Wenn ich mich richtig erinnere, war ich noch nie auf einer After Work Party, obwohl ich nun schon eine ganze Weile arbeite und durchaus zu so einer Party hätte gehen können. Als Arbeitsloser hätte ich das natürlich auch machen können, aber das wäre vermutlich unpassend gewesen. Daher habe ich heute die große Chance auf meine erste richtige After Work Party, denn unsere Chefs haben uns dazu eingeladen und ich habe zugesagt, obwohl ich lange gezögert habe, weil ich im Winter nicht so für Aktivitäten zu begeistern bin und bei Kälte lieber zu Hause sitze. Doch als es hieß, wir können früher Feierabend machen, aber nicht festgelegt wurde, wie früh, habe ich mich entschieden, dass ich mir die Party mal anschaue, obwohl ich nicht glaube, dass es wirklich eine Party wird. Schon gar nicht in der Zeit von 16.30 Uhr bis 19.00 Uhr. Aber so kann ich später, wenn mich jemand fragt, voller Stolz berichten, dass ich nicht nur auf einer After Work Party war, sondern auch darüber geschrieben habe.
Pünktlich erscheine ich zur Party. Die Gäste stehen durchaus ratlos neben den Tischen, die für uns reserviert wurden. Vom ersten Eindruck würde ich sagen, dass es eine steife Veranstaltung wird. Ich schaue mich um und sehe ein paar bekannte Gesichter, interessiere mich aber nicht weiter für irgendwen. Manchmal grüße ich, meist glotze ich nur blöd umher. In der Menge sehe ich Kirsten, die sich scheinbar freut mich zu sehen. Ich winke ihr zu, sie beendet ihr Gespräch und kommt zu mir. Zu meiner Überraschung umarmt sie mich zur Begrüßung, was ich nicht wirklich verstehe. Ebenfalls verstehe ich nicht, dass sie bei mir stehen bleibt und nicht zurückgeht, um ihr Gespräch fortzusetzen, was ich allerdings durchaus gut finde, weil definitiv nicht viele Leute hier sind, mit denen ich den Abend verbringen möchte. Gunda stellt mir eine neue Mitarbeiterin vor, die wohl einen Teilnehmer von mir übernommen hat. Die neue Kollegin ist blond, hat eine gute Figur und ist optisch durchaus interessant, aber ein Gespräch mit ihr kommt nicht wirklich zustande. Sie wirkt sehr unsicher auf mich, was sicher nicht an mir liegt. Sofort versuche ich mir vorzustellen, wie sie wohl mit Teilnehmer 4 klarkommen würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie ernst nehmen würde, aber ich kann mich auch irren. Sie schafft es nicht einmal, mich anzuschauen, weshalb das Gespräch, das nie wirklich begonnen hat, rasch beendet ist. Zwei Reinigungskräfte, Kirsten, Jörg und ich, setzen uns zusammen an einen Tisch. Später gesellt sich noch der Chef dazu, was zu einer Tradition werden könnte, da ich bei diesen Feiern oft mit dem Chef zusammen sitze. Wie immer versuche ich mich als Unterhalter, ein blöder Spruch hier, eine alberne Bemerkung da, Hauptsache die Leute lachen und ich bin im Mittelpunkt. Sobald man mich in solchen Gruppen unterbringt, kommt der Alleinunterhalter zum Vorschein und gibt sein Bestes. Flache Sprüche und flaue Witze zum Nulltarif. Bevor wir etwas zu essen bestellen, lese ich Kirsten aus der Speisekarte vor, da sie nicht lesen kann, was da so alles steht, weil sie ihre Brille nicht aufsetzen mag oder vergessen hat. Ich habe noch nie einer Frau eine Speisekarte vorgelesen, finde es aber witzig. Nachdem das geklärt ist, bestellen wir uns einen Cocktail mit Namen Bora, Bora und ich möchte, dass Kirsten mir das Lied von Tony Marshall dazu vorsingt, doch sie kennt es nicht und Schlager mag sie sowieso nicht. Ich bin enttäuscht, stoße aber dennoch mit ihr an. Später wird unser Essen gebracht. Für mich gibt es einen Herbstsalat, weil Salat gesund ist. Neben dem Chef sitzt Frau Kleinkariert, die ich so sympathisch finde, dass ich Jörg sofort mitteile, dass ich die nicht leiden kann. Natürlich rede ich auch nicht mit ihr, weil ich ihr nichts zu sagen habe.
Früher waren diese Treffen lustiger, aber da lebte Alpha auch noch und hat mit seinem Humor dafür gesorgt, dass wir kaum aus dem Lachen rauskamen. Auch Carsten war für Unterhaltung bestens geeignet. Nun bin ich der Alleinunterhalter, schaffe es aber nicht, dass Jörg hier irgendwas gut findet. Jens hat sich erwartungsgemäß auch zu seiner Truppe, mit der er zusammenarbeitet, gesetzt.
Wenn ich mich so umschaue und uns alle, die wir an dieser Party teilnehmen, betrachte muss ich zu meinem Bedauern feststellen, dass wir durchaus den Eindruck erwecken, als wären wir aus einem Bus mit Senioren gestiegen, die eine traditionelle Kaffeefahrt machen. Würden wir alle schwarz tragen, könnte man allerdings auch meinen, wir wären hier zum Festschmaus nach einer Beerdigung aufgelaufen. Jörg findet es gruselig, dass manche Verwaltungskräfte weiter darauf beharren, dass man sie siezt. Geht für ihn gar nicht. An weiteren Veranstaltungen dieser Art will er nicht teilnehmen, was ich durchaus verstehen kann. Ich werde aber sicher diese Tradition fortsetzen, weil ich dann auch in Zukunft wenigstens einmal im Jahr den Alleinunterhalter geben kann. Nach dem Essen hole ich JJ an unseren Tisch, mache ein paar Witze auf seine Kosten und erfahre, dass er nie wieder ein Büro mit mir teilen möchte. Dabei hatten wir damals, als ich einen Teilnehmer ein Gedicht vortragen ließ, viel Spaß, was er immerhin bestätigen muss. Später bringt er noch einen Kollegen mit, den ich noch nicht kannte und direkt vollquatsche. Der Mann nennt sie Damian, erzählt ein wenig aus seinem Berufsleben und scheint okay zu sein. Jörg verabschiedet sich, weil das hier alles keinen Sinn macht und seiner Laune abträglich ist. Auch die Reinigungskräfte haben sich zwischenzeitlich verabschiedet, so dass nur noch Kirsten, JJ und Damian mit mir am Tisch sitzen. Oma Sheriff beachtet mich während des ganzen Abends nicht und grüßt natürlich auch nicht. Das ist alles merkwürdig, aber weder überraschend noch unerwartet. Vielleicht ist meine Menschenkenntnis doch nicht so schlecht. Weil mittlerweile die meisten schon gegangen sind, gibt es auch keinen Grund mehr, das hier noch lange fortzusetzen. Als Kirsten sagt, dass sie den Abend nun beendet und noch etwas durch die Stadt gehen will, frage ich, ob sie von mir begleitet werden will, was natürlich eine gemeine Frage ist, weil da kaum jemand nein sagen wird. Sofort kritisiere ich mich für meine Frage, kann sie aber auch nicht mehr rückgängig machen. Ordnungsgemäß verabschieden wir uns von der Chefin und ein paar anderen. Damian macht zum Abschied eine Geste, die vermuten lässt, dass er davon ausgeht, dass Kirsten und ich irgendwas miteinander haben. Da seine Geste aber auch etwas ganz anderes bedeuten kann, nicke ich einfach nur und folge Kirsten zum Ausgang.
Im Anschluss wandern wir durch die Altstadt und über den Weihnachtsmarkt und weil wir gerade da sind, suchen wir auch noch einen Cache. Geocaching habe ich seit einiger Zeit nicht gemacht. Somit hatte ich eine Party, einen Spaziergang über den Weihnachtsmarkt und Geocaching an nur einem Tag. So viel Abwechslung gab es lange nicht. Wir unterhalten uns noch kurz über die Party, die ich ziemlich langweilig fand. Kerstin sagt, dass es im letzten Jahr ähnlich langweilig war. Im letzten Jahr trafen sich einige Mitarbeiter an deren Standorten, um gemeinsam im Café del Sol abzuhängen. Ich durfte allerdings nicht teilnehmen, weil ich nur an einem kleinen Standort arbeite, damals quasi der einzige Mitarbeiter war und als Ungeimpfter eine große Gefahr für Leib und Leben meiner Kollegen darstellte. Vermutlich hätte ich in meinem Zustand das Café del Sol eh nicht betreten dürfen. Daher ist es vernünftig, dass ich nicht eingeladen wurde. Dass ich mittlerweile wieder am Leben teilnehmen kann, sollte ich daher viel mehr schätzen, mache ich aber nicht. Auf dem Weg zurück zur Tiefgarage verlieren wir die Orientierung, was ich witzig finde, da mir so etwas öfter passiert. Mit Hilfe von Google Maps finden wir zurück zur Tiefgarage und verabschieden uns ohne Umarmung, was ich sehr vernünftig finde.