. 16.12 Uhr. Ich habe genug, stehe auf und verlasse ebenfalls diese Veranstaltung. Warum soll ich hier weiter leiden, während die Hauptverursacherin des Chaos längst gegangen ist?
Bauchumfang
Innerhalb eines Jahres ist mein Bauchumfang um drei Zentimeter gewachsen. Mein Gewicht hat sich aber nicht verändert. Also muss ich irgendwo an Umfang abgenommen haben. Sollte die Entwicklung so weitergehen, werde ich in wenigen Jahren nur noch ein Bauch mit Armen und Beinen sein. Ein schrecklicher Gedanke, aber scheinbar eine unvermeidbare Entwicklung. Das Leben kann echt grausam sein.
Alles Käse
Wenn ich essen gehe, vergesse ich meist diese Putzlappen, mit denen man sich nach dem Essen den Mund abwischen kann. So ist es immer besonders wichtig, dass ich mich beim Essen nicht beschlabbere. Ich mag es nämlich nicht, wenn ich Essensreste oder Soße im Gesicht habe. Beim Wok Man nehme ich gemeinsam mit Agnes einen Snack zu mir. Und weil ich gelegentlich einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen will, denke ich sogar an die Putzlappen. So kann ich mir, sollte ich mich beim Essen beschmieren, hinterher den Mund abwischen und muss mich nicht vor ihr schämen. Da ich aber heute nicht kleckere, benutze ich den Putzlappen nicht. Als wir später erneut zusammensitzen, schaut mich Agnes sehr genau an, greift in mein Gesicht und holt Käsereste aus meinem Bart. Sofort schäme ich mich und möchte im Erdreich versinken oder am besten gleich beerdigt werden. Das ist mehr als nur peinlich. Ihr bleibt mittlerweile echt nichts mehr erspart. Ich schnarche, habe einen Reizdarm und nun benutze ich sogar meinen Bart, um Essensreste zu transportieren. Das ist nicht schön. Wenn ich möchte, dass Agnes auch morgen noch gerne mit mir zusammen ist, dann muss ich in Zukunft auf jeden Fall diese Putzlappen benutzen. Denn Essensreste im Bart zu sammeln, mag ja vielleicht mal ganz lustig sein, doch wenn es immer wieder passiert, dann ist es sicher alles andere als erotisch. Dann will Agnes irgendwann nicht mehr geküsst werden. Zumindest nicht von mir. Das möchte ich nicht.
Bioresonanztherapie
Seit Monaten versuche ich recht erfolglos, meine Darmprobleme zu beseitigen. Mehrere hundert Euro habe ich dafür bereits für homöopathische Mittel bezahlt. Lediglich mein Sodbrennen wurde besser. An meinen Blähungen hat das alles nichts geändert. Für einen Geringverdiener wie mich, sind solche Experimente finanziell nur schwer zu stemmen, da diese Mittel meist nicht so günstig sind. Heute berichte ich dem Heilpraktiker von meinen Misserfolgen und er empfiehlt mir eine Bioresonanztherapie. Ich frage nach dem Preis. 15 Sitzungen zu je 25 Euro. Ich rechne kurz durch. 375 Euro. Da kann ich unmöglich nein sagen. Zumal ich schon immer wissen wollte, wie so eine Bioresonanztherapie geht. Kaum habe ich mich dafür entschieden, liege ich auch schon auf einer Liege und eine Matte liegt auf meinem Bauch. Die Matte ist an einem Gerät angeschlossen. In das Gerät kommen kleine Ampullen mit Flüssigkeiten. Weizen und Milcheiweiß. Dann geht es los. Jeweils für acht Minuten läuft das Gerät und ich liege einfach nur da und lasse das Gerät seine Arbeit tun. Das ist wirklich einfach und entspannend und schnell vorbei. Zum Abschied bekomme ich noch ein Antipilzmittel. Das gehört zu meiner Therapie und ist schnell eingenommen. Ich weiß zwar noch immer nicht, was der Zauber hier wirklich bewirkt und was mit mir passiert, aber ich ziehe das jetzt durch. Das bin ich mir einfach wert.
Brami 2013
Alle paar Monate findet in diesem entzückenden Ort ein Dorffest namens Brami statt. Es werden Stände aufgebaut, die Straße abgesperrt und dann versammelt sich das Volk auf der Straße, um dort sinnfrei zu flanieren. Gewöhnlich meide ich das Fest. Entweder ich bin nicht vor Ort oder verstecke mich in der Wohnung. Heute habe ich keine Wahl und muss einen Teil des Festes überqueren, weil ich bei meinen Eltern war und kurzzeitig vergessen habe, dass Dorffest ist. Und so gehe ich auf meinem Heimweg einmal durch die gesperrte Straße und erlebe hautnah mit, was ich nicht erleben will. Vor der türkischen Moschee ist eine Bühne aufgebaut. Schon von weitem höre ich orientalische Musik, die meinen Ohren nicht gut tut und mich ganz benommen macht. Direkt vor der Moschee ist es am schlimmsten. Zum Glück tanzt hier niemand. Mit jedem Meter, den ich mich wieder von der Moschee entferne, wird die Musik leiser und es geht mir besser. Zumindest was die musikalische Belästigung angeht. Die Menschen und Stände gehen wir weiter auf die Nerven und stören mein Wohlbefinden. Können die nicht feiern, wenn ich tot bin? Nach einigen Metern erreiche ich die nächste Showbühne. Schon von weitem habe ich das Elend gehört, jetzt darf ich es auch noch sehen. Eine Mädchengruppe gibt ihr Bestes. In diesem Fall bedeutet es, dass die Mädchen so laut kreischen, dass meine Ohren bluten wollen. Das ist peinlich. Wie kann man sich mit so perversen Stimmen nur auf eine Bühne stellen? Geht es hier darum, selbst den völlig Untalentierten eine Bühne zu geben? Vermutlich. Schnellen Schrittes bewege ich mich auf meine Wohnung zu und gucke möglichst unfreundlich, um zu signalisieren, dass ich nur aus Versehen hier bin. Außerdem soll jeder sehen, dass ich dieses Fest missbillige. Vielleicht mag ich Menschen auf Dorffesten grundsätzlich nicht. Vermutlich aber mag ich Menschen im Allgemeinen nicht.
Kaum bin ich zu Hause, scheint draußen die Sonne. Das ist blöd, denn bei Sonnenschein lässt es sich nicht rechtfertigen, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Ich sitze in einer Falle und weiß nicht, wie ich ihr entrinnen kann. Kann es jetzt nicht zwei Stunden stark regnen? Dann fällt das Fest buchstäblich ins Wasser. Das täte mir gut. Weil der Lärm von unten bis zu meiner Wohnung durchdringt, mache ich Musik an. Da ich nicht weiß, was ich sonst tun soll, putze ich die Wohnung. Die Sonne sorgt dafür, dass es in der Wohnung ziemlich warm wird. Zu viele Fenster zur Sonnenseite sind nicht immer ein Segen. Als die Wohnung geputzt ist, schwitze ich und öffne zwei Fenster. Der Lärm vom Dorffest ist jetzt nur noch unangenehm und ruiniert die Stimmung. Zeit zu duschen. Kaum habe ich geduscht, beschließe ich, dass ich es in der Wohnung nicht mehr aushalte. Ich gehe raus auf den Balkon, schaue runter aufs Dorffest, auf die Leute, das Kinderkarussell und bin genervt. Ich gucke sehr böse, doch niemand bemerkt es. Die Polizei rufen und mich wegen der Lärmbelästigung beschweren, macht vermutlich keinen Sinn. Die würden mich auslachen und schlimmstenfalls abholen und in eine Klinik bringen. Das möchte ich nicht. Ich muss hier weg. Also ziehe mich an und verlasse die Wohnung durch den Hinterausgang, um dem bunten Treiben aus dem Weg zu gehen. Auf den Nebenstraßen entferne ich mich von dem Fest und kehre erst über drei Stunden später erschöpft zurück. Das Fest ist vorbei. Die Ordnung ist wieder hergestellt.
Verpeilt in den Tag
Als ich um 06.38 Uhr aufwache, kann ich noch nicht ahnen, wie verpeilt ich bin. Etwa fünf Minuten nach dem Aufwachen stehe ich auf, gehe urinieren, ziehe mich an und verlasse die Wohnung, um mein Auto aus der Garage zu holen. Kaum auf der Straße angekommen stelle ich fest, dass ich viel zu warm angezogen bin. Unverzüglich beginne ich zu schwitzen und stelle obendrein fest, dass ich so müde bin, dass ich kaum gehen kann. Was mache ich hier? Für mich überraschend sind viele Menschen auf den Straßen unterwegs. Ob die auch alle so verpeilt sind? Oder wissen die, was sie da tun und warum sie es tun? Noch bevor ich eine Antwort finde, vergesse ich die Frage und schleppe mich weiter zur Garage. Kaum dort angekommen, öffne ich die Garage, steige in meinen Benz, starte den Motor und fahre los. Ich bin eindeutig zu müde, um rumzufahren. Noch immer verstehe ich nicht, was ich jetzt schon hier mache. Mein Kreislauf sackt zusammen, ich bekomme einen Schweißausbruch. Völlig entkräftet erreiche ich den Hof, steige aus, gehe in meine Wohnung und messe meinen Blutdruck. 110-74-62. Für meine Verhältnisse und unter diesen Umständen ganz passable Werte. Trotzdem glaube ich, dass irgendwas mit mir nicht stimmt.
Zahn ziehen. Nein danke.
Pünktlich erscheine ich zu meinem Zahnarzttermin. Nach kurzer Wartezeit werde ich auch schon aufgerufen und in das blaue Behandlungszimmer geführt. Vor mir auf den Bildschirm ist ein Röntgenbild meiner Zähne. Sieht furchtbar aus. Mir war nicht bewusst, wie ruiniert meine Zähne sind. Ich schäme mich. Obwohl es unüblich ist, dass bei einer normalen Behandlung ein Röntgenbild anwesend ist, mache ich mir keine weiteren Gedanken. Erst als die Zahnarthelferin mir sagt, dass heute mein Weisheitszahn gezogen wird, bin ich durchaus irritiert. Da muss ein Irrtum vorliegen. Ich weise darauf hin, dass ich nur eine neue Füllung möchte und der Zahn schon länger gezogen werden soll, ich das aber nicht möchte. Es liegt mir zwar nicht viel an dem Karieszahn, aber ich möchte ihn dennoch noch ein paar Jahre behalten, wenn er einverstanden ist. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen habe, werde ich in ein anderes Behandlungszimmer gebracht. Und schon erscheint der Zahnarzt, fragt mehrmals, ob ich nicht doch eine Betäubung will, was ich ablehne, und es geht los. Zwischendurch trifft der Bohrer meinen Nerv und ich überlege, ob eine Betäubung nicht sinnvoll wäre. Während ich so überlege, ist es auch schon vorbei und ich werde gefragt, ob es noch geht, weil der zweite Bohrer deutlich unangenehmer zu Werke gehen wird. Obwohl mir der Gedanke nicht gefällt, sage ich, dass es ohne Betäubung gehen wird. Geht es auch. Zumindest so lange bis der Bohrer auf den Nerv trifft. Das schüttelt mich kurz durch. Ich will keine Spritze. Das ziehe ich jetzt durch. Wenige Minuten später ist der Spuk vorbei. Mein Zahn hat eine Füllung, die mindestens 50% der Zahnfläche einnimmt. Meine Zähne sind wahrlich echte Problemfelder. Allerdings, und das muss ich lobend erwähnen, verursachen sie in der Regel keine Schmerzen. Und das macht sie mir direkt wieder sympathisch. Dafür zahle ich gerne die 64 Euro für die Kunststofffüllung. Derartigen Luxus lasse ich mir gerne etwas kosten.
Der Verfall und ich
Weil das Wetter schön ist und ich nichts mit mir anfangen kann, mache ich einen Spaziergang. Es dauert nur wenige Minuten, bis mein Sprunggelenk Probleme macht. Je weiter ich gehe, desto schmerzhafter wird es. Das fängt nicht nur übel an, es wird nur wenige Minuten später noch übler. Denn es meldet sich mein rechtes Knie und schmerzt, wie ich es sonst nur vom Joggen kenne. Ich verlangsame mein Tempo und beginne spontan zu humpeln. Anders geht es nicht. Den Spaziergang zu beenden, lehne ich ab. Nach einigen Minuten bekomme ich Rückenschmerzen. Natürlich auf der rechten Seite. Kommt vermutlich von meiner humpelnden Art mich fortzubewegen. Bald kann ich bestimmt so gut wie gar nichts mehr machen, muss mein Leben in meiner Wohnung verbringen und darf täglich einen Pfleger um Hilfe bitten. Ich fühle mich wie 28, benehme mich wie 17, nur mein Körper fällt aus der Reihe und fühlt sich an, als wäre er 67. Ich habe jetzt schon Angst zu erfahren, wie er sich mit 67 anfühlt. Vorausgesetzt ich werde überhaupt so alt. Im Moment erscheint das unwahrscheinlich. Nach einer Weile erreiche ich die Wiese mit meinen beiden Lieblingspferden. Wir haben uns seit Monaten nicht gesehen, begrüßen uns aber wie alte Bekannte und hängen eine Stunde zusammen ab, bevor ich weiter muss. Meinem Knie hat die Pause spürbar gut getan. Auch der Rücken ist beschwerdefrei. Das Sprunggelenk allerdings fühlt sich weiter demoliert an. Wind kommt auf. Wind finde ich Scheiße und schleppe mich weiter Richtung Wohnsitz. Im Hausflur begrüßt mich der Hund einer dicken Nachbarin und leckt meine Hände ab. Das macht er sonst nie. Bestimmt schmecken meine Hände nach Pferd. Ob er Pferde mag? Kaum in der Wohnung angekommen, rufe ich bei einem Orthopäden an und bekomme prompt einen Termin. Anschließend verlangt mein Körper nach einer Pause. Ich lege ich mich hin und mache ein Nickerchen. Alles andere wäre albern und würde niemandem helfen.
Körper macht, was er will
Vor einigen Monaten beschloss mein Körper, dass es gut für mich ist, wenn ich täglich Blähungen habe und mich jeden Morgen furzend wecke. Mir gefällt das zwar nicht, aber ich habe bisher keinen Weg gefunden, es zu unterbinden. Vor einigen Wochen fand mein Körper, dass es prima wäre, wenn ich morgens zu den Blähungen starke Rückenschmerzen bekomme. Auch das gefiel mir nicht, aber auch dagegen konnte ich bisher nichts machen. Vor ein paar Tagen hatte mein Körper nun die Idee, dass ich immer gegen 06.30 Uhr aufwache und nicht weiter schlafen kann. Auch diese Idee setzte mein Körper konsequent um. Ich wäre gerne so konsequent wie mein Körper und würde das alles gerne abstellen, doch es gelingt mir nicht. Daher bleibt nur abzuwarten, was sich mein Körper als nächstes für mich ausdenkt. Ich fürchte, dass es nichts Gutes sein wird.
Jobangebot
Meine Betreuerin vom Jobcenter ist wirklich hartnäckig. Immer weiter sucht sie nach passenden Jobangeboten für mich. Selbst, wenn ich gar keinen Termin bei ihr habe, verbringt sie ihre Zeit damit, für mich aktiv zu sein. Zu meinem Glück ist sie dabei meist vollkommen erfolglos. Vor ein paar Tagen hatte sie allerdings doch Erfolg und fand einen Job, von dem sie glaubt, dass er der richtige für mich ist. Automobilkaufmann in Dülmen, 15 Stunden die Woche. Dülmen ist mir zu weit weg. Wie soll ich denn da hinkommen? Außerdem bin ich gar kein Automobilkaufmann. Lediglich Punkt 3, 15 Stunden die Woche, gefällt mir. Damit hat sie nur einen von drei möglichen Punkten erreicht. Da besteht auf ihrer Seite noch Nachbesserungsbedarf, doch weil ich ein pflichtbewusster Arbeitsloser bin, bewerbe ich mich natürlich unverzüglich per Mail. Und weil ich nicht möchte, dass mich meine Betreuerin in ein paar Tagen anruft, um zu fragen, ob ich mich beworben habe, schreibe ich ihr auch gleich eine Mail. Nun weiß sie, dass ich meiner Mitwirkungspflicht nachgekommen bin und sie sich total auf mich verlassen kann. So funktioniert gute Zusammenarbeit im Team. Ich bin ein guter Arbeitsloser und das macht mich fast schon ein wenig stolz.
Bioresonanztherapie 2
Kaum ist eine Woche um, liege ich erneut beim Heilpraktiker auf der Liege. Die Bioresonanztherapie wird fortgesetzt. Während ich nichts weiter tun muss, als auf einer Liege zu liegen, muss der Heilpraktiker das Gerät startklar machen und nach acht Minuten ein Röhrchen wechseln. Und er muss ein wenig mit mir plaudern und meine geistreichen Fragen beantworten. Eine Weile denke ich, dass er so wirklich leicht sein Geld verdient, doch dann ändere ich meine Meinung, denn während der Zeit muss er ja bei den Leuten bleiben, vermutlich immer mit ihnen reden und ihre ganzen unsinnigen Geschichten hören. Manche riechen bestimmt komisch, andere sind vermutlich einfach nur Nervensägen. So leicht verdient er in dieser Zeit vermutlich doch nicht sein Geld. Für mich jedenfalls wäre das anstrengend. Andererseits gewöhnt man sich sicher schnell daran und macht sich keine weiteren Gedanken. Während wir so plaudern und ich darüber nachdenke, ob Heilpraktiker vielleicht mein Beruf hätte sein können, ist die Zeit auch schon um und ich bin fertig. Ich bin sehr gespannt, wann ich etwas spüre und aufhöre den ganzen Tag zu blähen. Nächste Woche geht es weiter.
Verhaltensgestörter Zahnarzt
Während ich im Wartezimmer sitze, kann ich einen Mann in Praxiskleidung beobachten, wie er irgendwie orientierungslos umherwandert. Ich vermute, er ist ein Praktikant. Er wirkt auf mich verwirrt und unsicher. Noch kann ich nicht ahnen, dass ich das zweifelhafte Vergnügen haben werde, ihn später kennenzulernen.
Kaum sitze ich im Behandlungsstuhl, wird es verwirrend. Eine Zahnarzthelferin fragt, ob ich eine Kunststofffüllung möchte. Da ich nicht weiß, welcher Zahn gemacht werden soll, kann ich ihr die Frage nicht abschließend beantworten. Während wir noch diskutieren, kommt der Typ vom Flur rein und stellt sich vor. Doktor ist er. Wer hätte das gedacht? Er fragt, was für eine Füllung ich möchte. Ich sage ihm, dass ich das nicht weiß, weil ich ja nicht weiß, welcher Zahn denn nun gemacht wird. Er sagt, dass er wiederkommt, wenn das geklärt ist und verschwindet. Ich bin verwirrt. Wäre es nicht seine Aufgabe, mich aufzuklären, welcher Zahn es ist und welche Füllung sinnvoll ist? Stattdessen ist er überfordert und rennt jetzt wieder verwirrt auf dem Flur rum. Als er wiederkommt, schaut er sich den Zahn an, redet davon, dass die Füllung riesig ist und sagt, dass da eine Krone drauf muss. Ich bin abermals verwirrt. Noch bevor ich etwas sagen kann, sagt er, dass der Zahn davor auch eine Krone braucht und fragt, wie es finanziell bei mir aussieht. Ich frage mich, was in seinem Kopf vorgeht und sage ihm, dass ich arbeitslos bin. Er bleibt konfus und scheinbar überfordert und sagt, dass er erst mal eine Füllung macht. Ich frage ihn, ob eine Kunststofffüllung Sinn macht. Er antwortet nicht und bohrt los. Kaum hat er gebohrt, stopft er zwei Keile zwischen meine Zähne. Hat er wohl in der Schule gelernt. Muss wohl wichtig und richtig sein. Direkt nachdem die Keile platziert sind schraubt er dieses Metallteil um meinen Zahn. Nun kann ich ihn nix mehr fragen. Mich allerdings frage ich, wie ich auf die Idee gekommen bin, einen so verwirrten Kerl an meine Zähne zu lassen. Der ist sicher nicht nur verhaltensauffällig, der ist möglicherweise gar kein Zahnarzt. Ich muss echt lernen so Leute abzuweisen bevor die mich ruinieren. Jetzt versucht er mit seiner uncharmanten und klugscheisserrischen Art der Zahnarzthelferin irgendwas zu vermitteln, weil etwas mit der Spritze für die Füllung nicht klappt. Er wirkt für mich wie ein kleiner Junge, der beweisen will, dass er es drauf hat. Dabei ist er aber auf eine dermaßen unsympathische Art unbeholfen und blöd, dass man ihn nicht ernst nehmen kann. Er hatte es in seinem Leben bestimmt nicht leicht. Und Freunde kann er eigentlich auch keine haben. Als es mit der gefüllten Spritze klappt, ist ihm die Füllmenge zu gering. Die Zahnarzthelferin will mehr von dem Füllmaterial erstellen, er ist gereizt und genervt und sagt, dass das zu lange dauert und belässt es bei der vermutlich zu geringen Menge. Kaum ist er fertig, fragt er, wann meine letzte Zahnreinigung war. Im September. Dann wird es Zeit für einen Termin. Was spult er denn da für einen Film ab? Geht vermutlich strickt nach irgendwelchen Lehrbüchern vor. Kaum hat er seinen Unsinn gesagt, teilt er der Zahnarzthelferin mit, dass sie, wenn das Zeug auf meinem Zahn getrocknet ist, die Klemme abmachen und den Zahn glätten soll. Sie erklärt ihm, dass das normalerweise der Zahnarzt macht. Nun ist er wieder verwirrt und sagt, dass sie ihn rufen soll, wenn es trocken ist. Er muss wieder auf dem Flur rumrennen, der verhaltensgestörte Kaspar. Es ist offensichtlich, dass die Zahnarzthelferin ihn ebenso für einen Vollpfosten hält wie ich. Beim Glätten nervt er mich weiter mit seiner auswendig gelernten Scheiße. Zwei Kronen müssen beizeiten gemacht werden, ein Termin für die Zahnreinigung und noch ein Termin und so weiter. Keiner hier im Raum nimmt ihn ernst. Eigentlich müsste jetzt seine Mutter reinkommen und ihn loben. Dann wäre das Bild perfekt. Er wirkt wie jemand, der sich nicht einmal alleine die Schuhe zubinden kann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich irgendwann so weit entwickelt haben wird, eine eigene Praxis zu führen. Eigentlich sollte er gar nicht auf die Menschheit losgelassen werden. Verhaltensgestörte Leute, die ihre Unsicherheit so zur Schau tragen und sich so verhalten, sind meiner Meinung nach nicht wirklich Lebensfähig. Kaum ist er fertig, gibt er mir die Hand und wünscht mir einen schönen Tag. Ich danke ihm, wünsche ihm aber keinen schönen Tag, weil mir das zu heuchlerisch wäre. Ich mag ihn nicht, er hat meinen Zahn versaut. Ich will ihn nie wieder sehen. Ich bekomme einen Termin für nächste Woche, weise aber darauf hin, dass ich den Termin nicht bei dem verhaltensgestörten Kaspar haben möchte. War der Zahnarzthelferin eh klar. Ich glaube, sie lacht den verhaltensgestörten Kaspar aus. Das war jedenfalls der gestörteste Zahnarzt, der je an meinen Zähnen rumgespielt hat. Den Titel für die schlechteste, abgelieferte Arbeit teilt er sich allerdings mit einer Zahnärztin, deren Füllungen alle innerhalb weniger Monate rausgefallen sind. Wie lange seine Füllung wohl hält? Und wird er jemals ein richtiger Mann? Kann er seine Schuhe zubinden oder trägt er Schuhe zum reinschlüpfen? Ich habe es leider nicht kontrolliert. Nächste Woche werde ich meinen Zahnarzt fragen, was das für einer war und ob es noch Hoffnung für meinen Zahn gibt. Vielleicht war der Zahn ja auch gar nicht kaputt. Ausschließen kann ich das jedenfalls nicht.
Sixpack Advanced Training
Im Fitnessstudio gibt es diese Geräte, die zur Rubrik Cybertraining gehören. Das Training nennt sich Vibration und morgens, wenn ich trainiere, benutzt diese Dinger fast nie jemand. Der Gedanke, diese Geräte mal zu testen, reizt mich schon länger. Kaum bin ich beim Training, beschließe ich, dass ich, wenn niemand sonst es tut, diese Vibrationsmaschinen mal ausprobiere. Sollen ja wirklich toll sein. Wie fast jeden Morgen benutzt niemand die Geräte. Das ist meine Chance. Die muss ich nutzen. Leicht unsicher betrete ich den Raum. Das Programm startet und ich folge den Anweisungen auf der Leinwand. Natürlich komme ich mir dabei etwas blöd vor, weil ich nicht weiß, ob ich alles richtig mache und weil ich mir eh ständig blöd vorkomme. Das Programm für heute lautet Sixpack Advanced. Genau das richtige Programm für jemanden, der seit seiner Geburt davon träumt, einmal wunderschöne Bauchmuskeln zu haben, die er im Sommer allen zeigen kann. Die ersten beiden Übungen gehen noch recht locker. Doch dann wird es anstrengend. Ich schwitze und muss sogar eine Übung eher abbrechen, weil ich zu kraftlos bin. Das ist peinlich, da so eine Übung nur dreißig Sekunden dauert. Bei allen Übungen muss ich mich sehr konzentrieren und manchmal spüre ich keine Vibration, wo ich sie spüren sollte. Da mache ich wohl was falsch. Gut, dass mich niemand beobachtet. Allerdings wird das so dann natürlich nichts mit schönen Bauchmuskeln, die ich allen präsentieren kann. Die zwanzig Minuten sind schnell vorbei. Ich rieche unangenehm und überlege, ob ich den folgenden Kurs auch gleich mitmache. Vor der Tür wartet ein junges Ding, welches den nächsten Kurs ebenfalls machen will. Sie sieht knackig frisch aus. Ob das vom Vibrationstraining kommt? Ich schaue auf den Plan. Bauch, Beine, Po Basic zur Straffung der weiblichen Problemzonen. Habe ich nicht. Und außerdem wäre ich bei dem Kurs nicht allein. Das möchte ich nicht. So trainiere ich noch eine halbe Stunde mit Kindergewichten und glaube fest daran, dass ich nächste Woche wieder beim Sixpack Advanced Training dabei sein werde. Und wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja dann, die Übungen richtig zu machen.
Heuschnupfen
Vier oder fünf Jahre nach der letzten Desensibilisierung ist der Heuschnupfen zurück. Stärker als je zuvor. Meine Augen jucken und tränen und manchmal kann ich gar nicht richtig gucken. Meine Nase juckt, sitzt zu und läuft. Alles irgendwie gleichzeitig. Und mein ganzer Mundraum inkl. Hals juckt ebenfalls wie verrückt. Es ist, als hätte es nie eine Desensibilisierung gegeben. In meine Augen tropfe ich Euphrasia, lutsche das Heuschnupfenmittel Dreluso und löse Calcium Sandoz in warmem Wasser auf, um es in kleinen Schlucken zu trinken. Wirkung bisher nicht erkennbar. Alles deutet darauf hin, dass ich mir einen Termin beim HNO-Arzt machen muss. Allerdings glaube ich nicht, dass mir das irgendetwas bringt. Eine Woche Regen könnte helfen. Aber das kriegt der HNO-Arzt vermutlich nicht hin.
Don Pupsi
Wie wichtig es ist, dass die Bioresonanztherapie erfolgreich verläuft, bestätigt mir die entzückende Agnes auf ihre charmante Art und verpasst mir einen Spitznamen, den ich so lange behalte, bis sich mein Darm beruhigt. Mein neuer Spitzname lautet Don Pupsi. Das ist sehr erotisch und strahlt eine Menge Freude und Luftreinheit aus. Mit so einem Namen kann ich sicher vieles werden. Klowärter, Toiletteninspektor oder Fäkalientransporteur. Doch nichts davon erscheint mir erstrebenswert. Und so hoffe ich mehr als zuvor, dass meine Therapie erfolgreich enden wird. Denn als Don Pupsi möchte ich definitiv nicht in die Geschichte eingehen.
Vom Orthopäden zum Zahnarzt
08.45 Uhr. Kaum hat der Tag begonnen, sitze ich im Wartezimmer eines Orthopäden und frage mich, was dieser nachher zu meinen Problemen sagen wird. Es ist voll und ich gehe davon aus, dass ich sehr lange hier sein werde, als ich für mich völlig überraschend aufgerufen werde. Der Arzt stellt sich vor, ich schildere meine Probleme und er schaut sich meine CT-Aufnahmen vom letzten Jahr an. So genau hat das bisher niemand gemacht. Doch auch er kann nichts feststellen. Zeit, meine Beine zu untersuchen und meine Beweglichkeit zu testen. Beweglichkeit rechts stark eingeschränkt. Ich soll mich auf den Bauch legen und atmen. Er bewegt meine Beine. Ich darf mich umdrehen und er testet erneut die Beweglichkeit. Und siehe da, ich kann mich wieder normal bewegen. Chiropraktik ist schon geil. Die Knieprobleme sollten damit behoben sein und ich wieder joggen können. Das wäre ja was. Probiere ich demnächst mal aus. Da das Sprunggelenk ein Rätsel bleibt, werden beide Sprunggelenke zum Vergleich geröntgt. Das Ergebnis ist verwirrend. Rechtes Sprunggelenk in Ordnung, linkes Sprunggelenk Arthrose. Wenn, dann sollte ich da Schmerzen haben. Verdrehte Welt. Da mein Sprunggelenk ein Mysterium, allerdings ein schmerzendes, bleibt, rät der Arzt mir, dass ich eine statisch dynamische Fußdruckmessung machen lasse. Ist zwar keine Kassenleistung, könnte mir aber helfen. Nachdem er mein rechtes Bein wieder beweglich gemacht hat, kann ich den Vorschlag auf keinen Fall ablehnen. Und so bekomme ich eine Überweisung und schon bald weiß ich, mit welchem Druck meine Füße so klarkommen müssen. Herrlich verrückte, moderne Welt.
Nachdem ich vom Orthopäden beweglich gemacht wurde und dort zwei Stunden verbrachte, runde ich den Tag mit einem Besuch beim Zahnarzt ab. Heute geht es leider nicht so schnell, so dass ich leider erst nach 45 Minuten Wartezeit dran bin. Zunächst wird das Werk des verhaltensgestörten Zahnarztes begutachtet. Niederschmetternd. Mein Zahnarzt bietet mir an, die Füllung sofort zu tauschen, da sie nicht nur stümperhaft gemacht wurde, sondern vermutlich nicht lange halten wird. Ich lehne dennoch ab und möchte, dass er sich zunächst um den anderen Zahn mit dem kleinen Loch kümmert. Dummerweise entpuppt sich das Loch als tiefer Krater. So tief, dass am Ende sogar ein Medikament zum Einsatz kommt. Meine Zähne sind absolute Ruinen und wenn die Zahnmedizin nicht so viele Möglichkeiten bieten würde, sehe ich aus wie ein Monster. So aber wirken meine Zähne bei oberflächlicher Betrachtung ganz manierlich. Nach der durchaus aufwändigen Wiederherstellung des Zahnes ist die maximal mögliche Ordnung in meinem Mund fast wieder hergestellt. Nur das Werk des verhaltensgestörten Stümpers stört noch beträchtlich. Und so beschließe ich, dass ich diese peinliche Restauration in ein paar Wochen erneut durchführen lassen werde. Falls die Konstruktion bis dahin halten sollte.
Tanz in den Mai
Meinen Tanz in den Mai beginne ich verhalten, denn ich will ja nicht schon vor Mai schlapp machen. Und so schaue ich „Woher weißt Du, dass es Liebe ist“, bevor die Party beginnt. Die Party beginnt um exakt 22.09 Uhr. Real Madrid hat es bis zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft, ein Tor gegen Borussia Dortmund zu schießen. Zeit für Musik. Ich stelle den Computer auf Zufallswiedergabe, drehe die Anlage auf und schon geht es los. „Blooming 18“ von Ace of Base sorgt für einen guten Einstieg. Ich rutsche nervös auf dem Sofa hin und her. Ja, die Party hat tatsächlich begonnen und ich bin mittendrin statt nur dabei. Herrlich. Auf „Freedom“ von Wham folgt „Entre dos Tierras“, der Boden bebt. Wenn das keine Stimmung ist, was dann? Wenn das so weitergeht, werde ich tatsächlich in den Mai tanzen. Meine Nachbarin tut mir leid, aber da muss sie durch. Real rennt die Zeit davon, mir nicht. Was für eine herrliche Konstellation. Zeit für meinen probiotischen Drink. Aus meinen Nubert-Boxen klingt Wolfsheim, „Du siehst mich nicht“. Geiler Klang. Unterhalten unmöglich. Gut, dass sonst niemand hier ist. Besser geht’s nicht. Real führt nun 1:0. Erasure – „Sometimes“. Jetzt muss ich aufstehen. Nichts hält mich mehr auf dem Sofa. Gar nichts. Jetzt wird getanzt. 2:0 für Real. Was soll denn das? Geschockt stelle ich das Tanzen ein. Wenig später ist das Spiel aus und Dortmund im Endspiel. Eminem singt vom „Medicine Ball“. Irgendwie passend. Schnell Zähne putzen und dann wird weiter in den Mai getanzt. Scheiße, ist das laut hier. „Mansion over the Hilltop“. Elvis nach Eminem. Verrückt. Fast schon romantisch verrückt. Kylie Minogue – „I begin to wonder“. Ich wundere mich auch, verspüre ich doch das Gefühl ins Bett zu wollen. 22.49 Uhr. Noch viel Zeit bis Mai. Werde ich es wirklich schaffen in den Mai zu tanzen? Ich glaube nicht. So lange bin ich schon lange nicht mehr aufgeblieben, warum also sollte es heute klappen? Oh je. Queen. „You don´t fool me“. Ein letztes Aufbäumen. Bei dem Lied nicht zu verhindern. Da geht noch was. Und wenn nicht, dann gehe ich ins Bett. Vorsichtshalber schlüpfe ich schon mal in meinen Pyjama, damit lässt es sich auch prima tanzen. 23.12 Uhr. Elvis singt „It Hurts me“. Mein Fuß schmerzt auch vom tanzen. Ich muss mal einen Gang zurück schalten, geht aber nicht „I Don’t Know What I Can Save You From“ von Röyksopp läuft. Und Modern Talking folgt bald danach. „My lonely girl“. Ach, wie schön. Passend dazu folgt „Jam for the Ladies“ von Moby. Alles scheint einen Sinn zu ergeben. Ich kann nur nicht erkennen, welchen. Britney singt vom „Radar“, gefolgt von „Love is not a tragedy“. Na, da bin ich mir aber nicht so sicher. Was auf jeden Fall tragisch ist, ist meine Müdigkeit. Ich bin echt zu alt, um jung zu sterben. Als Nena mich auffordert, mich zu drehen, bäume ich mich ein letztes Mal auf. Es ist 23.49 Uhr. Ich erhebe mich vom Sofa, auf dem ich aus unerklärlichen Gründen gelegen habe. Ja, ich schaffe es, ich werde in den Mai tanzen. Die Pet Shop Boys singen „Building a wall“. Eine Mauer kann ich gerade nicht gebrauchen. Wozu auch? Es folgt „Prehistoric Daze“ von Shakespears Sister. Keine Ahnung, was das ist, aber ist geil. Tanz in den Mai ist fast wie an Silvester aufs Feuerwerk warten. Aber geiler, obwohl ohne Feuerwerk. Möglicherweise bilde ich mir das auch nur ein. Fast Mitternacht. Fast Mai. Mit Modern Talking und „You can win, if you want“, tanze ich wenig später tatsächlich in den Mai. Ein passenderes Lied kann es für diesen historischen Moment einfach nicht geben. Ich habe es geschafft, weil ich es wollte. Yeah. Die Musikauswahl perfekt, Dortmund im Finale und ich tanzend in den Mai geschwebt, was kann schöner sein? Culture Beat „The other side of me“. Zu gut, um sofort schlafen zu gehen. Ein Lied geht noch. „Luther played the Boogie“ von Johnny Cash. Wer ist Luther? Und wo ist mein Bett? Da muss ich nämlich jetzt rein. Aber erst noch „Can´t hardly stand it“ von Charlie Feathers. Passt jetzt prima zu dem Ganzen hier. Die Pet Shop Boys beenden den wilden Tanz. „I wouldn´t normally do that kind of thing“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Gar nichts.