Der Arzt aus dem Libanon

Jörg ist von dem Arzt aus dem Libanon durchaus genervt und manchmal gelingt es ihm nicht, dies zu verbergen. Ich hingegen finde, der Arzt ist ein sympathischer älterer Mann. Wobei das irgendwie schräg ist, da er nur drei Jahre älter ist, als ich es bin. Ich habe einfach keinen Bezug zu meinem Alter und finde manchmal auch Leute, die jünger sind, älter, obwohl es nicht so ist. Was mein eigenes Alter angeht, passe ich absolut nicht zu mir. Der Arzt spricht nicht gut deutsch und wird in Deutschland auch nicht als Arzt arbeiten können, weil er die dazu nötigen Prüfungen nicht bestanden hat. Dazu ist sein deutsch einfach zu schlecht. Und niemand braucht einen weiteren Arzt, den niemand versteht und mit dem man nicht wirklich kommunizieren kann. Als ich Jörg vertrete, sagt der Arzt, dass sich Jörg einmal absolut nicht korrekt verhalten habe, was ich durchaus nachvollziehen kann, da ich einen Teil des Gesprächs mitbekommen habe. Ich zeige Verständnis und erkläre ihm, wie wir, also eigentlich nur er, nun weiter vorgehen und was ich von ihm erwarte. Er ist absolut zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs und meiner Art. Vor Freude gibt er mir die Hand, bedankt sich und sieht glücklich aus. Er ist scheinbar erleichtert, dass es so einfach sein kann und ich ihn so behandle, wie ich ihn behandle. Alles andere wäre auch albern und würde uns nur zusätzlich stressen. Stress ist ungesund und führt meist zu nichts weiter als noch mehr Stress.

Das Vorgehen des Arztes beim Bewerbungsvorgang ist völlig chaotisch, doch er wird nicht nur zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, er bekommt auch kurze Zeit später zwei Jobzusagen und unterschreibt einen Arbeitsvertrag als Pflegeassistent. Mehr ist für ihn derzeit einfach nicht möglich und so sind alle erstmal glücklich und zufrieden. Der Arzt bedankt sich fast schon überschwänglich bei uns und als wir ihm sagen, dass er bei Problemen jederzeit zu uns kommen kann, ist er noch glücklicher und fragt, ob er auch einfach mal so zu uns kommen kann. Natürlich darf er das. Vor Freude gibt er uns nochmal die Hand und wahrscheinlich sind es diese Momente, warum wir tun, was wir tun. Ich melde die Arbeitsaufnahme der zuständigen IFK und sie ist ganz begeistert, weil der Arzt, wie sie sofort erzählt, sechs Jahre nur rumgeeiert ist, immer irgendwelche Ausreden hatte und nicht in die Gänge kam. Darum hat sie ihn zu uns geschickt. Bei all den glücklichen Menschen frage ich mich natürlich, was das mit mir zu tun hat, denn wie so oft habe ich rein gar nichts zu dem Erfolg beigetragen, aber darum geht es wahrscheinlich auch nicht. Vermutlich hatten wir einfach nur Glück. Wenn doch nur alles im Leben so einfach wäre.

4 Kommentare

  1. Wenn du das so schilderst, bin ich komplett anderer Meinung, dass du nichts damit zu tun hast. Vermutlich bist du der Einzige, der einfach nur ruhig sachlich die nächsten Schritte aufgezeigt hat. Das haben sehr viele verlernt und ich sehe das in meinem Beruf ziemlich oft. Besonders sind viele Dinge von vorn herein emotional aufgeladen und deswegen manchmal undurchsichtiger als sie in Wirklichkeit sind.

  2. der Punkt durfte sein, nicht jeder mensch hat alle Fähigkeiten die man in sozialen oder bürokratischen Situationen braucht. Daher ist Sozialarbeit wichtig, auch wenn diese von vielen abgewertet wird.

    Das betrifft aber nicht nur das Arbeitsamt, sondern eigentlich überall. Ich finde dein blog (also der teil über die Arbeit) zeigt diesen Aspekt sehr gut. Neben den vielen vergeblichen Bemühungen und verzweifelten versuche, ist in diesem fall trotzdem das einfachste Gespräch ausreichend. Das ist erfolgreiche Sozialarbeit und vielleicht lasst sich die umarmerin doch wieder scheiden 😉

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