Es ist soweit. Mein letzter Tag als Ehrenmann bzw. ehrenamtlicher Mitarbeiter hat begonnen. Ich fülle alle wichtigen Unterlagen für meine künftige Tätigkeit aus und wundere mich, dass ich noch immer nichts vom Jobcenter gehört habe. Schließlich fördern die das doch alles, da könnten die mich auch informieren. Sehr verwirrend. Noch während ich darüber nachdenke, ob man mich von Seiten des Jobcenters hätte informieren müssen, kommt auch schon die erste Besucherin des Tages, um sich
zwei Bewerbungen schreiben zu lassen. Während ich das mache, atme ich ihren alles andere als angenehmen Duft ein. Hat was von Urin, kann aber auch ein exquisites Parfum sein. Ich mag mich da nicht festlegen. Kaum ist sie weg, steht schon der nächste Besucher vor der Tür. Ein alter Bekannter. Der Pilzfreund, der einen Gourmetführer schreiben wollte und nun als Spülhilfe arbeiten möchte. Er hat in den letzten Jahren als Küchenhelfer gearbeitet und will in Zukunft spülen. Wie erwartet, hat er eigene, kaum eigenwillige, Anschreiben produziert, die ich minimal verändere und dann ausdrucke. Ich glaube, der Pilzfreund wird mich bis zu seiner Rente immer wieder mal besuchen. Ich finde, er riecht nach Gemüsesuppe. Nachdem er mein Büro verlassen hat, lüfte ich kurz durch. Die Mischung meiner letzten beiden Besucher ist nicht ganz das, was ich mir für meine empfindliche Nase gewünscht habe. Als die Luft wieder brauchbar ist, wasche ich mir die Hände, esse eine Kleinigkeit und frage mich, was aus mir später mal werden wird. Dann fällt es mir wieder ein. Nichts. Aus mir wird nichts mehr. Ich habe das Maximum aus mir herausgeholt. Weil ich das irgendwie erbärmlich finde, sitze ich eine Stunde einfach so da und drehe nur gelegentlich den Kopf, um aus dem Fenster zu gucken. Das ist es, was ich wirklich kann. Wahrlich beeindruckend.
Loerz ruft mich an und sagt, dass er sich für mich freut, dass ich bald täglich ins Büro darf. Er erzählt obendrein, wie schön es ist, wenn man einen Job und tolle Kollegen hat. Wenn ich mich doch auch mal freuen könnte. Aber Freude ist ein Gefühl, dazu noch ein positives. Mit so Sachen tue ich mich seit jeher schwer. Vermutlich ein Gendefekt. Oder irgendein Fehler im Gehirn. Wer weiß das schon?
Einer der Kollegen aus der vierten Etage schaut kurz bei mir rein und sagt, dass ich, wenn ich täglich da bin, ab und zu mal in die Küche kommen soll, um die anderen Kollegen kennenzulernen und so. Damit erwischt er mich auf dem falschen Fuß, hatte ich doch geplant mein Büro nur zu verlassen, wenn ich mal zur Toilette muss und nach Hause gehe. An Kommunikation mit anderen hatte ich bisher nicht gedacht. Ich sehe da auch keinen Sinn drin, weil ich eh nichts zu sagen habe und ein Eigenbrödler bin. Vermutlich sollte ich darüber nachdenken, ob das wirklich so angebracht ist. Andererseits bin ich mittlerweile auch zu alt, um mich noch groß zu ändern. Veränderungen, egal welcher Art, sind meist auch gar nichts für mich. Veränderungen bringen mich nur durcheinander. Das möchte ich nicht.
Die letzte Besucherin des Tages gehört zu denen, die schon seit Jahren regelmäßig herkommen. Zwischenzeitlich hatte sie mal einen Job, aber nun scheint sie zu alt, obwohl man ihr das Alter gar nicht ansieht. Sie wirkt bis zu zehn Jahre jünger als sie wirklich ist, was ihr aber auch nichts nützt. Der Arbeitsmarkt hat keine Verwendung für so alte Menschen. Ihr Besuch ist dennoch verwirrend, weil er lustig ist und ich sie so zum Lachen bringe, dass ihr fast die Tränen kommen. Das ist befremdlich, habe ich doch seit Jahren keine Frau mehr so zum Lachen gebracht. So endet mein letzter Tag als ehrenamtlicher Mitarbeiter fast menschlich.
Zum Abschluss mache ich die am Monatsende üblichen QM-Statistiken und schicke sie meinem Chef. Es muss alles seine Ordnung haben, auch wenn manche Ordnung keinen Sinn zu haben scheint.