Als mich der Wecker um 08.00 Uhr aus meinem Schlaf reißt, bin ich alles andere als entzückt, denn ich bin zu müde für so einen Scheiß. Schließlich habe ich bis 01.00 Uhr gezockt, wie jede Nacht, wenn ich am nächsten Tag frei habe. Dummerweise habe ich gestern vergessen mir die Zutaten zu kaufen, um heute Suppe kochen zu können. Daher quäle ich mich aus dem Bett, lasse eine Katzenwäsche über mich ergehen, ziehe mich an und sitze wenige Minuten später total übermüdet in meinem Coupé. Bei Rewe ist es ziemlich leer, ich kaufe meine Zutaten und kann an der Kasse kaum die Augen aufhalten. Wieso nur habe ich das nicht gestern schon erledigt?
Meinen Plan, mich sofort nach meiner Rückkehr wieder hinzulegen, kann ich direkt vergessen, denn kaum bin ich zu Hause, fällt mir ein, dass ich Blumen für den Friedhof brauche. Also muss ich wieder los. An der ersten Ampel an der ich halten muss, kann ich es nur mit großer Mühe schaffen, nicht einzuschlafen. Im Blumenladen hinterlasse ich sicher auch einen etwas merkwürdigen Eindruck mit meinen maximal halb geöffneten Augen. Später auf dem Friedhof ist es einfach nur kalt und ich bin froh, dass mein Körper den Weg auch mit quasi geschlossenen Augen kennt. In den nächsten Tagen lass ich mich und meinen Körper so lange im Bett liegen bis der Körper von alleine aufsteht.
Gegen Mittag koche ich mir Suppe und muss feststellen, dass Zahn 16 wieder Beschwerden macht und auch wieder Klopfempfindlich ist. Wurzelkanal 4 und seine Feilspitze könnten durchaus verantwortlich für diese Beschwerden sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Zahn 16 nichtgezogen werden muss, liegt meiner Einschätzung nach bei maximal 7%.
Später schaue ich, vermutlich zum ersten Mal, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Irgendwie ganz niedlich. Dann schaue ich „Aschenblödel“. Irgendwie nicht so niedlich. Es folgt die Bescherung mit Geschenken der Bürgerarbeiterin und von der Firmenweihnachtsfeier. Ich packe sehr gerne Geschenke aus.
Am Abend gibt es die traditionelle Heiligabendrunde bei Manni. Drei ziemlich verkorkste, zumindest in hohem Maße schräge Individuen feiern Heiligabend, sich selbst oder etwas ganz anderes. Bei uns bedeutet es, dass wir uns eine Kleinigkeit schenken, etwas trinken und irgendwie verpeilt zusammensitzen, während der Fernseher läuft. Irgendwelche Leute im TV behaupten, dass Außerirdische vor vielen Jahren auf der Erde waren und vermutlich auch die Pyramiden gebaut haben. Es gibt für nichts Beweise, da aber auch niemand das Gegenteil beweisen kann, verdienen die damit viel Geld und haben viele Fans. Vielleicht sollte ich in das Geschäft mit den Außerirdischen einsteigen. Plötzlich passiert etwas, was bei uns so noch nie passiert ist. Der Fernsehton wird abgeschaltet und Musik ertönt. Wir hören Buddha Bar und ich bin eine Weile irritiert, weil so krasse Veränderungen schon einiges durcheinander bringen. Es ist unser siebtes Jahr mit dieser Tradition und plötzlich hören wir Musik. Krass, dass wir in unserem Alter und Zustand noch solche Veränderungen hinkriegen. Wir trinken eine Kleinigkeit, knabbern Knabberzeug und sehen uns dabei zu, wie wir älter werden. Petra erwähnt, dass sie sich jeden zweiten Tag krank fühlt und heute eben dieser kranke Tag ist. Wir beschließen, dass Krankheiten kein gutes Thema sind und reden kaum noch darüber. Lediglich meine ausgeprägte Zahngeschichte findet gelegentlich Erwähnung. Wir bewundern Mannis neue Trainingshose und seine Weihnachtsbeleuchtung. Die Zeit vergeht und schon ist es nach Mitternacht und wir müssen gehen. Manni, der jüngste von uns, ist noch fit, während wir es nicht mehr sind. Was gäben wir nicht alles dafür nochmal so jung wie er zu sein?
Es ist auszuschließen, dass irgendwann mehr als nur wir drei Kreaturen an dieser traditionellen Runde teilnehmen, weil wir neuen Personen ziemlich skeptisch gegenüberzustehen und die meisten uns sicher auch ziemlich merkwürdig finden mit unseren Traditionen und Aktionen. Nächstes Jahr kommen wir wieder, so wir nicht verstorben sind.