Ein Teilnehmer, den wir wegen unentschuldigter Fehlzeiten vor ein paar Wochen aus der Maßnahme entfernt haben, geht zum Jobcenter und bittet darum, wieder an der Maßnahme teilnehmen zu dürfen. Beim Jobcenter ist man skeptisch und schickt den Teilnehmer zu mir. Ich soll nach dem Gespräch entscheiden, ob er noch eine Chance bekommt und ob er es auch ernst meint. Ich frage den Teilnehmer, was beim letzten Mal los war und er erklärt mir plausibel, dass er auf ein Jobversprechen reingefallen ist, quasi schwarzgearbeitet hat, und am Ende nicht einmal bezahlt wurde. Ich sage ihm, was ich von ihm erwarte, obwohl das natürlich auch irgendwie anmaßend ist, aber Teil der Arbeitswelt und vermutlich meine Pflicht als Stellvertreter von irgendwem. Irgendwer, in diesem Fall ich, muss halt eine Entscheidung treffen. Jörg findet, dass der Teilnehmer auf keinen Fall wiederkommen soll, aber da ich der Stellvertreter bin, entscheide ich, dass der Teilnehmer eine Chance verdient hat und sage ihm, dass sein Versuch mit dem schnell verdienten Geld, auch etwas Gutes hat, denn dadurch hat er immerhin gelernt, dass man nicht alles glauben kann, was einem vollmundig versprochen wird. Da meine Menschenkenntnis nicht besonders ausgeprägt ist und ich nicht in 95% der Fälle richtig liege, glaube ich nicht nur, dass der Teilnehmer künftig seine Termine bei uns wahrnehmen wird, sondern auch, dass ich ihm schnell zu einem Job verhelfen kann. Vermutlich bin ich einfach nur naiv, so zu denken, aber es kann natürlich auch an meiner unfassbaren Arroganz liegen, die mir hier wieder den Blick auf die Realität versperrt. Hochmut kommt vor dem Fall, fällt mir dazu nur ein. Später teile ich der IFK des Teilnehmers mit, dass dieser eine Chance verdient und gerne wieder zu uns kommen darf. Die IFK ist möglicherweise ein wenig überrascht, doch was wäre ein Leben ohne Überraschungen.
Zwei Wochen später ist es soweit und besagter Teilnehmer zurück in der Maßnahme. Da Jörg nichts mehr mit ihm zu tun haben will, übernehme ich den Fall. Beim zweiten Termin teilt der Teilnehmer mit, dass er in der nächsten Woche in seine Heimat fliegt und dies auch genehmigt sei. Auf Nachfrage beim Jobcenter hört sich das allerdings anders an. Spätestens jetzt sollte ich am Teilnehmer und seiner Motivation zweifeln, doch das sehe ich gar nicht ein. Und weil ich obendrein nicht möchte, dass der Teilnehmer die Reise absagen muss, einigen wir uns darauf, dass es die genehmigte Ortsabwesenheit für den Teilnehmer gibt, weil ich weiterhin darauf vertraue, dass der Teilnehmer schon bald einen Job haben und unsere Quote durch ihn steigen wird. Als der Teilnehmer zu seinem nächsten Termin erscheint, sage ich ihm, dass er nächste Woche frei hat, ich aber möchte, dass er später noch zu einem Vorstellungsgespräch geht. Er ist einverstanden und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Am Nachmittag erfahre ich von dem Unternehmen, bei dem ich das Vorstellungsgespräch für den Teilnehmer vereinbart hatte, dass er einen guten Eindruck hinterlassen hat und man sich nach seiner Rückkehr nochmal mit ihm zusammensetzen und ihm ein konkretes Angebot machen wird. Vielleicht stellt sich schon dann heraus, ob meine Einschätzung richtig war und mein Vertrauen in den Teilnehmer gerechtfertigt ist. Oder es stellt sich heraus, dass ich ein naiver Depp bin, dessen Menschenkenntnis für den Beruf einfach nicht ausreicht. Vielleicht ist es auch einfach nur Glückssache, ob der Teilnehmer am Ende einen Job findet oder nicht, weil die Dinge so oder so ihren Lauf nehmen. Und werden wir je erfahren, ob mein Handeln irgendetwas mit all dem zu tun hat?