Zwei neue Mitarbeiterinnen vom Jobcenter wollen uns kurz besuchen, um uns auch persönlich kennenzulernen. Da ich das nicht einfach so erlauben darf, schreibe ich der Chefin eine Mail. Kurze Zeit später ruft sie an. Völlig ausgewechselt im Vergleich zu dem Gespräch von vorgestern ist sie. Ausführlich erklärt sie mir, dass Kollegin Örge noch gar nicht in der Maßnahme gemeldet ist und wir beim Besuch versuchen sollen, dass das nicht zum Thema wird. Ich sage, dass wir über solche Dinge grundsätzlich nicht reden, wenn wir Besuch vom Jobcenter bekommen. Es folgt eine minutenlange Erklärung, warum das bisher nicht geschehen ist. Lustig ist, dass die Erklärung nur erklärt, dass es einfach versäumt wurde. Nun fürchtet man scheinbar, dass es dazu Fragen gibt, weil genug Zeit gewesen wäre, die Kollegin zu melden. Hätte ich eine solche Sache versäumt, dann wäre dies die Fortsetzung des Gesprächs von vorgestern, in diesem Fall aber präsentiert sich die Chefin freundlich und kommunikativ. Völlig unnötig, denn ich bin schon in der Lage interne Versäumnisse, so sie denn zur Sprache kommen, zu umgehen. Meine Chefin leidet unter Ängsten, die das Leben für sie sicher oft schwierig machen. Ich kann ihr da aber nicht helfen, denn ich bin kein Arzt, sondern mache nur meinen Job. Ziemlich beschissen zwar, aber wenn ich Besuch vom Jobcenter bekomme, oder mal dort zu Besuch bin, hat sie nichts zu befürchten. Ich kann nur nicht gut mit Teilnehmern umgehen und habe eine miese Vermittlungsquote, abgesehen davon bin ich kein Problem. Zumindest meistens nicht.
Der Besuch der drei Damen vom Jobcenter ist schnell vorbei. Die beiden neuen, jungen Damen vom Jobcenter machen einen sympathischen Eindruck und sind, soweit man das mit Maske beurteilen kann, attraktiv. Themen, die der Chefin Angst machen, wurden natürlich nicht besprochen. Es wurde auch nur einmal gelacht als ich sagte, dass die Damen uns gute Teilnehmer schicken sollen. So etwas hat man da scheinbar derzeit nicht im Angebot. Aber das soll jetzt keine Entschuldigung für unsere miese Quote sein. Auf keinen Fall. Niemals. Ich bin auch weiterhin der Meinung, dass ich nicht mehr Maßnahmeleiter sein sollte und bin sicher, dass es es den einen oder anderen Mitarbeiter gibt, der das besser machen kann. Spätestens Ende April wird abgerechnet. Mein Countdown läuft.
Später erkläre ich meinen Teilnehmern, mit denen ich mich zu gut verstehe, dass ab nächste Woche hier ein anderer Wind weht und ich mehr Druck machen muss, weil mein Umgang mit den Teilnehmern so nicht mehr tragbar ist. Wenn ich ab nächster Woche sage, dass sie sich irgendwo bewerben sollen, dann gibt es keine Ausreden mehr, dann wird sich da beworben. „Dann schicken wir da schlechte Bewerbungsunterlagen hin, damit wir nicht eingeladen werden.“ – „Nein, denn ich kontrolliere die Unterlagen vorher. Die werden also Top sein.“ – „Dann benehmen wir uns beim Vorstellungsgespräch so, dass wir nicht eingestellt werden.“ – „Das kontrolliere ich und wenn das so ist, begleite ich Sie bei künftigen Vorstellungsgesprächen und bleibe bis der Vertrag unterschrieben ist.“ – „Dann gehen wir aber am nächsten Tag einfach nicht arbeiten.“ – „Das ist mir egal, denn Sie haben einen Vertrag unterschrieben und gelten als vermittelt, alles andere interessiert mich nicht.“ Anschließend lachen alle über die Anweisung, dass ich strenger sein soll und sagen, dass meine Chefin noch viel lernen muss. Daraufhin erkläre ich den Teilnehmern, dass der Erfolg meiner Chefin Recht gibt und der Spaß ab nächster Woche hier endgültig vorbei ist. Anschließend unterhalten wir uns noch über die Arbeitswelt und machen Witze über Stellenanzeigen, die Work-Life-Balance im Text hervorheben, weil wir das für Geschwätz halten und ich fürchte, dass ich bis Ende April der erfolgloseste Coach Deutschlands bleiben werde.