Die dritte Corona-Arbeitswoche 2022

Ohne große Erwartungen starte ich in die dritte Corona-Arbeitswoche des Jahres, doch kaum bin ich im Büro, werde ich schon wieder mit der Impfung belästigt. Die Chefin ruft im Forum die wenigen noch ungeimpften Mitarbeiter dringend auf, sich umgehend impfen zu lassen, weil in keinem der ihr bekannten Fälle gesundheitliche Probleme nach der Impfung aufgetreten sind. Ich bin ganz kurz davor ihr eine unangemessene Mail dazu zu schreiben, denn es geht sie verdammt nochmal einen Scheißdreck an, ob ich geimpft oder ungeimpft bin. Spätestens wenn die Impfpflicht kommt, wird sie mich los. Ein wenig durchhalten wird sie schon noch können. Ich sage ihr auch nicht, was sie einzunehmen hat und wie sie ihre Freizeit verbringen soll. Ich schreibe auch nicht ins Forum, dass alle, die möchten, dass ich mich impfen lasse, mich mal am Arsch lecken können, da mir nicht bekannt ist, dass gesundheitliche Gründe dagegen sprechen. Meine Fresse, dieser Impfwahn geht mir so was von auf die Nerven. Was mir außerdem auf die Nerven geht ist ihre Idee, dass wir einmal pro Monat ein Jobspeeddating hier durchführen müssen. Sieben Teilnehmer hatten wir, obwohl klar war, dass es keinen Sinn macht, für morgen eingeplant. Mittlerweile sind noch drei übrig, die teilnehmen werden. Das ist einfach nichts, was mich begeistern kann, aber da schreibe ich der Chefin nicht ständig, dass sie es doch bitte nicht mehr von uns verlangen soll, weil es in den uns bekannten Fällen zu nichts führt. Sie findet es geil, wir finden es Scheiße. Aber es ist ihre Entscheidung, so wie es meine Entscheidung ist, dass ich mich nicht impfen lassen will. Damit müssen wir alle leben. Kaum bin ich im Büro, bin ich voll angepisst. Warum lässt man mich nicht einfach meinen Job machen und wartet bis die Impfpflicht kommt? Dann ist es eh vorbei. 
Noch bevor ich mich abregen kann, ruft Jens mich an, weil er ein paar Fragen hat. Er wollte/sollte nächste Woche das Jobspeeddating an seinem Standort veranstalten, aber das hat die Chefin verschoben, angeblich weil zwei Teilnehmer am Standort von Oma Sheriff positiv getestet wurden. Vielleicht ist das der Grund, warum die Chefin wieder mit dem Impfen nervt. Vermutlich weiß sie nicht, dass auch Geimpfte positiv getestet werden und sogar erkranken können. Aber warum deshalb ein Jobspeeddating an einem ganz anderen Standort ausfallen soll, kann ich nicht nachvollziehen. Bei uns fällt es morgen ja auch nicht aus. Vielleicht ist es eine Art von Hysterie, die zur vorläufigen Absage führte, es kann aber auch an einer ablaufenden Lizenz fürs Videoprogramm liegen. Da ich keine Erkenntnisse habe, handelt es sich also vorerst nur um Gerüchte und ich weiß nicht wirklich, warum Jens erst mal seine Teilnehmer nicht mit dem Jobspeeddating belästigen muss. Nächste Woche kann alles wieder anders aussehen. Als nächstes erfahre ich, dass sich Örge zunächst bei Oma Sheriff und dann bei der Chefin beklagt hat, dass es immer so stressig bei uns sei, vor allem montags, wenn sie alleine hier arbeitet. Darüber hat sie sich beschwert, nachdem sie den ersten Montag alleine gearbeitet hat. Angeblich hat sie die Zusage der Chefin, dass sie ab März nicht mehr hier eingesetzt wird. Gerüchte gibt es für einen ersten Wochenarbeitstag schon wieder genug. Es bleibt abzuwarten, was davon tatsächlich zutrifft und welche Folgen es haben wird.

Eine meiner Teilnehmerinnen möchte eine Ausbildung zur Verkäuferin machen, aber bekommt nur Absagen. Also füllt sie den Explorix-Fragebogen aus, um zu schauen, was für Alternativen es für sie gibt. Ich halte bisher zwar nichts von dem Test, muss mich aber von meiner Engstirnigkeit lösen und für neue Werkzeuge öffnen. Das Ergebnis nennt folgende Ausbildungen als passend für die Teilnehmerin. Au-Parr, Fachlehrerin für musisch-technische Berufe und Gymnastiklehrerin. Die Teilnehmerin hat eine Schreibe-Leseschwäche, das dürfte aber kein Problem sein. Möglicherweise ist der Hauptschulabschluss ein Problem, so dass ich ihr zunächst die Tätigkeit als Au-Pairr schmackhaft machen muss. Glücklicherweise hat der Test aber auch noch andere Berufe, die in Frage kommen, wenn die am besten passenden Berufe aus unerklärlichen Gründen nicht passen sollten. In ihrem Fall Heilerziehungspflegerin, Mode- oder Nageldesignerin, Floristin, Fotografin, Holzspielzeugmacherin, Textilgestalterin und Orthopädiemechanikerin bzw. Bandagistin. Wäre ich nie drauf gekommen. Da staunt selbst die Teilnehmerin als sie das erfährt, will aber dennoch weiter Verkäuferin werden. Ich muss echt an meinen Vorurteilen arbeiten und nicht immer alles so kritisch sehen. Ab sofort ist der Explorix-Fragebogen fester Bestandteil meines Coachings. Wenn das die Quote nicht rettet, dann gehen mir echt die Ideen aus. Weil ich von Fragebögen nie genug bekomme, beantworte auch ich die Explorix-Fragen, um zu sehen, welche Berufe für mich geeignet sind und was ich machen kann, wenn der Corona-Irrsinn eines Tages vorbei ist. Zwei Berufe kommen für mich besonders in Frage. Dentalhygieniker (da würde ich mich ständig übergeben) und Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (völlig unpassend, weil ich als Postbote vermutlich draußen arbeiten müsste, was ich absolut ablehne). Sollte das nicht klappen wären die Berufe Diätkoch (lustige Idee, da ich kochen absolut furchtbar finde) , Fachangestellter für Bäderbetriebe (perfekt für einen Nichtschwimmer, aber ich könnte da vielleicht spannen, denn spannen kann ich wirklich gut), Fachkraft Arbeitssicherheit (da sollte ich drüber nachdenken), Operationstechnischer Assistent (absurd) und Produktprüfer (das klingt interessant) etwas für mich. Dann wird es albern, denn ich wäre laut Test auch gut aufgehoben in der ambulanten Pflege, als Fachkrankenpfleger, als zahnmedizinischer Fachangestellter und als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer. Spätestens jetzt kommen mir arge Zweifel an der Auswertung. Glücklicherweise sind die letzten Jobs, die für mich etwas sein könnten, durchaus passend und überzeugen mich dann doch wieder von dem Fragebogen, auch wenn ich die Berufe weiter vorne erwartet hätte. Helfer in der Reinigung, Bäcker, Hauswart, Abfallberater, Orthopädieschuhmacher. Bezeichnend finde ich, dass keiner der Berufe, die ich bisher gemacht habe, etwas für mich zu sein scheint. Den Test hätte ich vor dreißig Jahren gebraucht, jetzt ist es für das meiste leider zu spät. Lediglich als Helfer in der Reinigung und als Hauswart könnte ich noch Chancen haben. Jetzt muss der Coach in mir mich nur noch davon überzeugen, aber da ich ein schlechter Coach bin, wird das vermutlich nichts. Schade.

Meine Nichteignung als Coach bestätigt das Jobspeeddating am nächsten Tag. Eine Frau versteht nicht wirklich gut deutsch, weshalb das Gespräch mit dem Arbeitgeber schwierig ist. Für sie hat der Mann letztlich keine konkreten Ideen, will aber nochmal nachdenken. Der Mann, der grundsätzlich nicht für einen Personaldienstleister arbeiten will, bekommt tatsächlich ein konkretes Angebot und soll den Betrieb am Freitag kennenlernen. Wenn es passt, kann er Montag anfangen. Das wäre natürlich super, enttarnt mich wegen meiner Abneigung gegen das Jobspeeddating aber endgültig als Vollidioten, denn ich habe immer gesagt, dass das nichts bringt mit unseren aktuellen Teilnehmern. Für unsere klügste Teilnehmerin hat das Unternehmen keine Ideen, was aber nicht überrascht, da sie, wenn man ehrlich ist, zu nichts zu gebrauchen ist. Da das Jobspeeddating nun jeden Monat stattfinden soll, wird mir von nun an also monatlich präsentiert, was für ein Idiot ich doch bin, weil ich es so strikt abgelehnt habe. Für unsere Quote, die mittlerweile, ohne das ich etwas dazu kann, auf sensationelle 22,2% geklettert ist, entpuppt sich das Jobspeeddating am Ende vermutlich als die Rettung. Bis die Impfpflicht im April oder Mai kommt, muss ich noch durchhalten. Dann wird mein Arbeitgeber hoffentlich von mir erlöst. Gott, bin ich Scheiße.
Eine Teilnehmerin kommt mit ihrem Hund vorbei, den ich natürlich sofort begrüßen will. Dummerweise mag der Hund keine Männer und ignoriert mich, was mir gar nicht gefällt. Während wir ein paar Dinge besprechen, versuche ich den Hund zu überzeugen, dass ich ein Guter bin und er mich nicht weiter ignorieren soll. Zum Glück schaffe ich das, was meine Laune wieder normalisiert. Bis die beiden wieder gehen, lehnt der Hund sich bei mir an und lässt sich von mir kraulen, was ich sehr löblich finde. Wenn er mich weiter ignoriert hätte, wäre der Tag ein kompletter Reinfall geworden. Freitag kommt der Hund wieder zu Besuch, da schenke ich ihm einen Hundestick, damit er mich nie mehr vergisst und endgültig in sein Hundeherz schließt.

Am Donnerstag ruft mich der Teilnehmer, der morgen zum persönlichen Gespräch und am Montag, wenn alles passt, einen Job hat, an, um mir mitzuteilen, dass ein Familienmitglied positiv getestet wurde und er nun wohl in Quarantäne ist. Da es in einem solchen Fall längst nichts schriftliches mehr vom Gesundheitsamt gibt, muss ich Kirsten fragen, wie wir in einem solchen Fall vorgehen. Telefoncoaching oder den Teilnehmer zehn Tage entschuldigt in Ruhe lassen, was mir sinnvoller erscheint. Aber da ich derzeit nicht der Beliebteste bin, kläre ich das vorher ab, bevor ich eigenmächtig irgendwas entscheide. Der Teilnehmer hat nun zehn Tage frei und wird vermutlich, zumindest gehe ich davon aus, den Job nicht bekommen. Vielleicht später, vielleicht niemals. Sollte er den Job nicht bekommen, so wird er beim nächsten Jobspeeddating auf jeden Fall wieder dabei sein, jetzt wo ich weiß, dass es eine gute Sache ist. So schnell kann man meinen Widerstand brechen. Lächerlich.

Örge sagt, dass sie gestern am anderen Standort gut zu tun hatte und sie das voll gut findet, weil sie Langeweile nicht erträgt. Hier am Standort ist es ihr meist zu langweilig. Das passt nun nicht zu dem Gerücht, dass sie sich beschwert hätte, weil es hier zu stressig sei. Immerhin stellt sie die Frage, wer sie wohl ersetzen wird, wenn sie nicht mehr an diesem Standort sein wird. An dem Gerücht scheint dann wohl was dran zu sein. Meine Frage, wann sie denn wohl nicht mehr hier sein wird, lässt sie unbeantwortet. Da Jens auch nicht wiederkommen wird, weil seine Maßnahme erst verlängert wurde, bleibt es also spannend.

Die Frau, die ihren Hund mitbringen wollte, damit ich ihn mit einem Hundestick füttern kann, erscheint ohne Hund, aber immerhin mit der Ankündigung, dass sie Montag einen Arbeitsvertrag unterschreibt. Bevor das unsere Quote in astronomische Höhen schießen lässt, kündige ich einer anderen Teilnehmerin, weil die eh nicht zu uns kommt. Das zieht die Quote wieder runter und wir müssen uns keine Hoffnungen machen, dass wir den letzten Platz in nächster Zeit verlassen werden. Vielleicht sollten wir wöchentlich so ein Jobspeeddating machen, um endlich auch mal erfolgreich zu sein. Parallel dazu sollte man den Maßnahmeleiter austauschen, denn der Fisch stinkt bekanntlich am Kopf zuerst. Oder so ähnlich.

4 Kommentare

  1. na toll, nun wollte ich auch den Explorix-Fragebogen machen, um endlich mal zu wissen, welcher tolle Job mir eigentlich passt, und da kostet das was?!

  2. Ohje, das erinnert mich an die Schulzeit, als wir bei der Arbeitsagentur einen interaktiven Fragebogen ausfüllen mussten, um anschließend Berufsempfehlungen zu bekommen. Der Test war aber sehr simpel gehalten und für mich leider nicht hilfreich. Ich hatte null Peilung, was ich beruflich machen sollte/könnte und wo eigentlich meine Stärken liegen. Der Test hat mir alles Mögliche empfohlen, u.a. Landschaftsgärtner, weil ich ehrlicherweise angeklickt hatte, dass ich gerne im Freien arbeite (aber auch gerne im Büro). Dabei habe ich doch einen absolut schwarzen Daumen. ^^ … Am Ende war ich nur noch verwirrter, aber was klicke ich auch fast alles an Interessen und Vorlieben an.

    Ich hätte damals eigentlich vorweg erst einmal einen Test „Wer bin ich überhaupt?“ machen müssen.

    „Produktprüfer“ hört sich zwar interessant an, die Tätigkeitsbeschreibung dazu wirkt aber sehr ernüchternd. Das stelle ich mir auf Dauer eher langweilig vor.

    Wenn man sich die komplette ärztliche Ausbildungsschiene ersparen, aber trotzdem in der Gerichtsmedizin arbeiten möchte, wäre Medizinischer Sektions-/ Präparationsassistent glaube ich interessant. Hätte mich jedenfalls auch interessiert, um legal meinen morbiden Interessen nachgehen zu können … aber vielleicht wird auch das irgendwann langweilig, wenn man den x.ten Leichnam zerteilt hat.
    Und der Geruch kann jedenfalls bei den Gedärmen und bei Wasserleichen etwas streng sein.

    Was macht denn ein Abfallberater? … Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Die Müllabfuhr braucht sicher keine Beratung, und den gemeinen Bürger interessiert die Mülltrennung auch nicht derart, als dass er für ein Coaching in richtiger Mülltrennung Geld ausgeben mag.

    Ich finde, dass du ein Talent zum (humorvollen bis bitterbösen) Schreiben hast. Was man damit beruflich konkret machen könnte, weiß ich aber nicht. Vielleicht etwas in Richtung Kabarettist/Satiriker?

    • So ist das, wenn man zu viele Vorlieben hat.

      Gerichtsmedizin möchte ich auch nicht. Das würde mich nur noch mehr deprimieren.

      Der Abfallberater berät Menschen zum Thema Abfall und beantwortet Fragen. Hätte ich doch nur Ahnung von dem ganzen Müll, dann wäre das mein Beruf.

      Ich bin nur ab und zu humorvoll und als Kabarettist muss man vor Leuten auftreten, das erscheint mir gruselig. Am Ende wollen die mich alle impfen. Das möchte ich nicht. 😃

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