Vorbilder oder so ähnlich

Ich habe einen großen Teil meiner Jugend bei meinen Onkeln verbracht. Wir waren eine Art Dreier-WG und ich konnte dort prima und zumeist entspannt leben. Meist guckte ich stundenlang Filme, stopfte Cola und Schokolade in mich hinein und dachte, dass das Leben für immer so sein wird. Irgendwann beschloss ich dann, dass ich auch so leben will wie die beiden. Ohne Frau, ohne Familie und ohne all den Ärger, den eine Beziehung so mit sich bringt. Vielleicht waren meine Onkel diesbezüglich Vorbilder.  Ihr meiner Meinung nach übertriebener Alkoholkonsum allerdings fand bei mir keine Gegenliebe. Ich fand schon damals betrunkene Menschen befremdlich, vor allem dann, wenn getrunken wurde bis selbst Schließmuskel nicht mehr unter Kontrolle waren. Obwohl ich in einer unfassbar verrauchten Wohnung viel Zeit verbrachte und es deshalb oft nebelig in der Wohnung war, hielt ich vom Rauchen nichts. Vielleicht auch gerade deshalb, weil es immer stank und nebelig war. Außerdem erschien mir Rauchen schon immer sinnlos und ich hatte obendrein Angst, dass mir davon schlecht wird. Andererseits war ich ein wirklich intensiver Passivraucher. Das reicht vermutlich für ein ganzes Leben. Gut gefallen hat mir aber immer die Einstellung meiner Onkel zu Ehe, Familie und Freiheit. Diese fand Gefallen bei mir. Vermutlich auch deshalb, weil jede Minute, die ich bei ihnen war, keine unmittelbare Gefahr drohte aus dem eigenen Elternhaus und ich dem Irrsinn dort aus dem Weg gehen konnte.

1999 kaufte der ältere Onkel sich einen gebrauchten Mercedes. Mit vier Türen. Für mich eine vollkommene Geldverschwendung, weil nur ein Coupé wirklich angemessen wäre. Ich wiederholte mein Unverständnis vermutlich mehrfach und keine zwei Wochen später tauschte mein Onkel den Mercedes gegen ein schönes Coupé, welches ich mal erben sollte. Für mich schien der Gedanke etwas absurd, hätte er doch bedeutet, dass mein Onkel irgendwann stirbt. Im Jahr 2000 kaufte er sich eine Eigentumswohnung, die ich für viel zu klein und teuer hielt. 2008 starb er einsam und allein im Hausflur direkt vor der Wohnungstür. Die Nachbarin hatte gehört, wie er nachts nach einer Party hinfiel und sich selbst sagte, dass er aufstehen muss. Sie hatte aber Angst die Tür zu öffnen und nachzuschauen. Ein paar Stunden später musste sie Ihre Wohnung verlassen und fand meinen Onkel tot vor der Tür liegend.

Nun fahre ich seinen Benz, lebe in seiner Wohnung und bin ein ähnlicher Einzelgänger wie er es war.  Vermutlich wäre es nur konsequent, vielleicht ist es auch unvermeidbar, dass ich irgendwann tot vor der Wohnungstür aufgefunden werde. Die einzige Frage scheint zu sein, wann es so weit sein wird und wer mich wohl findet. Wollte und will ich wirklich so leben und enden? Ich weiß es nicht mehr.

7 Kommentare

  1. Die letzten Posts von dir haben mich sehr berührt. Allerdings fällt mir das Kommentieren schwer, weil ich das Gefühl habe, nicht die richtigen Worte zu finden.
    Bestimmt ist das hier nicht der richtige Moment – wenn es denn einen richtigen Moment gibt -, aber ich mag dennoch etwas loswerden, auch wenn es zum eigentlichen Inhalt des Posts nicht passt. Herr DrSchwein, ich habe eine Wunsch-Blogger-Liste. Quasi eine Top 3-Liste der Blogger, die ich gerne mal treffen würde. Du bist darunter. Also… vielleicht magst du dir ja mal überlegen, ob das – irgendwann – für dich infrage käme. So in den nächsten 35 Jahren. Mich würde es freuen. Sehr.

    Und was den „Tod vor der Wohnungetür“ betrifft: Mach das mal nicht, bitte.
    Lass uns mal lieber ein bisschen weniger einsiedlerkrebsen und ein bisschen glücklicher sein.
    Das wäre doch schön.

    • Ui. Ich war ewig nicht in einer Top 3-Liste vertreten. Allerdings haben wir maximal 29 jahre, weil ich danach vermutlich tot bin. Ich weiß nur noch nicht, ob es mit der Wohnungstür wirklich klappt.

      Ein solches Treffen wirft viele Fragen auf. In welchem Bundesland findet es statt, was zieht man dazu an, bekomme ich eine Banane geschenkt und ist das eine gute Idee? Schließlich ist man anschließend nicht mehr in der Top 3-Liste. Du siehst, ich bin da ziemlich offen für sowas. 🙂

      • Das freut mich. Wirklich.
        Und was die vielen Fragen angeht, habe ich Antworten:
        1. Bundesland und Klamotten: Egal. Gemocht wirst du eh schon. Also kannst du beides vollkommen frei aussuchen.
        2. Banane: Ich dachte, das müsste andersherum laufen, schließlich bin ich ostdeutsch. Aber ja, ich bringe dir nicht nur eine Banane, sondern einen ganzen Bananenblumenstrauß mit, wenn du magst. Mit Schleife. 🙂

        Und vielleicht wanderst du ja von einer Top 3-Liste direkt in die nächste und wir verleben eines der verrücktesten Blogger-Treffen, die wir jemals erlebt haben? Was mich betrifft, stehen hierfür die Chancen gut, denn noch kann ich die Blogger, die ich in persönlich kennengelernt habe, knapp an einer Hand abzählen.

        • Es ist üblich, dass ich Geschenke bekomme und ein Bananenblumestrauß klingt durchaus angemessen.

          Diese nächste Top 3-Liste setzt mich jetzt unter Druck. Da kann man ja nur verlieren. Immerhin spricht für mich, dass ich verrückt bin. Großartig.

  2. Sie ahnen gar nicht, wie oft ich zustimmend genickt habe bei dem Text. Ich habe auch nie geraucht, weil beide Eltern solche Qualmer waren. Und nicht zu Hause zu sein, war in meiner Jugend mein Lieblingsort.
    Und ich kann mich da dem Muschelmädchen lächelnd anschließen. Sie sind auch unter meinen Top 3 Lieblingsblogautoren. Und, wenn Sie sich erinnern mögen: Sie stehen bereits seit zwei Wochen auf meiner “Besser-kennen-lernen-Liste-2018” Das war durchaus ernst gemeint.
    Bitte trauen Sie sich selber die Tür aufzumachen, wenn ich Ihre Metapher einmal fremdnutzen darf. Da stehen ein paar sehr liebe Menschen, überlegen Sie, Sie haben die Chance das Muschelmädchen zu treffen! Das wäre meiner Meinung nach eine sehr schöne 2018 Perspektive für Sie.
    Und wenn Sie unbedingt auf der Banane bestehen, die kann ich Ihnen vorher auch noch schicken. ?

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