Koteletts

Ich hasse sie, habe sie immer gehasst. Koteletts ekeln mich oft an, manchmal, wenn der Geruch mich an meine Kindheit erinnert, wird mir sogar noch davon schlecht. Woran kann das nur liegen? Vermutlich hängt es mit einem weiteren Erlebnis, welches plötzlich wieder mein Bewusstsein erreicht hat, zusammen.

Koteletts waren eine gern gesehen Mahlzeit in unserer Familie, wobei ich glaube, dass besonders mein Vater diese widerlichen Dinger so mochte. Für mich war das nur stinkender Knochen, mit Knorpel, Fett und sehnigem, zähen Fleisch. Geschmacklich meist kaum zu ertragen und mit einer Panade, die meist matschig fett statt knusprig war. Und diesen Dreck, für mich war es leider so und ist es noch heute, musste ich mitessen. Ich weiß nicht, wie oft es Koteletts gab, aber sicher zu oft. Ständig wurde ich genötigt das Zeug zu essen, durfte länger am Tisch sitzen, provozierte Streit und war doch lange Zeit der Verlierer. Manchmal stellte sich meine Mutter auf meine Seite, was eigentlich alles nur noch schlimmer machte und für meine Mutter irgendwann eine prima Möglichkeit war wieder einen Ehestreit zu provozieren, der mehr als bedrohlich für mich war. Und so konnte ich mich bei der Gelegenheit auch gleich schuldig fühlen, weil es meinetwegen wieder Streit gab. Ich war schon ein toller Nachwuchs, den man gerne für allen Mist verantwortlich und klein machen konnte. Das Erlebnis, was am häufigsten in meinem Kopf auftaucht, fand in der Küche meiner Oma statt. Lebte sie zu der Zeit noch? Ich denke nicht, denn sonst wäre sie ja da gewesen. Also war ich älter als zehn Jahre. Es gab jedenfalls wieder diese verdammten Koteletts. Dazu Kartoffeln und vermutlich Erbsen und Möhren. Kartoffeln und Gemüse hatte ich schnell aufgegessen, das verdammte Fleisch mal wieder nicht. Ob ich sagte, dass man die Scheiße nicht essen kann, ob ich nur zu langsam aß oder gar nicht mehr essen wollte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass meine Eltern weg wollten. Und so kam es, dass sie mich mit dem Teller in der Wohnung einsperrten. Sollte der Teller bei ihrer Rückkehr noch voller Fleisch sein, könnte ich was erleben. Und dann saß ich mit dem Teller voller Kotelettstückchen in der Küche und überlegte, was ich tun kann. Ich wusste nur, die Zeit ist begrenzt und ich kann das niemals essen. Ich war allerdings viel zu eingeschüchtert, um wirklich gute Ideen zu produzieren, vielleicht war ich auch einfach zu beschränkt, denn letztlich warf ich die Hälfte der Fleischstückchen in den Müll. Natürlich nicht oben drauf, sondern ich versteckte sie schon weiter unten. Irgendwann kam mein Vater, fragte ob ich aufgegessen hatte und ich zeigte auf die Stückchen, die ich aber beim besten Willen nicht schaffen konnte. Ich dachte, wenn da noch was liegt, sei ich glaubhafter. Doch das war ich wohl nicht. Ich war ein schlechter Lügner rund mein Vater wurde schnell im Müll fündig. Ich hatte ein Scheißangst, was passieren würde, aber es passierte das Unerwartete. Es gab eine Art Lob, dass ich nicht alles in den Müll geworfen hatte. Das schien meinem Vater zu gefallen. Vielleicht war die Autofahrt mit meiner Mutter ja auch nett. Ich weiß es nicht. Ich durfte jedenfalls vom Tisch aufstehen, blieb aber skeptisch, ob mir nicht doch noch etwas passieren würde. Es passierte aber nichts mehr. Koteletts gab es aber noch ein paar Jahre regelmäßig und somit auch viel Ärger, der die ekeligen Koteletts somit noch mehr zu etwas gemacht hat, was schon beim Geruch für Übelkeit sorgt. Und diese panierten Koteletts haben vermutlich auch dazu beigetragen, dass ich lange Zeit gar nichts paniertes mehr essen konnte und wollte.

Und was will mir diese Geschichte sagen? Soll ich meinen Frieden mit panierten Koteletts schließen? Meinen Eltern vergeben, dass sie mich zwangen Koteletts zu essen? Soll ich einfach mal wieder ein Kotelett bestellen und mich so lange davor setzen bis mir schlecht ist? Warum zum Teufel kommen diese Erinnerungen zu mir zurück? Da liegt sicher etwas in der Luft, denn angeblich passiert ja nichts ohne Grund.
Dann warte ich mal ab, ob es bald weitere Geschichten gibt oder irgendwas passiert, was mit meiner Vergangenheit zu tun hat. Vielleicht läuft auch nur gerade in meinem Leben etwas völlig falsch und die Erinnerungen sind eine Art Hinweis. Oder ich sterbe bald. Mal schauen.

6 Kommentare

  1. Gegen diese Abneigung empfehle ich Lommerzheim in Köln-Deutz 🙂

    Aber ich habe auch so fiese Kindheitserinnerungen. Mein Vater wollte auch täglich sein Fleisch auf dem Tisch haben. Schön fettig und in Fett gebraten. Und er hat es geliebt, die Knorpel genüsslich (und mit offener Fresse) laut zu zerkauen – eben weil er wusste, dass ich sowas nicht ertrug. Aber wie hieß es immer so schön: „So lange du die Füsse unter meinen Tisch stellst …“.

  2. Koteletts fallen auch unter meine Kindheitserinnerungen, allerdings sind sie nicht so negativ behaftet. Schnitzel waren mir schon lieber, aber die waren zu teuer.

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