Neujahr 2021

Es ist kurz nach 03.00 Uhr als ich wach werde. Zumindest glaube ich, dass ich geschlafen habe, weiß es aber nicht. Schon als ich mich um 02.22 Uhr hinlegte, ging es mir irgendwie nicht gut, jetzt geht es mir irgendwie schlecht. Dazu bekomme ich eine Angst vor dem Leben, vor der Zukunft, vor dem nächsten Moment. Ich habe Angst die letzten Menschen zu verlieren, die mir etwas bedeuten. Angst vor Krankheit, Einsamkeit, Leid. Immer elender fühle ich mich. Verloren, klein, unfähig weiter zu leben. Mir ist plötzlich total übel, mir wird heiß, ich richte mich auf, fürchte, mich übergeben zu müssen. Renne zur Toilette, entleere den Darm, fühle mich aber danach nicht besser. Niemand passt auf mich auf. In meinem Kopf herrscht totale Panik. Das hatte ich lange nicht mehr so extrem. Kaum bin ich aus dem Bad, nehme ich Nuxal Tropfen und koche mir einen Tee. Zitronenmelisse und Wermutkraut. Durst habe ich keinen und Wermutkrauttee schmeckt ziemlich furchtbar. Ich merke, wie ich mich in etwas hineinsteigere, kann aber, wie üblich, nicht raus aus meinem Dilemma. Wann hatte ich zuletzt so eine verdammte Angst vor dem Moment und allen folgenden Momenten? Ich will mein Leben zurück, weiß aber nicht, was genau das bedeutet. Anstatt mich zu beruhigen sauge ich quasi Gedanken der Hoffnungslosigkeit auf. Niemand passt auf mich auf. Ich glaube, dass ich alles in meinem Leben falsch gemacht habe. Wie schnell sich alles ändern kann. Ein falscher Gedanke, nur einen kurzen Moment nicht aufgepasst und alles in meinem Kopf bricht zusammen. Egal, wie alt ich werde, jederzeit kann mich so eine Gedankenspirale nach unten ziehen. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch in so einer Form möglich ist, aber ich habe ja auch mal gedacht ich kann alles kontrollieren. Vor allem Gefühle. Und was sich nicht kontrollieren lässt, dass unterdrücke/ignoriere ich einfach. Seit Jahren weiß ich, dass das nur bedingt funktioniert, seit Jahren lerne ich nicht dazu. Meine Lebens- und Verlustangst ist einfach immer da und kann mir jederzeit das Leben zur Hölle machen. Wie sehr ich Nächte wie diese hasse und fürchte, denn ich bin ihnen gnadenlos ausgeliefert. Vielleicht ist dieses ganze Leben keine gute Sache für mich. Ich weiß nicht, was richtig ist und ob ich noch zu retten bin und frage mich, was ich von einem Jahr erwarten kann, dass schon so anfängt. Vermutlich nichts. Es wäre hilfreich, wenn mich in solchen Phasen jemand bewusstlos schlägt, dann müsste ich mich nicht Stunden in so einem Zustand ertragen.

Nach einem Jahr, welches durchaus als Seuchenjahr in die Geschichte eingehen könnte, hat vermutlich ein weiteres Seuchenjahr begonnen. Möglicherweise befinden wir uns auch in einem Seuchenjahrzehnt.

Obwohl ich kaum geschlafen habe, bin ich schon um kurz nach 08.00 Uhr so wach, dass ich aufstehen muss, weil mir total übel ist. Nach dem Toilettenbesuch friere ich, mache die Heizdecke an und mir Gedanken über die Vorsätze, die ich im Laufe des Jahres hoffentlich erfolgreich umsetzen werde. Was ist dabei naheliegender an den Vorsätzen vom Vorjahr anzuknüpfen bzw. diese gleich zu übernehmen? Vermutlich nichts, weshalb ich mir vornehme auch im nächsten Jahr nicht arbeitslos zu werden, obwohl es durchaus schwerer wird als im Vorjahr. Denn zum einen gibt es die unberechenbare Corona-Pest und zum anderen endet im Mai die Maßnahme und niemand weiß, ob es eine weitere Maßnahme dieser Art geben wird.

Da ich mich bei McFit abgemeldet habe, wird das mit dem Sport sicher nicht leichter, auch wenn die Kündigung erst im August wirksam wird. Daher nehme ich mir vor, mehr Zeit auf dem Trampolin zu verbringen und meinen schlaffen Bauch wieder in eine halbwegs brauchbare Form zu bringen. Alles andere wäre eine Katastrophe.

Traditionell nehme ich mir vor, dass ich dreimal im Jahr in den Urlaub fahre. Auch an dieser schönen Tradition will ich dieses Jahr festhalten.

Leicht umzusetzen sein sollte mein Vorhaben, mich öfter massieren zu lassen, wenn wegen der Corona-Seuche nicht ständig alles geschlossen ist. Ansonsten muss ich mir eine Frau suchen, die mich aus Mitleid oder sonstigen Gründen regelmäßig massiert.

Und weil das alles hochgradig langweilig, fast schon bescheuert ist, nehme ich mir zum Schluss etwas vor, was wirklich unwahrscheinlich und kaum umzusetzen ist. Ich will im Jahr 2021 drei Frauen küssen, weil mich das an das Jahr 2008 erinnert. Damals hatte ich nur drei Vorsätze, die ich ziemlich schnell umsetzte. Meine Vorsätze 2008 waren. 1. Eine Verabredung mit einer Frau haben. 2. Knutschen. 3. Sex haben. Da finde ich es eine gute Idee, nur Vorsatz 2 von 2008 zu übernehmen, den aber dreifach. Eine größere Herausforderung kann es für einen Mann meines Alters, mit meinen Eigenschaften und meiner Passivität kaum geben. Ich muss mir nur noch eine Strafe ausdenken, die ich im Falle meines Scheiterns bekomme. Schöner als mit so einem dämlichen Vorsatz kann man seine Liste der Vorsätze für ein Jahr wirklich nicht abschließen.

Nachdem ich meine Vorsätze gefasst habe, klettere ich aus dem Bett, nehme Müsli zu mir und beginne die Wohnung aufzuräumen und alles zu spülen. Der ganze Spaß dauert über eine Stunde und frustriert mich ziemlich. Das ist definitiv ein Nachteil, wenn die Silvesterrunde bei mir stattfindet. Aber immerhin ist mein Zustand wieder fast vollständig auf meinem Normalniveau.

Am Nachmittag mache ich einen Spaziergang mit Petra und Manni. Die drei Feierbiester wandern durch den Ort zum Verlieben. Mir geht es mittlerweile wieder so gut, dass ich mir nach dem Spaziergang, ein Stück Daim-Torte gönne. Anschließend lege ich mich kurz hin, um noch mehr Licht mit der Tageslichtlampe aufzunehmen und anschließend etwas auf dem Trampolin zu hüpfen. Das wäre ein prima sportlicher Einstieg ins neue Jahr. Leider klappt das nicht wie geplant, weil ich in den nächsten zwei Stunden immer wieder einschlafe und zu erledigt bin, um aus dem Bett zu klettern. Offensichtlich fehlt mir Schlaf. Nachdem ich irgendwann doch aus dem Bett klettere habe ich Hunger, aber nicht die Energie, um auf dem Trampolin zu hüpfen. Wenn ich schon am ersten Tag des Jahres so kläglich an allem Scheitere, mache ich mir direkt Sorgen, ob ich bei den Vorsätze dieses Jahr ebenso versage wie im Vorjahr. Weil das auch nichts bringt, schaue ich mir am Abend Harriet an. Das Filmjahr ist eröffnet und ich im Jahr 2021 angekommen.

2 Kommentare

  1. Wow. Das nenn ich ja mal ne handfeste Panikattacke – oder?
    Ich wünsch Dir alles Gute für dieses neue Jahr und hey: Was sollen schon Vorsätze, die man eh nicht einhält? Ich nehme mir einfach immer nur vor, glücklich sein zu wollen. Mal gucken, wie weit ich in diesem Jahr damit komme.
    Harriet hatten wir hier übrigens auch geschaut. So recht wusste ich anschließend nicht, ob er mir gefallen hat oder doch nicht.
    Ich würde „Klaus“ empfehlen. Ist ein Trickfilm, aber ein ganz wunderbarer.

    • Ich weiß nicht, ob man es Panikattacke nennt. Aber kann gut sein.
      Ich will die Vorsätze ja einhalten, klappt nur nicht immer. Glücklich sein zu wollen ist auch nicht leichter, aber ein guter Vorsatz.
      Harriet ist zwar manchmal etwas merkwürdig, aber insgesamt ein guter Film, finde ich.
      Vielleicht ist Klaus was fürs nächste Weihnachtsfest, so es denn stattfindet.

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