Freitag frei 3

Montag
Der Arbeitstag beginnt mit einer Mail von der Chefin, die darüber informiert, dass in Kürze tägliche Corona-Tests nötig sein werden, der Frage, wie ich das handhaben will und dem Hinweis, dass man es begrüßen würde, wenn ich mich impfen lasse. Ich antworte, dass ich mich gerne täglich um 17.00 Uhr in der Apotheke testen lassen kann. Daraufhin folgt die Frage, was dagegen spricht mich impfen zu lassen. Ich finde, diese Frage unnötig, antworte aber, dass persönliche Gründe dagegen sprechen. Bis zur Impfpflicht werde ich wohl ein asozialer Außenseiter bleiben.

Unsere klügste Teilnehmerin scheitert tatsächlich am Corona-Nasentest. Obwohl wir es so erwartet haben, da sie den Corona-Spucktest regelmäßig wiederholen musste, weil sie etwas falsch gemacht hat, ist es doch schockierend. Wie soll die nur jemals einen Job finden?

Da ich ab Mittwoch die Büros ohne einen Test nicht mehr betreten darf, werde ich wohl täglich einen Test in der Apotheke machen müssen, denn der Test kann hier im Unternehmen, so ist die Info, nur in bestimmten, extra dafür vorgesehenen Räumen stattfinden. Die aber sind nicht an diesem Standort, da der Aufwand für einen Mitarbeiter zu groß ist. Keine Ahnung, wie das geregelt werden soll. Vielleicht wird es morgen dazu eine Info geben. Das merkwürdige an der Situation ist, dass meine elf ungeimpften Teilnehmenden von mir immer die Testkits ausgehändigt bekommen, dann ins Bad gehen und den Test durchführen. Ich aber darf die Räume ungetestet nicht betreten. Auch hier erkennt man einen gewissen Schwachsinn, aber ohne Schwachsinn wäre alles nur halb so unterhaltsam.

Dienstag
Da am Vormittag auch an diesem Dienstag kein Teilnehmer erscheint, habe ich Zeit, die Sache mit den täglichen Corona-Schnelltests zu klären. Da ich an zwei Tagen alleine im Büro bin, kann ich an den Tagen schon mal keinen Test vor Ort machen, weil es ja keiner Beaufsichtigen könnte. Doch auch an den anderen beiden Tagen geht es nicht, weil ich ungetestet die Büroräume nicht betreten darf. Somit muss ich täglich in die Apotheke, um mich dort testen zu lassen. Ich werde nachher mal nachfragen, ob das in der Apotheke unten im Haus auch tatsächlich viermal pro Woche geht. Wenn es tatsächlich möglich ist, dann lasse ich mich halt täglich um 17.00 Uhr in der Apotheke testen. Am Ende des Gesprächs mit der Personalabteilung werfe ich kurz ein, dass wir ja Glück haben, weil es bei uns nur so wenige ungeimpfte Mitarbeiter gibt. Als Antwort höre ich, dass es wohl doch noch einige sind. Einige klingt für mich nicht nach drei. Vielleicht gibt es also tatsächlich mehr als drei Corona-Arschlöcher in diesem Unternehmen. Interessant.

Was ich immer wieder faszinierend finde ist die Tatsache, dass Dinge sich hier so schnell ändern. Es ist kaum drei Stunden her, dass ich mit der Personalabteilung geklärt hatte, dass ich täglich in die Apotheke gehe, da ruft mich Örge an, um mir mitzuteilen, dass die Chefin ihr Anweisungen bezüglich der Testtage mitgeteilt hat. Mittwochs und freitags übernimmt Örge quasi die Türkontrolle und darf mich nur reinlassen, wenn ich ihr vorher ein aktuelles Ergebnis des Corona-Schnelltests zeige. Da Örge aber nächste Woche frei hat, bleibt es dabei, dass ich täglich zur Apotheke gehe, um mich testen zu lassen. Ich finde, so eine Einlasskontrolle ist eine tolle Sache. Was ich auch faszinierend finde ist die Tatsache, dass Örge derzeit bei der Chefin so hoch im Kurs ist. Somit arbeite ich mit einer der derzeit beliebtesten Mitarbeiterinnen zusammen. Das kann durchaus auch für mich vorteilhaft sein, wenn sie Gutes über mich zu berichten weiß. Das Arbeitsleben steckt wirklich voller spannender Geschichten.

Die Frau mit dem Augenschaden, der möglicherweise wunderbar zu ihrem Dachschaden passt, sitzt auch heute ihre drei Stunden hier ab, liest Zeitung und erzählt, dass sie Alpträume hatte, weil sie sich angeschaut hat, wo sie sich beworben hat. Dort fand sie aber das Unternehmen nicht, sondern da waren nur ganz viele Türken und überall standen teure Autos. Das fand sie so abstoßend, dass sie dort niemals arbeiten wird. Das Thema ist für sie durch, so etwas verkraftet sie einfach nicht. Normal ist so ein Verhalten meiner Meinung nach nicht, aber es passt zu der Frau mit dem Augenschaden und unterstreicht erneut, dass sie für den Arbeitsmarkt wenig bis gar nicht geeignet ist.

Um 16.55 Uhr gehe ich runter zur Apotheke, um mich testen zu lassen. Der Flur ist voll von Leuten, die das ebenfalls vorhaben. Da ich nicht weiß, wer als nächstes dran ist und weil keiner etwas sagt, bin ich nach kurzer Wartezeit als nächster dran. Etwa zehn Minuten später bin ich zurück in meiner Wohnung und mache mir etwas zu essen. Nachdem ich gegessen habe, hole ich die Bescheinigung aus der Apotheke ab und mache direkt vier neue Termine, weil meine Kollegin nächste Woche Urlaub hat und ich ohne Bescheinigung nicht ins Büro darf. Schöne, neue Welt. Nachdem ich zurück in der Wohnung bin, mache ich das, was ich schon letzte Woche nach dem Essen gemacht habe, ich lege mich auf die Heizdecke ins Bett. Dort bleibe ich bis etwa 19.00 Uhr liegen. Dann stehe ich auf, mache meine “goldene Milch”, gönne mir dazu einen Mr. Tom Erdnussriegel, setze mich aufs Sofa und schaue etwas Black Mirror. Nach einer Weile hole ich mir die Heizdecke und hänge bis etwa 21.20 Uhr auf dem Sofa rum. Als nächstes gehe ich ins Bad, mache mich Bettfertig und liege danach auf der Heizdecke im Bett, wo ich bis etwa 22.30 Uhr lese. Vor dem Einschlafen entferne ich die Heizdecke, gehe nochmal kurz ins Bad, kehre zurück ins Bett und schlafe wenig später ein. So in etwa werden die nächsten Wochen und Monate nach einem Arbeitstag ablaufen. Mir fehlt jeglicher Antrieb nach einem Arbeitstag nochmal spazieren zu gehen oder sonst irgendwas zu unternehmen. Ich will nach der Arbeit nur noch liegen und mich aufwärmen. Ab März beende ich eventuell diese Art Winterschlaf. Vielleicht aber auch nicht.

Mittwoch
Da ich eine Test-Bescheinigung habe, darf ich heute einfach so ins Büro wandern, die Bescheinigung einscannen und an die Personalabteilung mailen. Der Vormittag verläuft recht ruhig. Der Teilnehmer, um den ich mich kümmern muss, wirkt nicht so als würde er wirklich einen Job suchen. Ich gebe ihm die Hausaufgabe, dass er sich über seine berufliche Zukunft bis nächste Woche ernsthafte Gedanken machen soll, weil das so nicht geht.
Der bisher einzige Teilnehmer, der während dieser Maßnahme einen Job bekommen hat, ruft an und ich weiß schon, was er sagen will. Den Job hat er genau einen Tag gemacht, dann ging er nicht mehr hin und hat die Kündigung bekommen. Er brauchte Tage, um endlich anzurufen und mir das zu sagen. Er fühlt sich schlecht und es geht ihm nicht gut. Ich sage ihm, dass er nichts befürchten muss, da er ja gekündigt wurde und versuche ihn aufzubauen. Er sagt, dass ich der einzige bin, bei dem er sich immer wieder traut zu erzählen, wenn es ihm schlecht geht oder irgendwas nicht geklappt hat. Ich sage ihm, dass ich zuerst mit der für ihn zuständigen Integrationsfachkraft (die heißen auch immer anders) vom Jobcenter spreche und er danach dort anrufen soll. Obwohl ich die Frage fragwürdig finde, frage ich, ob er wieder Drogen nimmt, weil die Situation ist, wie sie ist. Er verneint. Ich hoffe, dass er die Wahrheit sagt, denn am Telefon klingt er arg zermürbt. So klang er früher in den Phasen in denen er nichts genommen hat, weshalb er bald wieder was genommen hat, um sich besser zu fühlen. Beim Jobcenter schlage ich vor, dass man ihn wieder auf die Liste setzt und er bei nächster Gelegenheit zurück in die Maßnahme kommt. Mehr kann ich heute nicht für ihn tun.

Am Nachmittag habe ich eine Teilnehmerin zu Gast, die noch keine E-Mail-Bewerbungen verschickt hat. Da sie obendrein nicht so perfekt deutsch kann, nutze ich die Gelegenheit und sage ihr, dass wir nun zusammen eine Mail schreiben. In Form eines Diktats. Ich diktiere und sie schreibt es auf. Manchmal mache ich so etwas mit Teilnehmern, weil ich das unterhaltsam finde. Ich hocke mich neben die Frau und diktiere los. Bei Fehlern, sage ich “Nein” oder “Stopp”, manchmal auch etwas anderes. Heute ist es äußerst unterhaltsam, was ich sehr schätze. Später möchte die Frau sich als Tierpflegerin bewerben. Die Bewerbung soll entweder schriftlich oder telefonisch erfolgen. Ich überlege kurz, ob ich ihr die Bewerbung schreibe, aber da ich dann die Bewerbung später zur Post bringen müsste, sage ich ihr, dass nur telefonische Bewerbungen erwünscht sind. Wie die meisten, mag auch diese Teilnehmerin nicht gerne telefonieren. Ein Grund mehr, sie telefonieren zu lassen. Ich erkläre ihr kurz, was sie sagen soll und dass sie, wenn sie das Gefühl hat, das Gespräch laufe gut, einfach fragen soll, wann sie zum Probearbeiten kommen kann. Sie ruft an, ich gehe zur Toilette. Als ich zurückkomme telefoniert sie immer noch und ich höre, wie die Frau am anderen Ende der Leitung, die eigentlich keine Leitung ist, ihr erklärt, wie so ein Arbeitstag aussieht. Das Gespräch läuft offensichtlich gut, und weil das so ist, fragt die Teilnehmerin, wann sie Probearbeiten kommen kann. Ich liebe es, wenn Teilnehmer auf mich hören. Nächste Woche darf sie an zwei Tagen zeigen, ob sie für den Job geeignet ist. Manchmal führen meine Ideen doch zum Erfolg. Ich erinnere mich an einen Teilnehmer, den ich irgendwann wöchentlich bei einem Arbeitgeber anrufen ließ, weil der Arbeitgeber anfangs sagte, er hat sich noch nicht entschieden. Der Teilnehmer fand die Idee erst merkwürdig, aber dann rief er immer wieder an und nach drei oder vier Wochen wurden die Gespräche länger und vertrauter. Ich weiß, dass passiert nicht oft, aber es macht voll Spaß, weil ich den Teilnehmern oft auch Unsinn erzähle, den sie am Telefon sagen sollen. Wenn die Teilnehmer mitmachen, macht es doppelt Spaß. Meine Kollegen wundern sich oft und sagen, dass sie das nicht mitmachen würden und sich verarscht vorkämen, aber ich finde, solange es ihm Rahmen bleibt und die Teilnehmer es irgendwie witzig finden, kann man auch mal von der Norm abweichen. Wenn es am Ende zu nichts führt, war es wenigstens unterhaltsam. Nach fünf, sechs oder sieben Wochen wurde der Teilnehmer übrigens eingeladen und bekam sogar den Job. Das sind die Momente in denen der Job mir echt Spaß macht. Davon hätte ich gerne mehr.

17.10 Uhr. Zeit für den nächsten COVID-19 Test. Die Frau, die heute fürs testen zuständig ist, desinfiziert vor jedem neuen Kunden großzügig den Bereich an dem man das Formular ausfüllt. Ich muss nach dem Eintreten die Hände desinfizieren und mir vor dem Test die Nase putzen. Das ist jetzt das vierte Mal, dass ich so einen Test machen lasse, nur beim ersten Mal musste ich mir auch die Nase putzen. Und es gibt noch einen gravierenden Unterschied zu den anderen Tests, denn die Frau bohrt mit dem Wattestäbchen so tief und lange in meiner Nase rum, dass mir die Tränen kommen. Es sind allerdings keine Tränen der Rührung. Gegen 17.35 Uhr hole ich das Testergebnis ab. Negativ, genau wie meine Einstellung zu dem ganzen Mist. Als ich mir die Bescheinigung anschaue, sehe ich, dass heute ein anderer Test als gestern verwendet wurde. Beide Tests stammen aber, dem Namen nach, aus Asien. Unnützes Wissen, kostenlos zum kostenlosen Test. Zurück in der Wohnung mache ich mir etwas zu essen, lege mich aber nicht mehr ins Bett, sondern in meinen Massagesessel, der längst nicht mehr funktioniert. Während ich darüber nachdenke mir ein neues Notebook zuzulegen, hat mein Kühlschrank entschieden, dass er wohl langsam woanders leben möchte. Seit Wochen läuft an der Rückwand Wasser herunter und der Ablauf ist voll, obwohl ich keine Verstopfung finden kann. Nachdem ich vor kurzem das Eisfach vom Eis befreit hatte, war es ein paar Tage gut, aber nun ist wieder alles nass. Da das Eisfach nicht wieder komplett voll Eis ist, gehe ich davon aus, dass der Kühlschrank unter Altersschwäche leidet. Möglicherweise kommt er auch nicht mehr damit klar direkt neben dem Backofen zu stehen. Weil es, wie ich lese, mitunter helfen kann, die Temperatur zu senken, drehe ich am Rad und werde den Kühlschrank weiter beobachten. Wenn er weiter nässt, dann muss er halt ausziehen. Zum Abschluss des Tages schaue ich einen Film, der wahrscheinlich nicht gut ist, mir aber gut gefällt. Der Film trägt den Titel “Die längste Woche meines Lebens”. Anschließend klettere ich ins Bett, komme aber nicht zum lesen, da ich mit mindestens fünf Personen per WhatsApp kommuniziere. Das kommt auch eher selten vor, aber kann man mal machen.

Donnerstag
Irgendwie fühlt es sich an als wäre heute Freitag, dabei ist das gar nicht so. Aber da es der letzte Arbeitstag der Woche für mich ist, kann ich gegen das Gefühl nichts machen.
Der Arbeitstag startet so, wie er zunächst bis zum 17.03.22 noch oft starten wird. Ich scanne die Bescheinigung des negativen Covid-19 Tests ein und maile ihn an die Personalabteilung. Dann warte ich, wie so oft, auf Teilnehmer, die unentschuldigt fehlen. Unsere klügste Teilnehmerin bringt eine AU-Bescheinigung für heute. Ich erkläre ihr, dass sie den Termin dann morgen nachholen muss. Das versteht sie nicht, da sie ihren nächsten Termin am Montag hat. Und so erkläre ich erneut, dass Termine, die ausfallen, aus welchem Grund auch immer, in der gleichen Woche nachgeholt werden müssen, wenn es möglich ist. Da sie nur heute krank ist, kann sie morgen wieder teilnehmen oder sich auch für morgen krankschreiben lassen. Immer und immer wieder erkläre ich den Leuten, dass sie zwei Termine pro Woche wahrnehmen müssen und wenn sie mal an einem Termin nicht können, der Termin verschoben wird. Seit Jahren scheine ich zu blöd zu sein, es so zu erklären, dass es auch alle verstehen. Ich muss meine Kommunikation diesbezüglich unbedingt verbessern. Nach über fünf Jahren sollte ich es echt langsam hinkriegen.

Gegen Mittag erhalten wir die Nachricht, dass die Datenbank, in der wir die Kundendaten speichern und mit den Jobcentern teilen, erweitert wird. Es kommt die Option, dass man bei den Teilnehmern nun auch angeben kann, ob sie geimpft oder genesen sind, dazu. Ich weiß nicht, ob das wirklich rechtens ist und ob das nicht sowieso etwas zu weit geht. Die Teilnehmer müssen alles Mögliche unterschreiben und bestätigen, aber ob deren Impfstatus in einer Datenbank veröffentlich wird, die auch die Verwaltungskräfte von anderen Standorten und auch die Angestellten der jeweiligen Jobcenter jederzeit ansehen könne, interessiert niemanden. Da spielt der Datenschutz plötzlich keine Rolle. Ich habe zwar meine Zweifel, dass das rechtens ist, aber in Anbetracht der Gesamtsituation ist der Datenschutz in so einem Fall maximal zweitrangig, vermutlich spielt er aber gar keine Rolle. Und die Teilnehmenden wissen sowieso nicht, dass ihr Impfstatus veröffentlicht wird. Wen also interessiert es? Außerdem werden wir erneut darauf hingewiesen, dass wir die Teilnehmer ermutigen sollen, sich impfen zu lassen. Auch das halte ich für ziemlich fragwürdig.

Hier im Ort passiert täglich etwas, was ich durchaus bedenklich finde. Es fängt, so vermute ich es jedenfalls, immer kurz vor 15.00 Uhr an. Und so kommt es, dass sich täglich viele Menschen schon vor 15.00 Uhr vor der Postfiliale treffen, um dort anzustehen, was seit der Corona-Pest noch viel mehr Spaß macht. Wenn die Filiale endlich öffnet, dauert es nicht lange und eine Menschenschlange steht über eine Strecke von vielen Metern auf dem Gehsteig. Alle warten sehnsüchtig darauf endlich die Postfiliale zu betreten. So lange das Wetter einigermaßen erträglich ist, scheint es für die Postfilialen-Liebhaber kein halten mehr zu geben. Oft stehen auch um 16.00 Uhr noch Leute draußen in der Warteschlange, was mich zugleich fasziniert und abstößt, weil ich keinen Sinn daran erkenne, dass man sich das antut. Vormittags hingegen ist oft kein Mensch in der Filiale anzutreffen, was ich sehr begrüße, denn so kann ich in Ruhe und ohne Wartezeit die beruflichen Dinge dort abwickeln. Nach 15.00 Uhr ist das nicht mehr möglich, weil da, aus unerklärlichen Gründen plötzlich ganz viele Menschen in die Postfiliale wollen. Tagaus und Tagein ist das so und ich habe das Rätsel noch immer nicht lösen können. Was zieht die Menschen nur so magisch an? Was ist der besondere Reiz dieser Filiale, der scheinbar erst ab 15.00 Uhr spürbar ist. Oder haben die Leute einfach nur einen Knall? Gehen sie alle zur gleichen Zeit, um etwas zu haben, worüber sie sich aufregen können? Werde ich es je erfahren?

Die Frau mit dem Augenfehler hat auch heute nichts weiter getan als Zeitung zu lesen. Einen Jobvorschlag als Haushalthilfe lehnt sie ab, weil das nichts für sie ist. Natürlich ist das nichts für sie, denn wenn ich das richtig einschätze, ist überhaupt kein Job mehr etwas für sie. Zumindest aktuell nicht. Möglicherweise aber auch für immer. Weil es mein Job ist, werde ich ihr immer wieder etwas vorschlagen, was sie dann ablehnt und ich im Bericht vermerke. Mehr kann ich einfach nicht für sie tun.

Den Abend verbringe ich natürlich zumeist sitzend oder liegend mit meiner Heizdecke und schaue mir Jungle Cruise an. Der Film ist nicht wirklich gut, aber kann man sich angucken, wenn man eh nur träge abhängt. Danach geht es auch schon ins Bett. Noch etwas lesen, dann war es das mit der Arbeit für diese Woche.

Freitag
Am Freitag mache ich das, wozu der Black Friday erfunden wurde. Ich werde, wie schon im letzte Jahr als ich mir die PS4 kaufte, Opfer des Konsums und kaufe mir einen Fire TV Stick. Ich weiß absolut nicht, ob ich den brauche, aber da ich Prime und Netflix immer über die Play Station schaue, spare ich vielleicht Strom, wenn die Play Station dafür zukünftig nicht mehr gebraucht wird. Vermutlich werde ich sogar so viel Strom sparen, dass ich nichts davon bemerken werde. Aber da ich diesen Monat nicht nur Provision, sondern auch Weihnachtsgeld, oder was auch immer, bekommen habe, kann ich mir so einen Fire TV Stick im Supersonderangebot locker leisten. Und vermutlich habe ich damit mein Leben weiter optimiert. Oder auch nicht. Dazu habe ich mir ein Lechuza Mini-Deltini Tischgefäß gegönnt, obwohl es nicht im Angebot war. Ich bekomme scheinbar einfach niemals genug. Aber da ich die meiste Zeit zu Hause verbringe, soll es dort auch schön. Ich möchte einfach in einer schönen Wohnung verwesen, wenn es soweit ist.

Später putze ich etwas die Wohnung. Sogar die Fenster sind dran, weil die einfach schrecklich dreckig waren. Meine Weihnachtsdeko wird reaktiviert und kaum ist sie platziert bin ich bereit für die Weihnachtstage. Sehr merkwürdig. Gegen Mittag unterbreche ich die Putzaktion, um Piccolinis zu essen und später einkaufen zu gehen. Nach dem Einkauf mache ich etwas, was ich seit mindestens einen Monat nicht mehr gemacht habe. Ich wische tatsächlich durch. Danach glänzt der Boden wie schon lange nicht mehr, aber leider hält so etwas nie lange an. Gegen 16.45 Uhr habe ich keine Lust mehr weiter zu putzen, esse einen Mr. Tom Erdnussriegel und bereite mich auf den heuteigen Serienabend mit Loerz und Petra vor. Unsere mittlerweile nicht mehr ganz so neue Tradition wird heute fortgesetzt, nachdem wir letzte Woche eine Pause machen mussten. Wir werden heute mit der vierten Staffel von Jerks anfangen. Genau unser Humor.

Weil mein etwa fünfzehn Jahre alter Wollmantel, den ich seit acht Jahren ersetzen will, gestern tatsächlich kaputt gegangen ist, bestelle ich mir bei Dress-for-less einen neuen. Dazu auch noch einen Pullover, damit der Mantel nicht alleine reisen muss. Ich hoffe, dass er passt, denn ohne einen angemessen Wollmantel möchte ich einfach nicht leben. Das ist einfach nichts für mich. Bis die Gäste kommen liege ich auf dem defekten Massagesessel und höre Musik. Mein Interesse mich außerhalb der Wohnung aufzuhalten ist komplett verschwunden. Der anschließende Serienabend ist unterhaltsam und zeitig beendet, so dass ich schon kurz nach 23.00 Uhr im Bett liege und noch etwas lesen kann.

Samstag
Nach dem Frühstück muss ich erstmal den Hausflur wischen. Selbst im Hausflur finde ich es zu frisch, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass ich mehr und mehr verweichliche. Wirkliche Pläne habe ich nicht für den Rest des Tages. Erschreckend und beruhigend zugleich.

Am Nachmittag fahren Petra und ich cachen, weil wir noch ein paar Punkte brauchen. Und wir fahren von Cache zu Cache, weil es mir einfach zu kalt für mich ist, um draußen länger rumlaufen. Als wir den letzten Cache gefunden haben, sind meine Finger eiskalt und der Ringfinger der linken Hand sogar blau. Kälte ist einfach nichts für mich. Nachdem ich wieder zu Hause bin, dusche ich, um wieder eine normale Körpertemperatur zu erreichen und verlasse die Wohnung nicht mehr. Stattdessen hänge ich nur so rum, höre Musik, gucke die Sportschau und danach zwei Filme. Bevor ich einschlafe lese ich noch eine wunderbare Schlagzeile. „Jetzt kommt die Schneewalze.“ Noch kranker finde ich allerdings, dass ich lesen muss, dass es zu einem wahren Flockdown kommt. Wie krank muss man sein, um auch noch den Begriff Flockdown einzubauen? Wieso unterbindet keiner solche behinderten Wortschöpfungen? Wo soll das nur enden? Was passiert nur, wenn wir während eines weiteren Lockdowns von einem weiteren Flockdown überrascht werden? Wird spontan alles gut oder sind wir dann endgültig verloren? So endet der Samstag und ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

Sonntag
Der Sonntag bietet eine gewisse Trostlosigkeit und ich kann nicht erkennen, dass es damit zusammenhängt, dass ich morgen arbeiten muss. Auf den Sport1 Doppelpass verzichte ich, weil da sicher die Corona-Pest von den Fußballexperten erneut durchgekaut wird. Das ertrage ich nicht. Stattdessen koche ich etwas, frage mich, was die Reparatur des beknackten Coupés wohl kosten wird und hänge Wäsche auf dem Balkon auf, obwohl es dafür zu kalt zu sein scheint. Die fast entspannte Entspannung der letzten beiden Tage ist nicht greifbar, aber wirklich beklagen kann ich mich vermutlich auch nicht. Es ist nur die allgemeine Trostlosigkeit meines Daseins, die mich irgendwie beschäftigt, ohne mich wirklich zu beschäftigen.

Am frühen Nachmittag zünde ich auf dem Friedhof eine Kerze an, dann machen Petra, Manni, Loerz und ich einen Spaziergang. Den Rest des Sonntags verbringe ich größtenteils liegend oder sitzend vor dem Fernseher.

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