Ein ganz wunderbarer Montag

Erwartungsgemäß schlafe ich schlecht, weil ich schon um 10.00 Uhr in Detmold bei einem Physiotherapeuten sein soll. Das bedeutet, dass ich möglichst früh losfahren muss und somit zeitig aufstehen muss. Obschon ich wusste, dass mich das stressen wird, habe ich den Termin so gewählt und nun bin ich ziemlich übermüdet und weiß nicht einmal, mit welchem Wagen ich fahren soll. Luxusprobleme am Morgen. Die Straßen sind nicht trocken, so dass der Benz schmutzig werden würde, was mir natürlich nicht gefällt. Andererseits ist der Benz ein bequemes Reisemobil und das Coupé bereits total dreckig, was mir ebenfalls nicht gefällt. Was macht das denn für einen Eindruck? Letztlich entscheide ich mich für den Benz und kaum habe ich die Sitzheizung an, weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Die Autobahn ist anfangs viel zu voll und schnell sind die Scheiben versaut. Als ich von der Autobahn runter bin, friert mir der Scheibenreiniger auf der Scheibe an. Hier ist es definitiv kälter als zu Hause und natürlich ist der Frostschutz im Behälter nicht stark genug, weil der Benz bei solchen Temperaturen normalerweise schläft. Sogar der Scheibenwischer ist vereist. Sieht toll aus, ist aber unpraktisch. Dennoch komme ich fast pünktlich an und schildere wenig später meine Probleme mit den Schmerzen unter den Rippen und das Auftreten der Beule. Nach gründlicher Untersuchung ist gut möglich, dass die Beule eine Flüssigkeit war, die nicht richtig abtransportiert wurde. Die Leber ist vermutlich das Problem. Es folgt eine manuelle Therapie, es wird gedrückt, massiert, bewegt und es sind ähnliche Schmerzen, wie ich sie damals unter den Rippen hatte. Leberwickel werden mir empfohlen und unterstützende Tees. Schafgarbe und Mariendistel. Und Akupunktur bei der chinesischen Heilpraktikerin. Selbst für meine Nackenverspannungen könnte die Leber mitverantwortlich sein, weil ja alles mit allem verbunden ist. So etwas sagen Ärzte einem nicht, so untersuchen sie auch nicht. Vermutlich haben sie auch von all dem keine Ahnung. Vielleicht ist am Ende auch alles Blödsinn. In etwa sechs Wochen wird überprüft, ob die heutige Behandlung geholfen hat und ob die Tees irgendetwas bewirken. Ob ich bis dahin schon zur Akupunktur war, ist nicht sicher, weil ich erst schauen muss, wie es finanziell während der Kurzarbeit läuft. Das war jedenfalls ein hochinteressanter Termin.

Nach dem Termin besuche ich Agnes und meinen mittlerweile vierjährigen Freund, der mich sofort beschäftigt, so dass ich gar nicht zu einem Gespräch mit Agnes komme. Selbst beim Essen nicht. Kleine Menschen stecken so voller Energie, da kann man kaum glauben, dass man vor unendlich vielen Jahren auch einmal so ein Energiebündel war. So verbringe ich die nächsten Stunden überwiegend auf dem Boden und spiele zunächst mit Autos, dann mit den heiligen drei Königen und einem Schaf, welches weggelaufen ist und sich nicht einfangen lassen will. Ein Schaf auf der Flucht, damit konnte auch niemand rechnen. Ein anderes Schaf kann nicht mitspielen, weil es ein Bein verloren hat. Es ist faszinierend, wie Kinder in einem Spiel aufgehen können, wie leicht es ist, sie durch einfachste Mitwirkung beim Spiel zufrieden zu stellen und die Leichtigkeit eines Lebens, die einem im Laufe des Erwachsenenlebens mehr oder weniger, schlimmstenfalls sogar ganz verloren geht, zu sehen. Dieser unnütze und ungesunde Ernst des Lebens spielt für Kinder eine untergeordnete Rolle und so ist dieser kleine Junge komplett losgelöst von irgendwelchen Zwängen des Lebens und genießt die Einfachheit der Dinge in vollen Zügen. Glücklicherweise mag er mich und lässt mich Teil dieser Leichtigkeit sein. Irgendwann wird es auf dem Boden für mich etwas unbequem, aber so ist nun mal. Dass die ständigen Wiederholungen eines simplen Spiels so lange Freude bereiten können, erscheint Erwachsenen oft undenkbar und oft sind sie nicht einmal in der Lage, Kinder Kinder sein zu lassen. Ich erinnere mich, dass ich früher auch in meine Spielewelt abtauchen konnte und nie, wirklich nie, damit aufhören wollte. Erwachsen werden wollte ich möglicherweise, aber ganz sicher kein Erwachsener werden, der arbeitet, Pflichten hat und den Spaß an den einfachen Dingen verliert. Und diese Energie, mit welcher der Junge um mich herum wirbelt, echte Freude ist so einfach zu bekommen, wenn man jung ist und man einen lässt. Ob ich nächsten Montag wiederkommen kann, fragt er mich. Das kann ich leider nicht. Aber danach die Woche, schlägt er vor. Ich sage nicht, dass ich an den beiden folgenden Montagen Arzttermine habe und somit in den nächsten drei Wochen nicht kann, was mir echt leid tut, weil ich ihn ja somit enttäuschen muss. Er schlägt vor, dass wir bei meinem nächsten Besuch einkaufen gehen. Ich frage ihn, was wir denn kaufen sollen. Er überlegt eine Weile und schlägt dann Lebensmittel vor. Großartig. Es ist auch faszinierend, dass es für ihn selbstverständlich ist, dass ich ihn besuche und nicht auch seine Mutter. Sie soll uns nicht stören und am besten auch nicht reden, wenn wir spielen. Leider muss ich irgendwann gehen und lasse ihn traurig zurück. Ich erinnere mich, dass ich manchmal, wenn ich, aus welchen Gründen auch immer, ein Spiel beenden musste, oder jemand musste gehen, oder ich musste gehen, auch sehr traurig war. Das Leben vergeht einfach viel zu schnell und dann ist man alt. Ich habe großes Glück, dass ich am Leben des Kleinen teilhaben darf und hoffe, dass ich noch ein paar Gelegenheiten habe, um Zeit mit ihm zu verbringen, denn wenn erst einmal die Schule anfängt, beginnen sich die Dinge zu ändern und spätestens ab der fünften Klasse ist eine Ära vorbei. Während der Kleine eine Träne vergießt, weil ich fort muss, wird mir mal wieder bewusst, dass mein Lebensweg mich nicht sonderlich überzeugt, ich aber aus heutiger Sicht auch nicht anders hätte leben können. Dennoch wünschte ich, dass es mehr von dieser kindlichen Unbeschwertheit gäbe und das Altern und die Pflichten, der Job und die Erwartungen einen weniger erdrücken würden. Aber so ist das Leben und es könnte noch schlimmer sein. Auf der Rückfahrt blendet die tiefstehende Sonne manchmal so stark, dass ich fast nichts sehen kann. Ich frage mich, wie die anderen dennoch so schnell fahren können. Das ist eine weitere der Fragen, auf die ich vermutlich niemals eine Antwort bekommen werde. Spätestens wenn ich den nächsten Termin bei dem Physiotherapeuten habe, kann ich meinen kleinen Freund wieder besuchen, wenn alle gesund sind. Vielleicht klappt es auch schon während meines Urlaubs in zwei Wochen. Das wäre was.

3 Kommentare

  1. „ Das Leben vergeht einfach viel zu schnell und dann ist man alt.“

    Das fasst alles zusammen, was man nie glauben wollte.

  2. Ich hoffe, es bringt endlich die heilenden Erkentnisse und zwar auf Dauer…

    Leber und Haut/Juckreiz hat mir letztes Jahr jemand nahegelegt. Diagnose aufgrund der Optik, mal wieder. Es kann ein auslösender Zusammenhang bestehen. Bin gespannt, ob sich das Hautjucken bei Dir verändert.

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