Schneller als erwartet endete mein Ausflug an den anderen Standort und ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn die Unterhaltung mit den Kolleginnen wird mir fehlen, sorgte sie doch immer für nette Abwechslung. Ich konnte die Frauen öfter zum lachen bringen und manchmal musste sogar ich über meinen Humor lachen. Mein Humor wird mir am meisten fehlen.
Am alten Standort bin ich zunächst für 15 Leute aus 11 Ländern zuständig sein. Allesamt total spannende Personen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Die Bulgarin ist 20 Jahre, schön anzuschauen und wird vermutlich in Kürze einen Arbeitsvertrag vorlegen. Der Anblick wird mir fehlen.
Die Brasilianerin ist 22 und optisch könnte sie die Schwester der Bulgarin sein, nur ist sie etwas größer. Ich hatte die beiden Frauen allerdings nie zusammen bei mir, so dass es gut möglich ist, dass sie sich gar nicht so ähnlich sehen, wie ich es glaube. Die Brasilianerin ist für ihr Alter sehr reif, klar in ihren Plänen und vermutlich schon jetzt erwachsener als ich es je sein werde. Und optisch ist sie sowieso ganz entzückend.
Der Grieche nimmt seine Termine nur selten wahr. Er ist der Meinung, dass es Zeitverschwendung ist, seine Zeit bei uns zu verbringen und hat uns das auch mitgeteilt. Derzeit fehlt er, weil seine Frau das dritte Kind erwartet und die beiden viele Termine haben.
Die Eritreerin, von der Jörg ganz angetan ist, ist 27 und müsste eigentlich vermittelbar sein, aber sicher bin ich nicht, da sie viele Fehlzeiten hat, was daran liegt, dass sie alleinerziehend ist und niemanden hat, der sich um die Kinder kümmern kann. Ob sich das mit dem Arbeitsmarkt vereinen lässt, weiß ich nicht.
Der Pole ist mir auch ein Rätsel. Noch immer weiß ich nicht, was er eigentlich vorhat und wieso er seine letzten Termine nicht mehr wahrgenommen hat, hat er auch nicht mitgeteilt.
Der Somalier, den ich weiterhin schlecht verstehe, will nun den Hauptschulabschluss machen, was ich durchaus für sinnvoll halte, was aber aus diversen Gründen keine Option ist. Alleine schon deshalb, weil das irgendwer finanzieren muss. Das Jobcenter möchte das jedenfalls nicht bezahlen und ich habe auch kein Geld dafür. Derzeit läuft alles auf eine Helferkarriere hinaus. Nur ob er da mitmachen wird, erscheint äußerst fraglich.
Der Rumäne spricht einen Tick schlechter deutsch als der Somalier. Er hat einen Staplerschein und sein Übersetzer, den er zum ersten Termin mitgebracht hat, sagt, dass der Rumäne arbeiten will, weil er nicht vom Jobcenter abhängig sein will. Das klingt für den Anfang ganz gut. Die Sprachprobleme scheinen hier zunächst das größte Problem zu sein. Wir werden sehen.
Die Russin, 43 Jahre, ist sehr selbstbewusst, attraktiv und eine echte Herausforderung, denn sie erwartet von mir Ideen, was sie beruflich machen kann. Auch sie ist alleinerziehend und hat nur vormittags Zeit. Außer mittwochs, da geht sie ins Fitnessstudio, was man ihr durchaus ansieht. Sie hat kurze Haare und Frauen mit kurzen Haaren sind mir irgendwie suspekt.
Der Türke versteht nicht, dass Deutschland so viele Ausländer holt und diese versorgt. Er glaubt, dass es in absehbarer Zeit keine Deutschen mehr hier geben wird. Obwohl er selbst Ausländer ist, ergibt das für ihn keinen Sinn. Er wird bald eine Qualifizierung machen. Die Gespräche werden mir fehlen.
Der Kasache will arbeiten, aber es ist nicht leicht, seine Wünsche und Fähigkeiten und die Wünsche der Arbeitgeber zu vereinen. Unmöglich sollte es aber auch nicht sein.
Dazu kommen fünf Deutsche, die dem Nationalitätencocktail eine besondere Note verleihen.
Der Unreife hat jede Woche eine neue Idee, welchen Beruf er erlernen möchte. Da ich ihm nicht sagen kann, dass er für manche Berufe einfach nicht die Voraussetzungen mitbringt, weil er das nicht verkraftet, zeige ich ihm, was die Grundvoraussetzungen für die von ihm gewünschten Ausbildungen sind. Obwohl nichts davon zu ihm passt, er absolut nicht die Qualifikation hat, sieht er das anders. Ich kann das zwar mit Fakten belegen, aber damit muss ich ihm nicht kommen, weshalb er sich auf alle Ausbildungsplätze, die er für geeignet hält, bewerben darf, obwohl es für alle Beteiligten Zeitverschwendung ist. Und weil er komplett verpeilt ist, bewirbt er sich in einer Anwaltskanzlei, wählt den falschen Ansprechpartner und schreibt, er möchte Touristikkaufmann werden, da er eine andere Bewerbung kopiert und die wesentlichen Dinge nicht verändert hat. Die nächste Bewerbung soll er persönlich abgeben. Ich sage ihm, er soll die Unterlagen ausdrucken, zehn Minuten später teilt er mir mit, dass er die Bewerbung online versendet hat. Ich weise ihn darauf hin, dass er genau das nicht machen sollte und wir das gerade auch so besprochen haben. Da hat er wohl einen Fehler gemacht. Und so geht das immer und immer weiter. Er macht irgendwas, was nicht besprochen war, entschuldigt sich dann dafür und sagt, dass er mich nicht ärgern will. Es ist schwer vorstellbar, dass er in diesem Zustand einen Job finden wird. Seine einzige Chance könnte sein, dass man es einfach mit ihm probiert, weil man sonst niemanden findet und verzweifelt ist. Ansonsten sehe ich schwarz, tiefschwarz mit schwarzen Schattierungen.
Die Frau, bei der ich dachte, ich könnte sie aus der Hand füttern, wollte bisher nicht von mir gefüttert werden.
Die Frau mit psychischen Problemen, die gerne als Führungskraft arbeiten möchte und es liebt, Leute zu therapieren, könnte meine größte Herausforderung werden. Vielleicht kann sie mich therapieren und wieder in die Spur und auf Kurs bringen. Das wäre mal was.
Den Mann ohne Wohnung kann ich einfach nicht einschätzen. Er verpasste Anfangs keinen Termin, bewarb sich regelmäßig, aber ich habe keinen wirklichen Zugang zu ihm und nun ist er möglicherweise verloren gegangen. Ihn würde ich direkt an Jörg abgeben, weil Jörg da sicher einen Plan hätte. Da Jörg nicht da ist, geht es planlos weiter, falls der junge Mann wieder auftaucht.
Ein weiterer Deutscher rundet den Nationalitätencocktail ab. Zu ihm habe ich noch keine Meinung, was ich sehr merkwürdig finde.
Dank dieser bunten Menschenmischung bin ich wieder komplett am alten Standort. Weitere Leute sind schon auf dem Weg und werden nächste Woche zu mir kommen. Es bleibt spannend und die ganzen Leute Sorgen sicher sorgen dafür, dass mir nicht langweilig wird. Wo wäre ich nur ohne all die Arbeitslosen? Die Antwort ist bekannt und spricht nicht unbedingt für mich.