Der letzte Termin der Brasilianerin

Keine drei Wochen ist die Brasilianerin bei uns, da heißt es auch schon Abschied nehmen. Eigentlich ist Jörg ja ihr Coach, aber sie geht, nachdem er ihr die Tür geöffnet hat, direkt weiter zu mir und beachtet ihn nicht weiter. Das ist gemein und darf eigentlich nicht sein. Sie hat den Ausbildungsvertrag unterschrieben und nun füllen wir einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe online aus. Als sie irgendwo das Geburtsdatum ihres Vaters eingibt, komme ich mir alt vor, denn ihr Vater ist nur drei Wochen vor mir geboren. Außerdem ist er vor fast fünf Jahren verstorben. Weihnachten. Das ist irgendwie ernüchternd und deprimierend. Aber ich lasse mir das nicht anmerken, weil es keinem helfen würde. Alterstechnisch könnte ich also glatt ihr Vater sein. Die Stimmung ist dennoch ausgelassen, obwohl das Ausfüllen des Antrags nicht so wirklich klappt und immer wieder neue Probleme auftreten, die alles verzögern.  Die Brasilianerin scheint jedenfalls amüsiert und legt einmal kurz ihre Hand auf meinen Arm, was ich nicht als sexuelle Belästigung ansehe, obwohl ich das vermutlich müsste. Nachdem der Antrag ausgefüllt ist, sagt sie, dass sie noch fast eine Stunde Zeit hat und irgendwie einigen wir uns darauf, dass sie bei uns bleibt und wir zusammen Tee trinken. Sie hat immer was zu erzählen, was ich sehr schätze, da ich nichts zu erzählen habe. Sie entdeckt, dass jemand ein Herz auf unsere Tafel gemalt hat und fragt, wer es war. Nachdem ich ihr mitgeteilt habe, dass das eine frühere Teilnehmerin für mich gemalt hat, habe ich das Gefühl, dass sie mir auch etwas malen möchte. Also fordere ich sie auf, an die Tafel zu gehen. Wenig später habe ich ein weiteres Herz an der Tafel, welches ich, so sagt sie, nicht wegwischen darf. Da wir noch etwas Zeit haben, erzählt sie, dass sie ab und zu modelt und zeigt mir ein paar ihrer Fotos, die mir natürlich gut gefallen. Dann zeigt sie noch Fotos ihres letzten Ausflugs. Als es an der Zeit ist zu gehen, möchte sie lieber bleiben, was aber nicht geht, da sie einen Termin beim Jobcenter hat. Darum möchte sie morgen wiederkommen, was sie gerne machen kann, aber mich wird sie nicht antreffen, da ich frei habe. Sie sagt, dass sie dann nächste Woche herkommen wird und mich vorher anruft. Dass sie mich zum Abschied duzt, finde ich absolut okay, weil ich sowieso nicht ihr Coach bin und sie das schon vorher gelegentlich getan hat.

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