Auf dem Balkon ist das Leben auch keine Lösung

Nach der Arbeit muss ich mich zu Hause erstmal füttern. Es gibt Hähnchenfleisch, Bratkartoffeln und eine Gewürzgurke. Ich frage mich, wie oft ich so etwas künftig essen werde. Mindestens dreimal in der Woche, vielleicht auch öfter. Wann hängt mir das wohl zum Hals raus? Morgen gibt es Bratkartoffeln mit Ei. Das Wetter ist recht gut, etwas zu windig, um auf dem Balkon zu sitzen. Nachdem ich gespült habe, etwas, das mich auch nervt, sitze ich auf dem Balkon. Es ist warm, der Wind stört kaum. Ich überlege, rauszugehen, kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, weil ich nicht weiß, was ich da draußen soll. Also bleibe ich sitzen und lese, höre die Tochter der Nachbarin, die Nachbarin, verstehe aber kein Wort. Ich hätte Fremdsprachen lernen sollen. Straßenlärm. Dumme Menschen auf den Gehwegen reden dummes Zeug. Irgendwer schreit. Irgendwer schreit immer. Das ist keine Dummheit mehr, das ist mindestens Irrsinn. In der Nähe wird eine Klinik für psychisch Kranke eröffnet. Wird es hier unten dann ruhiger oder wird es schlimmer? Wird es nicht immer schlimmer? Kurz werde ich irgendwie rollig, stelle mir vor, eine Frau setzt sich auf meinen Schoß und während wir vögeln, beobachten wir den Nachbarn gegenüber in seiner Küche. Beobachtet man beim Sex wirklich alte Leute, wenn man in meinem Alter Sex hat? So schnell der Gedanke an Sex kam, so schnell ist er wieder weg. Ich weiß nicht einmal, wer die Frau auf meinem Schoß war. In der Küche bereite ich mir das Abendmüsli. Weintrauben. Ein Apfel. Beides zum letzten Mal. Darf ich nicht mehr. Ich glaube, ich werde nie wieder Weintrauben essen. Der letzte Joghurt ist über das Obst gekippt. Joghurt gibt es auch nicht mehr. Gab es eh nur selten und werde ich vermutlich nicht vermissen. Die letzten Weintrauben werfe ich vom Balkon. Brauche ich nicht mehr. Heute Mittag gab es das letzte Brot. Brot ab jetzt nur noch glutenfrei. Die Backmischung sollte am Wochenende geliefert werden. Morgen in der Mittagspause kaufe ich mir ein letztes Brötchen. Solche Brötchen sind danach auch tabu. Das letzte Stück Zartbitterschokolade gab es gestern im Abendmüsli. Das letzte Abendmüsli. Ein schöner Titel für eine traurige Geschichte ohne Happy End. Plötzlich läuft die Nase, auch so eine Alterserscheinung, ohne Sinn und Verstand. Vielleicht brauche ich eine Frau, die für mich kocht und mir immer Leckeres zur Arbeit mitgibt. Sie müsste eigentlich nur meine Mahlzeiten bereiten und dann verschwinden. So etwas machen nur Mütter. Vielleicht. Vom Spielplatz hört man Kinder, ein paar Elstern machen Lärm. Es geht mir nicht schlecht, weil Sommer ist. Die Elstern machen nicht nur Lärm, sie wirken vergnügt. Wäre ich vergnügter, wenn ich fliegen könnte und mir keine Gedanken über Ernährung machen müsste? Wenn das Leben keine Lösung ist, was ist dann die Lösung? Und was ist, wenn es meiner Haut in einem Monat nicht besser geht? Worauf muss ich dann noch verzichten? Ewige Jugend habe ich mir definitiv anders vorgestellt.

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