Die Woche beginnt langweilig und wenn eine Woche so beginnt, wird es immer schwer für mich, einen gewissen Arbeitsfluss herzustellen. Also starre ich ratlos auf die Liste aller Teilnehmenden und sehe niemanden, der sicher einen Job annehmen wird. Mehr als ein paar “vielleicht” sehe ich nicht. 12 Mal sehe ich allerdings ein mehr als deutliches Nein. Keine Chance. Nicht einmal den Hauch einer Chance. Und ich betrachte die Liste sehr wohlwollend, fast schon naiv. Hoffnungslose Fälle soweit das Auge reicht. Spontan lade ich einen neuen Teilnehmer ein. Vermutlich auch ein hoffnungsloser Fall, aber vielleicht auch nicht. Sicher nicht. Ich will es positiv sehen. Aus dem wird was, wenn aus ihm was wird.
Ein aufgeregter Anruf der Chefin bringt unerwartet Abwechslung in den Tag. Sie ist völlig unzufrieden mit Jörg, weil er nicht kommuniziert mit den Kollegen, zu früh den Arbeitsplatz verlässt und überhaupt nicht macht, was er machen soll. Ab sofort ist er nicht mehr zwei halbe, sondern zwei ganze Tage an einem anderen Standort und ich muss mal wieder alles hier neu ordnen und verteile direkt einen seiner Teilnehmer an Örge, da er den Teilnehmer eh nicht mehr sehen wird. Weil Jörg auch noch einen PerCo-Kunden bekommt, den er hier zwei oder dreimal pro Woche ausgiebig betreuen muss, nehme ich ihm zwei weitere Teilnehmerinnen ab. Die Chefin zählt mir nochmal die Verfehlungen von Jörg auf und ich wundere mich, weil das irgendwie nicht nach ihm klingt. Jedenfalls soll ich ihn darauf ansprechen, wenn ich mir das zutraue, und ihm sagen, was sich alles ändern muss, was ich direkt nach dem Gespräch auch mache. Es klingt so, als würde nichts von dem, was die Chefin zu kritisieren hatte, stimmen. Ich schreibe der Chefin, das alles geregelt ist und Jörg bekommt einen Anruf der Verwaltungskraft, die einen der Punkte, die ich ihm ja schon vorgetragen habe, erneut anspricht. Wieso sollte ich das erst machen, wenn es dann nochmal gemacht wird? Wozu war der ganze Trubel jetzt gut, wenn sich doch alles anders darstellt als mir mitgeteilt wurde? Wieder einmal viel Lärm um nichts, der zwar die Vertragsverlängerung von Jörg erschweren könnte, aber immerhin für etwas Abwechslung gesorgt hat.
Der Kunde, den Jörg fürs PerCo bekommen sollte, kommt spontan doch nicht, so dass ich einige Änderungen des Ablaufplans wieder rückgängig machen kann. Dabei war der neue Plan, den ich erstellt hatte, wirklich gelungen und optisch schön anzuschauen.
Als Teilnehmerin 11 mal wieder zu spät kommt, sage ich ihr, dass sie dementsprechend heute länger bleiben muss, was ihr gar nicht gefällt. Das kann ich nicht ändern, denn es gibt Regeln. Jörg sagt ihr, dass sie sich das selbst zuzuschreiben hat, denn sie wollte ja unbedingt zu mir. Bei ihm kostet Zuspätkommen einen Kaffee oder Cappuccino, dann ist das Thema erledigt. Nun will sie unverzüglich wieder von Jörg betreut werden, was ich ablehne. Hier wird nicht täglich der Coach gewechselt, wie es einem gerade passt. Ich bekomme zu hören, dass sie mich so nicht in Erinnerung hat, dass ich früher viel weniger streng war und so weiter. Ich kann ihr da wirklich nicht helfen. Ihre Wahl, ihr Problem. Später benötigt sie Hilfe bei einer Bewerbung. Ich hocke neben ihrem Platz und rede Unsinn, um sie und mich zu unterhalten. Ich weiß nicht, was ich sage, aber plötzlich umarmt sie mich und legt ihren Kopf an meinen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber unternehme auch nichts dagegen, denn sie riecht gut und so oft werde ich nicht mehr von attraktiven Frauen umarmt. Dennoch finde ich die Situation befremdlich und glaube nicht, dass das irgendwie professionell ist, was sich hier abspielt. Wenig später darf sie gehen und einem Arbeitgeber ihre Bewerbungsunterlagen bringen. Als sie zurück ist, besucht uns auch ihr Freund, der auch früher ständig hier auf sie gewartet hat. Außerdem hat sie Jörg einen Kaffee mitgebracht. Es ist unglaublich, wie oft ihm die Leute Kaffee mitbringen. So ein Kaffee kostet mindestens 2,50€, doch irgendwie hat er die Leute so im Griff, dass er regelmäßig ein Getränk serviert bekommt. Was das angeht, habe ich erhebliche Defizite. Der Freund von Teilnehmerin 11 setzt sich brav in den Vorraum, während sie beklagt, dass sie heute länger bleiben muss. Als hätte ich das zu verantworten und der Kaffee hat ihr da auch nicht weitergeholfen. Nachdem sieben Bewerbungen erstellt sind, die ich natürlich allesamt für sie geschrieben habe, wird sie immer ungeduldiger, weil sie ja nun nichts mehr zu tun hat und keine Stellen mehr findet. Außerdem sitzt ihr Freund ja im Vorraum, was sie noch hibbeliger macht, als sie ohnehin schon ist. So kann ich nicht arbeiten, weshalb ich ihr die Aufgabe gebe, unverzüglich drei Bewerbungen persönlich bei den Arbeitgebern abzugeben. Es bringt ja nichts, wenn sie hier nur rumquengelt. Das halte ich nicht aus. Wenn irgendwann rauskommt, wie ich hier arbeite, dann wird es sicher Ärger geben, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Manchmal muss man die Vorgaben und Regeln den Gegebenheiten anpassen, auch wenn es eigentlich verboten ist.
Teilnehmer 5 bekommt die Kündigung, die er sich redlich verdient hat, weil er ständig neue AU-Bescheinigungen gebracht hat. Ich erinnere mich, dass Jörg anfangs meinte, dass Teilnehmer 5 ein Kandidat ist, der sich vermitteln lässt. Ich war von Anfang an skeptisch, denn der Mann redete einfach zu viel und Leute, die so viel reden, haben oft Probleme, über die sie nicht reden, die aber zu schwerwiegend sind, um das hier erfolgreich beenden zu können. Da ist auch meist schnell eine gewisse Beratungsresistenz zu erkennen, so dass man nichts erreicht, weil einfach die Grundlagen fehlen für eine konstruktive Zusammenarbeit. Teilnehmer 5 hat auch viel zu oft erwähnt, dass er eine Therapie gemacht und diese ihm geholfen hat. So wirklich scheint sie ja nicht geholfen zu haben, sonst hätte er ernsthaft versucht, mit unserer Hilfe seine Situation, die er angeblich ändern wollte, tatsächlich zu ändern. Natürlich ist es leicht, hinterher zu behaupten, dass ich das geahnt habe, dass es so kommen wird, aber manchmal habe ich halt Glück und mein erster Eindruck bestätigt sich.
Nicht nur, dass Örge fast jeden Tag ein paar Minuten zu spät kommt und diese nicht nacharbeitet, in dieser Woche muss sie wegen eines Termins eher gehen und kündigt an, dass sie sich dann unterwegs auf ihrem Smartphone ausloggt. Normalerweise müsste ich ihr sagen, dass das nicht geht, aber da sich seit Monaten niemand daran stört, dass sie ständig zu spät kommt, sehe ich es nicht ein, mich einzumischen. Scheinbar ist das mit den Arbeitszeiten bei manchen einfach nicht wichtig und ich bin nicht die Beschwerdestelle, die derartige Dinge meldet.
Am Ende der Woche besucht uns die neue Teilnehmerin 5. Sie hat vermutlich Übergewicht, macht aber einen sympathischen Eindruck. Das Erstgespräch, welches ich gerne in möglichst kurzer Zeit hinter mich bringe, dauert zu meiner Überraschung gute fünfzig Minuten. Meine spontane Flexibilität ist immer wieder verwirrend für mich, aber es ist einfach schön, wenn man mal jemanden hier hat, mit dem man gut und unbeschwert plaudern kann. Eigentlich ist sie eine Teilnehmerin von Örge, aber da Teilnehmer 6 besser türkisch als deutsch spricht, überlasse ich ihn Örge und bin fürs Erste der Coach von Teilnehmerin 5. Damit betreue ich 5 von 13 Teilnehmerinnen. Wir haben einfach zu viele Frauen hier und auf der Warteliste stehen auch fast nur Frauen. So werde ich meinen Plan, keine Frauen mehr zu coachen, wobei ich ja nicht coache, sondern nur labere, nie umsetzen können. Das ist ziemlich enttäuschend. Dennoch möchte ich es schaffen, irgendwann keine Frauen zu betreuen. Dafür möchte ich einen Preis überreicht bekommen, der meinen Erfolg angemessen würdigt. Darüber mache ich mir aber erst weitere Gedenken, wenn es realistisch werden könnte, dass ich meinen Plan in die Tat umsetzen kann.
Teilnehmerin 15 bekommt zum Ende der Woche noch eine Abmahnung, weil sie wirklich alles getan hat, um sie zu bekommen. Manchen Leuten ist echt nicht zu helfen. Teilnehmer 3 schafft es auch weiterhin nicht, seinen Freitagstermin wahrzunehmen. Vermutlich schläft er noch, weshalb er demnächst freitags erst nachmittags zu uns kommen muss. Ob das etwas ändert?
Diese durch und durch aufregende Arbeitswoche endet mit einer Quote von 32,85%. 26 von 38 Terminen wurden eingehalten. Was das angeht, sind wir auf einem wirklich guten Weg. Die Vermittlungsquote vermag allerdings auch weiterhin nicht zu überzeugen.