Sonja

Instagram zeigt immer wieder Personen an, denen man folgen könnte. Meist kenne ich die gar nicht und möchte sie auch nicht kennen. Durchaus überrascht bin ich, als mir Sonja angezeigt wird. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung am Arbeitsplatz. Sie fand mich irgendwie kacke und ich war auch enttäuscht, weil sie mir zwar auf dem Firmenfoto optisch gut gefiel, aber an dem Tag nicht dem Foto entsprach, genervt wirkte und meinen Humor nicht verstand. Sonja habe ich zuletzt 2019 auf einer Weihnachtsfeier gesehen, ihr Profil ist privat, ich klicke auf Folgen. Kann sie genehmigen, kann’s aber auch lassen. Alternativ könnte ich sie anschreiben, aber da ich nicht weiß, ob sie sich überhaupt noch an mich erinnert, mache ich das nicht. Es kann ja auch sein, dass sie nicht mit mir kommunizieren will. Schließlich waren wir nur kurz beim selben Arbeitgeber und ich bin etwa 15 Jahre älter. Oder noch mehr. Manche Frauen möchten nicht mit so alten Männern schreiben. Kurze Zeit später folgen wir uns. Instagram ist eine ganz tolle Erfindung. Weil es albern wäre, sie nun nicht anzuschreiben, schreibe ich und sie antwortet. Beide fassen wir uns kurz. Das verläuft direkt im Sande der Belanglosigkeit, wie es scheint. Einen Tag später aber ändert sich das und unsere Kommunikation verläuft sehr angenehm und ausgedehnt. Sie schreibt, dass sie sich freut, dass ich sie gefunden habe und erinnert sich an eine Situation, an die ich mich nicht erinnere. Sie hat mich über all die Jahre nicht vergessen, weil sie meine Eigenarten dafür zu sehr mag. Das gefällt mir irgendwie. Meine unvergessliche Schrägheit. So bleibe ich den Frauen in Erinnerung. Sie hat sogar mal mit Anke darüber nachgedacht, ob sie mich auch in die Firma holen, für die sie arbeiten. Warum sie es nicht versucht haben, frage ich nicht, weil mir die Antwort vielleicht nicht gefallen würde. Irgendwann muss sie weiter und schlägt vor, dass wir zusammen mit Anke mal einen Kaffee trinken. Ich mag zwar keinen Kaffee, sage aber direkt zu, weil alles andere Unsinn wäre. Vielleicht kann ich an dem Tag auch direkt beide Frauen umarmen. Das wäre was, denn es ist verdammt lange her, dass das mal vorgekommen ist. Es dürfte auch bei der Weihnachtsfeier 2019 gewesen sein. So würde sich quasi ein Kreis schließen, das gefällt mir. Das mit dem Termin könnte aber schwierig werden, da sie nur selten Zeit hat. Job, Kind, Familie und was es noch so gibt. Wir bleiben in Kontakt und vielleicht dauert es keine fünf Jahre mehr, bis wir uns tatsächlich auf einen Kaffee treffen und ich ausgiebig umarmt werde. Sonja ist sich sicher, dass es lustig wird, wenn wir uns treffen. Dabei bin ich schon lange nicht mehr lustig, aber das behalte ich für mich.