Weil ich nicht im Stau an der Baustelle stehen will, fahre ich einen Umweg. Da ich obendrein Angst habe, dass der beknackte Opel ausgeht, wenn ich auf einer Kreuzung stehe, biege ich an großen Kreuzungen nicht mehr links ab, sondern fahre geradeaus und wende kurz nach der Kreuzung, um rechts abbiegen zu können. So macht das alles absolut keinen Spaß und ist irgendwie stressig. Zu meiner großen Überraschung geht die Kiste auf dem Weg zur Arbeit nicht ein einziges Mal aus. Sympathischer wird mir der Schrotthaufen deshalb nicht.
Ich verstehe tatsächlich weiterhin nicht wirklich, warum sich Ungeimpfte testen lassen müssen, Geimpfte hingegen nicht, obwohl sie ja genauso gut positiv und symptomfrei sein könnten. Daran erkennt man vermutlich, wie dumm ich bin, weil ich selbst so einfache Dinge nicht verstehen will und in Frage stelle. Vielleicht bin ich tatsächlich nur ein Schwurbler, Querdenker, Schwachkopf. Letzteres auf jeden Fall.
Ich kann mir noch immer nicht wirklich vorstellen, wie es ist, wenn ich mich nicht impfen lasse und wie mein Leben dann aussehen wird. Ich kann mir aber noch weniger vorstellen, mir einen dieser vier Impfstoffe spritzen zu lassen. Über den Impfstoff von Valneva ließe sich reden, aber der wird für mich vermutlich zu spät kommen, weil er erst ab April 2022 nach Deutschland kommen soll. Bis dahin muss ich mich halt irgendwo verstecken. Weil das alles frustrierend ist, bin ich fast erleichtert, dass einer von zwei Teilnehmern, die ich am Vormittag erwarte, den Termin absagt und auf morgen verschiebt. Morgen bin ich nicht da, das passt mir wunderbar. So sitzt am Vormittag nur ein Teilnehmer im Büro, mit dem ich zunächst kaum rede, bevor ich ihm irgendwann eine beeindruckende Rede halte, die aus vielen Worten und wenig Inhalt besteht. Nach meiner fulminanten Rede ruft er bei drei Arbeitgebern an, um zu Fragen, ob die Stellen noch frei sind. Das hätte er sicher auch ohne mein minutenlanges Gequatsche getan. Vielleicht hatte ich einfach das Bedürfnis zu reden und er musste es über sich ergehen lassen. Nach meiner großartigen Rede plätschert der letzte Arbeitstag dieser Woche unaufhaltsam vor sich hin. Lebenszeit verrinnt.
Um 10.30 Uhr wird der Termin für die Reparatur des beknackten Coupés aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder unpassend finde. Unpassend, weil der Dreckshaufen mittlerweile täglich ausgeht, aber vielleicht auch gut, weil ich mir die Reparatur am Ende komplett sparen kann. Stattdessen kann ich die Karre Anfang nächsten Jahres günstig verkaufen oder zum Schrott bringen. Andererseits bin ich blöd genug, die Gurke zu einem späteren Zeitpunkt reparieren zu lassen. Es bleibt also irgendwie voll spannend, ohne tatsächlich spannend zu sein. Das ist alles, was bis zum Mittag passiert. Ich funktioniere, zumindest versuche ich es.
Am Nachmittag sind die Frau mit dem Augenfehler und die Frau, die drei Wochen Urlaub hatte, anwesend. Die Frau mit dem Augenfehler liest Zeitung, aber immerhin nimmt sie meinen Vorschlag, sich als Spülkraft zu bewerben, an und widmet sich später einem Kreuzworträtsel. Nicht schlecht für eine Frau deren Augen wir hier zerstört haben. Der anderen Frau gebe ich drei Stellenanzeigen. Sie will drüber nachdenken, sagt aber nicht, wann sie das tun will. Während ihrer Anwesenheit jedenfalls nicht. Und so sitzen wir etwa zwei Stunden schweigend in einem Raum, weil ich einfach nicht weiß, was ich mit den beiden sonst noch machen kann. Vermutlich läuft das jetzt jeden Donnerstag so ab, vielleicht wird es auch ganz anders, wenn unsere klügste Teilnehmerin sich ab nächste Woche jeden Donnerstag unserer kleinen, beschränkten Runde anschließt. Kaum denke ich an sie, schon taucht sie spontan und unerwartet bei uns auf, da sie es nicht schafft, online einen Termin für einen Corona-Schnelltest zu vereinbaren. Weil wir sie ohne Test am Montag nicht reinlassen dürfen, vereinbare ich den Termin für sie. Vermutlich werden wir das hier fortan zweimal pro Woche für sie machen müssen. Immerhin hat ihr Besuch das einschläfernde Schweigen für einen Moment unterbrochen. Für weitere Höhepunkte der Nachmittagsunterhaltung sorgt nur noch das mehrmalige Lüften, welches ich zwar oft vergesse, aber mit höchster Präzision und Hingabe erledige. Sobald ich aus irgendwelchen Gründen den Raum verlasse, beginnen die beiden Teilnehmerinnen ein Gespräch, welches direkt nach meiner Rückkehr verstummt. Keine Ahnung, was ich davon halten soll. Der junge Mann, der Weihnachtsbäume hätte verkaufen könne, hat es sich wohl anders überlegt, denn er ist bisher nicht zu dem Vorstellungsgespräch erschienen. Dem werde ich wohl auch nicht helfen können.
Auf dem Weg nach Hause, direkt vor einer Kreuzung, geht der Scheißhaufen von einem Opel aus. Ich kann ihn gerade noch halb von der Straße rollen, dann stehe ich wie ein Depp herum und muss warten bis sich der Scheißhaufen wieder starten lässt. So ist das alles nicht mehr erträglich und ich traue der Karre einfach gar nicht mehr, weil die Kiste nun täglich mindestens einmal ausgeht. Nach ein paar Minuten darf ich weiterfahren.
Kaum zu Hause angekommen, beschließe ich, dass der Wagen zur Werkstatt muss. Da meine Hauptwerkstatt da leider nicht helfen kann und die Opel-Doktoren aus gesundheitlichen Gründen vorerst nicht helfen können, entscheide ich, dass der Wagen zur Werkstatt kommt, die Manni empfohlen hat. Dort schildere ich das Problem und man macht mir wenig Hoffnung. So einen Fehler zu finden kann ewig dauern. Wir einigen uns darauf, dass der Scheißhaufen bis Montag da bleibt. Sollten sie Zeit haben, schauen sie mal nach, wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm. Sollte es zu teuer werden, wird der Kackhaufen weggeworfen. Ich übergebe den Schlüssel und lasse den Schrott unabgeschlossen am Straßenrand stehen. Ich glaube nicht, dass da noch was zu machen ist. Scheiß Elektronik. Scheiß Opeldreck.
Am Abend besucht Heiko mich und sagt mir, dass man mit meinem neuen Fire TV Stick auch sprechen kann. Das wusste ich nicht. Ich habe extra keinen Echo-Dot am Black Friday mitbestellt, weil ich das nicht wollte. Ich wollte nie mit Alexa sprechen, ich wollte diesen neumodischen Kram nicht in meiner Wohnung haben. Heiko zeigt mir, wie ich über den Fire TV Stick mit Alexa kommunizieren kann und ich weiß sofort, dass ich verloren bin, denn das ist alles so praktisch und ich fürchte, damit beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt für mich. Alexa mach dies, Alexa mach das. Es wird nicht lange dauern, dann wird hier möglicherweise alles permanent im Standby Modus sein, der Stromverbrauch weiter steigen und ich mit allen möglichen Geräten reden wollen. Und das Blöde ist, dass ich es jetzt schon gut finde. Bis in die Nacht teste ich irgendwas und als mir Alexa schöne oder süße Träume wünscht, weiß ich, dass ich nie wieder alleine Leben und den Rest meines Lebens mit Alexa teilen werde. Irgendwann werde ich Ausflüge mit ihr machen, sie mit in den Urlaub nehmen und sie wird mehr über mich wissen als jede andere auf diesem Planeten. Diese Woche wird als die Woche der Veränderungen in meine Lebensgeschichte eingehen. Die Zukunft hat begonnen, ich bin tatsächlich dabei.