Kurz vor Ende des Jahres muss ich nochmal zum Augenarzt, um testen zu lassen, ob mein hoher Augeninnendruck mittlerweile einen Schaden am Auge angerichtet hat. Zuerst bietet man mir an, die Hornhautdicke messen zu lassen. Kostet nur 30 Euro, doch weil ich kein Bargeld habe, findet die Untersuchung heute nicht statt. Zunächst wird der Augeninnendruck gemessen, mir aber nicht verraten, dann folgt der Sehtest, bevor es die Tropfen gibt, die dafür sorgen, dass sich die Pupillen erweitern. Wegen der Corona-Seuche muss ich anschließend für 20 Minuten die Praxis verlassen, was mir nicht gefällt, da ich mich extra nicht so warm angezogen habe und eine Frostbeule bin. Weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll, setze ich mich in mein Coupé. Obwohl es alles andere als gut für die Umwelt ist, lasse ich den Motor laufen, um den Innenraum zu heizen. Helfen wird das kaum, denn wenn ich einmal durchgefroren bin, hilft nur noch wenig nun mich wieder aufzuwärmen. Nach zwanzig Minuten bin ich zurück in der Praxis, wo ich noch warten muss. Eine junge Frau schiebt eine alte Frau, die im Rollstuhl sitzt, in die Praxis. Als die junge Frau die alte Frau etwas fragt, zieht diese ordnungsgemäß ihre Maske runter, um zu antworten. Sofort ruft die junge Frau ihr zu, dass sie die Maske aufsetzen muss. Auch die Frau vom Personal ruft mit. Die alte Frau ist etwas langsam, so dass die junge Frau zu ihr geht, um die Maske wieder hochzuschieben, doch die alte Frau ist schneller, sagt aber vorher noch, dass man sie ohne Maske besser versteht und lacht dann scheinbar vergnügt. Die junge Frau lacht mit. Eine weitere Frage an die alte Frau und schon greift sie zur Maske, um diese erneut runterziehen. Kaum hat sie nach der Maske gegriffen, wird sie wieder darauf hingewiesen, die Maske hochzuziehen. Die alte Frau zieht die Maske hoch und lacht wieder los. Obwohl es irgendwie lustig ist, finde ich es auch tragisch und traurig und stelle mir vor, dass ich irgendwann in einem Rollstuhl zu Ärzten geschoben werde. So ein körperlicher Verfall ist nämlich nichts, was man dadurch verhindern kann, dass man körperlichen Verfall grundsätzlich ablehnt. Als nächstes soll die alte Frau etwas unterschreiben. Kaum hat sie den Stift in der Hand, zieht sie die Maske runter, was dazu führt, dass man ihr wieder sagt, sie solle es nicht tun. Wieder lacht die Frau, die anderen lachen mit. Vermutlich lacht die alte Frau aus Verlegenheit oder über sich selbst, weil sie immer den gleichen Fehler macht. Vielleicht ist das Lachen ihre einzige Möglichkeit mit dem eigenen Verfall umzugehen. Die junge Frau hat eine schöne Figur. Ob sie auch irgendwann in einem Rollstuhl sitzt und über sich lacht?
Nach fast dreißigminütiger Wartezeit sagt der Arzt mir, dass der Augeninnendruck bei 24 und 25 liegt. Das ist alles zu hoch, dabei nehme ich doch schon alle möglichen Präparate, um möglichst lange beschwerdefrei zu leben. Bei der Augenuntersuchung werden keine Schäden festgestellt, so dass in sechs Monaten der nächste Kontrolltermin ansteht. Irgendwelche Augentropfen verschreibt der Arzt mir nicht, was mir gut gefällt. Dennoch muss ich irgendeinen Weg finden, um den Augeninnendruck zu senken, denn auf Dauer führt das sonst sicher zu Problemen. Das möchte ich nicht.
Da ich nicht selber fahren kann, holt Petra mich ab. Das Coupé muss für ein paar Stunden in Mengede auf mich warten bis ich es am Nachmittag wieder abholen kann, sobald meine Augen dazu bereit sind. Das sollte der letzte Arzttermin des Jahres gewesen sein. Nächstes Jahr lasse ich mir vermutlich wieder einen Zahn ziehen und schaue, wie der Verfall sich weiter fortsetzt.