In der Woche vor Weihnachten hoffe ich, obwohl mir bewusst ist, dass es naiv ist und nie passieren wird, auf ein Weihnachtswunder, doch am Ende wird es höchstens wunderlich, was zwar nicht denselben Effekt hat, aber durchaus unterhaltsam ist. Zumindest Stellenweise.
Der Somalier erscheint in dieser Woche tatsächlich zu seinem Termin und teilt mir etwas mit. Was genau es ist, weiß ich allerdings nicht. Dann krempelt er seine Hosenbeine hoch und zeigt mir seine Knie. Sieht so aus, als wäre er hingefallen. Macht er wohl öfter, kann aber auch etwas anderes bedeuten. Jedenfalls will er zum Arzt. Blutuntersuchung, weil er immer hinfällt. Vielleicht auch aus anderen Gründen. Zur Abwechslung möchte er einen Minijob, dann muss er auch schon weg. Mal sehen, was er sich beim nächsten Mal wünscht und was ich davon verstehe. Seinen nächsten Termin lässt er allerdings ausfallen. Vielleicht hingefallen. Oder was ganz anderes.
Die Frau mit psychischen Problemen schildert mir ihre Ängste, die vermutlich ich auslöse, weil ich sie an jemanden erinnere. Die Frau, die nicht nur psychische Probleme hat, sondern auch Heilerin und Hellseherin ist, wenn ich das richtig verstehe, will schauen, wie es ihr nach dem heutigen Termin geht und dann entscheiden, ob sie nochmal zu mir kommen kann. Auch leidet sie unter Asperger-Autismus, zumindest erwähnt sie das irgendwie, aber da bin ich schon unkonzentriert, weil ich mich frage, wie sie ihre hellseherischen Fähigkeiten einsetzen kann, um mein Leben zu verbessern. Die Lottozahlen kann sie mir nicht sagen, weil echte Hellseher so etwas nicht machen und sie dafür einen hohen Preis zahlen müssten. Vielleicht sollte ich sie beim nächsten Mal fragen, ob sie meine Haut heilen kann. Das könnte interessant werden. Warum bin ich da nicht sofort drauf gekommen? So könnte ich mir in Zukunft vielleicht einige Arzttermine sparen. Warum sie ihre eigene Zukunft nicht sehen kann, verstehe ich natürlich nicht, aber vielleicht ist sie auch keine Hellseherin und nur eine Heilerin mit Asperger-Syndrom und ich habe das tatsächlich falsch verstanden. Zwei Tage nach dem Termin teilt sie mir mit, dass sie in Zukunft nicht mit mir arbeiten kann, weil es ihr nach unserem Termin schlecht ging. Das ist interessant, denn beim Termin hat sie viel gelacht und die Stimmung war gut. Meiner Meinung nach ist sie absolut nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet, aber zum Glück habe ich keine Ahnung von solchen Dingen. Damit ist für mich bewiesen, dass sie keine Hellseherin, sondern maximal eine Heilerin ist. Was aber noch zu beweisen wäre.
Die Russin bringt ihren erwachsenen Sohn mit. Autist. Er malt während ihrer Anwesenheit in einem Malbuch, ist sehr neugierig und aufmerksam. Interessant. Ich frage mich, wie man sich einem Autisten gegenüber wohl verhält und verhalte mich, weil ich es nicht besser weiß, genauso merkwürdig, wie ich mich immer verhalte. Irgendwann fragt er mich, wo die Toiletten sind, findet sie aber erst mit Hilfe seiner Mutter, was ich sehr spannend, aber auch traurig finde.
Der Rumäne ist ein geselliger und gesprächiger Typ, der mich irgendwann fragt, ob ich die Bibel lese. Ich verneine, da ich zwar Fantasy Filme mag, aber Fantasy Bücher nicht so gerne lese. Das sage ich ihm natürlich nicht. Als nächstes teilt er mir mit, dass er Zeuge Jehovas ist und erzählt dann eine halbe Stunde von Gott und andere Geschichten. Das ist teilweise interessant, teilweise aber auch ermüdend. Abschließend zeigt er mir Fotos von seinem Garten und von seiner Familie, auf die er offensichtlich stolz ist. Insgesamt macht er einen positiven und zufriedenen Eindruck, was ich beachtlich und auch angenehm finde. Er ist sehr zutraulich, dafür, dass er erst zum zweiten Mal hier ist. Ich glaube, ich habe mich noch nie, zumindest nie so lange, mit einem Zeugen Jehovas unterhalten. Ob das irgendwelche Folgen für mich haben wird, ist jetzt noch nicht absehbar.
Lieber Doc,
ich muss so lachen über das was du schreibst. Es erinnert an eine Tüte Mücken hüten. Wie schaffst du das nur?
Liebe Grüße
Vielverwinkelte
Ich sitze einfach nur da und lasse es geschehen 😁.
Heute klingelte auch jemand der mit Gott mit mir sprechen wollte, vermutlich auch eine Zeuge, aber kein Rumäne, er sprach sehr akkurates deutsch ohne Akzent.
Ich sagte ihnm aber direkt, dass dies nicht mein Interessengebiet ist und ich beschäftigt sei. Er fragte noch ob er mir Informationen in mein Briefkasten werfen dürfe, was ich auch verneinte. Der Gedanken an Folgen kamen mir aber nicht, da ich gerade beschäftigt war und mich dem wieder zuwandte. Aber – stimmt – man kann nie Wissen gerade in dieser Zeit. Ich werde mich in nächster Zeit genauer beobachten.
Er wollte natürlich nicht mit, sondern über Gott sprechen. Für ersteres wäre ich natürlich gerne bereit gewesen.
Schade, mit Gott wäre es sicher interessant geworden.