Erschreckend finde ich, dass ich schon Tage vor Urlaubsende mit Schrecken an meine Rückkehr an den Arbeitsplatz denke. Die Räumlichkeiten, die oft mies gelaunte Anke in ihrer schamlos zur Schau gestellten Genervtheit, die Parkplatzsuche, das Gefühl am falschen Platz zu sein. Ich habe in meinen Leben ja nicht viel gearbeitet, aber ich kenne das Gefühl und möchte nicht, dass ich das jede Woche so erleben muss. Früher oder später wird das meine Laune und Motivation komplett killen und nicht mehr umzukehren sein. Bis zum nächsten Urlaub sind es zehn Wochen. Wenn das in der Zeit nicht besser wird, muss ich meine Bewerbungsbemühungen intensivieren, obwohl ich denke, dass es mir woanders auch nicht besser gefallen wird. Ich hatte in den letzten Jahren einfach nur Glück und jetzt ist es so, wie Arbeit in der Regel ist. Man ist genervt und will da einfach nicht hin. So wie es derzeit aussieht, werden die nächsten Jahre nicht besser, denn die Maßnahme läuft noch mindestens drei Jahre, wenn nichts Außergewöhnliches passiert. Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.
Was ich definitiv nicht mehr wollte, jetzt aber in jeder Nacht von Montag auf Dienstag habe, ist schlechter Schlaf vor dem ersten Arbeitstag der Woche. Ständig wache ich auf und muss mich regelrecht konzentrieren, um nicht weiter an die Arbeit zu denken und stattdessen noch etwas zu Schlafen. Das ist nicht nur unschön, das ist auch ungesund. Da hilft es auch nicht, wenn ich mich mehrfach ermahne, nicht so ein Psycho zu sein.
Die Anreise ist recht entspannt, weil ein paar Fahrzeuge weniger unterwegs zu sein scheinen. Einen Parkplatz in der Nähe bekomme ich auch und will natürlich, dass das jetzt immer so läuft. Der Empfang im Büro ist freundlich. Anke ist gut gelaunt und sie und Minnie sehen wieder einmal gut aus. Vielleicht liegt es an der Sonne, die ja gelegentlich zu Gast ist, dass der Empfang so fluffig ist. Mit 55 Mails und 20 internen Informationen bin ich erstmal eine Weile beschäftigt. Ich habe zwar keinen Überblick, aber da in den Berichten meiner Teilnehmer fast nichts eingetragen wurde, sollte ich das alles vielleicht entspannter angehen. Am Ende zählen eh nur die Berichte. Vermutlich. Es dauert fast bis zum Mittag bis ich wieder einigermaßen auf dem aktuellen Stand bin und dennoch nicht wirklich gestresst bin, weil ich dem Arbeitstag meinen Rhythmus aufzwinge.
Brauchten Teilnehmer letzte Woche keinen Corona-Test, so ist er diese Woche wieder erforderlich, weil der Inzidenzwert im Kreis wieder über 10 ist. Ich kann mir derzeit so gar nicht vorstellen, dass wir je wieder mit dem Unsinn aufhören. In ein paar Wochen werden wir die Teilnehmer vermutlich nur noch per Telefon betreuen können, weil irgendwelche Werte nicht der neuen Norm entsprechen. Der nächste Lockdown, in welcher Form auch immer, kommt bestimmt. Ich bin aber dennoch ganz entspannt, was sich leider direkt ändert als ich einen Anruf aus der Hautarztpraxis bekomme. Ich hatte zwar erwartet, dass der Befund der Gewebeprobe mir nicht gefallen wird, aber ich hatte es einfach verdrängt. Der Arzt möchte mit mir sprechen und obwohl ich sicher war, dass es „nur“ eine aktinische Keratose sein wird, habe ich jetzt doch die Befürchtung, dass es vielleicht doch mehr sein könnte. Der Kopf gerät halt gern mal außer Kontrolle. Bis Montag muss ich mich nun ablenken, dann spreche ich mit dem Arzt und erfahre, was auf welche Art behandelt werden muss. Obwohl noch gar nichts passiert ist, ist die mühevoll errichtete Arbeitsordnung nun verloren, weil meine Gedanken fortan um alles Mögliche kreisen, Hauptsächlich aber um Hautveränderungen und mögliche Folgen. Schön doof.
Selten verlasse ich mein Büro, weil mir das sicherer erscheint. Kaum bin ich einmal doch draußen, läuft mir Oma Sheriff über den Weg und wir beginnen ein Gespräch, setzen es vor der Küche fort, weil sie scheinbar in die Küche will. Dann gehen wir weiter und unterhalten uns eine Weile vor meinem Büro, weil sie wohl doch nicht in die Küche wollte, sondern zur Toilette. Wir sind beide unzufrieden mit der Maßnahme und dem Jobcenter. Beide wollen wir nicht in der Maßnahme versauern, was aber am Ende vermutlich so kommen wird. Zumindest bei mir. Während des Gesprächs komme ich mir minderwertig vor, weil meine Arbeit und besonders meine Berichte minderwertig sind. Als wäre ich ein Hochstapler, der nur durch einen dummen Zufall auf der anderen Seite und kein Teilnehmer ist. Oma Sheriff trägt eine Art Bluse, die einer Oma würdig ist und ich frage mich, warum sie so etwas tut. Vielleicht habe ich auch einfach nur schlechten Geschmack und das Teil ist voll angesagt. Zum Glück kann ich den Impuls, nach dem Grund der Wahl des Kleidungsstücks zu fragen, unterdrücken. Wenn sie nicht meine Vorgesetzte wäre und wir würden nicht zusammenarbeiten, dann hätte ich womöglich gefragt, was das soll. Oma Sheriff hält auch nicht viel von Ärzten, was ich interessant finde. Geimpft ist sie noch nicht, aber das ist immerhin geplant. Wie ich auch, erwartet sie den nächsten Lockdown spätestens im Oktober. Ich erwarte, dass ich im Oktober nicht mehr Teil dieser Maßnahme bin, aber das ist eher unrealistisch. Ist es wohl Zufall, dass ich Oma Sheriff immer wieder auf dem Flur begegne, oder liegt es daran, dass sie so gerne und häufig über den Flur geht? Obwohl ich die Maßnahme auch weiterhin furchtbar finde und ich nicht hier sein will, verläuft der Arbeitstag weitestgehend entspannt bisher.
Wenig später besucht mich Oma Sheriff in meinem Büro, um drei neue Teilnehmerinnen in meine Obhut zu geben. Dazu erzählt sie mir, was ich wissen muss und ich wundere mich, dass sie das macht. Das entspricht nicht meinem Bild von der Maßnahme. So kann ich meine Vorurteile nicht aufrecht halten. Nicht, dass ich am Ende noch gerne mit Oma Sheriff arbeite. Das wäre mehr als schräg. Und so endet der erste Arbeitstag nach dem Urlaub so entspannt wie er angefangen hat. Sehr verdächtig.
Auch am Dienstag wirken die drei Damen sehr entspannt und ich frage mich, wie das wohl kommt. Meine drei neuen Teilnehmerinnen sind vermutlich nicht zu vermitteln, aber auch das ist nicht störend, weil ich in meinem Büro ungestört arbeiten und reden kann, wie es mir beliebt. Zu meinen drei Berichten von gestern gibt es noch keine Rückmeldungen, aber ich denke, da kommt noch was, weil meine Berichte grundsätzlich nicht fehlerfrei sind. Schreiben ist halt nicht meine Stärke, wenn ich dabei Regeln beachten muss. Der Tag verläuft insgesamt ähnlich entspannt und stressfrei wie der Montag, abgesehen davon, dass ich keinen Anruf aus einer Arztpraxis bekomme. Wenn mir einer garantieren könnte, dass wir auf dem Niveau weitermachen, schlafe ich sicher auch wieder besser und bekomme nicht vor Arbeitsbeginn schon schlechte Laune.
Gegen 13.00 Uhr stehe ich von meinem Stuhl auf, schaue aus dem Fenster, werde irgendwie unruhig und spüre das Verlangen nach draußen zu gehen. Sehr merkwürdig. Ich verlasse das Büro, um meinem Körper zu gehorchen. Auf dem Flur begegnet mir Minnie, die ich, wären wir jetzt im Kreuzviertel, beobachten würde, weil sie schön anzuschauen ist. Irgendwie ziemlich unprofessionell so zu denken. Ich melde mich bei Anke ab und verlasse das Gebäude, um die Gegend zu erkunden und stelle fest, dass die Fußgängerzone durchaus einen Besuch wert ist. Also schlendere ich eine Weile umher und fühle mich fast wie an einem sonnigen Urlaubstag.
Zum Ende des Tages plaudere ich noch etwas mit Anke, die weiterhin einen sehr entspannten Eindruck macht und dabei weiterhin gut aussieht. Es dauert nicht lange bis Oma Sheriff unaufgefordert an dem Gespräch teilnimmt. Eine lockere Plauderei mit Frauen, fast wie in meinen besten Zeiten. Anke teilt uns mit, wo sie am Abend sein wird und Oma Sheriff sagt, dass wir beide, also Oma Sheriff und ich, später zusammen auch dahin kommen werden. Liegt es an Oma Sheriffs Charakter, dass sie gerne überall hinkommen möchte oder an mir? Als Mann meines Alters bilde ich mir natürlich ein, dass Oma Sheriff mich sympathisch findet, weil das gut für mein Selbstbewusstsein ist, wenn man mich mag und mir wohlgesonnen ist. Dennoch kann ich nicht länger bleiben, da ich durch diese lockere Runde meine Arbeitszeit um fast 15 Minuten überzogen habe.
Auf der Fahrt nach Hause überlege ich, warum das in den letzten beiden Tagen so harmonisch verlief und wieso ich das Gefühl habe, dass man mutwillig versucht, mich dazu zu bringen mich an dem Standort wohlzufühlen. Liegt es daran, dass ich bisher immer nur gemeckert habe und sagte, dass ich das nicht lange ertrage? Hat die Chefin vielleicht gesagt, dass man nett zu mir sein soll? Liegt es am Wetter, der Erderwärmung oder meinem Parfum? Ich weiß es nicht, werde es aber weiter beobachten. Nicht, dass man mich mit dem Aufbau einer scheinbaren Wohlfühloase in eine Falle locken will aus der es kein Entkommen gibt.
Am Donnerstag wache ich nicht vor dem Wecker auf, sondern durch den Wecker. Die beiden Tage am alten Standort sind scheinbar erholsamer für mich und lassen mich anständig schlafen. Im Büro bin ich dennoch rasch sehr überrascht, denn mein Kollege, der mich hier an zwei Tagen vertreten hat, hat ziemlich viel durcheinander gebracht. Unterschiedliche Einträge, obwohl sie übereinstimmen sollten und auch fehlende Einträge veranlassen mich alle Listen komplett zu vergleichen und anzupassen. In der Verwaltung muss ich darauf hinweisen, dass die Liste, die dort vorliegt, so nicht richtig ist. Das ist krass, weil mein Kollege sonst solche Fehler nicht gemacht hat. Aber auch hier ist vermutlich das Problem, dass mehrere Maßnahmen zu betreuen einfach zu Fehlern führt. Da ich kaum Teilnehmer vor Ort habe, kann ich die Zeit nutzen, um alles wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. Zwischenzeitlich veranlasse ich, dass alle Ordner der alten Maßnahme mitgenommen werden, obwohl das nicht abgesprochen war. Kaum bin ich am alten Standort, mache ich was ich will und treffe Entscheidungen als hätte ich die Befugnis etwas zu entscheiden. Vielleicht ist es nicht gut fürs Klima, wenn man mich schalten und walten lässt, wie ich es für angemessen halte. Für mein persönliches Wohlfühlklima ist es allerdings hervorragend. Für eine Weile wirke ich so als wäre ich ein ganz normaler Durchschnittstyp und kein vollkommen gestörtes Individuum mit einem gehörigen Knall. Aber davon lasse ich mich absolut nicht täuschen.
Auch am Freitag verhalte ich mich beinahe souverän, regle die Dinge und bekomme unerwartet Infos zu einem meiner Teilnehmer von Anke per Telefon übermittelt. Auch wenn es gegen Ende des Tages etwas stressig wird, weil ich plötzlich drei Kunden zeitgleich zu Gast habe. Da es keine Maßnahme ist, heißen die Leute hier nicht Teilnehmer, sondern Kunden, was mir eben erst bewusst wurde. Jedenfalls hat einer der Kunden einen Ausbildungsplatz bekommen und präsentiert mir den Vertrag. Natürlich halte ich ihm direkt eine neunmalkluge Rede, weil ich ein erfahrener Spinner bin. Der Kunde ist jedenfalls glücklich und sagt, dass er noch in keiner besseren Maßnahme (ist ja nicht wirklich eine Maßnahme, sage ich aber nicht) war. Da kann ich nichts zu, denn von mir ist das Konzept nicht. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich nicht wirklich ans Konzept halte und wie fast immer in meinem Leben einfach improvisiere. Das mache ich mitunter so überzeugend, dass der Eindruck entsteht, ich wäre ein Mann vom Fach. Quasi ein Fachmann. Dabei bin ich nur ein vorübergehend nicht arbeitsloser Arbeitsloser.
Das war seit langem endlich wieder eine Arbeitswoche an der es nicht wirklich etwas auszusetzen gibt. Wird am Ende doch alles gut? Und wann ist es zu Ende?
Ich habe kürzlich etwas sehr Interessantes gelesen in der Ratgeberspalte einer Zeitung. Da fragte eine Frau, was sie tun soll, wenn sie beim Sex immer an anderes denken muss, vor allem an Dinge, die sie erledigen sollte, an notwendige Einkäufe, aber auch an Sorgen oder Unangenehmes, was noch bevorsteht. Ich war sehr gespannt, was für einen Rat sie da wohl bekommen wird und erwartete etwas Banales.
Da hat mich der Tipp der Expertin dann doch etwas überrascht. Sie empfahl der Frau nämlich, den Kopf fortwährend leicht nach links und rechts zu bewegen, sobald sie bemerkt, dass die unerwünschten Gedanken auftauchen. Denn, so die Expertin, man ist viel weniger in Gedankenschlaufen gefangen, wenn man körperlich aktiv ist (offenbar geht sie davon aus, dass die Frau daliegt wie ein Brett).
Ich fände es etwas merkwürdig, beim Sex ständig den Kopf nach links und rechts zu bewegen, aber vielleicht könntest du das mal am Büropult probieren und berichten, ob es funktioniert hat und ob der Kopf sich so in die gewünschten Bahnen lenken lässt.
Cool. Zur Not wackle ich so lange mit dem Kopf bis man mich wegbringt.
Mich interessiert allerdings, ob die Frau beim Sex mittlerweile den Kopf ordnungsgemäß bewegt und ob das Sexleben dadurch eine neue Dimension erreicht hat. Kannst Du das bitte für mich herausfinden?