Maßnahmegeschichten 34.23

Teilnehmerin 182, die letzte Woche bei ihrem ersten Termin fragte, wer denn die AU-Bescheinigungen bekommt, hat eine solche für diese Woche eingereicht. Das kann natürlich Zufall sein, aber ich bin da durchaus skeptisch und werde es beobachten.

Teilnehmer 175, einer der begabtesten Pflegefälle unserer bunten Runde, verzichtet heute auf seine Teilnahme. Möglicherweise hat er einen Job, wahrscheinlich aber nicht. Immerhin hat er die zwei Wochen Praktikum beim Arbeitgeber ohne Fehlzeiten zu Ende gebracht. Später erfahre ich vom Arbeitgeber, dass er den Teilnehmer einstellen möchte und der Teilnehmer deshalb eigentlich mit mir reden wollte. Mal schauen, wann das sein wird. Ich bin ja viermal in der Woche hier, vielleicht hat der Teilnehmer Zeit für ein Gespräch. Und falls nicht, bekommt er eine Abmahnung für seine Sammlung. Wird ihn sicher sehr beeindrucken.

Teilnehmerin 167 sitzt weiterhin zweimal in der Woche bei uns und schaut nach Jobs, obwohl alle wissen, dass das Blödsinn ist und sie nie einen Job finden wird. Bei ihr versagen nicht nur Jörg und ich, auch unser Ausnahmetalent Örge konnte der Frau nicht helfen.

Teilnehmer 162, der mich konsequent duzt, setzt sich vor den PC und teilt mir mit, dass dieser aus ist. Er schaltet den Monitor mehrfach ein und aus, was ihm aber auch nicht hilft. Erst als ich ihm den PC einschalte, geht es weiter. Das ist heute übrigens nicht sein erster Termin, aber wie man den PC einschaltet, hat er noch nicht gelernt. Auch hier versagen seine Coaches völlig unnötig. Was sind das nur für nutzlose Coaches, die den Teilnehmern nicht einmal die einfachsten Grundlagen beibringen können? Zu allem Überfluss fehlt mir noch jegliche Fantasie, wo man den Teilnehmer, der einen Minijob als Küchenhelfer ausübt, unterbringen kann. Glücklicherweise weiß ich, wo er arbeitet, so komme ich nicht in Versuchung, dort jemals zu essen. An meinen Vorurteilen muss ich auch arbeiten, wie es scheint. Immerhin scheint der Teilnehmer mich zu mögen. Verstehe ich zwar nicht, es ist mir aber wichtig, da ich ja von allen Menschen mindestens gemocht, am besten aber geliebt werden will. Vermutlich brauche ich dringend wieder eine Therapie, um von diesem Wahn befreit zu werden.

Teilnehmerin 168 ist nicht zu den Vorstellungsgesprächen erschienen, hat nicht abgesagt und ist für die Arbeitgeber nicht zu erreichen. Telefonisch teilt sie mir mit, dass sie nächste Woche erst das Gespräch bei einem der Arbeitgeber hat und zeigt mir die Terminbestätigung. Der Arbeitgeber, den ich dazu befrage, weiß davon nichts. Das Vorstellungsgespräch bei dem anderen Arbeitgeber, so teilt sie mir mit, war nichts. „Wieso denn nicht? Was war denn das Problem?” – “Das war einfach nichts für mich.” – “Sie waren doch gar nicht dort. Der Arbeitgeber hat mir das mitgeteilt.” Es folgt eine Schweigeminute, bevor die Teilnehmerin das Thema wechselt. Ich sage den Leuten gerne beim ersten Gespräch, dass ich es absolut nicht leiden kann, wenn man mich anlügt und dieser Blödsinn fast immer rauskommt. Was geht nur in so Lügenköpfen vor, dass sie es trotzdem immer wieder versuchen?

Teilnehmer 170, der groß angekündigt hat, dass er ab dem 01. Oktober irgendeinen Job annehmen wird, nur um wieder Arbeit zu haben, fehlt erneut unentschuldigt. Es ist offensichtlich, dass er ein psychisches Problem hat, aber da er das nicht einsieht, kann ihm auch keiner helfen. So bekommt er nächste Woche seine zweite Abmahnung, was ihn sicher sehr beeindrucken wird.

Teilnehmer 131 hat einen Arbeitsvertrag vorliegen, den er nur noch unterschreiben muss. Sein Traumjob in Süddeutschland. Der Umzug wird ihm vom Jobcenter bezahlt, aber weil das Jobcenter ihm keine Fahrzeug bezahlen will, will er nicht unterschreiben. Er will das auch nicht mit uns diskutieren, weil alles auf ihn einstürzt und manche sogar extra einen Unfall haben oder krank werden, um ihn einzuspannen. Das ist mir zu abstrus, weshalb wir das Gespräch beenden. Ich bin wirklich sehr geduldig, aber irgendwann ist auch gut.

Jörg bekommt die Mitteilung, dass er künftig mittwochs den ganzen Tag an einem anderen Standort sein wird. Lange wird er das nicht mitmachen, dass er an vier Standorten eingesetzt wird und daher schaut er sich unverzüglich nach anderen Jobs umschauen. Es ist unbegreiflich, dass hier niemand in der Lage ist, Leute so einzuteilen, dass sie in der Regel nur an einem Standort arbeiten. Mittlerweile finden sich kaum noch Leute, die für dieses Unternehmen arbeiten wollen, da könnte man schon auf die Idee kommen, dass zu hinterfragen, aber scheinbar besteht daran kein Interesse.

Die Woche bietet kurz vor Schluss noch ein kleines Highlight der Extraklasse. Teilnehmerin 180. Sie ist eine Frau zum Verlieben. Mitte 30, dreckige Fingernägel und sie duftet nach Schweiß und Urin, was sie aber unter einer Wolke Parfum zu verstecken versucht. Ich hoffe, dass diese Duftkomposition eine Ausnahme darstellt und sie sonst darauf verzichtet. Sollte diese Mischung allerdings immer präsent sein, brauchen wir über eine Vermittlung nicht einmal im Ansatz nachdenken. Selbst eine Stunde nach ihrem Abschied, liegt der liebliche Duft noch in der Luft, obwohl ich alle Fenster geöffnet habe. Dieser Tag könnte kaum schöner sein und ich freue mich fast gar nicht, dass die Dame nun zweimal in der Woche Zeit mit mir verbringen wird. Das habe ich echt nicht verdient. Wirklich nicht.

Die Quote liegt nun bei 34,94%, und wird möglicherweise nicht weiter fallen, denn in den letzten sechs Woche kehrt Örge montags zu uns zurück und wird uns vermutlich den Arsch retten. Was für eine abstruse Entwicklung.

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