7 am 7ten – 12

7am7ten

Weiter geht es mit der unbeliebten Übung gegen Langeweile und Wortfindungsstörungen für Leute, die eine Schwäche für die Zahl 7 haben und gerne Geschichten schreiben. Viel Spaß mit den Geschichten.

Die 7 Wörter lauten:
Hilfe – Kerzen – Friedhof – Schützengraben – Station – Pantheon – Muskel

Er war ein junger Mann mit Zukunft und einer Freundin, die er bald heiraten wollte. Doch daraus wurde nichts und heute ist er ein Mann, der ohne Hilfe eigentlich nicht lebensfähig ist. Dieser verdammte Krieg hatte alles zerstört und dann hatte er das Pech, dass man ihn, nachdem er mehrere Tage in einem Schützengraben in Italien lag, fand und irgendwie am Leben hielt. Völlig unnötig, dachte er schon damals und an jedem verdammten Tag wird es ihm aufs Neue bewusst, dass er, wie seine Kameraden, besser auch auf einem Friedhof liegen sollte. Das tat er aber nicht. Also fasste er einen Plan. Und heute ist es soweit. Der letzte Freund, den er noch hatte und der ihn, glücklicherweise auch jetzt, bei seinem letzten Plan unterstützte, begleitet ihn zum Bahnhof. Sie reden nicht viel, es ist längst alles gesagt. Die Reise geht nach Italien. Dort, wo er damals sterben hätte sollen. In einer Kirche zünden sie ein paar Kerzen an. Für die gefallenen Kameraden. Die letzte Station seiner Reise ist das Pantheon. Hier wird es enden. Sie setzen sich, schweigen und dann nimmt er seine letzte Tablette. Es dauert nicht lange, dann zuckt ein letztes Mal ein Muskel an seinem rechten Oberarm. Viel mehr als dieser Oberarm war ihm nach dem Krieg auch nicht geblieben und es verging kaum ein Tag, an dem der Muskel dort nicht zuckte. Er empfand dieses Muskelzucken zunehmend als Verhöhnung. Und jetzt ist es das letzte Lebenszeichen, bevor das Leben endgültig aus seinem Körper weicht. Sein Freund hat sich längst entfernt. Der leblose Körper wird wenig später entdeckt und Tage später beerdigt. Nun ruht er endlich auf einem Friedhof in Italien, so wie es Jahre vorher eigentlich hätte sein sollen, wenn es Gerechtigkeit geben würde. Die gibt es aber nicht.


Alle bisher veröffentlichten Geschichten in chronologischer Reihenfolge zum nachlesen und genießen:

14 Kommentare

  1. Wenn Sie eine Affinität zur Antike haben, sind Ihnen Begriffe wie Pantheon geläufig oder zumindest klingelt da was in den Tiefen Ihres Geistes. Falls nicht, müssen Sie nur die richtigen Personen kennen oder das Internet befragen. Von meisterhaften Bauwerken der Römer kommen wir nun zu der eigentlichen Geschichte…

    Eines Abends drehte Marla noch einige gedankenverlorene Runden durch die dämmernde Stadt. Die kühle Frühlingsluft umhüllte sie. Sie fröstelte etwas, als sie Station am heimischen Friedhof machte. Kurz überlegte sie, ob sie ihren Verwandten einen Besuch abstatten solle, um ein paar Kerzen zu entzünden. Es war bereits dunkel. Die Fledermäuse drehten gemächlich ihre Kreise und jeder Schritt von Marla hallte laut. Es war etwas unheimlich. Sie hatte plötzlich Szenarien aus Zombiefilmen im Kopf, in denen sich Untote im wabernden Nebel aus Schützengräben erhoben, um ihr Unwesen zu treiben. In dem Moment lief ihr eine schwarze Katze fauchend über den Weg. Sie erschrak und erstarrte vor Angst. Wer sollte ihr hier um diese späte Uhrzeit noch zu Hilfe kommen? Jeder Muskel ihres Körpers zitterte vor Anspannung. Überall leuchtete das Rot der bereits entzündeten Kerzen. Eilig tat sie es den vorherigen Besuchern gleich und beschleunigte ihren Schritt nach Hause. Auf dem Heimweg dachte sie an ihre Vorlesungen der Spätantike und wie elegant man damals mit Bestattungen wichtiger Persönlichkeiten umging. Sie sollte endlich ihre Kommilitonen zu einer gemeinsamen Reise nach Rom überreden, um Sehenswürdigkeiten wie das berühmte Pantheon anzusehen. Mit Vorfreude erreichte sie ihr Zuhause und träumte von ihrer zukünftigen Karriere als gefragte Historikerin.

  2. Nun kam jede Hilfe zu spät. Die Kerzen, die er sonst zum Aufwerten der Stimmung in seiner Wohnung platzierte, platzierte man nun auf seinem Grab. Besser wurde die Stimmung dadurch nicht. *Sein* Licht hatte das Schicksal in einem Ruck unsanft ausgeblasen. Einsam war es auf dem Friedhof. Wie die Kerzen wurde er zwangsversetzt. Aus dem hitzig umkämpften Schützengraben der Liebe, an diesen kalten, verlassenen Ort. Die letzte Station war kein Pantheon. Keine Pforte zum Götterhain, wo selige Nymphen ihn, als Satyr in ihrer Mitte, in Ewigkeit umtanzen. Wie es in seiner Jugend war und wie es eigentlich immer hätte bleiben sollen. Wenn es einen Gott gäbe, wenn die Welt in Ordnung wäre. Aber es gab keine Feen, keine Nymphen, keine Musen, keine Engel. Nur hässliche Hexen gab es wirklich. Mit Katzen auf dem Buckel. Die schossen. Direkt in sein Herz. Und dieses war, in der wirklichen Welt, auch nur ein Muskel.

  3. Für Menschen, die, jeden einzelnen Muskel verkrampft, im Schützengraben liegen, ist die nächste Station meistens der Friedhof. Daß Prominente und Politiker medienwirksam im Pantheon Kerzen anzünden, ist keine Hilfe- Frieden ist die Lösung.

    • Mit wenigen Worten viel gesagt. Sehr gut.
      Erinnert mich auch daran, dass ich ursprünglich immer möglichst wenig Worte benutzen wollte. Warum habe ich nur damit aufgehört? 🤔

      • Wenn Sie konsequent weniger Worte benutzen würden, existierte Ihr Blog vermutlich nicht… und das wäre sehr schade, für mich ist er sehr wertvoll!
        Wer nichts sagt, macht sich einerseits keine Feinde und vermeidet Ärger- aber findet andererseits auch nicht die Gleichgesinnten…

        • Oh, wertvoll. Vielen Dank.

          Ich dachte in erster Linie daran, bei der Aktion mit möglichst vielen Worten auszukommen. Bei den anderen Texten habe ich meine Ausschweifungen ja kaum noch unter Kontrolle. 🤫

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