Es ist etwa 13.30 Uhr, ich sitze mit meinem einzigen Teilnehmer im Büro, als es klingelt. Da ich niemanden erwarte, bin ich gespannt, wer das wohl sein mag. Es ist die Brasilianerin, die wieder ganz entzückend aussieht. Sie teilt mir mit, dass sie nie wieder an ihren Ausbildungsplatz zurückkehren wird und derzeit krankgeschrieben ist, allerdings auch wirklich krank ist. Ihr Telefon klingelt. Auf dem Display ihres Smartphones erscheint das Bild eines jungen Mannes. Sie nimmt ab und das Gespräch klingt, als würde ein junges Pärchen miteinander telefonieren. Leider hat sie aber jetzt keine Zeit für den jungen Mann. Niedlich. Die Brasilianerin sucht nach Stellen, ich kümmere mich abwechselnd um sie und den Teilnehmer. Sie erzählt, dass sie nachher ihre Fingernägel machen lässt und sich für rote Nägel entschieden hat. Da ihre Arbeitskleidung auch rot ist, zeigt sie mir ein Foto. Ich sage ihr, dass ihr rot gut steht. Sie erwidert, dass ihre Arbeitskleidung ihr nicht steht und zeigt mir ein Foto, auf dem sie ein rotes Kleid trägt. Man könnte den Anblick leichtfertig als atemberaubend bezeichnen, aber zu solchen Äußerungen ließ ich mich noch nie hinreißen. Während ich neben ihr sitze und den Anblick genieße, fällt mir ihr Parfum auf, das mir gefällt. Ich frage, was es ist. Libre. Sie freut sich, dass es mir gefällt und mir gefällt, dass sie mir gefällt. Eine Win-win Situation. Ihr Telefon klingelt. Der junge Mann. Eine Weile plaudern die beiden und ihre Stimme klingt ganz verzückt und es ist, als würde man jungen Turteltauben beim Turteln zuhören. Allerliebst. Nach dem Gespräch sitze ich wieder neben der Brasilianerin und sie will sich als Verkäuferin bewerben. So landet sie auf der Webseite von ZARA, wo sie besonders gerne einkauft. “Wenn Sie mir was schenken, dann von dort.” – “Moment. Ich gehe gleich los und kaufe Ihnen was Schwarzes.” Nachdem das geklärt ist, landen wir irgendwie beim Verspäter, der nicht mehr zu uns kommt, weil er einen Job angenommen hat. Sie findet ihn nicht gut und die Aktion, als er ihr letzte Woche seine Telefonnummer gegeben hat, findet sie einfach nur nervig. Türkische Männer findet sie überhaupt nervig, was das Thema angeht. Während wir plaudern, schickt ihr Verehrer ihr einige WhatsApp-Nachrichten, was sie irgendwann nervt. Der arme Kerl, vermutlich verliebt bis über beide Ohren und sie hat keine Zeit für ihn. Zum Glück hört er irgendwann auf, weil dieses süße Rumturteln sonst einen faden Beigeschmack bekommt. Es ist sehr angenehm und interessant, das alles von außen beobachten zu können. Themenwechsel: Gesundheit. Obwohl die Brasilianerin eigentlich nicht drüber reden mag, erzählt sie doch sehr viel. Und als sie mir die Notfallüberweisung ihres Arztes zeigt, weiß ich eigentlich alles. Vielleicht bin ich ja doch der Mann, dem die Frauen vertrauen. Weil es gerade so gut läuft, schenke ich ihr eine Packung Traubenzucker, worüber sie sich tatsächlich freut. Obwohl der Termin des Teilnehmers noch nicht vorbei ist, schicke ich ihn nach Hause, weil ich mich nicht ausreichend um ihn kümmere. Ich bin wirklich ein sehr professioneller und gewissenhafter Jobcoach. Das Bizarre ist, dass ich noch nie so viel mit einer 25-Jährigen geredet habe. Nicht einmal, als ich 25 war. Zumindest kann ich mich nicht erinnern. Morgen möchte sie wiederkommen und Pizza mit uns essen. Da hier morgen ein Audit stattfindet, sage ich ihr, dass ich sie anrufe, wenn das Audit vorbei ist, weil sie währenddessen nicht hier sein darf. Sie weist mich auf ihre neue Telefonnummer hin, was ich sehr vernünftig finde. Obwohl wir irgendwie fertig mit der Tagesaufgabe sind, bleibt sie noch, was ich durchaus zu schätzen weiß. Sie findet es sicher angenehm, dass wir alten Coaches zwar nett zu ihr sind, sie aber nie anbaggern oder anderweitig belästigen. Vielleicht ist das einer der Vorteile, wenn man älter ist. Man weiß einfach, wo die Grenzen sind und kommt nicht auf absurde Ideen. Da es offensichtlich ist, dass sie bleibt, bis ich Feierabend habe, kann ich noch eine Weile ihre Anwesenheit und ihren Anblick genießen. Unterhaltsam ist sie auch und weil ich gut zuhören kann, kann sie einfach weiter aus ihrem Leben erzählen. Morgen wird sie dann, falls sie zu uns kommt, ihre neuen Fingernägel vorführen. Da ich eine Schwäche für schöne Frauenhände habe, wird mir das sicher gefallen, obwohl mir schwarze Fingernägel besser gefallen, aber dazu kann ich sie auch heute nicht überreden.
Die Welt des DrSchwein
Verkorkste Höhepunkte
Die Welt des DrSchwein
Verkorkste Höhepunkte
…und ich wollte noch sagen: „Wahrscheinlich gefällt ihr, dass Du nicht so grenzdebil an ihr rumbaggerst“ – und dann hast Du es schon selbst geschrieben 😀
Ist aber schon auch bemerkenswert, wie oft und gern und lange sie Dich besucht 🙂
Ich denke, es liegt an der Einsamkeit, dass sie so lange bleibt.