Mühsam schleppt sich die Nachbarin, aus der Wohnung gegenüber,
die Treppen hoch. Normalerweise grüße ich sie nur kurz und beachte sie nicht
weiter. So mache ich das, bis auf ganz wenige Ausnahmen, mit allen Nachbarn aus
dem Haus. Dieser ganze Small Talk ist nichts für mich und führt ja auch zu
nichts. Dennoch denke ich jetzt darüber nach, ob ich meine Nachbarin, die
quälend langsam eine Stufe nach der nächsten erklimmt, fragen soll, wie es ihr geht. Ich habe keine
Ahnung, woher dieser Impuls kommt. Und noch bevor ich eine Antwort darauf
bekomme, höre ich mich tatsächlich fragen, wie es ihr geht. Sie sagt, dass es
besser geht, sie kleine Fortschritte macht und froh ist, dass sie endlich
wieder die Treppen alleine steigen kann. Nur auf dem einen Auge wird sie nie
wieder richtig sehen können. Weil ich ein oberflächlicher Schmock bin, weiß ich
natürlich nicht mehr, was sie eigentlich hat und warum sie in dem Zustand ist,
weshalb ich frage, was denn mit dem Auge los ist. Folgen des Schlaganfalls aus
dem letzten Jahr. Nun endlich erinnere ich mich wieder. Deshalb war sie ja auch
im letzen Jahr zur Kur, nach der ich sie jetzt sofort frage. Wenn man sich mit
Nachbarn unterhält, dann sollte man schon zuhören, weil das sonst nichts bringt
und vermutlich völlig albern ist. Es gab Zeiten, da war ich voller Vorurteile
und hätte zu ihrem Schlaganfall sofort gesagt, dass der ja nicht unerwartet
gekommen ist, weil sie ja so Übergewichtig ist und sich schlecht ernährt. Dabei
weiß ich gar nicht, ob sie sich so schlecht ernährt, denn die Sache mit der
Ernährung wurde mir von der ehemaligen Hausmeisterin vorgetragen, da ist es
eigentlich unerheblich, ob es stimmt oder nicht, weil ICH es ja nicht weiß. Und
wenn man etwas nicht weiß, dann sollte man sich zurückhalten, zumal jeder
wissen sollte, dass die meisten Gerüchte nichts weiter als Gerüchte sind. Und
selbst wenn es so ist, wie behauptet wird, spielt es für mich und mein Leben
keine Rolle. Es betrifft mich nicht und geht mich somit auch nichts an. Diese
ständigen Gerüchte, diese mühsam aufgebauten Vorurteile haben oftmals so wenig
mit der Wahrheit zu tun, dass es kaum zu ertragen ist. Dennoch suhlen wir
Menschen uns darin und geben unser Bestes Gerüchte und Vorurteile zu schüren,
zu verfeinern, zu verbreiten und uns besser zu fühlen, weil die anderen ja so
viel mieser, schlechter, dümmer sind. Dabei sind es diejenigen, die sich von
Gerüchten und Vorurteilen nähren, die sich besser mal hinterfragen sollten, was
mit ihnen nicht stimmt. Und vor allem sollten wir uns alle fragen, was es uns
angeht, wenn es uns nicht betrifft und keine Auswirkungen auf unser Leben hat.
Dann würde es uns allen vielleicht etwas besser gehen. Doch vielleicht ist es
für Menschen unverzichtbar, schlecht über andere zu denken und zu urteilen, um
sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen, sich selbst nicht zu hinterfragen
und sich am Ende gar selbst verurteilen zu müssen. Ich weiß, dass sich dieses
Verhalten nicht so einfach abstellen lässt und irgendwie dazu gehört, aber
vielleicht lässt es sich ja etwas reduzieren. Ich werde zumindest versuchen,
sinnentleerten Gerüchten keine zu große Bedeutung zu schenken und mir selbst
ein Urteil bilden. Wenn die Leute dann so blöd sind wie alle sagen, dann ist es
eben so. Wobei es mir, wenn ich sonst nichts mit den Menschen zu tun habe, am
Arsch vorbei gehen kann. So werde ich Gerüchteküchen in Zukunft weiträumig
umgehen, wann immer es geht. Ich habe da kein Interesse dran und will das auch
alles nicht hören. So verabschiede ich mich von der Nachbarin, die bisher immer
freundlich zu mir war, und wünsche ihr alles Gute.
die Treppen hoch. Normalerweise grüße ich sie nur kurz und beachte sie nicht
weiter. So mache ich das, bis auf ganz wenige Ausnahmen, mit allen Nachbarn aus
dem Haus. Dieser ganze Small Talk ist nichts für mich und führt ja auch zu
nichts. Dennoch denke ich jetzt darüber nach, ob ich meine Nachbarin, die
quälend langsam eine Stufe nach der nächsten erklimmt, fragen soll, wie es ihr geht. Ich habe keine
Ahnung, woher dieser Impuls kommt. Und noch bevor ich eine Antwort darauf
bekomme, höre ich mich tatsächlich fragen, wie es ihr geht. Sie sagt, dass es
besser geht, sie kleine Fortschritte macht und froh ist, dass sie endlich
wieder die Treppen alleine steigen kann. Nur auf dem einen Auge wird sie nie
wieder richtig sehen können. Weil ich ein oberflächlicher Schmock bin, weiß ich
natürlich nicht mehr, was sie eigentlich hat und warum sie in dem Zustand ist,
weshalb ich frage, was denn mit dem Auge los ist. Folgen des Schlaganfalls aus
dem letzten Jahr. Nun endlich erinnere ich mich wieder. Deshalb war sie ja auch
im letzen Jahr zur Kur, nach der ich sie jetzt sofort frage. Wenn man sich mit
Nachbarn unterhält, dann sollte man schon zuhören, weil das sonst nichts bringt
und vermutlich völlig albern ist. Es gab Zeiten, da war ich voller Vorurteile
und hätte zu ihrem Schlaganfall sofort gesagt, dass der ja nicht unerwartet
gekommen ist, weil sie ja so Übergewichtig ist und sich schlecht ernährt. Dabei
weiß ich gar nicht, ob sie sich so schlecht ernährt, denn die Sache mit der
Ernährung wurde mir von der ehemaligen Hausmeisterin vorgetragen, da ist es
eigentlich unerheblich, ob es stimmt oder nicht, weil ICH es ja nicht weiß. Und
wenn man etwas nicht weiß, dann sollte man sich zurückhalten, zumal jeder
wissen sollte, dass die meisten Gerüchte nichts weiter als Gerüchte sind. Und
selbst wenn es so ist, wie behauptet wird, spielt es für mich und mein Leben
keine Rolle. Es betrifft mich nicht und geht mich somit auch nichts an. Diese
ständigen Gerüchte, diese mühsam aufgebauten Vorurteile haben oftmals so wenig
mit der Wahrheit zu tun, dass es kaum zu ertragen ist. Dennoch suhlen wir
Menschen uns darin und geben unser Bestes Gerüchte und Vorurteile zu schüren,
zu verfeinern, zu verbreiten und uns besser zu fühlen, weil die anderen ja so
viel mieser, schlechter, dümmer sind. Dabei sind es diejenigen, die sich von
Gerüchten und Vorurteilen nähren, die sich besser mal hinterfragen sollten, was
mit ihnen nicht stimmt. Und vor allem sollten wir uns alle fragen, was es uns
angeht, wenn es uns nicht betrifft und keine Auswirkungen auf unser Leben hat.
Dann würde es uns allen vielleicht etwas besser gehen. Doch vielleicht ist es
für Menschen unverzichtbar, schlecht über andere zu denken und zu urteilen, um
sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen, sich selbst nicht zu hinterfragen
und sich am Ende gar selbst verurteilen zu müssen. Ich weiß, dass sich dieses
Verhalten nicht so einfach abstellen lässt und irgendwie dazu gehört, aber
vielleicht lässt es sich ja etwas reduzieren. Ich werde zumindest versuchen,
sinnentleerten Gerüchten keine zu große Bedeutung zu schenken und mir selbst
ein Urteil bilden. Wenn die Leute dann so blöd sind wie alle sagen, dann ist es
eben so. Wobei es mir, wenn ich sonst nichts mit den Menschen zu tun habe, am
Arsch vorbei gehen kann. So werde ich Gerüchteküchen in Zukunft weiträumig
umgehen, wann immer es geht. Ich habe da kein Interesse dran und will das auch
alles nicht hören. So verabschiede ich mich von der Nachbarin, die bisher immer
freundlich zu mir war, und wünsche ihr alles Gute.