Nachlass Gedanken

Eigentlich müsste ich zur Arbeit fahren, stattdessen stehe ich im Wohnzimmer, stelle mir vor, dass ich gestorben bin und versuche zu fühlen, wie es ist, sich um meinen Nachlass zu kümmern. Wie fühlt sich das für die Person an, die dafür, warum auch immer, verantwortlich ist? Ich kann es natürlich nicht fühlen, denke aber, dass ich zu viel Arbeit hinterlasse und möchte das nicht. Ich betrachte die Vitrine mit den Modellautos. Ich könnte die Autos verkaufen, die Vitrine verschenken und stattdessen ein Bild aufhängen. Diese ganzen Modellautos ergeben eh keinen Sinn und machen nur Arbeit. Was soll die Person damit, wenn ich nicht mehr da bin? Plötzlich gefällt mir der Gedanke, die Modellautos zu verkaufen und ich konkretisiere den Plan, sie zu veräußern. Ich überlege ernsthaft, was für ein Bild ich aufhänge und ob ich die Vitrine vermissen würde. Ich weiß es nicht. Nun schaue ich mich im Wohnzimmer um. Hier ist noch einiges, was weg kann. So viele Dinge, die ich abgeben könnte, Dinge, die nach meinem Tod nur Arbeit machen. Vielleicht sind es aber auch gar nicht die Dinge, die ich loswerden will, sondern mein Leben, das ich nicht mehr will. Am wahrscheinlichsten erscheint es mir jetzt, dass ich das bin, was weg kann und nicht mehr benötigt wird.

9 Kommentare

      • Diese Gedanken habe ich in letzter Zeit auch immer wieder. Oder der Gedanke, was ist wenn die Bude abbrennt, was ist dann verloren. Im Alter tendiert man wohl eher zum Minimalismus und das sage ich als hordender Mensch.

        • Ich glaube, vom Minimalismus bin ich weit entfernt. Und ich würde auch noch nicht damit klarkommen, wenn alles abbrennt. Die Modellautos sind noch da, die Vitrine auch. Aber irgendwann wird es vielleicht so weit sein …

  1. … Verhökere oder verschenke alles, was nicht unbedingt notwendig ist.
    Den ganzen Kram, den man sich einst aus reiner Kurzzeitbefriedigung besorgt hatte.
    Vom doppelten Paar Winterstiefel über die nie benutzte Strickjacke bis zu den ganzen Auto- und Motorradersatzteilen. Hauptsache weg damit.
    Die Idealvorstellung könnte aussehen wie die Beschreibung des Wohnzimmers von Hubert Fichte: ein Tisch auf Böcken, ein Regal mit Büchern, eine Truhe.

    Gruß
    Jens

    • Mein Problem ist ja, ich mag den meisten Kram auch irgendwie und möchte keinen Tisch auf Böcken und die dazu nicht passende Truhe. Es muss der richtige Zeitpunkt sein, um alles loszuwerden. Damit tue ich mich noch schwer.

      Ich habe tatsächlich gar keine Winterstiefel.

  2. Meine Mutter hat einige Jahre vor ihrem Tod damit begonnen, Dinge zu verschenken, wegzuwerfen oder sonstwie loszuwerden. Alles Sachen, die sie vorher noch wichtig genug fand, um sie beim Umzug mitzunehmen. Sie sagte dazu, sie schrumpfe. Ich habe das schlicht auf den Umfang ihrer Besitztümer bezogen, dass es halt quantitativ weniger werden, aber heute denke ich, dass sie das durchaus in einem umfassenderen Sinn gemeint hat.

      • @Karin: die Frau hats genau getroffen — wir schrumpfen. Alles was wir vorher für wichtig hielten, es verliert schleichend seinen Wert. Wir bewegen uns nur noch in der Wohnung, maximal zum Einkaufen. Die ehemals vielen Bekanntschaften werden uninteressant etc.
        Ums küchenphilosophisch auszudrücken: Kontemplation statt Partyparty oder Nordicwalking mit dem Impetus „ich will über neunzig werden“.

        Ich würde gerne einmal wissen, wieviel Menschen sich am Ende der Lebensreise gesagt haben „die letzten … Jahre hätte ich mir auch sparen können — war Scheisse“.

        At some point you are the next person on earth to die.

        Gruß
        Jens

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