Als ich an der Pizzeria Bella Mia ankomme, sind die beiden noch nicht da. In der Pizzeria ist es voll, es wird wohl ein Kindergeburtstag gefeiert. Kirsten kündigt telefonisch an, dass sie sich etwas verspätet. Es ist ganz wunderbares Wetter und es macht mir nichts aus, dass ich warten muss. Nach langer Zeit trage ich mal wieder die schwarzen Lederschuhe, eine Jeans, die viele Jahre alt ist und nur maximal viermal im Jahr getragen wird. Dazu ein rotes Hemd und mein Lieblingssako. Ich dufte ganz wunderbar nach Club Black und alles könnte so schön sein, doch etwas passt nicht zu dem ansonsten harmonischen Bild. Zum einen stört mich meine Brille, denn ich wollte heute unbedingt Kontaktlinsen tragen, habe es aber nicht geschafft, sie einzusetzen. Das stimmt nicht ganz, eine Kontaktlinse habe ich einsetzen können und konnte damit ganz gut sehen, außer im Nahbereich, vermutlich hätte ich keine Speisekarte lesen können, aber ich hätte es dennoch versucht. Doch weil ich die zweite Kontaktlinse einfach nicht ins Auge bekam, gab ich bald auf. Noch schlimmer ist aber, dass ich so ein altes Gesicht mitgebracht habe, welches durch die Brille noch belangloser und uninteressanter daherkommt. Nichts von meinem Äußeren passt noch zu meinem Inneren. Und dieses stumpfe, platte Haar, welches sich gefühlt immer weiter zurückzieht. Davon lässt sich auch mit Kleidung nicht mehr ablenken. Aber so ist das Leben, so funktioniert der Verfall und mit Mitte 50 sehen die meisten Menschen aus wie ein graues Stück Masse in der grauen Masse. Wenn die Optik nachlässt, sollte man wenigstens mit Charme, Humor und anderen Eigenschaften überzeugen, aber was das angeht, habe ich auch mächtig nachgelassen. Zum Glück trifft Kirsten ein, ich bekomme eine Umarmung und muss nicht weiter über den Verfall nachdenken. Kurz danach trifft Jörg ein und wir gehen rein, nehmen Platz und bestellen. Bedient werden wir von einer attraktiven jungen Frau. Ich war auch mal jung, ist lange her.
Ich bestelle Pizza Miami. Belegt mit Hähnchenfleisch und Mais. Pizza ist während meiner Diät nicht vorgesehen, aber bisher hat meine Diät auch keinen spürbaren Erfolg gebracht. Stattdessen juckt der Oberkörper immer mehr und ich überlege, ob ich nicht doch wieder Cortison-Creme nehmen muss. Dabei habe ich gedacht, wenigstens das wäre nicht mehr nötig. Während ich über juckende Haut nachdenke, läuft die Unterhaltung schon. Die beiden haben viel zu erzählen, was ich gut finde. Oft kenne ich die Geschichten, weil ich sie schon von Jörg oder Kirsten gehört habe. Aber die beiden kennen sich ja noch nicht so, weshalb manches sich für mich wiederholt, was ich aber okay finde, da ich einiges längst wieder vergessen habe. Außerdem hat es den Vorteil, dass ich einfach so dasitzen und meine Pizza essen kann, weil ich eh nichts zu erzählen habe. Mir reicht es, wenn ich ab und zu einen Kommentar oder eine Frage einfließen lassen kann. Die Zeit vergeht rasch, dann ist es nach 21.00 Uhr und das Lokal muss langsam geschlossen werden. Wir zahlen und beschließen, dass wir nächstes Mal woanders hingehen. Mindestens drei Möglichkeiten in Datteln und Dortmund stehen auf der Liste, als plötzlich und unerwartet Jörg vorschlägt, dass wir dann im Anschluss, nach dem Essen, noch ins FZW gehen. Dort ist vor 23.00 Uhr nichts los, ich werde ab 23.00 Uhr müde, also ist das zu spät für mich. Außerdem finde ich Essen gehen und dann noch ausgehen zu viel. Ich mochte das noch nie. Weil ich weiß, dass ich in diesem Leben nicht mehr ins FZW gehe, erwähne ich, dass man ja auch zur monatlichen Ü40-Party ins Domizil gehen könnte. Beide finden die Idee gut. Die Party fängt bereits um 21.00 Uhr an, da könnte ich spätestens um 23.00 Uhr wieder gehen, ohne etwas zu verpassen. Nun schlägt Jörg vor, dass ich, wenn das nächste Treffen in Dortmund stattfindet, vorher zu ihm komme, weil ich so keinen Parkplatz im Zentrum suchen müsste, und wir von ihm aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahren könnten. Ich frage ihn, ob er mich jemals öffentliche Verkehrsmittel nutzen sah und erkläre, dass öffentliche Verkehrsmittel keine Option für mich sind. Alleine schon der Gedanke ist mehr als gruselig. Wir verabschieden uns voller Pläne für weitere Treffen und ich bin sehr gespannt, wie es mit unserer kleinen Runde weitergeht.
Frage mich, warum immer alles zum Event gemacht werden muss. Ist Essen gehen so langweilig geworden? Für mich wäre das auch nichts.
Ich vermute, es war die Euphorie des Abends. Es ist davon auszugehen, dass wir beim nächsten Mal einfach “nur” essen gehen werden. 😎
mir reicht es auch völlig, einfach nur Essen zu gehen. Einzig mögliche Toppings sind ein Kinobesuch vorher oder ein Weihachtsmarkt nachher.
Dann reichts aber auch.
Liegt vielleicht daran, dass auch ich zu den grauen Massen zähle
Immerhin zwei mögliche Toppings. 🙂
Geht mir genauso, essen gehen reicht eigentlich. Allerdings geniesse ich die Tatsache, dass ich das nun im hohen Alter auch so sagen kann. Mir ist komplett egal, wie das ankommt und ob das jemand langweilig findet. Sehr befreiend.
Das Alter hat zwar nicht viele, aber immerhin ein paar wenige Vorteile.