Es ist etwa 05.00 Uhr als mich die Stimme des Nachbarn aus dem Schlaf reißt. Erst scheint es als würde er mit jemandem reden, doch dann scheint es eher so, dass er singt. Es sind nur ein paar Sätze, bevor er wieder verstummt. Auch eine Eigenschaft, die seit Wochen nervt. Plötzlich und ohne erkennbaren Grund, gerne auch in der Nacht, singt er. Oder jault, oder übt sich in Sprechgesang, so wirklich kann ich das nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass es weder schön noch notwendig ist. Vielleicht hat er Alpträume und muss deshalb singen. Oder er ist einfach auf eine Art gestört, die ihn zum spontanen singen zwingt. Tagsüber ist mir das ja egal, aber wenn ich nachts dadurch geweckt werde, ist es einfach nur lästig. Da wünsche ich mir nichts sehnlicher als die poppenden Nachbarn zurück. Noch lieber hätte ich allerdings gar keine Nachbarn. Unter mir die Wohnung steht seit Anfang März leer und ich frage mich, wer da wohl bald einziehen wird. Ich fürchte, es wird niemand sein, den man, wenn man die Wahl hätte, auswählen würde. Andererseits steht eine Wohnung in der zweiten Etage schon seit Monaten leer, was hoffen lässt, dass unter mir auch keiner einziehen will. Es bleibt spannend, aber leider nicht im positiven Sinne.
Ein paar Tage nach der nächtlichen Gesangseinlage haben die Nachbarn Lust auf Musik. Gegen 18.00 Uhr geht es los. Laute Musik, dazu grölen, singen und diskutieren sie abwechselnd. Klatschen in die Hände, sind ausgelassen und laut. Als ich gegen 21.45 Uhr ins Bett gehe, sind die beiden immer noch aktiv. Vielleicht ist es auch nur noch einer, der zu Hause und aktiv ist, das ist schwer zu sagen. Lesen ist so nicht wirklich möglich, aber die Musik vergnügt den Nachbarn hörbar. Um kurz nach 22.00 Uhr dreht der Nachbar die Anlage lauter und unterhält sicher bei der Lautstärke nicht nur mich, sondern auch andere Nachbarn. Wenn irgendwann bei wärmeren Temperaturen die Fenster geöffnet sind, kann er so noch mehr Leute unterhalten. Wirklich toll, wie er seinen Spaß mit uns teilt. Um 22.15 Uhr endet der Spaß und plötzlich herrscht Stille. Ich bin ein paar Minuten ganz durcheinander und weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich traue dieser Ruhe nicht und erwarte, dass es gleich wieder losgeht. Stattdessen höre ich wenig später den Nachbarn schnarchen. Vielleicht sollten wir zusammenziehen, viel ändern würde das vermutlich für mich auch nicht. Das Schnarchen wird leiser und ich nutze die Gelegenheit, um einzuschlafen.
Gegen 03.00 Uhr weckt mir etwas aus meinem Schlaf. Es ist der Nachbar, der seinem Bedürfnis zu singen nachkommt. Völlig verwirrt gehe ich zur Toilette, weil ich es für eine gute Idee halte. Auch auf der Toilette höre ich den Nachbar singen, rufen oder reden. So genau ist das nicht zu sagen, es ist wohl eine Mischung aus allem. Zurück im Bett stopfe ich mir die Ohrstöpsel rein. Obwohl er manchmal laut genug ist, um den Lärmschutz in meinen Ohren zu überwinden, schlafe ich nach einer Weile wieder ein. Es ist 05.40 Uhr als ich erneut wach werde. Natürlich habe ich es auch dieses Mal dem Nachbarn zu verdanken. Er redet vor sich hin, vielleicht sind es auch beide Nachbarn die miteinander reden und ich bin bedient. Eine Weile lausche ich den Worten aus der Nachbarwohnung, dann stehe ich auf, weil es eh an der Zeit ist aufzustehen. Auf mich wirken die Nachbarn komplett gestört und ich frage mich, wie lange das noch so weitergeht bevor die Situation auf irgendeine Weise eskaliert. Auf den Sommer freue ich mich jedenfalls nicht und hoffe, dass die beiden in den nächsten Tagen wieder öfter abwesend sind, sonst drehe ich irgendwann durch. Das möchte ich nicht.
Oh Mann. „Der Mensch als Geräusch ist unterschätzt“, so sagt der bayerische Kabarettist Gerhard Polt. Wie recht er hat. In der benachbarten Wohnanlage haben ähnliche Mieter einige (der schon länger hier lebenden) vertrieben. Geräusche, Gerüche, Trommeln in der Nacht…es ist alles dabei.
Wir werden uns daran gewöhnen müssen, das Zusammenleben muss täglich neu verhandelt werden.
Wir wohnen in einem älteren Einfamilienhaus auf großem Grundstück. Man kann uns da nicht rausbekommen und dafür bin ich froh.
Diese Leute verstehen nur eine Sprache, aber die können wir und Sie nicht. Ein Freund, der dazu fähig ist, hat auf diese Weise Ruhe in das Mietshaus bekommen. Die Nachbarn sind ihm hochdankbar.
Alles Gute, Dr. Schwein. Einen kühlen und regnerischen Sommer gewünscht.
Daran gewöhnen wird schwer, weil ich nachts schon gelegentlich schlafen muss.
Ein verregneter Sommer allein wird leider nicht helfen.