Nachdem ich am Dienstag zum ersten Mal mit einem jungen Mann, der erst 18 Jahre, abgesehen von einem dreimonatigen Ausflug in die Arbeitswelt, arbeitslos ist, gesprochen habe, hat er schon genug von mir und teilt am nächsten Tag mit, dass er nicht mehr an der Maßnahme teilnehmen wird, da er mit dem Coach, also mir, nicht klar kommt und auch nicht mehr mit dem Coach reden wird. Dabei hat er mir am Dienstag noch Fotos seiner Arbeiten gezeigt und mir viele fantastische Geschichten erzählt. Mein Fazit, dass er für den ersten Arbeitsmarkt nicht geeignet ist, habe ich ihm gar nicht mitgeteilt, weil ihn das nur deprimiert hätte. Selbst die aus meiner Sicht dringend notwendige Therapie habe ich ihm nicht empfohlen, weil ich weiß, dass manche Menschen solche Empfehlungen nicht verkraften. Durch seine Mail hat er, vermutlich ohne es zu wissen, bestätigt, dass er dringend therapeutische Hilfe braucht. Später versuchen sein früherer Coach JJ und auch Sandra ihn per Mail davon zu überzeugen, doch noch mal zu uns zu kommen. Ob es ihnen gelingen wird und wer sich dann um ihn kümmern soll, wird sich zeigen. Später hält JJ noch eine Art Abschiedsrede, in der es nur darum geht, wie sanft man mit dem besagten Teilnehmer umgehen soll. Ich dachte immer, ich hätte recht viel Verständnis für meine Teilnehmer, nach der Rede von JJ bin ich vermutlich ein herzloser Holzklotz, denn mein Verständnis für Menschen ist im Gegensatz zu seinem Verständnis äußerst gering. Allerdings bin ich der Meinung, dass man es mit dem Verständnis auch übertreiben kann und dieses ganze Verständnis weder den jungen Mann noch uns an irgendein Ziel bringen wird. Jetzt, wo ich mir meine Gedanken nochmal durch den Kopf gehen lasse, komme ich mir wirklich kalt und herzlos vor. Sehr empathisch ist das jedenfalls nicht, was ich hier abliefere. Offensichtlich findet Kirsten, die bei JJs Vortrag anwesend ist, das auch alles etwas übertrieben und ist der Meinung, dass man es mit dem Verständnis für den jungen Mann auch übertreiben kann. Sandra hingegen teilt durchaus JJs Meinung. Vermutlich werden Sozialcoaches deshalb besser bezahlt, weil sie einfach menschlicher sind und den Menschen etwas geben können, was den meisten Jobcoaches einfach nicht möglich ist. Verrückte Welt.
Ein weiterer Teilnehmer, der am Dienstag zum ersten Mal da war, lässt sich zum nächsten Termin auch nicht sehen, weshalb sich abermals die Frage stellt, ob der Jobcoach, das bin ich, das Problem ist. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass einige Teilnehmer möglicherweise einfach Lebensuntauglich sind, weil sie scheinbar niemand auf das Leben vorbereitet hat und sie aus unerklärlichen Gründen auch gar nicht für ihr Leben verantwortlich und ständig vor irgendwas auf der Flucht sind. Auch hier flüchte ich mich wieder in Erklärungen, nur um von meiner Fehlerhaftigkeit abzulenken. Der dritte Teilnehmer sagt aus gesundheitlichen Gründen ab, was dazu führt, dass meine Kolleginnen amüsiert sind. Auch der vierte Teilnehmer kann aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Da auch Sandra und ich erkältet sind, gehe ich davon aus, dass dieser Standort möglicherweise ein Seuchenstandort ist, kann mich aber natürlich auch irren. Der fünfte meiner Teilnehmer bleibt ohne Angabe von Gründen der Maßnahme fern. Vielleicht ist er sauer, weil ich dafür gesorgt habe, dass man ihn zu einem Vorstellungsgespräch einladen wird. Wenn das so weitergeht, wird mein Coachingkarriere hier am Standort nicht von Dauer sein.
Am letzten Tag der Woche erfahre ich, dass der Teilnehmer bei einem von mir organisierten Vorstellungsgespräch war. Dort hat er erzählt, dass er ausschließlich Friseur werden will. Das Vorstellungsgespräch war direkt vorbei, denn er sollte dort für leichte Lagertätigkeiten eingesetzt werden. Hatte ich mit ihm so besprochen, war auch sein Wunsch. Offensichtlich ist bei ihm im Oberstübchen einiges durcheinander. Mir scheint es, als wären an dem Standort ziemlich viele Leute in der Maßnahme, die eher einen Therapeuten als einen Jobcoach benötigen. Vermutlich ist es aber ganz anders und ich bin derjenige, der eine Therapie braucht, weil ich nicht genug Verständnis für meine Teilnehmer aufbringe und ständig der Meinung bin, dass nur eine Therapie ihnen helfen kann. Letztlich muss davon ausgegangen werden, dass ich ein empathieloses Arschloch bin, welches alle anderen in eine Therapie schicken will, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Wie konnte es nur so weit kommen und komme ich jemals wieder raus aus dem Schlamassel? Vielleicht mit Hilfe einer Therapie?
Du bist gar nicht unfähig und hast das prompt erkannt, dass manche Menschen nicht in der Lage sind Verantwortung für Ihr Leben zu übernehmen oder dieses gar zu strukturieren.
Ich kenne auch so ein Exemplar. War der Letztgeborene in der Familie und Kronprinz, musste sich nie Sorgen machen und hat es einfach nicht gelernt sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Hat bis auf sein Studium noch nie!! gearbeitet, mit 46 Jahren. Solche Menschen brauchen echt ’ne Therapie. Aber wenn man über sich selbst nicht reflektieren kann, sind solche Ansätze auch sinnlos.
Also lehne dich zurück, du wirst das nicht ändern. Erfahrungswerte von
die Muddi
Nein, ändern werde ich das sicher nicht. Aber ich könnte ein Held sein, wenn ich es ändern würde. 😂
Oh, seh gerade, mein Avatar ist ein Bender. Ja, leck mich an meinem blanken Metalla……:-))))
Bender? Ich dachte, es ist eine Art Staubsauger. 🤔