Die Heilpraktikerin sagt, dass mein Körper entgiften muss und so gibt es zum allgemeinen Wohlbefinden erst die Akupunktur und später wird geschröpft. Zwei bis drei Termine, so sagt sie, sollten reichen, um meinen Körper wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Hoffentlich irrt sie sich nicht, denn mehr Geld mag ich einfach nicht ausgeben. Schließlich muss ich für die Implantate sparen und brauche gelegentlich etwas Neues zum Anziehen.
In der Nacht vor dem Termin zum Fäden ziehen wache ich auf, was zunächst nicht unbedingt ungewöhnlich ist, da mir so etwas durchaus öfter passiert. Allerdings kann ich nicht mehr einschlafen, was für mich keinen Sinn ergibt. So liege ich etwas ratlos im Bett herum und irgendwann stelle ich fest, dass Zahn 37 sich beim Zubeißen als störend erweist und jede Berührung spürbar ist. Vielleicht ist mein Plan, Zahn 37 nicht bald, sondern erst irgendwann ziehen zu lassen, Scheiße, denn die Entzündung ist ja da und belastet den ganzen Körper. So kann es natürlich sein, dass diese Entzündung irgendwann dafür sorgt, dass ich vielleicht einen Herzinfarkt oder ähnliches erleide, also quasi umfalle und mehr oder weniger tot irgendwo rumliege. Wenn mich keiner entdeckt, bringt mich das sicher um und falls ich zu spät entdeckt werde, leide ich möglicherweise bis ans Ende meiner Tage an den Spätfolgen dieser Situation. Das möchte ich nicht. Ich möchte allerdings auch nicht nachts wach liegen und über so etwas nachdenken. Wo bleibt denn da mein Schlaf? Und während ich mir die schönsten Situationen mit Todesfolge ausmale, z.B. könnte ich auf der Autobahn sterben oder bei einem Einkaufsbummel, beschließe ich, ohne zu wissen, wie ernst ich das nehmen kann, dass Zahn 37 gezogen werden muss. Und zwar am 11.11.2019 pünktlich zu Beginn der Faschingszeit.
Neulich las oder hörte ich ein Interview mit einem Zahnarzt. Vielleicht war es auch kein Interview, sondern ein Vortrag. Jedenfalls meinte dieser Zahnarzt, dass er bei Menschen ab 50 keinen Zahnersatz für die Zähne 17, 27, 37 und 47 mehr machen würde. Ab dem Alter ist das seiner Meinung nach nicht mehr nötig. Ab 60, so meint er, braucht man auch die Zähne 16, 26, 36 und 46 nicht mehr unbedingt. Vermutlich hat er Recht, denn wenn man die 60 überschritten hat, lebt man eh nicht mehr so lange, da würde man für Zahnersatz nur unnötig Geld ausgeben. Ich muss gestehen, dass ich seitdem wirklich darüber nachdenke, ob ich die Lücken, die Zahn 47 und später auch 37 hinterlassen, tatsächlich mit Implantaten schließen will. Zahn 27 ist ja eh nur noch ein Stumpf, der überkront werden müsste, was ich aber bisher nicht getan habe, weil ich nicht glaube, dass die Wurzelfüllung richtig gemacht wurde und davon ausgehe, dass er früher oder später eine Wurzelentzündung verursachen wird und gezogen bzw. ausgegraben werden muss. Dann würden auf der Seite die beiden letzten Zähne fehlen und alles wäre, wie es sein muss. Und Zahn 17 ist auch vor ewigen Zeiten überkront worden und geht sicher bald ganz kaputt. Daher ist es wirklich fraglich, ob es sich lohnt zwei Implantate einbauen zu lassen, wenn ich dann nach einer Weile zwei weitere brauche, um erneut ein ordentliches Gleichgewicht herzustellen. Vielleicht also wäre es nützlicher darauf zu verzichten und den Zustand, den der Zahnarzt aus dem Interview empfiehlt, zu erreichen. Ich bin zwar noch nicht ganz 50 und würde die Behandlung auch als noch nicht 50-Jähriger beginnen, aber fertig wären die Bauarbeiten erst, wenn ich das 50. Lebensjahr vollendet habe. Eine verdammt schwere Entscheidung also, die ich in Kürze fällen muss.
Meiner Meinung nach stört seit der Entfernung von Zahn 47 beim Zubeißen Zahn 16. Das sollte ich am Abend erwähnen damit der Zahnarzt eventuell irgendwas abschleifen kann, um mir eine bequemeres zubeißen zu ermöglichen. Möglicherweise bilde ich mir all das aber auch nur ein und es muss gar nichts abgeschliffen werden.
Wie ich es mir vorgenommen habe, erwähne ich, dass ich das Gefühl habe, die Zähne 16 und 46 passen nicht wirklich aufeinander. Nach kurzer Überprüfung der jungen, sympathischen Ärztin steht fest, dass ich mich nicht geirrt habe. Um das zu korrigieren werden beide Kronen ein wenig abgeschliffen, was zu einem völlig neuen Beißgefühl führt. Nachdem das erledigt ist, werden die Fäden entfernt und die Wunde gespült. Dann drückt die Zahnärztin heftig auf meinem Zahnfleisch herum, was durchaus Schmerzen verursacht. Ich vermute, es ist eine Art Schmerztest, doch dann sagt sie, dass sie das macht, um Wundflüssigkeit aus der Wunde zu drücken. Kein Eiter, nur Wundflüssigkeit. Wieder eine neue Erfahrung für mich. Nicht unbedingt eine, die ich gebraucht hätte, aber weil ich sonst nicht so viel erlebe, will ich mich auch nicht beklagen. Noch einmal wird gespült, dann wieder feste gedrückt. Weil das so vermutlich weder geplant noch zu erwarten war, darf ich am Donnerstag zur Kontrolle wiederkommen. Da ich so tapfer war, darf ich anschließend an einem Gewinnspiel zum 3-jährigen Jubiläum der Praxis teilnehmen. Ich muss schätzen, wie viele Golfbälle sich in einem Behälter befinden. Weil ich die Zahl 127 mag, schätze ich 127. Vermutlich sind es aber nur 103, weil das besser zum Jubiläum passen würde. Ich finde die Ausstrahlung der Ärztin sehr angenehm, sie hat etwas Positives, fast würde ich behaupten lebensbejahendes, aber weil ich von so etwas keine Ahnung habe, belasse ich es bei positiv, sympathischer Ausstrahlung. Es wäre vermutlich gut, wenn viel mehr Menschen eine solche Ausstrahlung hätten. Ich hatte leider noch nie so eine Ausstrahlung, was durchaus irgendwie schade ist.
Ich erwische mich wieder mal, wie ich mir gedanklich auf die Schulter klopfe, dass meine Zähne noch alle gesund sind. Bin Ü50.
Denke jetzt schon mit Grauen daran, wenn mir ein ZA sagt, dass Zahn xyz raus und ersetzt werden muß.
Bisher waren das nur Weisheitszähne und die vermisst niemand *blödeEvolution*
Beneidenswert. Gesunde Zähne hätte ich auch gerne mehr.